Interessengemeinschaft
Kulturraum Reitschule (IKuR)
Neubrückstrasse 8, Postfach 5053, 3001 Bern
www.reitschule.ch
Bern, 19.2.09
Medienmitteilung der Reitschule Bern
zur Behandlung der Motion Mozsa im Stadtrat
Die Motion Mozsa kritisiert den Organisationsaufbau der Reitschule
sowie Sicherheitsprobleme im Umfeld der Reitschule. Die angesetzte
Diskussion im Berner Stadtrat nehmen wir zum Anlass, den Medien
vertiefende Informationen sowie unsere Einschätzung zuzustellen.
Die
Reitschule Bern macht und machte immer wieder die Erfahrung, dass es
sehr viel einfacher ist, mit all dem, was vor und neben der Reitschule
passiert - und nicht immer nachvollziehbar mit der Reitschule in
Verbindung gebracht wird - in die Medien zu kommen, als mit dem
Kulturprogramm oder den Politveranstaltungen, die mit grossem
Engagement und
viel Gratisarbeit von den BetreiberInnen der Reitschule organisiert
werden.
Von diesem Effekt profitieren neben der Motion Mozsa auch
PolitikerInnen und Polizeikreise, die immer wieder Geschehnisse rund um
die Reitschule medial für ihre Zwecke missbrauchen.
Viele (Sicherheits-)Probleme rund um
die Reitschule sind nicht hausgemacht
Die Bildung der Offenen Drogenszene unter der Eisenbahnbrücke
2006-2008
und die wiederholten Forderungen u.a. der Reitschule nach einer zweiten
Drogenanlaufstelle und anderen Überlebenshilfemassnahmen wurden
von
Behörden und Politik lange ignoriert.
Erst nach dem tragischen
Todesfall Anfang September 2008 konnten Behörden und Politik die
Augen
nicht mehr vor der gesundheitspolitischen überaus bedenklichen
Situation verschliessen: Die Repression wurde im Bereich
Schützenmatte
massiv erhöht, der Gemeinderat hat (in seiner Antwort auf
die Motion Mozsa) seine passive Haltung revidiert und eine "rasche
Realisierung eines zweiten Standorts für die Anlaufstelle (...)
sowie
soziale Massnahmen" als notwendig bezeichnet. Seither hat sich die
Situation auf dem Vorplatz und unter der Eisenbahnbrücke für
die
Reitschule massiv verbessert - vorerst zumindest.
Für eine nachhaltige - und nicht nur temporäre - Entspannung
der
Situation ist eine zweite Drogenanlaufstelle (und als
Übergangslösung
die Verlängerung der Öffnungszeiten der Drogenanlaufstelle
Holderstrasse bis mindestens 24 Uhr) zwingend - auch nach dem negativen
Finanzierungsentscheid des Kantons.
Immer wieder werden
Demonstrationen im Raum Bollwerk von der Polizei Richtung Reitschule
gedrängt, allfällige Auseinandersetzungen spielen sich
folglich vor der
Reitschule ab. Durch den Einsatz von Gummischrot und Tränengas
wird
dabei nicht selten auch die Gesundheit und
körperliche Integrität von Gästen und Arbeitenden
gefährdet (z.B. durch
eine Massen-Panik). Nicht anders als für Vereine bei
Auseinandersetzungen nach Fussballspielen ist es auch für die
Reitschule-BetreiberInnen manchmal schwierig, die Gemüter aller
Gäste
im Zaum zu halten, da sie solche Polizeiaktionen als Provokation
empfinden.
Den Reitschule-BetreiberInnen ist es ein Anliegen, dass das Kultur- und
Begegnungszentrum ein Ort ist, wo niemand Angst haben muss vor verbalen
oder tätlichen Übergriffen. Als eine von verschiedenen
Massnahmen wurde
deshalb vor über zwei Jahren die Anlaufstelle gegen Gewalt in der
Reitschule geschaffen
(http://www.reitschule.ch/reitschule/gruppen/aggr.html). Im
Übrigen
wird die Reitschule weiterhin mit Projekten auf dem Vorplatz
präsent
sein, damit der Vorplatz wieder ein "Treffpunkt für alle" werden
kann.
"Gegenseitige Zusammenarbeit"
Die oben genannten Auswirkungen der Drogenpolitik sowie das
polizeiliche Verhalten gegenüber Demonstrationen im Raum Bollwerk
schaffen Reibungsflächen zwischen den BetreiberInnen und
Gästen der
Reitschule und der Polizei. Über Häufigkeit und
Ausprägung solcher
Ereignisse herrscht Uneinigkeit zwischen und unter
Polizeiführungskräften, Polizeikräften vor Ort,
PolitikerInnen sowie
Reitschule-BetreiberInnen. Die Stadt konnte z.B. ihre Beschuldigungen
bezüglich der Vorplatz-Belebung schliesslich nicht
aufrechterhalten.
Auch punkto Verbindungstelefon Reitschule-Polizeieinsatzleitung, musste
die Stadt zurückkrebsen: Jüngst nach dem 31. Januar, als
Polizeidirektor Reto Nause zugeben musste, dass die Reitschule die
Polizei kontaktieren wollte und nicht umgekehrt. Die Reitschule ist der
Ansicht, dass Konflikte in diesem Bereich nicht in den Medien, sondern
in den
dafür bestehenden Gefässen geführt werden sollten. Es
entsteht
andernfalls der Eindruck, dass die Thematik für Wahlkämpfe
und
Profilierungsversuche missbraucht wird.
Organisation der Reitschule
Die Motion Mozsa kritisiert unter anderem die basisdemokratischen
Strukturen der Reitschule, denen es an Verbindlichkeit und
Verantwortung mangle.
Die Reitschule-BetreiberInnen widersprechen
dieser Ansicht vehement und betonen, dass es sich bei den Strukturen
der Reitschule um solide, über die Zeit entwickelte und gewachsene
Formen des Zusammenlebens und -arbeitens handelt - ohne Betriebsleitung
oder "Chef/Chefin". Eine Abkehr von den basisdemokratischen Strukturen
ist nicht verhandelbar, weil es sich um das Fundament des Kultur- und
Begegnungszentrums Reitschule handelt.
Zum besseren
Verständnis erläutern wir nachfolgend die
Organisationsstruktur, wie
sie seit vielen Jahren breit abgestützt funktioniert. Das
juristische
Dach der Reitschule ist seit der Wiedereröffnung im Jahre 1987 der
1986
gegründete Verein Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule
(IKuR).
Die Reitschule ist konsensorientiert und basisdemokratisch, ihre
Mitglieder sind die Reitschule-Gruppen (RG). Sie verwalten die
Räume
und betreuen ihre Aufgaben, besprechen Gesamtreitschule-Angelegenheiten
wöchentlich an der RG-Delegiertenversammlung, der
Koordinationsgruppe
(KG), und berufen bei wichtigen, respektive grundsätzlichen Themen
Vollversammlungen (VV) ein. Die KG bestimmt die Delegierten für
die
Stadtgespräche. Sekretariat von KG und VV sowie Ansprechpartnerin
gegen
aussen ist die Betriebsgruppe, die aus Delegierten der RG besteht. Im
Reitschule-Manifest sind die wichtigsten Grundsätze und
Organisatorisches festgehalten
(http://www.reitschule.ch/reitschule/presse/060130manifest.pdf).
Punkto Verbindlichkeit weisen wir ein weiteres Mal darauf hin, dass es
die Stadt über ein halbes Jahr lang nicht geschafft hat, eine
zuständige Person für die vertraglich abgemachten
Gespräche zu finden.
Die kürzliche Wahl von Regierungsstatthalterin Regula Mader als
vorläufige Ansprechpartnerin zeugt aber weiterhin nicht von einem
Bestreben seitens der Stadt Verbindlichkeiten einzugehen.
Für Fragen stehen wir Ihnen unter medien@reitschule.ch gerne zur
Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen
Mediengruppe
Reitschule Bern
P.S.:
Betreffend die Motion Mozsa hat die Reitschule am 9.6.2008 bereits mit
einem Offenen Brief Stellung genommen.
(http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/08-06-09-offenerbriefangfl.html)