Polizeiverantwortliche
missbrauchen "Bericht Mader" als Ablenkung von
SVP-Polizeieinsatz-Fiasko und gravierenden Grundrechts-Verletzungen
Bern, 12.9.11
Sehr geehrte Medienschaffende
Die unter Druck geratenen Polizeiverantwortlichen von Stadt und Kanton
Bern versuchen alles, um von ihren Fehlleistungen am vergangenen
SVP-Samstag abzulenken. Der neueste mediale Coup: Sie missbrauchen den
von ihnen in Auftrag gegebenen
"Bericht Mader" als Feigenblatt, um für den
unverhältnismässigen
Polizeieinsatz einen Anschein von Verhältnismässigkeit und
Rechtsstaatlichkeit zu suggerieren (siehe
Meldung
KaPo von heute).
Doch der vorläufige Bericht der ehemaligen Regierungsstatthalterin
Regula Mader behandelt einzig die "technische" Polizeiarbeit im
provisorischen Gefängnis im "Festhalte- und Warteraum Neufeld",
aber
nicht die Grundrechts-Verletzungen der Hunderten von Betroffenen durch
willkürlichen Kontrollen, Durchsuchungen, Wegweisungen und
Festnahmen,
die politische und juristische Dimension des temporären
Polizeistaates
in der Innenstadt oder die realitätsfremde
Gefahrenlage-Einschätzung im
Vorfeld (siehe Medienmitteilung von gestern).
Die Reitschule Bern kritisiert das selbstgefällige Vorgehen der
Polizeiverantwortlichen und fordert weiterhin eine unabhängige
Untersuchung des ganzen Polizeieinsatzes.
Mit freundlichen Grüssen
Mediengruppe
Reitschule Bern
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police.be.ch 12.9.11
Stadt Bern: Abläufe im Festhalte- und Warteraum analysiert
http://www.police.be.ch/police/de/index/medien/medien/aktuell.meldungNeu.html/police/de/meldungen/police/news/2011/09/20110912_1348_stadt_bern_ablaeufeimfesthalte-undwarteraumanalysiert
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SVP-Fest: Polizei verschleudert eine Million für ein Hirngespinst
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Reitschule fordert unabhängige Untersuchung des Polizeieinsatzes
Bern, 11.9.2011
Sehr geehrte Medienschaffende
Dank der heutigen NZZ vom Sonntag wissen wir, dass der gestrige
Polizeieinsatz im Zusammenhang mit dem als "Familien-Fest" getarnten
SVP-Wahlkampfpropaganda-Aufmarsch auf dem Bundesplatz rund eine Million
Franken gekostet hat.
Dies für die Errichtung eines temporären Polizeistaates in
der
Innenstadt um den angeblich gefährdeten
SVP-Wahlkampfpropaganda-Anlass
zu "schützen". Dabei ignorierten die Polizeiverantwortlichen die
reale
Gefahrenlage und redeten in der Öffentlichkeit ähnlich wie
die SVP eine
Eskalation herbei. Opfer dieser Politik wurden TouristInnen und die
BewohnerInnen der Stadt Bern.
Gefahrenlage entpuppt sich als Hirngespinst
Das martialische 1000-köpfige Polizeiaufgebot wurde in den letzten
Tagen und Wochen damit begründet, es bestünde - mit Hinweis
auf die
Geschehnisse vom 6.10.2007 - die Gefahr von Angriffen auf den
SVP-Anlass. In verschiedenen Medienberichten war zu lesen, es gäbe
entsprechende Drohungen "im Internet". Diesbezügliche Zitate und
Quellen blieben die AutorInnen allerdings schuldig. Und wer versuchte,
die angeblichen Drohungen im Internet zu finden, wurde selbst auf
einschlägigen Webseiten nicht fündig.
So blieb gewissen Medienschaffenden nichts anderes übrig, als z.B.
Einzelsätze aus dem "Ganz FEST gegen Rassismus"-Aufruf auf
halts-maul.ch zu kopieren und diese als "Drohungen" darzustellen. Auch
das am Freitag 9.9.11 auf das Dach der Reitschule gespannte und mit
diesen Diskussionen spielende Transparent mit der satirisch-zynischen
Message "Welcome to Hell" wurde dankbar als "Bedrohungs-Beweis"
aufgenommen.
Der sich wie die SVP im Wahlkampf befindende Stadtberner
Sicherheitsdirektor Reto Nause behauptet nun im Nachhinein sogar, dass
es aus dem "Umfeld der linksautonomen Reitschule" "Aufrufe zur Gewalt"
gegeben habe (NZZ am Sonntag 11.9.11).
Eine interessante Aussage - denn davon wissen und hören die
angeblich
"Aufrufenden" erst heute durch die Aussagen von Herrn Nause!
Nause, KaPo und Nachrichtendienst ignorieren linke Stadtpalaver
In den Monaten und Wochen von dem SVP-Anlass führten verschiedene
politisch aktive Gruppen und Einzelpersonen aus dem
ausserparlamentarischen linksalternativen und linksautonomen Spektrum
im Raum Bern verschiedene informelle Gespräche zu möglichen
Strategien
angesichts des SVP-Aufmarsches und des zu erwartenden
Polizeiaufmarsches.
Die Erkenntnisse aus diesen Diskussionen: 1. Da es sich im Gegensatz zu
2007 nicht um einen "Marsch auf Bern" sondern nur um eine simple
Platzkundgebung handelt, bei der sich die SVP selber einzäunt,
sind
grössere Aktionen auf der Strasse unnötig. 2. Allfällige
militante
Aktionen gegen den SVP-Anlass bergen die Gefahr von Verletzten auf
beiden Seiten und bei Unbeteiligten und sind deshalb abzulehnen.
Als "Nachwehe" dieser linken Stadtpalaver entstand ca. 3 Wochen vor dem
10.9. relativ spontan die Idee für das "Ganz FEST gegen Rassismus"
-
Halt’s Maul Schweiz" im Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule Bern.
Dies um der Bevölkerung die Gelegenheit zu geben, gemeinsam mit
anderen
Zivilcourage zu zeigen und ihren Unmut über den SVP-Anlass und die
rassistische Propaganda der SVP auszudrücken (Programm siehe
http://www.halts-maul.ch).
Dass es am 10. September keine militanten Aktionen gegen SVP geben
würde, war in der Stadt Bern allen klar. Auch den
Polizeiverantwortlichen und der SVP. Doch beide redeten bis zuletzt
eine mögliche Eskalation herbei und rechtfertigen damit auch im
Nachhinein den unverhältnismässigen Polizeieinsatz und die
temporäre
Einführung des Polizeistaates in der Innenstadt.
Kontrollen, Durchsuchungen, Wegweisungen und Festnahmen
Die Früchte dieser Eskalations-Logik: Ohne reale Gefahrenlage
wurden
Hunderte von StadtbenützerInnen beim Einkaufen, Flanieren,
Fotografieren von Polizisten-Gruppen oder Beobachten des SVP-Anlasses
von Berner und auswärtigen Polizeieinheiten kontrolliert,
durchsucht,
weggewiesen und/oder vorübergehend festgenommen. Dies nicht nur
rund um
den Bundesplatz, sondern auch in der Innestadt und in Aussenquartieren
oder auf dem Weg zum Gegenanlass in der Reitschule.
Die Kantonspolizei informierte gestern über 55 Festnahmen und
präsentierte als Rechtfertigung für ihren Einsatz angebliche
"gefährliche Gegenstände". Dass die Festnahmen vollkommen
willkürlich
erfolgten - vereinzelt wurden sogar SVP-Anhänger festgenommen
- und
der Grossteil der beschlagnahmten Dinge wohl legal ist und dass an
jedem beliebigen Samstag-Nachmittag wohl ähnliche Dinge
beschlagnahmt
werden könnten, verschweigt sie dabei gerne.
Fakt ist: Für eine vorübergehende Verhaftung reichten schon
iPhone-Fotos von Polizisten-Gruppen, kritische Kommentare über den
Polizeiaufmarsch, der Besitz "falscher Flugblatter" oder
"verdächtiges
Telefonieren" auf dem Bundesplatz.
Unabhängige Untersuchung
Die Reitschule Bern fordert deshalb eine unabhängige Untersuchung
des gestrigen Polizeieinsatzes.
Im Zusammenhang mit dem gestrigen Polizeieinsatz stellen sich unter
anderem folgende Fragen:
- Aufgrund welcher Erkenntnisse wurde die Gefahrenlage
eingeschätzt und das Dispositiv errichtet?
- Wie lautete die nachrichtendienstliche Einschätzung?
- Wie wurden die einzelnen PolizistInnen auf den Einsatz vorbereitet?
- Welche Bevölkerungsgruppen wurden als Bedrohung eingestuft?
- Wieviele Kontrollen aufgrund welcher Kriterien wurden
durchgeführt? Wieviele davon sind Mehrfach-Kontrollen?
- Wieviele Wegweisungen und Perimeter wurden erteilt?
- Wieviele Personen wurden wegen Verstosses gegen die Wegweisungen
gebüsst?
- Erscheinen diese Wegweisungen und allfällige Bussen in der
jährlichen Wegweisungs-Statistik?
- Was waren die Gründe für die einzelnen Festnahmen?
- Wieviele Festnahmen stellten sich als ungerechtfertigt heraus?
- Wieviele und welche beschlagnahmten Gegenstände sind legal?
- Aufgrund welcher Fakten und welcher Rechtsgrundlagen erfolgten
Kontrollen, Durchsuchungen, Wegweisungen, Festnahmen und
Beschlagnahmungen?
- Was passiert mit den erhobenen Daten der Kontrollierten,
Weggewiesenen und Festgenommenen?
- Aufgrund von welchen Erkenntnissen wurde die massive
Polizeipräsenz bis in die späten Nachtstunden aufrecht
erhalten?
- Wer ist politisch verantwortlich? Wer bei der Polizei?
Zivilcourage nötig
Zivilcourage ist nötig in diesen Tagen. Nicht nur gegenüber
der Hetze
der SVP, sondern auch gegenüber polizeistaatlichen Tendenzen wie
an
diesem Samstag. Wir vermissen dabei die kritischen Stimmen aus dem
sonst so auf Freiheit und Rechtsstaatlichkeit bedachten
linksgrünen und
bürgerlichen Lager.
Mit freundlichen Grüssen
Mediengruppe
Reitschule Bern