MEDIENSPIEGEL 11.-27.12.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo, Rössli, DS, GH, Infoladen)
- (St)Reitschule: Farbbeutel, Handtäschli-Klau + Flaschen
- Knast-Soli Billy, Costa + Silvia
- Zaffaraya: Keine Legalisierung
- Gasse BE: Offene (Heiliggeist-)Kirche; Gassenarbeit
- Centralweg: Ausstellung zu Bauprojekt
- Anti-SVP: Farbiges in Winterthur + Bern
- Kino Kunstmuseum: Licht bald aus?
- Deisswil: Kritik per Buch
- Rabe-Info 13.-23.12.10
- Drogenpolitik Thun: Abgang von Andreas Lüscher
- Rauchverbot BE: nix da Änderung
- Drogenrazzia im Sachabgabezentrum auf Brünig
- Police BE: AusländerInnen; Securitas; Thun
- Harassenlauf BL: Auflösung OK stresst Obrigkeit
- Dealszene BS: Jung, winterfest + polizeiresistent
- Rassismus: Schutz Dunkelhäutige
- Antifa: Fluchthelfer 1930er
- SS-Arzt aus Luzern
- Rechtsextrem: NPD-Flyer pro CH; Freysinger bei franz. Rechten; Prozess Aarwangen/Wangen + Uri
- Identitätswahn: Warum es gesund ist ein Fremder zu sein
- Sans-Papiers: legale Lehre; Knastgefühle; Studie; Kontakt- + Beratungsstelle LU
- Asyl: Härtefälle; gegen Internierung AG
- Migrationsrecht: Heiratsverbot; Rechtshilfe
- Nothilfe: Beibehalt ZH; Baucontainer SG
- Ausschaffungen: Millionen für Rückkehrprojekt; Rüge für BfM; Sonderflüge; Ausschaffungsknastzahlen BE; Alain du Bois-Reymond
- Sexwork: Bordell-Gesetz LU; Tag gegen Gewalt an Sexarbeitenden
- Squat FR: Widerspruch von Raie-Manta
- Freiraum SO: Illegale Pary mit Folgen
- Squat VD: VillabesetzerInnen von Clarens können bleiben
- Velodemo GE: Polizei wartet ab
- Autonome Sommeruni LU: Vorträge online
- Gassenküche: Langenthal
- Obdachlos: Winterthur; Zürich; Limmattal; Luzern, Bern, Basel
- Big Brother Sport: Benimmdiktat; Pyrounfall LU; Anti-Hool ZH; Stadionexperten LU; Sicherheitskosten LU
- Big Brother: Fichierung VD; AFIS New Generation; Handy-Drohungen gegen rechts; Fichen-Film
- Police CH: Contremouvments; Grenzwachtkorps;
- Anti-Feminismus: Kuhn for Nationalrat; SVP-Ausschluss; Streitgespräch
- Homophobia: Blatters WM 2022; Bagger-Pauli; Prager Penistest
- Rote Flora erhalten
- Undercover: Tierrechte-AktivistInnen auch in Luzern ausspioniert
- Briefbomben Rom: FAI - Namensklau + grosse Worte; CH-Connections; Strategie der Spannung
- Kopenhagen 2009: Massenverhaftungen illegal
- Schokolade: Kinderarbeit nicht süss
- Drogen: Hanfdiebe; DEA international tätig; teure Kokainprozesse; Tierische Drogenköpfe; Koks in Zug; Drogenkartelle Mexico; Online-Therapie; Partydrogen; Indoor-Boom
- Maras: Leben und Tod der Jugend Zentralamerikas
- Anti-Atom: Mühleberg; Tiefenlager; Stromkonzerne-Kuhhandel; Zwischenlager; Majak-Uran; Atom-Lobby; Bautypen; Finnland; USA; BKW-Uran; Kerntech-Zukunft; NW, OW, AG; TG, SO; Anti-AKW; Kosten Mühleberg2; Majak; Bözberg; SBB-Absage

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REITSCHULE
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Di 28.12.10
20.00 Uhr - Rössli - Tomazobi — Ein Wintermärchen
20.30 Uhr - Tojo - "Lustiger Dienstag 50" Mehr als Variété. LuDi-Crew und Gäste.

Mi 29.12.10
19.00 Uhr - SousLePont - Bündner Spezialitäten
20.00 Uhr - Dachstock - BM Lotto: Hosts: ELSA FITZGERALD & MÜSLÜM, Showcase : Lt. SLAM & HIS MIGHTY BASSDRUM (Human Jukebox Session !) Unglaubliches BM Lotto 4.0
20.30 Uhr - Tojo - "Lustiger Dienstag 50" Mehr als Variété. LuDi-Crew und Gäste.
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne

Do 30.12.10
20.30 Uhr - Tojo - "Lustiger Dienstag 50" Mehr als Variété. LuDi-Crew und Gäste.

Fr 31.12.10
22.00 Uhr - SousLePont - Bad Taste Sylvesterparty mit DJ Set von Copy&Paste
23.00 Uhr - Frauenraum - LesBiSchwules Bern presents: EISSCHMELZE VOL. 3. Mit Princess P, Thalamus, Casa-Show & Auf Dauerwelle

So 02.01.11
08.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt bis 16h
13.30 Uhr - Kino - Michel in der Suppenschüssel, Schweden/Deutschland 1971

Mi 05.01.11
19.30 Uhr - Infoladen - Welcome to Hell: Zu Besuch bei Mumia Abu-Jamal

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturstadttbern.derbund.ch 27.12.10

Kulturbeutel 52/10

Von Gisela Feuz am Montag, den 27. Dezember 2010, um 06:00 Uhr

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Herr Gnos empfiehlt:
Das Konzert der Luzerner Desert-Rock-Jazzer Grey Mole, die heute Montagabend an der Zieglerstrasse 9 in Bern das Micro-Jazzfestival "Die letzten Tage" eröffnen. Das Quintett ist mit Howe Gelb befreundet, hat mit dessen Sängerin Lonna Kelley schon die eine oder andere Schweizer Tour absolviert und tritt zwischendurch immer mal wieder mit dem Ex-Dead-Brother Pierre Omer auf. Und am Donnerstag lohnt der Besuch im Rössli bei den Low-Fi-Cowboys Captain Moustache & Fredo Ignazio. Die zwei Glarner verstehen es, den Western-Trash zu zelebrieren.

(...)

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Bund 27.12.10

Auf der anderen Seite des Christbaums

 Ein gestrandeter Lette, ein Weihnachtsessen in der Gassenküche oder im Nobelrestaurant, junge Christen am Loeb-Egge und ein Künstler im Dunkeln: Bern schreibt die verschiedensten Weihnachtsgeschichten.

 Fiona Ziegler

 Samstagabend, 25. Dezember, in Bern: Weisse Weihnachten wie im Bilderbuch. Doch kalt ist es, "so kalt wie zu Hause", sagt Olegs Ignatjevs aus Lettland. Er war vor einigen Tagen in die Schweiz gereist, da ihm ein Freund aus Riga Arbeit auf einer Berner Baustelle versprochen hatte. Beim Zwischenhalt in Zürich sei ihm in einem Café alles gestohlen worden, erzählt er.Einzig die Fahrkarte nach Bern blieb ihm. Und so habe er sich entschlossen, auf gut Glück hierherzureisen.

 Endstation Bern

 Am Bahnhof Bern traf er auf Heilsarmisten, die Weihnachtslieder sangen. Gestikulierend versuchte Ignatjevs, der nur russisch spricht, ihnen klarzumachen, was ihm passiert sei - und er eine Übernachtungsmöglichkeit suche. Die Heilsarmisten wussten Rat, brachten den 34-jährigen Letten in ihrem Passantenheim unter, bis ihm das lettische Konsulat nach den Feiertagen weiterhelfen würde.Im grossen, mit einem Christbaum dekorierten Speisesaal des Heilsarmee-Passantenheims erklärt er der russischen Übersetzerin, was ihm widerfahren sei. Seinen Freund werde er wohl kaum mehr auffinden können, da ihm dessen Telefonnummer und Kontaktadresse zusammen mit seinem Geldbeutel gestohlen worden sei. Es sei das erste Mal, dass er Weihnachten nicht zu Hause verbringe. Am Heiligabend habe es im Passantenheim eine Weihnachtsfeier gegeben. Schön, dass er doch noch etwas weihnachtliche Stimmung habe erleben dürfen. Was er denn gemacht habe, seit er in Bern gestrandet sei? Er habe sich Bern etwas angeschaut. Es sei eine schöne Stadt, aber nicht das Ziel seiner Reise gewesen. Und sein Wunsch zu Weihnachten? Er überlegt und meint dann ziemlich nüchtern: "zurück nach Hause zu kommen." Irgendeinen Weg werde er schon finden, fügt er bei, denn er sei schliesslich ein Optimist.

 Ein spezielles Weihnachtsmenü

 Kein Christbaum, sondern deutsche Punkmusik bei der Essensausgabe in der Gassenküche an der Neubrückstrasse 19: Der gelernte Koch Mario Stegmann kocht ein Weihnachtsmenü bestehend aus Suppe, Nüsslersalat und einem Kalbssteak an Morchelrahmsauce. Zum Dessert gibts ein Caramelköpfli, sagt der 52-jährige Koch und zeigt den angerichteten Dessertteller. Seit 22 Jahren koche er jedes Jahr am 25. Dezember ehrenamtlich für die Gassenküche. Das Essen an Weihnachten sei für die jeweils zehn bis fünfzehn Leute gratis, "weil ja Weihnachten ist". Am Tresen sitzt Roberto Gygli, der gerade den - à la minute zubereiteten - Kalbsbraten kostet. Er wohne seit drei Jahren in Bern und arbeite auf dem Bernermärit, wo er südamerikanische Produkte verkaufe, sagt der 32-jährige Peruaner. Seine Familie lebe in Peru, und so esse er jedes Jahr an Weihnachten hier. Es gebe die konventionelle Sicht von Weihnachten, aber hier verbringe man einen ganz normalen Abend, an dem man Freunde treffe - und trotzdem sei es speziell.

 Anders der Rahmen und das Ambiente im Bellevue-Palace: Vor dem Eingang zu Berns Fünfsternhotel steht ein roter Ferrari mit Zuger Nummernschild, das Eingangsportal zieren links und rechts zwei farbige Nussknacker-Figuren, im Eingangsbereich funkeln 22 000 Weihnachtskugeln. Die Eingangshalle dominiert ein zehn Meter hoher Weihnachtsbaum. Das Bellevue sei über die Weihnachtstage sehr gut besucht, und es seien nicht nur Paare, die an Weihnachten hier essen würden, sagt Direktor Urs Bührer. Auch ganze Familien zählten zu den Gästen im Restaurant La Terrasse, die mit einem von Küchenchef Gregor Zimmermann komponierten 6-Gang-Festmenü verwöhnt würden. Kostenpunkt: 140 Franken pro Person.

 Junge Christen am Loeb-Egge

 Der Kälte trotzend, verteilen elf Jugendliche am Loeb-Egge Punsch, Schinkengipfeli, Weihnachtsgebäck und Schokolade. Es sind freikirchliche Christen aus Frutigen, zwischen 18 und 22 Jahre alt. Man habe am 24. Dezember mit der Familie gefeiert, um dann am Weihnachtsabend in Bern sein zu können. Sie wollten, sagen sie, die Liebe, welche die Geburt Jesu symbolisiere, auf diese Art weitergeben und den Passanten eine Freude bereiten. Während am Loeb-Egge warmer Punsch ausgeschenkt wird, tritt Boris Billaud um 20 Uhr aus dem Progr und hängt eine brennbare Maske an einen Baum. Seine "Atmoterroristische Demonstration", wie er sie nennt, sei bewusst am Weihnachtsabend angesetzt und sei vergleichbar mit einem winteraustreibenden Ritual. Er wolle damit die Kritik am gegenwärtigen Kulturdiskurs zum Ausdruck bringen, erklärt er zwei Besuchern aus Thun.

 Einige Meter weiter fragen zwei junge Frauen aus St. Gallen, wo man denn in Bern am Weihnachtsabend ausgehe. Sie hätten dem Weihnachtsprozedere zu Hause entfliehen wollen und seien deshalb nach Bern gereist. Nun, wer sich ins Nachtleben stürzen wollte, hatte die Qual der Wahl: Über 19 Clubs boten Weihnachtspartys an, wobei das Tojo in der Reitschule schon um Mitternacht ausgebucht war. Es sei eine Menschenmenge auf der Flucht vor Weihnachten, meint ein Besucher. Und eine junge Frau erklärt, sie komme jedes Jahr nach dem Familienfest hierher, denn: "Wie der Truthahn am Weihnachtsessen, so ist das Tojo am 25. Dezember Tradition."

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kulturstattbern.derbund.ch 27.12.10

Do the Weihnacht

Von Gisela Feuz am Sonntag, den 26. Dezember 2010, um 16:24 Uhr

Das waren noch Zeiten, als an Weihnachten jeder Club und jede Beiz geschlossen blieb und sich die verlorenen Seelen zu Hause in den eigenen vier Wänden die Kante geben mussten. Mittlerweile kann in der heiligen Zeit ja praktisch an jeder Ecke gefeiert und getanzt werden, ein Angebot, welches gestern zumindest in der Reitschule rege genützt wurde.

Ausverkauftes Haus wurde gemeldet. In die Tojo-Disko gabs um halb Vier kein Reinkommen mehr und auch Dachstock und Sous Le Pont platzten aus allen Nähten. Viel lustiger war es aber sowieso draussen, genauer an der Ecke vor dem Rössli zum Innenhof. Dort hatte sich nämlich eine primatiptope Eisschicht gebildet, welche dem nicht mehr ganz nüchternen Partyvolk das Leben schwer machte. Ist ja auch schwierig an Weihnachten, wenn der Körperschwerpunkt wegen Mamas Braten um einiges tiefer liegt als sonst. Von Papas Grappa wollen wir erst gar nicht reden. Jedenfalls konnte auf besagter Eisschicht vom eleganten doppelten Rittberger bis hin zum ausdrucksstarken Pinguin (Flach auf die Wampe fallen) alles beobachtet werden, was das Chiropraktiker-Herz erfreut.

Im Dead End gings zu noch späterer Stunde ähnlich lustig zu und her. Auf der Bühne griffen Mission Control in die Rockabilly-Saiten und wurden dabei kritisch-wohlwollend beäugt vom Stillen Hasen. Wenigstens der hat diese Weihnacht offenbar auch überlebt und ist nicht in irgendeinem Römertopf gelandet. Hallelujah.

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Bund 24.12.10

Bananen und andere Ausrutscher

 Dichter, Komiker, Akrobaten und elektrisierende Coiffeusen haben am Lustigen Dienstag ihre grossen Auftritte: Der Variété-Abend im Tojo der Reitschule hat sich zum erfolgreichen Dauerbrenner entwickelt.

 Brigitta Niederhauser

 Am Anfang kam manchmal eine riesige Zange zum Einsatz. Sie wurde gebraucht, um einen Künstler von der Bühne zu schaffen, der schlecht war, langweilig oder sich nicht an die Abmachungen hielt. "Heute benötigen wir sie nicht mehr", sagt Markus Schrag vom Duo Hell & Schnell. Doch hemdsärmelig geht es auch nach sieben Jahren noch immer zu und her an den Lustigen Dienstagen (Lu-Di) im Tojo der Berner Reitschule. Denn Schrag schaut als Herr Schnell noch immer für Ordnung und massregelt die Dichter und Komiker, die Akrobatinnen und Coiffeusen, die lampenfiebrig über die Bretter stolpern, die nicht immer die Welt bedeuten.

 Herr Schnell ist Abwart, ausgestattet mit jenem Berufsstolz, der Mieter und Schulkinder fürs Leben traumatisiert. Seit er mit Herrn Schnell ein noch rechthaberischeres Alter Ego gefunden hat, arten seine Sturheit und sein Aufräumwahn noch mehr aus. Der Berner Künstler Luciano Andreani sass einst im Publikum und war vom grossen Potenzial der Abwartfigur begeistert. "Der Lustige Dienstag hat uns zusammengebracht", heisst es bei Hell & Schnell, dem Duo mit den schlecht sitzenden Bärten und Hüten, das mit eisernem Besen die Tingeltangel-Show frisiert und dessen Hinterhältigkeit immer fiesere Blüten treibt: Da wird auch mal eine Banane am Bühnenboden festgeschraubt. Um diesem Max Havelaar Manieren beizubringen, der sich seine Lacher holt, indem er einfach nicht aufhört, Bananen in sich hineinzustopfen.

 Liederzüchter und Schneemänner

 Der Lustige Dienstag, der während der Theatersaison jeweils am letzten Dienstag des Monats stattfindet, bringt nicht nur Künstler zusammen, er katapultiert sie manchmal auch auf grössere Bühnen. Als "Plattform für umwerfende Darbietungen und Ausrutscher aller Art" erstmals im Herbst 2003 durchgeführt, entwickelte sich das Variété zur beliebten Showbühne, sowohl für Newcomer, die ihre Kunst erstmals Publikumsreaktionen aussetzen, als auch für arrivierte Künstler, die neues Material austesten wollen.

 Pedro Lenz hat früh den Lustigen Dienstag entdeckt, Herr Schneemann beehrte samt Gattin mit seinem Schmelz den Anlass, der Komiker Andreas Thiel trat dort auf, bevor er dem Charme der SVP verfiel, der Liederzüchter Sarbach, Dottore Antonio Superbuffo, die elektrisierende Coiffeuse Sandra oder Könu, die singende Kamera. Drei bis sechs Minuten dauern die Nummern der Gäste, und für den akkuraten Rahmen sorgt die Lu-Di-Crew. Deren Auftritte werden wie kurze Kapitel einer Soap von Dienstag zu Dienstag weiterentwickelt, Cliffhanger, Pannen und Intrigen inklusive.

 Denn was die Hinterhältigkeit betrifft, so muss sich das Duo Hell & Schnell gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen, gehören doch zur aktuellen Mannschaft der überaus gewiefte Artdirector Will Lee alias Thomas Laube sowie der grimmige Hans Franz Nägeli (Robert Stofer), zwei ausgefuchste Lu-Di-Profis, die schon seit sieben Jahren durchhalten. Mit Judith Bach vom Duo Lunatic und der Praktikantin Cindy Lauper (Eveline Dietrich) mischen auch zwei Damen im Pointenpingpong mit. Sonst sind Frauen allerdings Mangelware, sowohl bei der Crew als auch bei den Gästen. "Es melden sich weit mehr Männer", sagt Schrag, und Andreani vermutet, dass Frauen mehr Mühe haben, sich selber blosszustellen. Im Unterschied zum Bösen Montag in Zürich, der oft zur Buh-Show ausartet, werden am Lustigen Dienstag keine Künstler fertiggemacht. Kommt einer nicht an, gibts einfach weniger Applaus.

 Obwohl der Lustige Dienstag mit Dirk Vittinghoff über einen professionellen Regisseur verfügt, hat die Show über all die Jahre ihren Ruf und ihre Beliebtheit als unberechenbares und mitunter auch chaotisches Happening bewahrt. "Wir kennen die Nummern unserer Gäste nicht", sagt Schrag. Ausgewählt werden die Künstlerinnen und Künstler an der monatlichen Sitzung der Crew, und pro Saison liegt nur ein Auftritt drin. Geprobt wird nur kurz, und wie der Abend ausgeht, weiss die Crew genauso wenig wie das Publikum.

 Max Havelaars Auferstehung

 "Manchmal müssen wir auch ein Crew-Mitglied beerdigen, und dann wirds für alle sehr emotional", sagt Andreani. Hat eine Figur einmal ausgespielt, wird ihr ein würdiger Abschied beschieden. So ist Max Havelaar, der unerschrockene Bananenfresser, mit Gospelklängen zu Grabe getragen worden. Fürs Jubiläum, die 50. Ausgabe des Lustigen Dienstags, wird er nun wiederbelebt. Was Hell & Schnell nicht weiter beeindruckt. Auch ein Wiedergänger hat sich an ihre Regeln zu halten.

 Die 50. Ausgabe des Lustigen Dienstags wird dreimal gefeiert: am 28., 29., 30. 12., jeweils um 20.30 Uhr im Tojo der Reitschule. An den drei Abenden treten immer andere Gäste auf. Infos: www.tojo.ch.

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Bund 23.12.10

Bewegungsmelder-Lotto

 Keine Rollschinkli in der Reitschule

 Nichts von wegen "Karton im Säli!" oder Rollschinkli - das Bewegungsmelder-Lotto, das zum vierten Mal stattfindet, funktioniert anders. Das dürfte etwa an den Zeremonienmeistern Elsa Fitzgerald und Müslüm (Bild) liegen, an den unorthodoxen Preisen, am Showcase von Lt. Slam & His Mighty Bassdrum oder nicht zuletzt, weil es auch Gratis-Lottokarten gibt.(reg)

 Reitschule Dachstock Mittwoch, 29. Dezember, 20 Uhr.

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BZ 23.12.10

Kunterbunte Kulturhäppchen für die Festtage

 AusgehtippsMan muss nicht am Festschmaus verschmoren. Auch kulturell läuft über die Festtage einiges. Konzerte, ob klassisch, jazzig oder rockig, Theater, Ausstellungen, Lesungen, Kinofilme und natürlich Partys. Die Kulturredaktion hat für Sie einen bunt gemischten Strauss an Tipps zusammengestellt. Ein Kulturprogramm vom 23. Dezember bis zum 2. Januar.

(...)

Tojo Theater     "Völlig losgelöst - the Real Eighties"

 Die Tanznacht mit Tradition: Im Berner Tojo-Theater lässt das Disko-Kollektiv "Völlig losgelöst" Schlimmes und Allerschlimmstes vergangener Tage auf ein amüsierwütiges, sentimental-williges Tanzvolk los: Neue Deutsche Welle, New Wave, Italo, Pop und Rock der 1980er-Jahre.

 25. 12., ab 23 Uhr, Tojo-Theater, Reitschule Bern.

(...)

Rössli-Bar     Tomazobi auf der Suche nach Geschenken

 Es weihnächtelt sehr, auch bei den drei Musikern der Mundartband Tomazobi. Mit ihrem Hörspiel "Uf dr Suechi nach de verlorene Gschänkli" machen sie halt in Bern. Ein Besuch lohnt sich: Die drei kämpfen gegen Eisköniginnen, Krokodile und Fledermausarmeen. Und sogar Rentierschlitten stürzen ab.

 28. 12., 20 Uhr, Rössli-Bar (Reitschule), Bern.

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Kulturagenda.be 23.12.10

Weihnachtsnachfeiern mit Stephan Bodzin im Dachstock

Mit Minimal und House laden Midilux und Beam Rec. zur Afterweihnachtsparty in den Dachstock. Ein Live-Set des Bremer Herzblut-Techno-Produzenten Stephan Bodzin und jede Menge lokale Acts stehen auf dem Programm. So tanzt man den vollen Bauch locker weg. Weitere Weihnachtsparty-Tipps finden Sie unter www.kulturagenda.be.
Dachstock in der Reitschule, Bern. Sa., 25.12., 23 Uhr

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Kulturagenda.be 23.12.10

Small Talk mit Robert Stofer,
Schauspieler und einer von vier Gastgebern in der Tojo-Variété- Serie "Lustiger Dienstag"

Der "Lustige Dienstag" feiert Jubiläum: Die 50. Ausgabe steht vor der Tür. Hat sich bei Ihnen nicht längst die Routine eingeschlichen?
Die Gefahr ist natürlich da. Aber ich spiele nun schon die vierte Figur, den Nägeli, und in der Entwicklung der Figuren passiert immer wieder etwas. Mit jeder Folge denken wir uns ein neues Nümmerli aus.

Was ist der Nägeli für ein Typ?

Nägeli sucht in allem das Negative. Er rühmt nichts ohne Grund, aber auch nicht, wenn es einen gäbe. Trotzdem hat er die Leute gern und ist nicht zynisch. Er führt als Moderator durch den Abend, macht die Überleitungen zwischen den Auftritten unserer Gäste. Normalerweise versprühen ja die Conferenciers nur Heiterkeit. Für die Künstler ist es gar nicht schlecht, wenn sie nicht überschwänglich angekündigt werden.

Die Serie ist zu einem Publikumsgaranten geworden. Was ist Ihr Erfolgrezept?

Es gibt jedes Mal überraschende Gäste. Dabei kann auch vieles in die Hose gehen. Ich denke, den Leuten gefällt es, dass nicht alles durchgestylt ist. Das gibt der Veranstaltung den gewissen Charme.

Statt nur einmal wie gewohnt findet die Jubiläumsfolge dreimal statt. Warum?

Zur 50. Folge machen wir etwas Besonderes: Es treten Gäste auf, die den "Lustigen Dienstag" mitgeprägt haben und die unserem Stammpublikum vertraut sind. Unter ihnen sind Künstler wie Pedro Lenz, Matto Kämpf, Arthur Kainamé und Peter Sarbach. An den drei Abenden gibt es dreimal verschiedene Gäste.
Interview: Michael Feller
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Tojo Theater in der Reitschule, Bern
Di., 28.12., Mi., 29.12., und
Do., 30.12., 20.30 Uhr. www.tojo.ch

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Bund 22.12.10

Ein Stromausfall und andere Offenbarungen

 Andere würden sich umgehend an den Tonmeister wenden. Nicht soGentleman: Als mitten im Konzert der Strom ausfällt und in der Grossen Halle der Reitschule nur noch ein mutloses Scheppern des Schlagzeugs zu vernehmen ist, lässt der Mann im weissen Leibchen seinen Kopf ins Genick fallen, schaut hoch zum Dach und vermutlich hindurch und deponiert seine Reklamation gleich beim grossen Meister da oben. Dann reicht der Sänger seinen Fans in der ersten Reihe Wasser. Erst als danach die Mikrofone immer noch tot sind, schreitet Gentleman zum Techniker und bald geht es weiter. Mit einer Show, die so perfekt ist, dass man ernsthaft ins Grübeln kommt, ob Gott höchstselbst hier einen kurzen Schabernack getrieben haben könnte.

 Aber das wäre nur eine Offenbarung unter vielen an diesem Montagabend. Erstens steht da mit Evolution eine Truppe auf der Bühne, die trotz schwierigen Soundverhältnissen weitaus dynamischer und präsenter agiert als ihr Vorgängermodell Far East Band. Wie das achtköpfige Gespann knackigen Roots-Reggae mit wuchtigem R 'n' B, schneidigem Rock und fiebrigem Dance- und Synthpop (bis hin zu Eurythmics "Sweet Dreams") verdrahtet, das ist so virtuos, dass der Vergleich mit The Roots sich geradezu aufdrängt. Zweitens bringt da Side-Kick und Gastsängerknabe Christopher Martin mit seinem glockenhellen Organ immer wieder jene zarte Gefühligkeit auf die Bühne, die im zeitgenössischen Reggae bedauerlicherweise weitgehend wegrationalisiert wurde.

 Die Hauptattraktion bleibt jedoch der deutsche Sänger Otto Tilmann alias Gentleman, der seit bald zehn Jahren als oberster Wanderprediger der europäischen Reggae-Gemeinde amtet. Und zuletzt mit dem Album "Diversity" ein durchaus riskantes Manöver vollzogen hat: die Eingemeindung von Soul und R 'n' B. Was auf dem Album bisweilen noch etwas gespreizt anmutete, erweist sich in der Reitschule als fulminante Rezeptur, die geeignet ist, den Reggae auf eine neue Intensitätsstufe zu heben. Sei es in der Erfolgssingle "To the Top" oder im zwanzigminütigen Schlussfurioso: Bei Gentleman wird jetzt nicht mehr nur geschaukelt, gewippt und gewackelt, sondern lupenrein und formidabel gerockt.

 Christoph Lenz

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kulturstattbern.derbund.ch 20.12.10

Kulturbeutel 51/10

Von Gisela Feuz am Montag, den 20. Dezember 2010, um 06:00 Uhr

Frau Feuz empfiehlt:
Hören Sie am Dienstagmorgen zwischen 9 und 10 Uhr bei Berns alternativem Kulturradio RaBe auf 95,6 MHz rein. Züri West werden nämlich in der Morgenshow zu Besuch sein und selber das Musikprogramm mit ihren Lieblingssong gestalten. Wer bereits im Vorfeld seinen Weihnachts-Pfunden zu Leibe rücken möchte, der kann dies am Donnerstag im Rössli in der Punkrock-Disco von Dannyramone und Rawking Nick tun. Wers lieber elektronisch-experimentell-hihopig mag, der gehe an diesem Abend in die Dampfzentrale zur Plattentaufe von Bushwacs Zweitling "Fight! And if you can‘t fight, kick! If you can‘t kick, bite!"

(...)

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20 Minuten 20.12.10

Am Samstag in der Berner Reitschule

 Techno-Spektakel bis zum Morgengrauen

 BERN. Das Berner Techno-Highlight des Jahres ging am Samstag über die Bühne. Auf dem Line-up: Timo Maas, Alter Ego und Derrick May.

 Ein DJ, ein Live-Act und eine Diva gaben sich am Samstag in der Berner Reitschule ein Stelldichein. Die Berner strömten in Massen hin, um zu Timo Maas, Alter Ego und Derrick May abzufeiern. Timo Maas liess als Erster die Beats trommeln: Zwei Stunden vergnügte sich der Deutsche an den Turntables, konnte aber als Einziger aus dem Trio seinem Status als ganz Grosser des Technozirkus' nicht ganz gerecht werden. Zwar hatte der Bückeburger um exakt ein Uhr mit einem noch sehr abwechslungsreichen Techno-Set angefangen. Mit der Zeit driftete er jedoch in eine zu monotone Richtung ab, so dass am Ende die grosse Halle gar etwas leerer erschien.

 Alter Ego hingegen machten im Anschluss mit ihrem Elektro-Set dann wieder mehr Laune. Eine Stunde lang kitzelten die Darmstädter alles aus den vordersten Reihen heraus, bis das Duo mit einer extralangen Version seines Hits "Rocker" von der Bühne ging.

 Schliesslich übernahm der als Diva verschrieene Derrick May das Zepter. Der Detroiter hatte allerdings sichtlich Freude an seinem Berner Gig und begleitete die letzten Gäste bis um 6 Uhr früh mit housigen Klängen.  

Pedro Codes

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BZ 18.12.10

Techno-Pionier beehrt Bern

 Grosse Halle in der Reitschule. Mit "ammonit" verbinden sich Party-, Club- und Festivalnamen wie Boutique, Flowers & Butterflies, Unreal und bis 2007 der Club Via Felsenau. Der Veranstalter prägt seit 12 Jahren aktiv das Berner Party-Leben, und das will gefeiert werden. Allen voran mit dem Mitbegründer des Detroit Techno, der den gesamten Musik-Stil massgebend mitgeprägt hat: Derrick May. Der Techno-Pionier selber sieht Techno zwar längst als tot - sogar als mausetot. Der Detroiter Techno hingegen sei eine musikalische Bewegung der Schwarzen Anfang der achtziger Jahre. Seine Musik bezeichnet der bald Fünfzigjährige als Hightech-Soul. Und dieser lebt mit May wie einst im Mai.   pd

 Heute, 22 Uhr, Grosse Halle, Reitschule, Neubrückstrasse 8, Bern.

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BZ 17.12.10

"Diese Musik ist ein Lapsus, genau wie Detroit auch"

Reitschule. Morgen wird die Reitschule zum Mekka der elektronischen Musik: Derrick May, Mitbegründer der Technobewegung, wird hinter die Plattenteller treten, um das 12-jährige Bestehen der Berner Eventagentur Ammonit zu feiern.

 Anfang der Achtzigerjahre glich die frühere Hafenmetropole Detroit einer Geisterstadt: Hohe Arbeitslosigkeit und eine Welle der Gewalt überrollten die Stadt nach den Schliessungen der Autofabriken, Wut und Verzweiflung beherrschten den einstigen Vorzeigeort. Während dieser Zeit verkroch sich der junge Derrick May in seinem Schlafzimmer, hörte mit seinen Freunden Juan Atkins und Kevin Saunderson nächtelang Schallplatten und träumte sich in eine bessere Welt.

 Zusammen mit seinen Kumpels reiste er seinen DJ-Idolen Hardy und Knuckles von Club zu Club nach und beschloss schliesslich, neuartige Sounds von New-Wave-Bands wie Depeche Mode mit Funk und Disco zu verschmelzen und sich als DJ zu versuchen. Schnell erspielte sich May den Ruf eines herausragenden Plattenlegers. Bald schon langweilte es ihn aber, immer nur die Musik anderer aufzulegen, und er machte sich daran, seine ersten eigenen Sounds zu produzieren.

 Das Resultat war ein neuartiger Stil, den die "Belleville Three", wie sich May und seine beiden Freunde nannten, als Techno bezeichneten. Oder wie May einst erklärte: "Diese Musik ist ein Lapsus, genau wie Detroit auch. Sie klingt, als wären der Funkmusiker George Clinton und die Technopioniere Kraftwerk zusammen im Aufzug stecken geblieben."

 Doch genau diese Mischung machte den Techno zu einer avantgardistischen Entdeckung. Dabei entwickelte sich besonders Derrick Mays melancholische und bisweilen düstere Interpretation des Techno - vom Untergang Detroits und der Hoffnung auf ein besseres Morgen geprägt - als zukunftsweisend. Mit einer Reihe von Tracks, die May zwischen 1987 und 1989 produzierte, revolutionierte er die Musikwelt und wurde schon kurz darauf als lebende Legende gehandelt.

 Morgen wird Derrick May in der Reitschule auftreten, um das 12-Jahr-Jubiläum der Berner Eventagentur Ammonit zu feiern. Sein Auftritt wird nicht der einzige Leckerbissen dieser extravaganten Geburtstagsparty sein: Der DJ und Produzent Timo Maas und das Elektro-Duo Alter Ego sind ebenfalls Gäste des Ammonit-Gründers Simon Ragaz.

 Sarah Elena Schwerzmann

 Party: Samstag, 18. Dezember, Grosse Halle der Reitschule, Bern, ab 22 Uhr. www.starticket.ch.

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kulturstattbern.derbund.ch 16.12.10

Pop-Göre mit Schnauz

Von Gisela Feuz am Donnerstag, den 16. Dezember 2010, um 06:04 Uhr

Man will ja nicht wissen, wie viel Geld die Schönheitsindustrie täglich dank der Schnauzhaarbekämpfung der Damenwelt einnimmt. Von Kaltwachs über Warmwachs, Epilationsstiften, Bleichmitteln, Enthaarungscrèmes bis hin zur guten alten Pinzette greift Frau zu allem, womit den ollen Stoppeln der Garaus gemacht werden kann. Wenn nun ein berühmtes Pop-Sternchen eines Morgens mit einem richtig schönen, dicken Schnauzer aufwacht, der sich keinesfalls entfernen lassen will, dann ist das Chaos selbstredend vorprogrammiert.

Die Musikerin, Filmerin und Performerin, kurz: Frau Tausendsassa Jackie Brutsche, führt momentan ihre erste abendfüllende One-Woman-Show "The Moustache Princess" im Tojo der Reitschule auf. Mit viel Witz, Tempo und Einfallsreichtum wird darin die Geschichte von Pop-Sternchen Tiffany Tears erzählt und ihrem Wandel von der Pop- zur Schnauzprinzessin. Die selbstgebauten Kulissen unterstreichen wunderbar die skurrile und amüsante Freak-Show. Dabei schlüpft Madame Brutsche mal in die Rolle der verzogenen Göre Tiffany, mal hält sie im Frack grossspurige Reden, mal rumpelt und schrummelt sie mit Schlagzeug und Gitarre und singt dazu, was das Zeugs hält, die grossen Glubscher weit aufgerissen.

http://www.youtube.com/v/CmGP0xyXyl4&hl=de_DE&feature=player_embedded&version=3

Auch Theatermuffel dürften bei dieser trashiger Mischung aus Performance und Rock'n'Roll auf ihre Kosten kommen, denn sie ist kurzweilig und macht Spass, diese wunderbare Parodie auf das glitzernde, glattrasierte Show-Business, in welchem jede Falte ausgebotoxt, jedes Fettpölsterchen weggesaugt und jedes Haar ausgerissen gehört. Ein Manifest pro Schnauz wird hier verlesen und wieso auch nicht, denn: "Everyone has a moustache somewhere!" Ähem.

"The Moustache Princess" wird noch Freitag und Samstag jeweils um 20:30h und Sonntag um 19h im Tojo der Reitschule aufgeführt. Gehen Sie hin!

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WoZ 16.12.10

Minen

 Im Tagebau, unter Einsatz von Chemikalien und sehr viel Wasser und Energie werden in ganz Südamerika Metalle abgebaut. Dagegen wächst der Widerstand. Eine Historikerin und ein Ethnologe berichten von einer Rundreise mit Station in Andalgalá (Argentinien), wo es im vergangenen Januar zu einem Aufstand gegen eine geplante Mine und die Behörden gekommen ist.

 Luzern ROMP, Steinenstrasse 17, Do, 16. Dezember, 19.30 Uhr. Bern Infoladen Reitschule, Neubrückstrasse 8, Fr, 17. Dezember, 20 Uhr. Zürich Kasama, Militärstrasse 87a (Innenhof), Mo, 20. Dezember, 19.30 Uhr. Basel Magazin, Inselstrasse 79, Di, 21. Dezember, 19 Uhr. Bremgarten KuZeB, Ecke Zürcher-/Zuger-Strasse, Mi, 22. Dezember, 20 Uhr (Volksküche ab 19 Uhr).

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Bund 16.12.10

Stenchman

 Generation Bass

 Einmal mehr wird sich an diesem Wochenende auszahlen, dass die Techniker des Reitschule-Dachstocks die Frequenzweiche der Hausanlage neu justiert haben, sodass die Wiedergabe von ultratiefen Bässen einwandfrei gewährleistet ist. Denn mit Stenchman wird eine Dubstep-Fachkraft aus England einkehren, dessen bisherige musikalische Hinterlassenschaft zum Knackigsten gehört, was die Generation Bass hervorgebracht hat.(ane)

Reitschule DachstockSa, 18. Dez., 23 Uhr.

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WoZ 16.12.10

Bollywood Bandwagon

 Als Markenartikel unter der Bezeichnung "Bollywood" haben die bunten Filme aus der florierenden indischen Filmmetropole Bombay längst in der ganzen Welt ihr Publikum gefunden. Viele von ihnen werden seit jeher im Ausland gedreht, besonders beliebt sind dabei auch die Berglandschaften der Schweiz.

 Was Bollywood-Filme weit über Indien hin aus so beliebt macht, ist ihr üppiger Eskapismus: Weltflucht in Form von grandioser Unterhaltung. Und noch etwas kennzeichnet viele Produkte aus der Bombayer Filmindustrie: ihre Ähnlichkeit mit dem Puppentheater.

 Die indische Puppentheaterregisseurin Anu rupa Roy hat sich diese Ausgangslage auf ihre eigene Art zunutze gemacht: Klassische Bollywood-Zutaten wie Dreiecksbeziehungen, Fami­lienrivalitäten, Kampfszenen, Liebeslieder und Tanznummern dienen ihr für eine abendfüllende Puppentheaterperformance. Roy geht aber einen  Schritt weiter, sodass daraus aufklärerisches Theater wird: Die Szenen werden von Puppen in Richtung einer Kamera gespielt, die das Geschehen gleichzeitig auf eine Leinwand projiziert. Auch die Vorgänge hinter der Bühne werden gezeigt. Sichtbar werden so jene Abgründe, die die Bombayer Filmindustrie lieber verborgen hält: die harten ökonomischen Realitäten, Casting Couches, gescheiterte Träume und verglühende Sterne. adr

 "Bollywood Bandwagon" in: Bern Tojo-Theater Reitschule, Mi/Do, 22./23. Dezember, 20.30 Uhr, Fr, 24. Dezember, 15 Uhr. Zürich Rote Fabrik, Fr, 31. Dezember, 22 Uhr. www.tojo.ch / www.rotefabrik.ch

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Bund 16.12.10

Gentleman

 Den Reggae im Unterbewussten

 Im Jahr der Bio-Diversität nannte der deutsche Reggae-Künstler Gentleman sein neues Album "Diversity" - darauf anspielend, dass er selber die Mission hat, die Artenvielfalt im Reggae zu vergrössern. Tatsächlich klingt Gentlemans Musik nicht in erster Linie nach Jamaika oder Sonnenschein, vielmehr nach süffigem R'n'B, gefühligem Pop und etwas zuckrigem Soul.(reg)

 Reitschule Grosse HalleMo, 20. Dez., 19.30 Uhr. Support: Christopher Martin, Jahcoustix.

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BZ 16.12.10

Jamaika im Herzen

 ReggaeGentleman lässt traditionelle Reggaebeats mit neuartigen Klängen verschmelzen, sodass ihm selbst die Jamaikaner nicht widerstehen können. Am Montag tritt der deutsche Sänger in der Berner Reitschule auf.

 Tilmann Otto trägt Jamaika im Herzen und das Herz auf der Zunge. Seine Liebe zu dieser kleinen Insel und deren vielfältiger Kultur erwachte, als ihn 1991 im Alter von 17 Jahren das Fernweh packte und er von seinem Heimatort im deutschen Osnabrück nach Kingston reiste. Auslöser waren Reggaeschallplatten, die Otto bei seinem Bruders auslieh und oft stundenlang abspielte. Die Musik packte ihn, der jamaikanisch-kreolische Dialekt faszinierte ihn, das Lebensgefühl, das durch den Reggae ausgedrückt wurde, weckte in ihm die Neugierde auf die Menschen in Jamaika.

 Bilder aus der Wahlheimat

 Heute, mit 36, gehört Tilmann Otto alias Gentleman selber zu den gut zwei Millionen Einwohnern der Insel. Das kreolische Patois beherrscht er nahezu perfekt. Seit seiner ersten Reise nach Jamaika verbringt der Deutsche immer wieder Monate in seiner Wahlheimat, um das traditionelle Kulturgut der Insel aufzusaugen und seine Impressionen und Erfahrungen musikalisch, in seiner ganz eigenen Form des Reggae, zu verarbeiten. So sind die meisten seiner fünf Alben über eine Zeitspanne von zehn Jahren ganz oder teilweise auf Jamaika entstanden - darunter auch sein jüngstes Werk "Diversity", das im April dieses Jahres veröffentlicht wurde.

 Man hört darauf einen gestandenen Künstler, der auf eine Karriere zurückblicken kann, die es ihm erlaubt hat, sich in seinem Genre nicht nur in Deutschland und Amerika zu etablieren, sondern auch in seiner Wahlheimat - der Geburtsstätte des Reggae.

 Fern von Klischees

 Fernab von klischierten Bildern beschreiben Gentlemans Texte den Alltag auf der Antillen-Insel, ein Alltag, der von Grossherzigkeit, Familienbanden, aber auch massiven sozialen Problemen geprägt ist. Eine Mischung, die berührt, aber eben auch zum Nachdenken anregt. "Auf Jamaika herrscht vor jeder Wahl quasi Bürgerkrieg, die Mordrate in Kingston ist höher als in Johannesburg in Südafrika", erklärte er in einem Interview. Musikalisch geht er von traditionellen Reggaeklängen aus, die er wie bei "The Reason" mit Dub-Elementen und afrikanisch angehauchten Gesängen verziert oder wie bei "No Time to Play" mit Dancehalleinschlägen und überraschendem Tempowechsel anreichert, die einfach nur zum Tanzen einladen.

 Sarah Elena Schwerzmann

 Konzert 20. 12., Grosse Halle, Reitschule Bern, 19.30 Uhr.

 www.starticket.ch. CD: Gentleman, "Diversity", Universal.

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Kulturagenda.be 16.12.10

"Chat noir, chat blanc" im Kino in der Reitschule

In Emir Kusturicas Balkanjuwel aus dem Jahr 1998 wird der Schwarzhändler Matko (Bajram Severdzan) vom Gangster Dadan (Srdan Todorovic) übers Ohr gehauen. Daneben gehts um eine wunderschöne Liebesgeschichte und überzeichnete Klischees. Eine schräge, ironische und märchenhafte Zigeunerballade mit grossartigem Soundtrack.
Kino in der Reitschule, Bern. Fr., 17.12., und Sa., 18.12., 21 Uhr

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kulturagenda.be 16.12.10

3 Kulturtipps von Simon Ragaz

1. "rocCHipedia" im "Zelt" auf der Allmend (Do., 16., bis Sa., 18.12., jeweils 20 Uhr)
Weil Massimo Rocchi ein Haudegen ist, und ich seinen Humor mag.

2. Rundgang: "Bern kulinarisch" von StattLand (Sa., 18.12., 17 Uhr)
Wo sich Gourmets und Gourmands gute Nacht sagen, steht die Kulinarik im Mittelpunkt.

3. "12 Years Ammonit" mit Technopionier Derrick May (Sa., 18.12., Grosse Halle der Reitschule, Bern)
Weil gute Technomusik zur Allgemeinbildung gehört, Derrick einer der Besten ist, und Ammonit Geburi hat.

Ich würde meine Schwester zur Technoparty überreden, …
… weil diese Nacht noch mit vielen weiteren musikalischen Highlights aufwartet. Zudem ist die Grosse Halle eine der fantastischsten Lokalitäten der Stadt. Und drittens könnten wir zusammen auf das 12-Jahr-Jubiläum anstossen.

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kulturagenda.be 16.12.10

Gentleman spielt in der Grossen Halle

"Diversity" heisst das fünfte Studioalbum des deutschen Reggaemusikers Tillmann Otto alias Gentleman, das im Frühling erschienen und stilistisch wohl sein vielfältigstes ist. Auf Tour ist der zwischen Köln und Kingston wirkende Künstler mit Evolution, seiner neu formierten Begleitband aus vielen ihm vertrauten Musikern.
Grosse Halle in der Reitschule, Bern. Mo., 20.12., 19.30 Uhr

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Simon Ragaz ist Gründer des Technoparty-Verantalters Ammonit. Ausserdem ist er leidenschaftlicher Koch und Inhaber eines Cateringunternehmens.

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kulturagenda.be 16.12.10

Puppentheater-Persiflage auf Bollywood

Harmlose Inhalte mit düsterem Hintergrund: Die Puppentheater-Gruppe Katkatha aus Indien entlarvt im Tojo mit ihrer Performance "Bollywood Bandwagon " die Hindi-Filmindustrie aus Mumbai.

"Bollywood-Filme sind nicht sehr tiefgründig. Sie sind ‹Bubblegum-Entertainment›: sehr einfach zu verdauen und leicht zu vergessen." Dieses Urteil stammt von Anurupa Roy, der Leiterin der indischen Puppentheatergruppe Katkatha.
Das Phänomen "Bollywood" fasziniert die kritische Puppenspieler-Compagnie, weil die Filme einen grossen Einfluss auf das Leben und die Denkweise der Menschen in Indien haben. Die meisten Inder sehen Bollywood als harmlosen Spass und als Flucht aus ihrer Realität an. Selten werden dabei die darin vorkommenden Stereotypen hinterfragt: "Die gute Frau und Heldin der Geschichte ist immer ‹rein›, traditionell und religiös. Die schlechte Frau ist jeweils ein rauchender, trinkender und flirtender Vamp", kritisiert Anurupa Roy solche Gender-Stereotypen.

Politische und gesellschaftskritische Stücke

Mit spitzer Satire greift Katkatha in den Stücken gesellschaftliche und politische Themen auf - zu den Inhalten der älteren Inszenierungen gehören unter anderem die Krise in Kashmir oder Aids in Indien. "Bollywood Bandwagon" widmet sich nun der Film-Maschinerie: "In Indien ist Bollywood eins der grössten Phänomene, direkt nach Religion und Politik. Seit über sechzig Jahren lieben die Menschen die Musik und die Geschichten", erklärt Roy. Erst in den 90er-Jahren habe sich Bollywood neu erfunden und für den internationalen Markt aufgerüstet. Den Fokus legte man auf Familiendramen und Romanzen, in die Lieder und die Tanzchoreografien steckte man viel Geld. Damit wurden die Filme auf der ganzen Welt populär.

Dunkle Realität hinter Bollywood-Romantik

Hinter den Kulissen ist die Bollywood- Industrie jedoch nicht so paradiesisch, wie die leichten Inhalte der Filme es suggerieren könnten. Genau diese andere, dunkle Realität von Bollywood thematisieren Anurupa Roy und ihr Puppentheater im Stück. "Tausende von jungen Männern und Frauen kommen jedes Jahr zum Film, um ein Star zu werden. Ein Prozent von ihnen schafft es vielleicht, Berühmtheit zu erlangen, alle andern nicht. 99 Prozent dieser Leute werden ausgenutzt und enttäuscht ", sagt Roy. Die meisten würden hart und zu unmöglichen Bedingungen arbeiten, nur um in der Bollywood-Industrie überleben zu können.
Im Stück "Bollywood Bandwagon" kommen beide Seiten der Filmindustrie Mumbais zum Zuge: die spassigen und lächerlichen Inhalte der Filme, aber auch das "andere" Leben hinter den Kulissen. Zu den Figuren des Stücks zählen die "kleinen" Leute wie Spotboys und Stuntmen, aber auch die grossen Stars. Die Puppen spielen die Szenen auf der Bühne in Richtung einer Kamera. Zeitgleich wird das Geschehen auf eine Leinwand projiziert. Und vielleicht verhilft eine Bollywood-typische Schweizer Bergwelt als Kulisse dem Publikum zur Weltflucht ins Paradis.

Magadalena Nadolska
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Tojo Theater in der Reitschule, Bern
Mi., 22.12., Do., 23.12., 20.30 Uhr, Fr., 24.12., 15 Uhr
www.tojo.ch

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kulturstattbern.derbund.ch 13.12.10

Von Nicolette Kretz am Montag, den 13. Dezember 2010, um 13:00 Uhr

Samichlaus-Kult

Nach dem sie diesen Sommer mit "Die Dällebach-Macher" ein kritisches Auge auf die Vermarktung der Berner Legende durch die Thuner Seespiele warfen, widmeten sie sich nun - saisongerecht - dem Samichlaus-Brauch: "Samichlaus - Das Musical". Pascal Nater, Michael Glatthard und der Dramaturg Olivier Bachmann verweben darin auf extrem clevere und unterhaltsame Weise ausgiebige Recherchearbeit zum Thema.

http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/files/2010/12/samichlaus.jpg

Wir erfahren die ursprüngliche Geschichte vom Bischof Nikolaus von Myra, hören, wie es in der Samichloszunft Bern und im Zürcher Pendent zu und her geht, und was die Tücken uns Stolpersteine des heutigen Klausendaseins sind. Einerseits kommen diese Infos ab Band in O-Ton, andererseits werden sie von Nater und Glatthard doziert. Dazwischen schmettern die beiden ein paar musical-mässige Songs, was an sich zwar noch kein sonderlich originelles Mittel ist, doch sie tun es wirklich zum Krümmen vor Lachen!

Wunderbar ist auch die Szene, wo Glatthard in einem dieser aufblasbaren Dickenkostüm styroporenen Deko-Tannen (aka das Bühnenbild) schreddert. Die wahre Komik daran: er tut dies ganz ohne den Klamauk, zu dem einem diese Situation verleiten könnte. Zum Schreien! Überhaupt ist der Abend ein ganz grosser Genuss: witzig, aber nie doof, toll gebaut und präzise ausgearbeitet. Es ist zu hoffen, dass dieses Team noch viele Themen findet, welche es zu solchen Projekten verführen! Ich freu mich jedenfalls jetzt schon auf das nächste!

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kulturstattbern.derbund.ch 13.12.10

Von Benedikt Sartorius am Montag, den 13. Dezember 2010, um 06:03 Uhr

Kulturbeutel 50/10

(...)

Frau Feuz empfiehlt:
Besuchen Sie die One-Woman-Show von Frau Tausendsassa Jackie Brutsche. In einer höchst unterhaltsamen Mischung aus Rock'n'Roll, Theater und Perfomance erzählt Madame Brutsche die abstruse Geschichte der Schnauzprinzessin und zwar am Mittwoch und Freitag bis Sonntag im Tojo der Reitschule. Wer auf lüpfigen Balkan-Brass steht, der ist am Freitag im ISC bestens aufgehoben. Traktorkestar taufen dort ihr Album und es wird interessant anzusehen sein, wie sich die rund ein Dutzend Musiker mit ihren sperrigen Instrumenten auf der kleinen ISC-Bühne installieren.

(...)

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BZ 11.12.10

Samichlaus in einer Welt aus Styropor

 Tojo-TheaterPascal Nater und Michael Glatthard erforschen den Samichlaus. Sie folgen den Spuren einer vielseitigen Figur, die Türke, Werbeikone und Pädagoge zugleich ist.

 Weisse aus Styropor ausgestanzte Tannenbäumchen bilden eine Kulisse, wie sie in einem Kindergarten stehen könnte. An der Bar kann man Mandarinen, Nüsse und Schokolade knabbern. Eine Eselsmaske hängt einsam über einem Mikrofon. Als es dunkel wird im Saal, hört man schwere Schritte durch den Schnee stapfen. Kein Zweifel: Heute kommt der Samichlaus ins Tojo-Theater der Reitschule. Doch wer im Sommer das Stück "Die Dällebach-Macher" desselben Duos - bestehend aus Pascal Nater und Michael Glatthard (Schauspieler) und Olivier Bachmann (Dramaturg) - gesehen hat, vermutet, dass die idyllische Weihnachtsstimmung torpediert werden wird.

 Schräge Recherchen

 Bereits im vorangehenden Stück wurde der zum Musicalgenre gehörende Kitsch veräppelt und hinter die Fassaden von geldgierigen Produzenten und eitlen Schauspielern geblickt. Auch für "Samichlaus - das Musical" bedienen sich Glatthard und Nater dokumentarischer und musikalischer Mittel. Sie lassen via Tonbandaufnahmen Experten, wie etwa den Präsidenten der Sankt-Nikolaus-Gesellschaft der Stadt Zürich, zu Wort kommen, oder präsentieren ihre Recherchen, die sie zur Berner Samichlouszunft oder gar in die Türkei führten, wo der heilige Nikolaus im vierten Jahrhundert als Bischof gewirkt haben soll.

 Wie schon bei "Die Dällebach-Macher" sind die aus dem Kontext gerissenen Aussagen von Experten und Chläusen entlarvend. In der Samichlouszunft witzeln die behäbigen Herren, dass ein Besuch im Erotikmarkt lustiger wäre als etwa im Pflegeheim Oberburg. Der Präsident der Sankt-Nikolaus-Gesellschaft antwortet auf die Frage, ob auch Frauen die Figur darstellen könnten: "Die sollen Christkindli und Engeli spielen."

 Aufblasbar und laut

 Fazit: Einmal mehr gelingt es den selbst ernannten Musicalmachern mit amüsanten Einlagen, mal im Stil von Kraftwerk, mal schwülstig pathetisch (Er isch angers) ein facettenreiches und kommerziell ausgeschlachtetes Phänomen zu beleuchten. Doch die eigentliche Schauspielerei kommt dieses Mal leider etwas zu kurz. Während Glatthard und Nater bei "Die Dällebach-Macher" in verschiedene Figuren schlüpften, agieren sie hier mehrheitlich als naseweise Journalisten und können ihr Potenzial zu wenig entfalten. Ein Höhepunkt ergibt sich, als Glatthard die Styropordekoration in einer lautstarken Maschine zu Schnee zerschreddert und dabei ein aufblasbares Nikolauskostüm trägt, das ihn schier zum Stolpern bringt, während Nater gegen den Lärm ankämpft, indem er weihnächtliche Lieder auf dem Klavier zu klimpern versucht. Stille Nacht, guet Nacht.

 Helen Lagger

 Vorstellungen: Sa, 20.30 Uhr; So, 19 Uhr, im Tojo-Theater Reitschule

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(ST)REITSCHULE
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reitschule.ch 16.12.10

Stellungnahme zur Berichterstattung über den 10.12.2010

Bern, 16.12.10

Sehr geehrte Medienschaffende, sehr geehrte Damen und Herren.

Wir erlauben uns, zur Medienberichterstattung über den Freitag, 10. Dezember 2010 kurz Stellung zu nehmen:

Am Abend des Freitags, 10. Dezember 2010 fand vor dem Regionalgefängnis eine Solidaritätsaktion mit einem dort einsitzenden linken politischen Gefangenen statt. In den Monaten zuvor fanden schon ähnliche Aktionen statt und es gab - unabhängig davon - Platzkundgebungen gegen den Missbrauch des Regionalgefängnisses als Ausschaffungsgefängnis für weibliche Gefangene.

Wir weisen darauf hin, dass diese Aktionen nicht von der Reitschule geplant oder durchgeführt wurden. Es scheint uns jedoch nachvollziehbar, dass Gefängnisse, in denen politische Gefangene oder aber auch (schwangere) Frauen in Ausschaffungshaft einsitzen, mit Protestaktionen rechnen müssen.
Mehr darüber zu erfahren ist beispielsweise unter indymedia.ch (http://ch.indymedia.org/de/2010/12/79249.shtml) sowie unter http://bleiberechtbern.ch und http://bleiberecht.ch.

Wie wir immer wieder betonen, ist die Reitschule nicht nur ein Kultur- sondern auch ein Begegnungszentrum - auch für politische interessierte Mitmenschen; darum kann es sein, dass KundgebungsteilnehmerInnen sich bei der Reitschule besammeln.


Am gleichen Abend wurde einer Besucherin im Tojotheater die Handtasche gestohlen. Auf der Suche nach den (drei) mutmasslichen Dieben - und anstatt die Reitschule-Arbeitenden um Mithilfe zu bitten - informierte die Betroffene in der Nähe der Reitschule patroullierende Securitas-Mitarbeiter. Reitschule-BetreiberInnen schalteten sich in der Folge in das Gespräch ein.

Während diese dann in der Reitschule nach den Dieben Ausschau hielten, avisierten die Securitas-Mitarbeiter unabgesprochen die Polizei. Daraufhin fuhren ungefähr fünf Polizisten auf der Schützenmatte vor und besprachen sich unter dem linken Brückenteil (Höhe Grosse Halle) mit der Securitas-Patrouille. Leider wurde sie deswegen während einem kurzen Moment von einigen Jugendlichen angepöbelt.

Wir stellen immer wieder fest, dass die Präsenz insbesondere uniformierter Polizeikräfte in und um die Reitschule, kein geeignetes Mittel ist, die hier allenfalls auftauchenden Probleme zu lösen; sie schafft im Gegenteil, durch ihr hohes Provokationspotenzial, eher neue...

Selbstverständlich ist auch die Reitschule gegen Diebstähle, diese stellen eine Form von Selbstbereicherung dar, die auch im Manifest der Reitschule klar verurteilt wird. Wie viele andere Clubs, Kultur- und Begegnungszentren und andere Orte, wo sich viele Menschen treffen, sind auch wir mit zum Teil organisierten TaschendiebInnen konfrontiert.

Den Vorfall vom letzten Freitag wollen wir darum zum Anlass nehmen, unsere Gäste wie in den Jahren zuvor, wieder vermehrt darauf aufmerksam zu machen (Jingle, Dias, Flyer, Plakate), dass sie auf ihre Wertsachen achten sollen und dass sie Diebstähle sowie mutmassliche DiebInnen dem Bar- und Sicherheitspersonal melden sollen, welches ihnen nach Möglichkeit weiterhilft.

Wir glauben, dass dieses Vorgehen sinnvoller und adäquater - und nicht zuletzt verhältnismässiger ist, als - wegen einer Handtasche - mit fünf Polizisten vor der Reitschule aufzutauchen. Hinzu kommt, dass es nach unserer Erfahrung effektiver ist, organisierte Diebesbanden durch Outing aus dem Schutz der Anonymität zur reissen und blosszustellen, und ihnen damit die "Arbeit" zu erschweren und zu verunmöglichen, sowie Hausverbote zu erteilen. Denn Diebstahlsanzeigen scheitern oft am allzu grossen Aufwand sowie an Beweisnot.

Als sich die Polizei weniger als eine Stunde nach dem Einsatz wegen einer Nachfrage über das Kontakttelefon bei den Reitschule-Abendverantwortlichen gemeldet hat, wurde übrigens der kurze Vorfall unter der Brücke mit keinem Wort erwähnt.

Nebenbei: Die Reitschule ist über die Feiertage geöffnet. Das vielfältige Programm finden Sie wie immer unter www.reitschule.ch.

Mit freundlichen Grüssen
Mediengruppe Reitschule Bern

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Bund 13.12.10

Flaschen auf Polizisten, Farbbeutel auf Gefängnis

 Polizisten wurden am Freitagabend bei der Reitschule mit Flaschen beworfen. Sie waren wegen eines Handtaschen-Diebstahls ausgerückt, wie die Kantonspolizei mitteilte. Um etwa 23 Uhr rückten die Polizisten zum Vorplatz der Reitschule aus, um die Täter zu ermitteln. Sie wurden laut Mitteilung beschimpft. Es sei eine Personenkontrolle durchgeführt worden, worauf vermummte Personen die Polizisten mit Flaschen beworfen hätten. Die Polizei war schon kurz nach 21 Uhr wegen eines Farbanschlags auf das Regionalgefängnis Bern ausgerückt. Als die Polizei eintraf, waren die Täter weg. Augenzeugen beobachteten laut Polizei, wie sich rund 20 schwarz gekleidete und vermummte Personen von der Reitschule in Richtung Regionalgefängnis aufmachten.(sda)

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BZ 13.12.10

Anschlag auf Knast

 Regionalgefängnis Am Freitagabend kurz nach 21 Uhr haben Unbekannte einen Farbanschlag auf das Regionalgefängnis Bern verübt. Augenzeugen berichteten gegenüber der Polizei von "rund 20 schwarz gekleideten und vermummten Personen". Diese seien von der Reitschule her in Richtung Regionalgefängnis gegangen und hätten den Anschlag verübt.

 Zum Hintergrund der Tat gibt die Polizei keine Angaben bekannt. Doch auf der Internetseite Indymedia.org ist von einem "Knastspaziergang in Bern" zu lesen. Weiter entnimmt man der Homepage: Seit September dieses Jahres befänden sich "vier revolutionäre Ökoanarchist(innen) in Knästen in der Schweiz" - einer davon sei in U-Haft im Regionalgefängnis Bern.
 
tob/pd

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20 Minuten 13.12.10

Reitschule: Mit Flaschen gegen Polizei

 BERN. Erneut Zoff rund um die Reitschule: In der Nacht auf Samstag wurde auf dem Vorplatz eine Polizeipatrouille, die einen Handtaschendieb suchte, übel beschimpft und tätlich angegriffen. "Nachdem unsere Mitarbeitenden eine Personenkontrolle durchgeführt hatten, bewarfen Vermummte sie mit Flaschen und vereitelten damit die Suche nach der Täterschaft", erklärt Kapo-Sprecher Michael Fichter.

 Bereits früher am Freitagabend waren rund 20 vermummte Extremisten von der Reitschule her vors Amtshaus gezogen. Dort schlugen sie Radau und bewarfen die Sandsteinfassade mit Farbbeuteln. Laut einem Bekennerschreiben wollten sie mit ihrem Anschlag einen mutmasslichen Ökoterroristen unterstützen, der im Regionalgefängnis einsitzt. In beiden Fällen konnten die Täter unerkannt flüchten.

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http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Polizisten-vor-der-Reitschule-mit-Flaschen-attackiert/story/14583708
http://www.derbund.ch/bern/Polizisten-vor-Reitschule-mit-Flaschen-attackiert/story/10981507

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police.be.ch 11.12.10

Stadt Bern: Polizisten bei der Reitschule angegriffen

11. Dezember 2010

pkb. Am späten Freitagabend sind Polizisten auf dem Vorplatz der Reitschule angegriffen worden. Vermummte bewarfen sie mit Flaschen.

Am Freitag, 10. Dezember 2010, um zirka 2300 Uhr, musste die Kantonspolizei Bern wegen dem Diebstahl einer Handtasche zum Reithallenvorplatz ausrücken. Da davon ausgegangen werden musste, dass sich die Täterschaft noch dort befand, hielten die ausgerückten Polizisten zusammen mit einer weiteren Patrouille Nachschau. Die Mitarbeitenden wurden sofort mit Schimpfwörtern eingedeckt. Nachdem sie eine Personenkontrolle durchgeführt hatten, bewarfen Vermummte die Polizisten mit Flaschen und vereitelten damit die Suche nach der Täterschaft.

(mf)

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KNAST-SOLI
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Indymedia 24.12.10

Bericht DEMO Biel 23.12.10

AutorIn : amore         

Personne n'est illegal - Liberez les tous
    
Rund 50 Leute besammelten sich um 19Uhr auf dem Bahnhofsplatz. Den Passanten wurden Flyer verteilt, um auf die Anliegen aufmerksam zu machen. Das Fronttranspi der Demo wurde gut ersichtlich beim Eingang/Ausgang des Bahnhofs gespannt. Kurz vor Demo beginn strudelte auch noch den kleiner Musikanhänger mit Musikboxe und MiniLaptop ein.

Die Demoroute führte vom Bahnhofsplatz, Bahnhofsstrasse, Zentralstrasse, Unionsgasse, Nidaugasse, Hauptstrasse (Richtung Neuenburg), Zentralstrasse, Neuengasse, Spitalstrasse, Bahnhofsstrasse hin zum Zentralplatz wo sich die Demo langsam auflöste.

Während der Demo wurde, mehr oder weniger lautstark, mit Demoparolen auf das unsere Anliegen aufmerksam gemacht. Liberez tous les prisoniers!

Während einem längerem Aufenthalt vor dem Untersuchungsgefängnis wurde namentlich Siliva gegrüsst und es wurde versucht mittels Megaphon kontakt mit ihr aufzunehmen. Ausserdem wurden Parolen wie: "Freiheit für alle Gefangenen", "Amore-Anarchia-subito", "Silvia libera" und "Liberez les prisonniers" gerufen. Verschiedene Insassen freuten sich sichtlich über unseren Besuch und machten sich an den Zellenfenster bemerkbar.
Während den Parolen wurden mehrere Feuerwerkskörper über den Innenhof gezündet. Feuer und Flamme den Abschiebeknästen!

Amore&Anarchia- subito!     

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police.be.ch 11.12.10

Stadt Bern: Sachbeschädigung an Regionalgefängnis

11. Dezember 2010

pkb. Unbekannte haben am Freitagabend auf das Regionalgefängnis in Bern einen Farbanschlag verübt.

Eine unbekannte Täterschaft hat am Freitagabend, 10. Dezember 2010, kurz nach 2100 Uhr, einen Farbanschlag auf das Regionalgefängnis in Bern verübt. Als die sofort ausgerückte Polizei vor Ort eintraf, konnte die Täterschaft nicht mehr aufgefunden werden. Auch die Suche in der näheren Umgebung blieb erfolglos.

Gemäss Augenzeugen waren zuvor rund 20 schwarz gekleidete und vermummte Personen von der Reitschule her in Richtung Regionalgefängnis gegangen, hätten den Anschlag verübt und seien danach weggerannt. Die Höhe des Sachschadens ist unbekannt.

(mf)

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Indymedia 10.12.10

Solidarität mit Billy und allen Gefangenen! ::

AutorIn : B         

Heute versammelten sich 30 Leute, um ihre Solidarität mit den Gefangenen im Amtshaus Bern kundzutun. Hier sitzt auch Billy ein, welcher wie Costa und Silvia seit April in einem Schweizer Gefängnissen sitzt. Nach zahlreichen, lautstarken Begrüssungs-Parolen, wurde das Gefängnis in bern, wo Billy einsitzt, eingefärbt.

Billy, Costa und Silvia wurden am 15. April in der Nähe von Zürich verhaftet. Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft ihnen vor, einen Sprengstoffanschlag auf das sich im Bau befindlichen Nanotechnologie-Zentrum geplant zu haben. Die drei ÖkonanarchistInnen setzen sich seit längerem gegen die kapitalistischen Fortschritt unserer Gesellschaft ein. Sie kämpfen gegen diese totale Technologiesierung, welche von den Herrschenden zur Zementierung der bestehenden Verhältnissen eingesetzt wird. Diese Entwicklung lässt die heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse so weit verkrusten, dass wir uns von ihnen nicht mehr befreien können. Sie greifen bis tief in unsere DNS ein und machen selbst unser Leben zum Ziel der Herrschaft. Die drei haben den Mut gefsst und sich gegen diese Entwicklungn mit aller Kraft aufgelehnt.

Heute sind sie in Käfigen gefangen. Der Staat hat sie eingezwängt in eine Zelle und versucht ihren revolutionären Geist zu brechen. Doch die drei kämpfen auch im Knast weiter. Am 8. Dezember haben sie gemeinsam mit die Marco Camenisch einen befristeten Hungerstreik beendet. Sie wehren sich gegen die beschissenen Haftbedingungen: Ihre Kommunikation ist eingeschränkt, sie befinden sich weiterhin in Einzellhaft und ihre Post wird zensiert. Doch die Zellen haben nicht ihre Ideen eingesperrt. International finden immer mehr Solidaritätsaktionen statt, welche den Kampf der drei fortsetzten. Wir kämpfen weiter, drinnen und draussen!

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ZAFFARAYA
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Bund 11.12.10

Keine Legalisierung der alternativen Wohnformen à la Zaff

 Keine Chance für die Forderung nach einer Legalisierung von alternativen Wohnformen in Bern: Der Stadtrat hat am Donnerstagabend einen Vorstoss von Jimy Hofer (SVP plus) mit 46 zu 8 Stimmen abgelehnt. Hofer wollte den Gemeinderat verpflichten, innert zweier Jahre ein Grundstück auszuweisen, auf dem alternatives Wohnen wie das Zaffaraya möglich sein soll. "Wenn man es duldet, kann man es auch legalisieren", so Hofer. Er selbst brauche für alles eine Bewilligung. Es müsse Schluss sein mit der doppelmoralischen Umschiffung und den Ausreden zu diesem Thema.

 Die Linke betonte grundsätzlich, alternatives Wohnen müsse Platz haben. Jacqueline Gafner (FDP) sagte, es sei nichts als recht, wenn man die Bevölkerung noch einmal frage, ob man diese Wohnformen auf Stadtboden wolle. Es sei erstaunlich, wie fein der Gemeinderat die rechtliche Klinge führe, wenn es um die grosse Mehrheit der Menschen in der Stadt gehe, die sich an die Gesetze hielten, etwa bei Baugesuchen. Gafners Fazit: "Wer genügend penetrant ist, erhält offenbar, was er will."(sda)

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Blick am Abend 10.12.10

Jimy Hofer ist abgeblitzt

 ENTSCHEID

 Zaffaraya bleibt beim Neufeld - der Stadtrat ist gegen einen neuen Standort.

 Auch 25 Jahre nach der Entstehung von Zaffaraya beschäftigt das Hüttendorf die Stadt. Die Zaffarayaner leben derzeit beim Neufeld. Dort sollen sie wieder weg.

 Stadtrat Jimy Hofer (parteilos) wollte den Gemeinderat verpflichten, innerhalb von zwei Jahren ein geeignetes Grundstück auszuweisen, auf dem alternatives Wohnen möglich sein soll. "Wenn man es duldet, kann man es auch legalisieren", sagte Hofer gestern im Parlament. "Ich brauche auch für alles eine Bewilligung." Es müsse Schluss sein mit der doppelmoralischen Umschiffung und den Ausreden zu diesem Thema.

 Die Ratslinke war jedoch anderer Meinung

 "Es gibt im Moment keinen Handlungsbedarf, der Gemeinderat ist in Sachen Nutzungszonen an der Arbeit", sagte Lea Bill (Junge Alternative). Das Parlament lehnte Hofers Vorstoss mit 46 zu 8 Stimmen ab. SDA/ehi

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GASSE BE
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BZ 21.12.10

"Wir mussten nie ein Hausverbot aussprechen"

 Heiliggeistkirche. Hansueli Egli, Pfarrer der Berner Heiliggeistkirche, tritt von seinem Engagement in der Offenen Kirche zurück. Aufgebaut hat er die Suppenabgabe an Drogenabhängige und das Netz von rund 80 Freiwilligen, die täglich in der Kirche für ein Gespräch anzutreffen sind.

 Herr Egli, Sie sind seit Oktober 1998 Pfarrer in der Berner Heiliggeistkirche. Im November 1998 sassen Sie bereits an der ersten Sitzung jenes Gremiums, aus dem später der Verein Offene Kirche entstand. Kam die Initiative von Ihnen?

 Nein, die Idee bestand schon, aber ich war von Anfang an dabei. Mir lag die Zusammenarbeit mit anderen Konfessionen am Herzen. Schon ab der zweiten Sitzung mit der katholischen Kirche stand fest, dass wir auch die christkatholische und die jüdische Gemeinde ins Boot holen wollten.

 Warum nicht auch Muslime und andere Religionen?

 Die muslimischen Gemeinden sind nach Herkunftsland organisiert. Die anderen Weltreligionen sind mit sehr kleinen Organisationen vertreten. Wir arbeiten aber punktuell mit dem Haus der Religionen zusammen, wo diese Gemeinschaften Räume haben.

 Wie entstand die Offene Kirche?

 Bis Ende der 90er-Jahre war die Heiliggeistkirche vor allem ein Ort für Touristen. Nach der Bildung der Drogenszene auf den Treppen vor der Kirche blieben diese fern. Auch Einheimische, die hier noch getauft wurden, schämten sich für die Kirche und sagten, das hier sei eine Sauerei. Wir stellten uns auf den Standpunkt, die Junkies und Alkis polizeilich wegzuspülen, sei keine Lösung. So begann eine Gruppe von Freiwilligen, zweimal pro Woche 40 bis 50 Portionen Suppe auszuschöpfen. Es gab eine wahnsinnige Nachfrage. Für uns arbeiteten freiwillig ein Drogenarzt und eine Sozialarbeiterin.

 Sie haben Leute aus der Szene zum Essen in die Kirche eingeladen. Wie kam das im Umfeld an?

 Anfänglich stiessen wir natürlich in erster Linie auf Widerstand. Vom Kirchgemeinderat kam aber die Unterstützung schon recht früh. Die Gegner hatten zumindest auf theologischer Ebene keine Argumente. Eine geschlossene Kirche ist keine Form von Nächstenliebe und widerspricht der Lehre Jesu diametral. Wir wollten keinen Unterschied machen zwischen Religion, Beruf oder Aussehen. 2006 wurde die Offene Kirche im Leitbild der Heiliggeistkirche als Bereicherung benannt. Anerkennung für unsere Arbeit erhielten wir auch mit dem Berner Sozialpreis.

 Wie arbeiteten Sie mit der Polizei zusammen?

 Wir hatten mit der Stadtpolizei vom Bahnhofposten ein mündliches Abkommen, also abseits der Politik des damaligen Hardliners und Polizeidirektors Kurt Wasserfallen. Während der Suppenzeit führten sie keine Personenkontrollen durch. Sonst wären die Junkies nicht mehr gekommen. In all den Jahren kam es zu keinen Zwischenfällen, und wir mussten auch nie ein Hausverbot aussprechen.

 Die Drogenszene vor der Heiliggeistkirche ist praktisch verschwunden. Braucht es da die Offene Kirche heute noch?

 Zweifellos. Rund 40 000 Menschen besuchen die Heiliggeistkirche jährlich. Im Sommer sind da die Touristen eingerechnet. Im Winter kommen oft psychisch Belastete, die Wärme suchen und froh sind für ein Gespräch. Von Montag bis Freitag von 11 bis 18.30 Uhr sind immer zwei Freiwillige als Ansprechpersonen in der Kirche. Pro Woche kommen im Winter etwa 400 Leute zu uns.

 In den kirchlichen Gremien ist die Nutzung von Räumen immer wieder umstritten. Wo steht da die Offene Kirche?

 Wir stehen vergleichsweise privilegiert da. Wir leisten es uns, den Raum frei zu halten für jene, die ein Gespräch suchen. Veranstaltungen, die Geld einbringen, sind relativ selten. Dazu gehören etwa Gospelkonzerte, die Museumsnacht oder 2008 die Einweihungsfeier des Bahnhofplatzes. Andere offene Kirchen strecken sich mehr nach der Decke und sind auch mal bereit, den Raum für eine Brautmodeschau zu vermieten. Das bringt zwar Geld, aber die Kirche ist doch kein Marktplatz. Konflikte zwischen Geld und Geist dürften zunehmen. Die Offene Kirche darf zeitweilig den ganzen Raum der Kirche für Ausstellungen nutzen.

 Sie haben in den letzten zehn Jahren das Netz von Freiwilligen aufgebaut. Wie geht es weiter?

 Über die Jahre haben sich die rund 80 Freiwilligen gut untereinander vernetzt. Ich bin zuversichtlich, dass dies auch nach meinem Abgang so bleibt. Wir befinden uns aber in einer Übergangsphase zu einer jüngeren Generation. Man packt nicht mehr gerade dort an, wo es einen braucht, sondern erwartet ein klareres Aufgabenprofil, eine gute Einarbeitung und Arbeitszeugnisse für ehrenamtliche Arbeit. Mit meinem Abgang und meinem jüngeren Nachfolger oder meiner Nachfolgerin kommt es deshalb auch bei der Offenen Kirche zu einem Generationenwechsel.

 Sie stehen wenige Jahre vor der Pensionierung. Einen Teil Ihrer Arbeit haben Sie nun abgegeben. Welche Pläne haben Sie?

 Ich werde versuchen, eine Zeit lang einfach nichts zu tun und alles auf mich zukommen zu lassen. Ich werde zwar mein berufliches Netz verlieren, aber Freiheit gewinnen.

 Worauf sind Sie besonders stolz?

 Die Offene Kirche hat sich mit ihren regelmässigen Angeboten und kulturellen Veranstaltungen zu einer gut etablierten und anerkannten Institution entwickelt.
 
Interview: Hannah Einhaus

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 Zur Person

 Hansueli Egli

 Der Pfarrer der Heiliggeistkirche kam 1947 in Stäfa ZH zur Welt. Er absolvierte das Lehrerseminar und studierte anschliessend Theologie an der Universität Zürich. Er arbeitete anfänglich als Wirtschaftspfarrer, als firmeneigener Seelsorger, in der Seidenfadenfabrik Zwicky in Wallisellen. Nach seiner Heirat mit einer Organistin zügelte er in die "Diaspora", wie er es nennt. Als reformierter Pfarrer im katholischen Luzernerland war er ein Exot. 1987 zog ihn eine freie Stelle nach Laupen. Vor dort aus war der Wechsel nach Bern im Jahr 1998 geografisch ein Katzensprung. Sein Amt als Pfarrer in der Heiliggeistkirche wird er noch bis zu seiner Pensionierung fortsetzen.ein

 Offene Kirche

 Der Verein Ende der 90er-Jahre dominierte die Drogenszene die Eingangstreppe zur Berner Heiliggeistkirche und den Kocherpark. 1999 entschied die Kirchgemeinde, die Polizei auf der Jagd nach Süchtigen nicht zu unterstützen, sondern stundenweise die Tore zu öffnen, Suppe auszuschöpfen und den Randständigen Gespräche anzubieten. Im Jahr 2002 wurde offiziell der Verein Offene Kirche gegründet.

 Der Verein führt seine Aktivitäten mehrheitlich in der Heiliggeistkirche durch, ist aber nicht identisch mit der Kirchgemeinde. Vielmehr gehören seit Anbeginn die katholische und die Christkatholische Kirche sowie die Jüdische Gemeinde Bern zur Trägerschaft des Vereins.

 In den letzten Jahren hat sich die Offene Kirche zunehmend mit kulturellen Veranstaltungen einen Namen gemacht. Die "Nacht der Religionen" endet jeweils mit einer Suppe um Mitternacht in der Heiliggeistkirche.

 Sie nimmt teil an den Museumsnächten. Mit mehreren Ausstellungen pro Jahr setzt der Verein Offene Kirche inhaltliche Akzente. Soziale und interreligiöse Themen stehen im Mittelpunkt. In diesem Jahr dominierten die Ausstellungen "Kein Kind ist illegal", eine Ausstellung über Papierlose in der Schweiz, "Kunst aus dem Kloster" und "Kunst trotz(t) Armut". Im Vorfeld der Minarett-Initiative im Herbst 2009 stellte die Offene Kirche zum Thema "Kuppel, Tempel, Minarett" aus.ein

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http://www.kathbern.ch/pfarrblatt-angelus/pfarrblatt.html 16.12.10

Gassenarbeit

"Wir gehen überall dorthin, wo Menschen sind"

"So läufts halt", lacht Isabel Calvo, die sich gemeinsam mit Ursula Aellen Zeit für ein Gespräch mit dem pfarrbatt nimmt. Die Kirchliche Gassenarbeit hat ihre Räumlichkeiten in einer umgebauten Garage im Berner Quartier Breitfeld. Dort herrscht am Donnerstagnachmittag, eine Viertelstunde nach Schliessung des Offenen Büros, noch immer Andrang: Ein Klient braucht Hilfe bei seiner Korrespondenz mit dem Sozialamt. Ein anderer möchte Unterstützung für seinen bevorstehenden Spitalbesuch.Dass die Kirchliche Gassenarbeit in einer ehemaligen Garage untergebracht ist, hat einerseits finanzielle Gründe. Es entspricht aber auch dem Ansatz der Niederschwelligkeit, der für die Gassenarbeiterinnen zentral ist: Jeden Donnerstagvon 14.00 bis 16.00 ist das Büro für alle offen.
 
Die Gassenarbeiterinnen unterstützen die Klienten beim Kontakt mit den Behörden, stellen ihnen PC, Internet und Telefon zur Verfügung, offerieren ein Zvieri und ein offenes Ohr. In Anspruch genommen werden die Angebote von den unterschiedlichsten Menschen, erzählen Isabel Calvo und Ursula Aellen: zum Beispiel von Jugendlichen, Sozialhilfeempfängern, Sans-Papiers, Suchtkranken oder alleinerziehenden Müttern. "Es gibt immer wieder Menschen, die aus dem sozialen Gefüge geraten ", sagt Ursula Aellen. Dann ist die Kirchliche Gassenarbeit Bern eine institutionsunabhängige Anlaufstelle, das Offene Büro ein Ort, wo die Klienten und Klientinnen zwei Stunden einfach sein können.
Niemand muss einen Ausweis zeigen, jede und jeder ist willkommen. Wer Hilfe sucht, bekommt sie. Die akzeptierende Haltung gegenüber den Klienten und Klientinnen sei wichtig, sagen die beiden Frauen. Nebst dem Offenen Büro leisten die Gassenarbeiterinnen auch Einzelarbeit, d.h. auf Wunsch begleiten sie die KlientInnen auf Ämter, helfen beim Bewerbungen schreiben und bei anderem Papierkram. Die Gassenarbeiter arbeiten aber auch aufsuchend: sie gehen selbst auf die Gasse - sie besuchen die Klienten in ihrem Lebensraum, wie es Isabel Calvo ausdrückt.

Urchristliches Prinzip

Dienstagnachmittags ist das Büro ausschliesslich für Frauen geöffnet. Viermal jährlich erscheint das von Frauen gestaltete Magazin "Mascara" mit Texten und Informationen. Nebst der wichtigen Plattform, welche das Magazin darstellt, ermöglicht das Projekt Mascara den Frauen auch, sich zwei Stunden pro Woche abseits der Hektik der Gasse zu treffen und sich auszutauschen.
Es sei ein urchristliches Prinzip, Menschen in einer Notlage zu unterstützen, sagt Ursula Aellen. Auf die Menschen zugehen, ihnen zuhören, ohne sie zu werten: das sei kirchliche Gassenarbeit. Damit springe die Kirche in eine ganz wichtige Lücke, ergänzt Isabel Calvo.

Einsamkeit und Spenden

Die Gassenarbeit sei kirchlich und somit von politischen Institutionen unabhängig sei, die unkomplizierte Hilfe, die sie hier erhalten, werde auch von den Klientinnen und Klienten geschätzt.
Gefragt, wie sie in ihrer Arbeit den Advent erleben, weist Aellen auf zwei Aspekte hin: einerseits spürten KlientInnen in dieser Zeit die Einsamkeit besonders. Andererseits sei die Bevölkerung in dieser Zeit besonders spendenfreundlich. Der Winter sei aber auch eine schwierige Zeit, weil es für Menschen auf der Gasse bedeute, jeden Abend eine Übernachtungsmöglichkeit zu organisieren - in Bern, das über keine städtische Notschlafstelle verfügt, nicht immer einfach. Dementsprechend sei es für sie besonders hart, jemanden über Nacht draussen lassen zu müssen, sagt Ursula Aellen. Nebst tragischen Einzelschicksalen und Schwierigkeiten gebe es auch viele schöne Aspekte, sagen die Frauen. Zum Beispiel, wenn es gelingt, jemandem eine Wohnung zu beschaffen. Oder jemanden neu einzukleiden. Es sei eine schöne Arbeit, sagt Isabel Calvo.

Sarah Seiler

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CENTRALWEG
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Bund 16.12.10

Ausstellung zum Bauprojekt am Centralweg

 Die Brache am Centralweg im Lorrainequartier soll überbaut werden (siehe "Bund" von gestern). Vorgesehen ist ein Neubau mit rund 15 Wohnungen. Für den Neubau wurde ein Architekturwettbewerb durchgeführt. Alle Projekte und Pläne sind noch bis Mittwoch, 22. Dezember, im Kornhausforum in Bern ausgestellt. Der Ausstellungsort befindet sich auf der Galerie im 2. Obergeschoss. Die Ausstellung ist täglich geöffnet, auch am Wochenende. Weitere Infos: http://www.kornhausforum.ch.(pd)

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Bund 15.12.10

Centralweg bekommt ein "Baumzimmer"-Haus

 Der Architekturwettbewerb für das Neubauprojekt im Lorrainequartier ist abgeschlossen. Gebaut werden 14 Wohnungen mit unkonventionellem Balkon.

 Marc Schiess

 Etwas ganz Markantes werde am Centralweg im Lorrainequartier entstehen: "Ellipsenförmige, offene Aussenräume, sogenannte Baumzimmer, werden in den Hof hineinragen", beschreibt Architektin und Jurymitglied Jris Kaufmann das Siegerprojekt des offenen und anonymen Architekturwettbewerbs. Ausgeschrieben hatte den Wettbewerb die Liegenschaftsverwaltung der Stadt Bern. Vorgabe der Jury war "die Schaffung von vielfältigen innovativen Wohnungen für verschiedene Altersgruppen und Lebensformen". Die Wohnungen sollten zwischen zwei und sechs Zimmern gross sein und den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.

 Berner auf den ersten Rängen

 Mit dem Projekt "Baumzimmer" der Arbeitsgemeinschaft Ursula Egger (Bern) und Team K Architekten AG (Burgdorf) erfüllte ein Berner Team die Anforderungen gemäss der Jury am besten. Der schlanke Baukörper mit dem "Wäldchen" um die "Baumzimmer" passe in die Lorraine, die als urbanes Quartier bereits ein Gesicht besitze und eine eigene Identifikation entwickelt habe, sagt Fernand Raval. Der Jurypräsident und Leiter der städtischen Liegenschaftsverwaltung lobt "Baumzimmer" als "städtebaulich intelligentes Projekt", das mit seinen insgesamt 14 Wohnungen "einen differenzierten Beitrag zur Quartierentwicklung leistet".

 Auf dem Dach sind drei zurückgesetzte Attikawohnungen mit Terrassen geplant. Weiter soll das Haus unter anderem mit einer Erdsonden-Wärmepumpe versehen werdenunddem strengsten Minergie-Standard P-Eco genügen.

 Günstig, aber umweltfreundlich

 Trotzdem werde man den Forderungen des Stadtrats nachkommen, auch für tiefe bis mittlere Einkommen bezahlbare Wohnungen anzubieten. Raval will den Spagat mit "vernünftigen Mietzinsen" erreichen. Als Richtwert nannte er für eine 4,5-Zimmerwohnung einen Mietzins von unter 2000 Franken. Das Investitionsvolumen werde zwischen acht und zehn Millionen Franken betragen. Wenn der Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik dem Siegerprojekt zustimme und der Stadtrat den Kredit genehmige, könne im Sommer 2012 mit dem Bau begonnen werden.

 Variabler Wohnraum realisiert?

 Auch gestern wurde von "variablem Wohnraum" gesprochen. Michael Häusler vom Team K relativierte aber: Die Variabilität sei insofern gegeben, als die Zimmertrennwände keine tragende Funktion hätten, sie seien also theoretisch verschiebbar. Ob dies in der Realität alltagstauglich umgesetzt werden könne, sei aber fraglich. Jedoch seien die Räume nutzungsneutral gestaltet, was variable Nutzungen erlaube.

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Centralweg 9 - wechselhaft genutzt

 Garage, Wohnwagenplatz, Velokurier

 Geplant war das Neubauprojekt schon für Ende 2009. Doch es kam anders.

 Die heutige Zwischennutzung des Areals am Centralweg (Velokurierladen und öffentlicher Park) kann laut dem Leiter der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Bern, Fernand Raval, bis zum voraussichtlichen Baubeginn im Sommer 2012 bestehen bleiben.

 Nach dem Abbruch der Garage Alcadis wollte die Stadt das nun 1200 Quadratmeter grosse Areal nicht zwischennutzen. Nachdem der Boden im Sommer 2009 von Altlasten gesäubert worden war, besetzte die Wohnwagengruppe Stadttauben im März 2010 für kurze Zeit das brachliegende Gelände. Um eine erneute Besetzung zu verhindern, liess die Stadt das Areal mit schweren Maschinen umgraben, aufschütten und einzäunen. Eine Zwischennutzung war nun plötzlich denkbar.

 Ideen gab es viele: Weidewald, Spielplatz, Brätlistelle, Brache mit Tümpel oder eine BMX-Velorennbahn für Kinder. Schlussendlich entschied sich die Stadtverwaltung für eine Zwischennutzung durch einen Velokurierladen. Der Rest des Geländes wurde mit minimalen Eingriffen zum öffentlichen Park umfunktioniert: Ein Teil des zuvor geplanten Weidenwalds wurde angepflanzt, dazu ein paar Sitzbänke installiert und ein Hügel gebaut.

 Ungelöst bleibt das Problem der zonenwidrigen Sex-Salons am Lagerweg 12. Die Stadt wollte ursprünglich auch das Baurecht der ans Centralweg-Areal angrenzenden Liegenschaft erwerben. Die Eigentümerschaft wollte aber nicht verkaufen.(msu)

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BZ 15.12.10

Stadt baut Wohnungen mit "Baumzimmern"

 LorraineDie Stadt will am Centralweg 14 Wohnungen zu erschwinglichen Mieten bauen. Der Weg würde beim Siegerprojekt Baumzimmer zur Wohnstrasse ohne Durchgangsverkehr umfunktioniert.

 Drei übereinanderliegende frei stehende Balkone inmitten von Bäumen geben dem Projekt dem Namen: Jede Wohnung erhält ein sogenanntes Baumzimmer. So sieht es das Siegerprojekt für die freie Parzelle am Centralweg in der Lorraine vor. Gestern präsentierte die Stadt das Resultat des Architekturwettbewerbs. Ab dem Sommer 2012 sollen dort bis Ende 2013 14 Wohnungen im "teilweise unteren bis mittleren Preissegment" errichtet werden.

 Fernand Raval, Leiter der städtischen Liegenschaftsverwaltung und Jurypräsident, sprach von Mieten "unter 2000 Franken" für eine Viereinhalbzimmerwohnung. Ein Teil der Wohnungen ist laut Raval als "günstiger Wohnraum" vorgesehen: Das heisst, nur wer die Bedingungen dafür erfüllt, kann sie mieten. Vorgesehen sind Zwei- bis Sechszimmerwohnungen. Die Stadt als Grundeigentümerin baut selber. Raval ist überzeugt, dass mit dem ausgewählten Projekt "etwas Besonderes" entsteht. "Etwas, das dazu beitragen wird, das gesamte Quartier in seiner Art zu bestätigen und entsprechend aufzuwerten."

 Raval rechnet mit reinen Baukosten von "unter zehn Millionen Franken", darin nicht eingerechnet sind die Kosten für den Boden. Da dieser jedoch der Stadt gehört, muss sie nicht marktübliche Renditen darauf erwirtschaften.

 Das Beste aus 62 Projekten

 Die Jury konnte aus 62 Projekten, deren Autoren aus vier Ländern stammen, auswählen: "In einer Stadt, sozusagen mittendrin, ein Neubauprojekt zu realisieren, ist auch für die Liegenschaftsverwaltung etwas Besonderes", führte Raval aus.

 Die Arbeitsgemeinschaft Ursula Egger Architekturbüro aus Bern und Team K Architekten aus Burgdorf hat sich denn auch intensiv mit der Ausgangslage auseinandergesetzt. Herausgekommen ist ein Minergie-P-Eco-Haus mit luftigen Balkonen auf der Westseite, einem Attikageschoss, einem Gewerberaum auf den Lagerweg hinaus und einem Centralweg ohne Durchgangsverkehr. Raval räumt ein, dass Letzteres durchaus auch Einsprachen zur Folge haben könnte. Seines Wissens sei die Idee aber auch schon innerhalb des Quartiers diskutiert worden. In der Jury war dieses ebenfalls vertreten.

 Intermezzo der "Stadttauben"

 Auf der Parzelle befand sich früher eine Garage. Die Kündigung des Mietverhältnisses hatte damals ein längeres Nachspiel zur Folge. Bis die Erb-Garage auszog, dauerte es ziemlich lange. Nachdem das Grundstück von den Altlasten saniert worden war, besetzten es kurzzeitig die "Stadttauben" mit ihren Wohnwagen. Gegenwärtig wird es als Stadtbrache zwischengenutzt. "Diese kann bis zum Baubeginn bestehen bleiben", versicherte Raval. Wenn die Betriebskommission des Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik zustimmt, wird das Bauprojekt ausgearbeitet. Den Kredit bewilligen wird laut Raval der Stadtrat.

 Christoph Aebischer

 Ausstellung zum Wettbewerb im zweiten Stock des Kornhauses ab heute bis am 22. Dezember. Di/Mi/Fr von 10 bis 19 Uhr, Do 10 bis 20 Uhr und Sa/So/Mo 11 bis 17 Uhr.

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bern.ch 14.12.10

Ein Baumzimmer gewinnt den Architekturwettbewerb

Der offene und anonyme Projektwettbewerb für das Neubauprojekt am Centralweg in der Lorraine ist abgeschlossen. Das Preisge-richt hat das Projekt Baumzimmer der Berner Arbeitsgemeinschaft Ursula Egger, Bern, und Team K Architekten AG, Burgdorf, der Betriebskommission des Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik (Fonds) zur Weiterbearbeitung empfohlen.

Nachdem die zuständige Betriebskommission des Fonds entschieden hatte, in der Lorraine am Centralweg ein Neubauprojekt für Wohnungen zu realisieren, wurde zur Erlangung eines städtebaulich hochstehenden Bauprojekts ein offener und anonymer Projektwettbewerb gemäss Ordnung SIA 142 lanciert. Eine aus Sach- und FachpreisrichterInnen zusammengesetzte Jury hat unter Beizug von FachexpertInnen sowie einem Vertreter aus dem Quartier eine umfassende und fachkundige Beurteilung der insgesamt 62 eingereichen Projekte vorgenommen. Für das Siegerprojekt namens Baumzimmer zeichnet die Berner Arbeitsgemeinschaft Ursula Egger, Bern, und Team K Architekten AG, Burgdorf, verantwortlich. Am Projekt mitgearbeitet haben zudem die Hänggi Basler Landschaftsarchitektur GmbH sowie die Weber Energie und Bauphysik GmbH, beide aus Bern.

Architektur und Technik

Für die Jury handelt es sich beim Projekt Baumzimmer um ein städtebaulich intelligentes Projekt, das mit seinen insgesamt 14 Wohnungen einen wünschenswerten und differenzierten Beitrag zur Quartierentwicklung leistet. Die 8 Etagenwohnungen mit ihren balkonartigen Baumzimmern schaffen identitätsstiftenden Charakter und interessante zwischenräumliche Bezüge. Weitere 3 geplante Attikawohnungen weisen grosszügige Terrassen auf, die 3 Wohnungen im Erdgeschoss erhalten gedeckte Sitzplätze. Die Organisation aller Wohnungen ist einfach und klar und lässt sich flexibel in unterschiedlichen Grössen ausgestalten.

Das Gebäude besteht aus einem einfachen schlanken Baukörper, der das vorhandene Geviert gegenüber dem Centralweg abschliesst. Die Zeile bildet die etwas schlankere Fortsetzung der nördlichen Bebauung. Mit der südlichen Kopfausbildung setzt der Neubau volumetrisch und nutzungsmässig einen Akzent im bestehenden Quartier. Der südliche Teil des Baukörpers erzeugt zudem durch die gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss einen positiven räumlichen Bezug vom privaten zum öffentlichen Raum.

Zur Erzeugung der Raumwärme sowie des Brauchwarmwassers ist eine Erdsonden-Wärmepumpe vorgesehen. Optional könnte für die Stromerzeugung auf dem Flachdach zudem eine Photovoltaikanlage installiert werden. Doch bereits ohne diese Anlage werden die angestrebten Vorgaben des Labels Minergie-P-ECO eingehalten.

Die Aussenräume

Der öffentliche Strassenraum Centralweg soll im nördlichen Teil verkehrsberuhigt werden und dient nach wie vor der Zufahrt für den motorisierten Verkehr. Mit frei geformten Raumelementen und einer Bepflanzung soll hingegen der südliche Teil zum Quartierplatz umgestaltet werden, was dem Konzeptansatz aus der Quartierplanung entspricht, zusätzliche  öffentliche Freiräume zu schaffen. Der westseitige Hofraum wird begrünt und mit einem kleinen öffentlichen Verbindungsweg zwischen Lager- und Hofweg ergänzt. Geprägt wird der ansonsten den Bewohnerinnen und Bewohnern als Grün- und Spielbereich zur Verfügung stehende Hofraum vor allem durch die Bäume und die ellipsenförmigen, luftigen Balkonanbauten, die Baumzimmer.

Baubeginn voraussichtlich im Sommer 2012

Das innovative, attraktive und hindernisfreie Wohnangebot des geplanten Neubaus kommt unterschiedlichen Lebensformen und Generationen entgegen und fördert nachhaltig die soziale Durchmischung im Quartier. Teilweise werden sich die Wohnungsmieten im unteren bis mittleren Preissegment bewegen.

Dem Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik als Eigentümerin des Grundstücks wird vorgeschlagen, das Siegerteam Ursula Egger, Bern, und Team K Architekten AG, Burgdorf, mit der Weiterbearbeitung zu beauftragen. Ziel ist es, das Projekt dem Stadtrat im Jahr 2011 zur Kreditgenehmigung vorzulegen. Gemäss dem heutigen Planungsstand kann mit einem Baubeginn im Sommer 2012 und mit dem Bezug der Wohnungen ab Ende 2013 gerechnet werden. Die heutige Zwischennutzung endet mit dem Baubeginn.

Ausstellung im Kornhausforum

Alle 62 Wettbewerbsprojekte werden mit Modellen und Plänen vom 15.-22. Dezember 2010 im Berner Kornhaus wie folgt ausgestellt.

Ausstellungsort:  Galerie, 2. Obergeschoss
Öffnungszeiten:   
Di/Mi/Fr 10.00-19.00 Uhr (22.12.2010 nur bis 17.00 Uhr)
Do 10.00-20.00 Uhr
Sa/So/Mo 11.00-17.00 Uhr

 
Direktion für Finanzen, Personal und Informatik

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ANTI-SVP
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Indymedia 27.12.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/12/79412.shtml (mit Links)

Spätweihnachtliche Überraschung für ranghohe SVP-Politiker ::

AutorIn : Aktionsgruppe "Klassensolidarität"         

In der Nacht auf Heute hat die Aktionsgruppe "Klassensolidarität" (AGK) in Winterthur gleichzeitig zehn Wohnhäuser von SVP-Exponenten mit einer Botschaft versehen. Damit will sie ihre Solidarität mit den ausländischen Lohnabhängigen zum Ausdruck bringen, welche immer häufiger und unverfrorener zur Zielscheibe angstschürender SVP-Politik werden. Die Kritik der AGK richtet sich jedoch nicht gegen eine einzelne Partei, sondern gegen die dahinter liegende Tendenz des Kapitalismus seine Probleme auf Randgruppen abzulenken. Mit ihrer Aktion ruft die AGK dazu auf, der Fremdenangst den Zusammenhalt aller Arbeitnehmenden unterschiedlicher Nationalität entgegen zu setzen.     
    
Nathalie Rickli und Rainer Heuberger besucht!

Unter den gekennzeichneten Häusern ist auch jenes der Nationalrätin Nathalie Rickli und die Villa des "Siska-Immobilien"-Besitzers Rainer Heuberger. Mit Graffitis wie "Klassenkampf statt Fremdenangst" will die AGK dafür sensibilisieren, dass der Graben in der Weltgesellschaft nicht zwischen den Arbeitenden unterschiedlicher Nationalität verläuft, sondern zwischen den ArbeiterInnen und den InteressenvertreterInnen des Kapitals im Allgemeinen.

Überall die gleichen Probleme

Egal ob in England, Island, Spanien, Frankreich, Griechenland, Portugal, Serbien oder der Schweiz, überall spürt der Grossteil der Gesellschaft die, durch die Krise ausgelösten, Angriffe auf ihre Lebensbedingungen. Überall wird die breite Masse der Bevölkerung für die Pleite der grossen FirmenbesitzerInnen zur Kasse gebeten. Hinter all diesen Massenentlassungen, Sparprogrammen, Reallohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, Rentenalter-Erhöhungen etc. steht in letzter Instanz das Interesse des Kapitals, sich wieder besser verwerten zu können.

Nur zusammen sind wir stark!

Angesichts dieser, sich international abzeichnenden Angriffe und der globalen Verflechtung von Kapital und Regierungen, ist es zwingend notwendig sich als AngestellteR, ArbeiterIn, ArbeitsloseR, StudentIn oder RentnerIn nicht mehr in nationale Gruppen spalten zu lassen, sondern sich als Teil einer internationalen Klasse zu sehen, deren materielle Bedürfnisse nur im gemeinsamen Kampf gegen die Interessen des Kapitals geltend gemacht werden können.

Kein Kapitalismus ohne Rassismus!

Die Geschichte zeigt, dass die kapitalistische Gesellschaft in Krisen dazu tendiert, die, durch die Funktionsweise des Kapitalverhältnisses hervorgerufenen, Probleme verkürzt anzugehen und auf Randgruppen zu proijezieren. Die aktuelle Stimmung gegen AusländerInnen, aber auch die auftretende verkürzte Kritik am Finanzsektor, als alleiniger Urheber für die aktuelle Krise, fusst auf der gleichen Logik, wie das Aufkommen des Faschismus während den dreissiger Jahren. Die Politik der SVP ist Ausdruck dieser Tendenz. Indem sie die einheimischen Lohnabhängigen gegen die ausländischen aufhetzt, verschleiert sie deren objektive Gemeinsamkeit als gesellschaftliche Klasse und ist von diesem Standpunkt anzugreifen.

Gegen das Konstrukt von Nation und Rasse - Für uns gibts nur eins: Klasse gegen Klasse!

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tagesanzeiger.ch 27.12.10

Farbanschlag auf Natalie Ricklis Wohnhaus

pak/hoh/fsc

 In der Nacht auf heute haben unbekannte Täter im Raum Winterthur mehrere Fassaden verschmiert. Der Anschlag richtet sich gegen mehrere Exponenten der SVP.

 "Natalie wir kriegen dich." Mit diesen Worten war der Eingang eines Wohnhauses in Winterthur verschmiert. Mit "Natalie" meinen die unbekannten Täter Natalie Rickli, die im Haus wohnt und für die SVP im Nationalrat sitzt. Diese anonyme Drohgebörde war den Tätern offenbar noch nicht genug: Sie haben eimerweise Farbe ausgeschüttet und Ricklis Briefkasten mit Sekundenleim zugeklebt. Vor dem Haus sprayten sie in grossen Buchstaben "Klassenkampf statt Rassismus" an einen Zaun.

 Die Attacke gegen Rickli ist nicht die einzige gegen Mitglieder der SVP im Raum Winterhur: Auch der Nationalrat Jürg Stahl und Alt-Kantonsrat Rainer Heuberger wurden Opfer eines Farbanschlages, wie die Winterthurer Stadtpolizei bestätigt.

 "Wir haben hier in Winterthur immer wieder Probleme"

 "Das ist zutiefst antidemokratisch", sagt Rickli zur anonymen Drohgebärde. "Die Täter sind dumm und feige. Wer in der Schweiz etwas zu sagen hat, soll gefälligst zu seiner Meinung stehen." Das ist, was die Politikerin Rickli zum Anschlag zu sagen hat. Was die Drohung in ihr als Mensch auslöst, das will sie für sich behalten.

 Hinter der Attacke vermutet Rickli linkextreme Kreise. "Wir haben hier in Winterthur immer wieder Probleme mit Leuten aus dieser Szene." Kürzlich hätten Autonome die Scheiben des Hotels Wartmanns eingeschlagen, als die SVP ein Treffen abhielt. An einer Veranstaltung im Musik Club Albani hätte die Polizei vermummte Autonome davon abhalten müssen, den Anlass zu stören.

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Bund 17.12.10

SVP sucht Farbanschlagtäter und setzt Belohnung aus

 In der Nacht auf den 25. November haben Unbekannte einen Farbanschlag aufs Haus des Stadtberner SVP-Präsidenten Peter Bernasconi verübt. Die SVP Stadt Bern hat nun beschlossen, eine Prämie von 1000 Franken für Hinweise auszusetzen, die zur Ergreifung der Täter führen. "Die Prämie würde aus der Parteikasse bezahlt", sagt Bernasconi. Die Versicherung übernehme nur 5000 Franken des Gesamtschadens in der Höhe von 12 400 Franken. Den Rest müsse er aus dem eigenen Sack berappen. Er werde zudem "Vorkehrungen" zur Sicherung seiner Liegenschaft treffen, sagt Bernasconi. (bob)

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KINO KUNSTMUSEUM
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kulturstattbern.derbund.ch 23.12.10

Licht aus im Kino Kunstmuseum

Von Roland Fischer am Donnerstag, den 23. Dezember 2010, um 06:00 Uhr

Wenn es ums Sparen geht in Bern, dann geht es auch immer um den Status dieser kleinen Kapitale, um die Rolle, die sie spielen will: Haupt-, Provinz-, Durchschnittsstadt? Bei der Diskussion rund um die drei Theatersparten waren da rasch Schmerzgrenzen erreicht: eine Hauptstadt ohne Stadttheater? Das geht nicht, unvorstellbar. Richtig, aber damit hört es ja nicht auf.

kino kunstmuseum, nachtsEs ist schon ein wenig furchterregend, wie radikal der kulturpolitische Zweihänder derzeit geschwungen wird. "Viel kann, nichts muss" scheint das aktuelle Motto in der Berner Kulturpolitik zu sein. Am Stadttheater steht so ziemlich alles zur Disposition, und nun erwischt es auch das ambitionierte Kino. Das Kino Kunstmuseum wird wohl die Tore dichtmachen müssen, ein Drittel weniger Subventionen von der Stadt, dazu kaum noch Unterstützung (weder finanziell noch ideell noch räumlich) vom Kunstmuseum - so lässt sich ein Betrieb kaum mehr vernünftig aufrecht erhalten.

Während es doch einiges Geschrei und Lamento rund ums Stadttheater gab, droht das Programmkino in Bern ganz still zu Grabe getragen zu werden. Es muss erlaubt sein, da auch mal dazwischen zu lärmen: Nein, eine grosse Stadt ohne vernünftiges Reprisenkino, das geht ebenso wenig, wie - siehe oben. Man möge da bitte Kultursparten nicht gegeneinander ausspielen, auch das Kino braucht ein schönes Zuhause, auch in Bern.

Ja, der Status Quo ist unbefriedigend, da werken zuviele Leinwand-Helden an zuvielen Initiativen herum: Cinématte, Kino Reitschule, Lichtspiel, Kino Kunstmuseum. Da verzettelt sich so einiges, was man wohl besser bündeln würde (siehe zum Beispiel Zürich, wo es mit dem Filmpodium und dem Xenix zwei sich wunderbar ergänzende Programmkinos gibt). Ein Vorschlag also zur Güte: Das Kino Kunstmuseum sucht sich ein neues Zuhause, zusammen mit dem Lichtspiel, das ja wohl ohnehin bald umziehen muss. Zusammen bilden die beiden ein echtes Programmkino-Bijou, wie es nur wenige Städte in der Schweiz zu bieten haben. Und zwar nicht in einem billigen Industriebau, sondern an einem zentralen und attraktiven Ort. Ist im Progr genug Platz für die Lichtspiel-Sammlung, vielleicht im Dachstock? Juwelen gehören ins Schaufenster, nicht in einen schummrigen Keller oder ins Lager.

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Bund 20.12.10

Kino Kunstmuseum in Bern ist "akut gefährdet"

 Das Kino Kunstmuseum steckt in einer desolaten Situation: Das Kunstmuseum will es nicht mehr länger unterstützen.

 Die Situation für das Kino Kunstmuseum, das ab 2012 von der Stadt Bern nur noch mit 120 000 statt mit bisher 170 000 Franken subventioniert wird, spitzt sich zu. Denn laut Recherchen des "Bund" streicht nun auch das Kunstmuseum seinen jährlichen Programmbeitrag in der Höhe von 20 000 Franken. Damit fehlen 70 000 Franken im Budget von 430 000 Franken. "Die Existenz des Kinos ist akut gefährdet", sagt Kinoleiterin Rosa Maino. Peter Erismann, der Präsident des Trägervereins Cinéville, kann die Kürzungen nicht verstehen und ist enttäuscht über die Berner Kultursekretärin Veronica Schaller, die Abmachungen nicht eingehalten haben soll. "Wir kommen uns verraten und verschaukelt vor."

 Die Situation ist umso delikater, weil unklar ist, ob und wie lange das Kino noch im Kunstmuseum bleiben kann. Ausschlaggebend ist der geplante Umbau für die Abteilung Gegenwart. Zeichnet sich doch immer deutlicher ab, dass die Kinoräume wohl der Kunst weichen müssen. Cinéville will nun politisch Druck machen. Zudem prüft der Verein einen Neustart des Kinos im Progr, wo es mit offenen Armen aufgenommen würde.(all) — Seite 21
    
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Das Kino Kunstmuseum kämpft ums Überleben

 Nach der Stadt streicht nun auch das Kunstmuseum seinen Beitrag ans Kino.

 Thomas Allenbach

 Peter Erismann, Präsident des Trägervereins Cinéville, und Rosa Maino, Leiterin des Kinos Kunstmuseum, sind konsterniert. Am Freitag teilte ihnen das Kunstmuseum Bern mit, dass "aus Spargründen" der jährliche Beitrag ans Kino von 20 000 Franken gestrichen werde. Mit diesem Betrag hat das Kunstmuseum bisher die ausstellungsbegleitenden Programme abgegolten. "Das zeigt das Desinteresse des Kunstmuseums am Kino mit aller Deutlichkeit", sagt Erismann. Noch gravierender sind die Kürzungen der städtischen Subventionen: In den neuen Kulturverträgen 2012 bis 2015 wird das Kino jährlich nur noch mit 120 000 statt wie bisher 170 000 Franken unterstützt ("Bund" vom 10. Dezember). Damit fehlen jährlich insgesamt 70 000 Franken in der Kasse, ein massiver Betrag bei einem Budget von 430 000 Franken. Für Maino ist klar: "Ein Programm auf bisherigem Niveau ist nicht mehr möglich, unsere Existenz ist akut gefährdet."

 "Verraten und verschaukelt"

 "Wir kommen uns verraten und verschaukelt vor", sagt Erismann. Er kritisiert nicht nur die Entscheide, er ist auch erschüttert über die Umgangsformen: "Die städtische Kultursekretärin Veronica Schaller und das Kunstmuseum Bern übten sich uns gegenüber in Nicht-Kommunikation." Erismann wirft Schaller in einem Schreiben an den Kulturdachverband Bekult zudem vor, sie habe eine mündliche Abmachung nicht eingehalten. In dieser war eine abgefederte Kürzung der städtischen Subventionen (zwei Jahre 145 000 Franken, zwei Jahre 120 000 Franken) vorgesehen. Schaller weist diesen Vorwurf entschieden zurück: "Ich habe Verständnis dafür, dass sich das Kino Kunstmuseum wehrt, aber man sollte dabei fair bleiben. Wir haben in den Gesprächen mehrere Varianten geprüft, dabei aber keine Zusagen gemacht." Maino vermisst bei Schaller ein inhaltliches Interesse und Visionen für die Rolle, die das Kino spielen könnte. "Das Kino ist mir generell sehr wichtig, aber in Bezug auf das Kino Kunstmuseum habe ich tatsächlich nicht dieselben Vorstellungen wie Maino", erwidert Schaller. Erismanns Ärger über die Kürzungen der städtischen Subventionen ist umso grösser, als das Kino Kunstmuseum - nebst der Tanzaktiven Plattform - der einzige Veranstalter ist, dem Gelder gestrichen werden. Insgesamt unterstützt die Stadt die Berner Kulturveranstalter in der neuen Subventionsperiode mit 112 Millionen Franken. Als einen "Affront" empfinden Erismann und Maino die Begründung des Gemeinderates. Dieser schrieb in seinem Vortrag an den Stadtrat, das Kino habe wegen der geplanten Abteilung Gegenwart (siehe Kasten) in Zukunft keinen Platz mehr im Kunstmuseum und wenn doch, dann wäre ab 2016 der Kanton für dessen Subventionierung zuständig; der reduzierte städtische Beitrag genüge, damit das Kino sich neu positionieren oder seinen Betrieb einstellen könne.

 Über 10 000 Eintritte

 Erismann bezeichnet die Kürzung denn auch "als aktive Sterbehilfe". Sparmöglichkeiten sieht er kaum, ganz sicher keine Lösung sei es, die Zahl der Vorstellungen zu reduzieren: "Das ist ein Teufelskreis. Denn damit verlieren wir wiederum Einnahmen. Ein ausgedünntes Programm ist zudem alles andere als publikumsfreundlich." Verschärft wird die Situation dadurch, dass in den letzten Jahren die Kosten für Filmkopien und Filmrechte deutlich gestiegen sind. Das fällt beim künstlerisch ambitionierten Programm des Kinos Kunstmuseum mit aufwendigen filmhistorischen Zyklen besonders ins Gewicht. Schaller wirft dem Kino weiter vor, es erreiche zu wenige Zuschauer, das Verhältnis von Subventionen und Eintritten stimme nicht. Dem widersprechen Erismann und Maino vehement. Mit über 10 000 Eintritten blicke das Kino auf eine erfolgreiche Spielzeit 2009/10 zurück, das Ergebnis lasse sich auch im Vergleich mit andern Programmkinos sehen. Über 50 Prozent seines Budgets erwirtschafte das Kino selber, "das ist im Vergleich mit andern Kulturinstitutionen überdurchschnittlich", so Erismann.Der Trägerverein Cinéville ist nun an mehreren Fronten aktiv. Einerseits will er mit politischem Druck die Subventionskürzung verhindern. "Wir werden versuchen, Stadträte für unser Anliegen zu gewinnen", so Erismann. Zugleich wird der Neustart des Kinos im Progr geprüft, wo Cinéville mit offenen Armen aufgenommen würde. Die Arbeit am Vorprojekt soll bis März abgeschlossen sein. Die Krux dabei: Es braucht Gelder für die Investitionen, zudem wird der Kinobetrieb wegen der Miete im Progr teurer. Noch intensiver als bisher schon sucht man private Geldquellen. Hoffnung gibt ein neuer Sponsoringvertrag mit der Berner Kantonalbank über 10 000 Franken.

 Maino wünscht sich zudem eine grundsätzliche Diskussion in der Öffentlichkeit über die Stellung des Kinos in der Kulturpolitik. "Welches Programmkino will Bern?", fragt sie. "Wenn überhaupt?" Gerade in einer Zeit, da auch das Arthouse-Kino unter Druck gerate, sei ein Engagement der öffentlichen Hand wichtig: "Ohne Programmkinos stirbt die Filmkultur." Die Stadt aber will die Verantwortung an den Kanton abgeben mit der Begründung, dieser sei auch bei der Filmförderung federführend. Wenigstens subsidiär sollte die Stadt das Kino weiterhin unterstützen, erwidert Maino, immerhin handle es sich dabei um einen Kulturveranstalter mit städtischem Profil. Für die Zukunft setzt Cinéville nun vor allem auf den Kanton. "Zur Filmförderung gehört auch die Filmvermittlung. Und da spielen wir, gerade auch für das bernische Schaffen, eine zentrale Rolle", sagt Erismann. Er habe den Eindruck, die Arbeit des Kinos Kunstmuseum werde vom Kanton viel mehr geschätzt als von der Stadt.

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 Bleibt das Kino im Museum?

 Die Situation für dasKino Kunstmuseum ist umso delikater, als unklar ist, ob und wie lange es noch im Kunstmuseum bleiben kann. Ausschlaggebend ist der geplante Umbau für die Abteilung Gegenwart. Immer deutlicher zeigt sich, dass das Kino an der Hodlerstrasse keine Zukunft hat. Im neuen Subventionsvertrag ist das Kunstmuseum vom bisherigen Kino-Auftrag befreit. "Wir sind das Opfer des Traumas, unter dem das Kunstmuseum durch das Scheitern seiner bisherigen Anbaupläne leidet", sagt Peter Erismann, Präsident des Trägervereins Cinéville. Heute wollen Kunstmuseum und Zentrum Paul Klee informieren, wie die Kooperationsmodelle evaluiert werden sollen - der Kanton verlangt eine engere Zusammenarbeit der beiden Institutionen. (all)

 Podium zu den Programmkinos: 28. 2. um 18.30 Uhr im Kino Kunstmuseum.

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DEISSWIL
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BZ 17.12.10

Globalisierungsgegner kritisieren Unia und Bernapark

 DeisswilIm Buch "Der geplante Tod einer Fabrik" äussern sich ehemalige Mitarbeiter der Karton Deisswil zur Firmenschliessung. Weiter findet man darin Berichte von Globalisierungsgegnern. Gestern wurde das Buch den Medien vorgestellt.

 Die Autoren des Buches "Der geplante Tod einer Fabrik", das sich mit der Schliessung der Karton Deisswil befasst, legen ihre Karten im Vorwort auf den Tisch. Das Buch beanspruche für sich weder Objektivität noch die "absolute Wahrheit", steht geschrieben. Es gehe den Autoren darum, Partei zu ergreifen.

 Neben Berichten der Autoren bilden Interviews mit elf Mitarbeitern der Karton Deisswil das Herzstück des 230 Seiten langen Buches. Die Mitarbeiter reden dabei unter anderem über ihre Enttäuschung, dass in Deisswil nicht mehr Karton produziert wird. Gestern stellten die Autoren ihr Werk den Medien vor.

 Ideologisch sind die Autoren links aussen anzusiedeln. So ist zum Beispiel Maurizio Coppola, der mehrere Kapitel geschrieben hat, ehemaliger Co-Generalsekretär von Attac Schweiz. Diese globalisierungskritische Organisation hat unter anderem Demonstrationen gegen das WEF organisiert. Entsprechend ideologisch gefärbt sind die Berichte im Buch. Die Gewerkschaften werden als "Anhängsel der dominierenden Bosse" bezeichnet. Der Arbeitskampf in Deisswil habe mit einer exemplarischen Niederlage für die Mitarbeiter geendet, so ein Autor.

 Keine einzige Entlassung

 Bernapark-Investor Hans-Ulrich Müller sei nicht als Retter von Arbeitsplätzen, sondern nur als Immobilienspekulant aufgetreten, steht in einem anderen Bericht. Die Fakten stellen sowohl der Gewerkschaft Unia wie auch Unternehmer Müller ein anderes Zeugnis aus. Tatsache ist, dass die 253 Mitarbeiter der Karton Deisswil im Frühling vom Mayr-Melnhof-Konzern den blauen Brief erhielten. Der Bernapark hat aber alle Mitarbeiter übernommen. Bis heute kam es zu keiner Entlassung. Allerdings mussten sich die Mitarbeiter neu orientieren. Der Bernapark hat sie dabei mit vielen Massnahmen unterstützt. Zudem hat Hans-Ulrich Müller gemeinsam mit seiner Frau eine Stiftung für Härtefälle gegründet. Wie das Berner Wirtschaftsamt Beco bestätigt, waren beim Bernapark per Ende November noch 95 Mitarbeiter angestellt. Viele ehemalige Deisswiler haben an einem anderen Ort eine neue Stelle gefunden. Auf dem Gelände der Kartonfabrik haben sich bereits mehrere Betriebe eingemietet, weitere folgen. Zum ersten Quartal 2011 soll es auf dem Areal 189 Arbeitsplätze geben, wie der Bernapark gestern informierte.

 Die Frage, was aus den 253 Mitarbeitern ohne Unia und Bernapark geworden wäre, bleibt im Buch offen.

 Ralph Heiniger

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RABE-INFO
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Do. 23. Dezember 2010
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- Was verändert das Mediengesetz in Ungarn? Eine Radiojournalistin bangt um ihren Sender
- Wirkt Wikileaks wirklich Wunder wenn's um Wahrheit geht? Ein kritischer blick auf die Internetplattform
- Was bekommt man am Radio nicht zu hören? Versprecher und kuriose Statements aus dem RaBe- info

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Mi. 22. Dezember 2010
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- Erinnern um zu Vergessen: der lange Schatten der argentinischen Militärdiktatur
- Gespaltenem Land droht der Bürgerkrieg: die Ursprünge der Auseinandersetzungen in Elfenbeinküste
- Die Rechnung kommt nach Jahrzehnten: biologische Invasionen belasten künftige Generationen

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Di. 21. Dezember 2010
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- Nach der Wahl ist vor der Wahl: Der letzte Diktator Europas hat Weissrussland fest in der Hand

- Konsumentenschutz bündelt Kräfte: Im Wahljahr soll die Politik unter die Lupe genommen werden

- Bittersüsser Geburtstagskuchen: Burkina Faso wird 50

Links:
http://www.ououagadougouou.blogspot.com

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Mo. 20. Dezember 2010
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- Verurteilung des Polizeieinsatzes am Klimagipfel: Kopenhagener Gericht erklärt Massenverhaftungen für illegal
- Kultuschaffende machen Politik: Der Berner Schriftsteller Guy Krneta ist unser Kopf der Woche

Links:
http://www.kunst-und-politik.ch/pagina.php

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Fr. 17. Dezember 2010
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- Die Rechte von Migrantenkindern sollen besser geschützt werden - das verlangen zwei Motionen im eidgenössischen Parlament
- Deutschland hebt die Wehrpflicht auf - und stärkt damit die Streitkräfte im Ausland
- Teure Zölle und mangelnde Qualität - Online-Shopping macht Weihnachtseinkäufe nicht unbedingt weniger stressig

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Mi. 15. Dezember 2010
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- Zu viele Suizide mit Schusswaffen: Schweizer Ärzte sehen dringenden Handlungsbedarf
- Gespannte Ruhe vor dem Sturm: der Südsudan steht kurz vor der Unabhängigkeit
- Internationale Reportagen aus dem Klassenzimmer: das Kinderradio Jojo sendet mehrsprachig und weltweit

Links:
http://www.radijojo.de

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Di. 14. Dezember 2010
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- "Geld alleine macht nicht glücklich": Neue Studie zu den Lebensbedingungen in der Schweiz
- Sozial und ökologisch investieren: 20 Jahre Alternative Bank
- Gafreh fertigt Taschen aus Abfall: Reportage aus Burkina Faso

Links:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.html
http://www.ououagadougouou.blogspot.com

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Mo. 13. Dezember 2010
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- Wir wollen ins SVP-Parteiprogramm - Kulturschaffende kämpfen kreativ gegen Verunglimpfungen
- Der alternative Banker: Unser Kopf der Woche ist Thomas Bieri, Mitbegründer der Alternativen Bank Schweiz

Links:
http://kunst-und-politik.ch/pagina.php
http://www.bas.ch

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DROGENPOLITIK THUN
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Thuner Tagblatt 22.12.10

Der Vermittler, der auch mal Zähne zeigt

 Thun. Zwölf Jahre sind genug, sagt Andreas Lüscher: Der SVP-Gemeinderat und Sozialvorsteher tritt auf Ende Jahr zurück. Er hat sich in der Thuner Exekutive als Vermittler verstanden. Im Interview blickt er zurück und nach vorne - und sagt: "Ein Exekutivamt ist nicht dazu geeignet, mit dem Holzhammer aufeinander loszugehen."

 Sie waren zwölf Jahre im Thuner Gemeinderat - ohne einen einzigen Skandal zu verursachen!

 Andreas Lüscher: Ja, das trifft zu. Und ich bin ein wenig stolz, dass nie grössere Spitzen gegen die Sozialpolitik gefahren wurden. Dass man hin und wieder kritisiert wird, ist normal. Der Gemeinderat als Kollegialbehörde bietet aber einen gewissen Schutz. Nicht, dass man sich dahinter versteckt, aber man kann sich darauf berufen: Der Gemeinderat hat beschlossen, nicht einfach der Sozialvorsteher.

 Waren Sie gerne der stille Schaffer im Hintergrund? Oder hatten Sie das Gefühl, Sie erhielten zu wenig Aufmerksamkeit?

 Ich arbeite gerne an den Aufgaben, die mir zugeteilt werden und muss die Ergebnisse nicht an die grosse Glocke hängen. Das gilt für Berufsleben wie für Politik. Höre ich keine Kritik, gehe ich davon aus, dass das Ergebnis gut ist.

 Welches war denn Ihre Rolle im Gemeinderat?

 Ab der zweiten Legislatur habe ich mich vermehrt als Vermittler verstanden. Ich habe versucht, ausgleichend zu wirken. Ich finde ohnehin, dass ein Exekutivamt nicht dazu geeignet ist, mit Holzhammer und schwerem Geschütz aufeinander loszugehen. Wenn man in der Politik etwas bewegen will, muss man auch Koalitionen schmieden können.

 Hat diese Haltung auch mit dem Alter und der Erfahrung zu tun?

 Ja, sehr stark. Ich denke, dass ich in einem guten Alter in die Politik eingestiegen war und in ein Exekutivamt gewählt wurde.

 Erzählen Sie doch ein bisschen aus dem Nähkästchen: Gab es trotzdem Momente, wo Sie im Gemeinderat laut wurden?

 Ja, durchaus. In Tränen ausgebrochen bin ich im Gemeinderat nie, und Türen habe ich auch keine zugeschlagen. Ich werde von aussen als eher ausgeglichen wahrgenommen. Aber ich kann durchaus auch Zähne zeigen. Die Kolleginnen und Kollegen haben gemerkt, wenn ich wirklich hässig geworden bin.

 Wann wurden Sie energisch?

 Wenn ich mich unverstanden fühlte. Wenn ich Visionen entwickelte, von denen ich überzeugt war - und die anderen Gemeinderäte dafür wenig Musikgehör hatten. Dann habe ich insistiert und bin in der Entwicklung von Gedanken und Ideen noch ein Schrittchen weiter gegangen, um ein wenig zu provozieren.

 Wo konnten Sie ihre Visionen umsetzen? Was schauen Sie selber als Ihren grössten Erfolg an?

 Es tönt zwar fast ein bisschen pathetisch, wenn ich vom sozialen Frieden in dieser Stadt spreche. Aber diesen zu erhalten, soziale Einrichtungen so etablieren zu können, dass sie nicht auf Widerstand stossen, schaue ich als Erfolg an. Ich habe meines Wissens alle sozialpolitischen Geschäfte durchgebracht. Ich denke, das ist über das Ganze gesehen der Erfolg, an dem ich immer gearbeitet habe. Das kam nicht von selber.

 Können Sie Beispiele nennen?

 Es gibt Dinge, auf die ich mit Befriedigung zurückblicke, wenn ich sehe, wo wir heute stehen. Ich spreche die Drogenpolitik mit den schadensmindernden Massnahmen an. Das ist für mich ein Lehrstück gemeinderätlicher Zusammenarbeit: Unter den betroffenen Direktionen Sicherheit, Bau und Soziales haben wir beraten, was zu tun ist, damit die Situation nicht aus dem Ruder läuft. Damals, im Jahr 2005, wurde die Aktion "Marathon" ins Leben gerufen. Heute kann ich sagen: Wir haben unsere Aufgaben im drogenpolitischen Bereich wahrgenommen, ohne dass die Fetzen geflogen sind.

 Trotzdem: Die Aktion "Marathon" mit den Wegweisungen von Randständigen sorgte für Aufsehen. Heute ist die Drogenszene in Thun kaum noch ein Thema. Hat Thun kein Drogenproblem mehr?

 Doch, wir haben noch ein Drogenproblem. Es ist nicht einfach verschwunden. "Marathon" hiess ja für uns: Wir fahren auch eine repressive Schiene und nicht nur eine präventive. Die Säulen der Drogenpolitik sind für mich gleich stark. Die Repression zeigte positive Wirkung. So kamen wir auf ein Niveau, das allgemeinverträglich ist. Das versuchen wir weiterzuziehen - darum der Begriff "Marathon". Wir haben Süchtige in Thun. Aber wir sind soweit sensibilisiert, dass wir auf Szenenbildungen rasch reagieren können.

 Dass in Thun keine Anlaufstelle für Drogenabhängige geschaffen wurde, sorgte für Kritik, vor allem aus Bern. Dafür wurden die schadensmindernden Massnahmen - etwa der Hygieneraum in der Notschlafstelle - eingeführt. Wie fällt Ihre Bilanz dazu aus?

 Ich denke, dass es damit gelungen ist, die Situation nicht entgleisen zu lassen, und die Lage für die Randständigen trotzdem zu verbessern.

 Es gab Befürchtungen, dass sich eine neue Szene bildet, als die Heroingestützte Behandlung HeGeBe Anfang 2010 neben die Notschlafstelle an die Allmendstrasse zügelte. Hat sich der neue Standort bewährt?

 Ja. Man darf nicht ausser acht lassen, dass die soziale Kontrolle an der Allmendstrasse grösser ist als zuvor an der Marktgasse. Es ist nicht gerade ein Spiessrutenlauf für die Süchtigen, aber sie fühlen sich durchaus beobachtet. Die Verantwortlichen der Einrichtungen sind in der Lage sofort zu reagieren, wenn es Probleme gibt.

 Setzt die HeGeBe-Leitung die Hausordnung durch, die etwa Drogendeals oder Ansammlungen auf dem Vorplatz verbietet?

 Ja, und zwar rigoros. Da kann ich der Leitung ein Kränzchen winden. Das sind gute Leute, die dem Druck, dem sie ausgesetzt sind, in den zwölf Jahren immer standgehalten haben. Das ist mitunter auch ein Zeichen guter Sozialpolitik in unserer Stadt.

 Die Berner Gemeinderätin Edith Olibet hat scharf nach Thun geschossen, weil Sie keine Anlaufstelle wollten. Haben Sie sich mit ihr jemals ausgesprochen?

 Wir haben die Klingen gekreuzt und gefochten. Als wir uns danach bei einem Anlass der Gesundheitsdirektion trafen, grüssten wir uns, redeten miteinander und haben das Kriegsbeil begraben. Auch wenn es in der heissen Phase eine Zeit gab, in der ich mich in Bern nicht blicken liess, bleibt aus diesem Konflikt nichts zurück. Und: In Bern mussten sie die Politik in diesem Bereich ja auch überdenken. Diese geht heute in eine ähnliche Richtung wie in Thun.

 Sie ziehen eine positive Bilanz Ihrer Arbeit und hinterlassen keine grossen Baustellen. Hat das den Abschied erleichtert?

 Ich habe mir schon länger gesagt, zwölf Jahre sind genug. Hätte ich die Wiederwahl nach vier Jahren nicht geschafft, hätte mich das schwer getroffen. Und nach acht Jahren gab es Themen, die brannten. Ich habe mich früh auf zwölf Jahre eingestellt und konnte mich so auf meinen Abgang vorbereiten. Heute ist eine andere Generation von Stadträten im Parlament. Das ist gut so. Aber es stimmt schon: Die Situation in der Sozialpolitik erleichtert es mir zu gehen. Ich darf eine gute Direktion mit motivierten Leuten übergeben.

 Wo haben Sie als Gemeinderat Fehler gemacht?

 Vielleicht hätte ich mehr streiten müssen. Das ist wohl die Schattenseite meiner ausgeglichenen Persönlichkeit. Das betrifft nicht nur die Sozialpolitik, sondern ebenso die anderen Politbereiche und Direktionen.

 Konkret: Sie hätten den anderen stärker reinreden sollen?

 Ja, vielleicht. Ich habe mich immer dagegen gewehrt, mich nur als Sozialvorsteher zu verstehen. Ich habe ebenso Interesse an Bildung und Entwicklung, Bau und Liegenschaften oder den Finanzen gezeigt.

 Blicken wir auf die Wahlen zurück: Ihre Partei ist wieder mit zwei Vertretern im Gemeinderat präsent. Was sagen Sie zum Wahlerfolg der SVP?

 Dass mit Raphael Lanz jemand kommt, der mich im Gemeinderat mehr als nur ersetzt, hat mir das Aufhören natürlich erleichtert. Der Wahlerfolg ist für mich ein Zeichen, dass die SVP in Thun zwar kritisch ist, aber konstruktiv politisiert und nicht polarisiert wie in anderen Sektionen. Ein anderer Grund könnte eine gewisse Staatsverdrossenheit der Bürger sein. Die Leute wollen klare Botschaften hören und Taten sehen. Ich denke, die SVP leistet da gute Arbeit.

 Dafür legte der Gemeinderat mit dem Rücktritt von Carlo Kilchherr einen Fehlstart hin.

 Das ist sicher kein optimaler Start. Ich habe Verständnis dafür, dass Carlo Kilchherr seinen Familienbetrieb nur ungern aufgeben wollte. Andererseits habe ich in den Diskusionen um die Pensenverteilung immer Wert darauf gelegt, dass man den Status Quo mit Nebenämtern nicht aus den Augen verlieren darf. Ich war mir aber auch bewusst, dass ich mit dem Beruf neben dem Gemeinderatsamt wohl auch ein Auslaufmodell sein könnte. Roman Gimmel ist ein guter Mann, der einer anderen Generation angehört. Er akzentuiert den Generationenwechsel im Gemeinderat. Ich finde das gut.

 Zu reden gab die Empfehlung des "alten" Gemeinderats, eine gleichmässige Pensenverteilung einzuführen. Haben Sie darüber in der SVP zu wenig informiert?

 Wir haben das kommuniziert - auch von der Stadt an die Parteien. Parteiintern war das bekannt. Wenn ich gefragt wurde, habe ich immer gesagt: Man muss mit allem rechnen. Für mich wäre auch der Status Quo denkbar gewesen.

 Welches sind die grössten Herausforderungen, die auf den Gemeinderat zukommen?

 Der Finanzhaushalt. Die Richtschnur ist eine ausgeglichene Rechnung. Das zu schaffen, wird schwierig aber nicht unmöglich sein. Wir sind soweit, dass jeder Franken zweimal umgedreht werden muss, bevor er ausgegeben werden kann. Zur Zerreissprobe für den Gemeinderat könnte die Frage werden, ob die Steuern rauf oder runter sollen. Ich bin nach wie vor der Meinung, man sollte nicht zuviel an der Steueranlage "schrüble". Beständigkeit schafft auch in dieser Hinsicht Vertrauen.

 Und welchen Rat geben Sie ihrem Nachfolger?

 Ich möchte mich nicht einmischen und Empfehlungen abgeben. Einzig vielleicht die, dass er eine gesunde Distanz zur Verwaltung bewahrt, und dass er sich nicht zu stark vereinnahmen lässt - aber auch nicht den Feuerteufel spielt. Er sollte die Verwaltung als Instrument nützen - und das ist überhaupt nicht despektierlich gemeint. Das Instrument wird sehr gut klingen, wenn harmonische Töne angeschlagen werden.

 Und wie sieht Ihre Zukunft aus?

 Ich bin als Verwalter der reformierten Gesamtkirchgemeinde Thun eigentlich CEO einer Non-Profit-Organisation mit etwa 27 000 Mitgliedern und 130 Mitarbeitenden. Das fordert mich stark, und ich freue mich, dass ich in Zukunft 100-prozentig für die Kirchgemeinden zur Verfügung stehen darf.

 Trotzdem werden Sie an den Wochenenden mehr Zeit haben. Wie wollen Sie diese nutzen?

 Ich will nicht sagen, das Gemeinderatsamt sei gesundheitsschädigend. Aber es ist auch nicht gesundheitsfördernd. Viele Sitzungen, wenig Bewegung, gutes Essen sind der Gesundheit eher abträglich. Ich bin kein Bewegungstalent, bin aber gern in der freien Natur und werde vermehrt mit dem Bike ausfahren, joggen und wandern. Das werde ich sehr geniessen.

 Und die Politik hängen Sie definitiv an den Nagel?

 Nein. Aber es ist klar, dass ich den Schnitt auch hier vollziehe. Werde ich um meine Meinung gefragt, sage ich die auch. Aber ich sehe meine Rolle eher als Seniorpartner der jungen Politiker und werde mich nicht aufdrängen.

 Was werden Sie vermissen?

 Das Vormundschaftswesen. Den direkten Bezug zu Menschen, die Hilfe brauchen, werde ich nicht mehr haben. Auch die Kontakte zu anderen Gemeinden werde ich vermissen, das Gespräch mit den Leuten, oder das Gemeinderatsamt an sich, das jetzt wegfällt - ich weiss noch nicht, wie ich das verkraften werde! (lacht)

 Um den Bogen zum Beginn des Interviews zu schlagen: Ein Skandal ist von Ihnen auch in nächster Zeit nicht zu erwarten?

 Ich wüsste nicht wo! Es gibt bei der Direktion Soziales keine Leichen im Keller, und ich habe den Eindruck, dass wir die Aufgaben auch intern gut gemacht haben. Ich erwarte nicht, dass Peter Siegenthaler am 5. Januar an die Öffentlichkeit tritt und verlauten lässt, ich hätte ein Chaos hinterlassen!
 Michael Gurtner

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 Zur Person

 Andreas Lüscher Der SVP-Vertreter stieg 1995 in den Thuner Stadtrat ein und wurde drei Jahre später in die Exekutive gewählt, wo er als nebenamtlicher Gemeinderat die Direktion Soziales übernahm. Zuletzt führte er diese in einem 40-Prozent-Pensum. Der ehemalige Regierungsstatthalter-Stellvertreter ist seit 2001 Verwalter der Reformierten Gesamtkirchgemeinde Thun.

 Lüscher ist 62 Jahre alt, verheiratet mit Erika Lüscher-Rupp und Vater von zwei erwachsenen Töchtern.mik

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RAUCHVERBOT
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BZ 15.12.10

Regierung hält an Rauchverbot fest

 Rauchverbot. Das nationale Rauchverbot sei genügend, findet SVP-Grossrat Erich Hess und fordert die Aufhebung des kantonalen Gesetzes. Dies lehnt die Regierung ab.

 Seit diesem Mai ist das nationale Rauchverbot in Kraft. Dieses ist liberaler als einige kantonale Gesetze und erlaubt beispielsweise das Führen reiner Raucherlokale, sofern diese nicht grösser als 80 Quadratmeter sind. Dass im Kanton Bern trotz nationaler Regelung das strengere Verbot angewendet wird, stört den SVP-Grossrat Erich Hess (Bern). Denn dieses habe im Berner Gastgewerbe zu Umsatzrückgängen von bis zu 60 Prozent geführt. "Stellen im Service mussten abgebaut und sogar Restaurants geschlossen werden", schreibt Hess in einer Motion. Er verlangt nun vom Regierungsrat, das kantonale Rauchverbot und die dazugehörige Verordnung aufzuheben und das nationale Gesetz anzuwenden.

 Andere Kantone gehen weiter

 Davon will die Regierung nichts wissen. Sie verweist in ihrer Antwort darauf, dass der Grosse Rat das Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen 2008 mit 97 zu 41 Stimmen angenommen hat. Ein Referendum gegen das Gesetz sei nicht zustande gekommen. Zudem, so schreibt die Regierung weiter, gehöre der Kanton Bern zur Mehrheit der Kantone, die sich nicht mit der Minimallösung des Bundes zufriedengäben. So seien fünfzehn Kantone und Halbkantone strenger als der Bund; acht Kantone gingen mit ihren Bestimmungen sogar noch weiter als Bern. Denn hier seien zwar reine Raucherlokale verboten, die Bedienung in Fumoirs dagegen sei erlaubt.

 "Sowohl das Gesetz als auch die Ausführungsbestimmungen sind mit dem übergeordneten Recht vereinbar, greifen nicht in die Wirtschaftsfreiheit ein und sind verhältnismässig", so der Regierungsrat. "Dies hat das Bundesgericht im November 2009 in zwei Urteilen bestätigt." Auch verweist die Kantonsregierung auf die betroffenen Gastrobetriebe: "Der bernische Wirteverband hat sich in den Medien für das kantonale Rauchverbot und gegen das nationale Gesetz ausgesprochen."

 Hess will weiter kämpfen

 Zudem sei die politische Diskussion um den Schutz vor Passivrauchen nach wie vor im Gang, so die Regierung. So habe die Lungenliga eine Volksinitiative für eine einheitliche verschärfte Regelung eingereicht, und die Interessengemeinschaft "Freie Schweizer Wirte" sammle seit Februar Unterschriften für eine Initiative. Aus diesen Gründen empfiehlt die Regierung dem Grossen Rat die Motion zur Ablehnung.

 Erich Hess ist mit dieser Antwort nicht einverstanden. Er will sich in der nächsten Session dafür einsetzen, dass das Parlament die Motion trotzdem überweist. Er kämpfe gegen überflüssige Gesetze und Vorschriften. "Das nationale Rauchverbot reicht und wäre eine einheitliche Lösung für das ganze Land."

 Andrea Sommer

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gr.be.ch 8.12.10

Das kantonale Rauchverbot ist überflüssig
http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.acq/3e6e9ebc0f72475190ef9f4d85a187f5-332/2/PDF/2010-8976-Vorstossantwort-D-33417.pdf

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RAZZIA BRÜNIG
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Berner Oberländer 16.12.10

Nach der Razzia: Schliessung kein Thema

 Asylzentrum. Trotz Drogenfunden und sieben Verhaftungen - eine Schliessung des Sachabgabezentrums Casa Alpina auf dem Brünigpass ist für den Kanton Bern kein Thema. Das Bleiberechtkollektiv Bern kritisiert den Polizeieinsatz.

 "Eine Schliessung des Nothilfezentrums auf dem Brünigpass ist kein Thema": Markus Aeschlimann, Amtsvorsteher des kantonal-bernischen Amtes für Migration und Personenstand, ist sich bewusst, "dass eigentlich keine Gemeinde ein solches Sachabgabezentrum will. Alle wehren sich gegen eine solche Institution. Und wir haben die undankbare Aufgabe, die Vorgaben des dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstehenden Bundesamtes für Migration umzusetzen."

 Sieben Verhaftungen

 Am Dienstagmorgen hat die Sondereinheit Enzian der Kantonspolizei Bern im Rahmen einer koordinierten Hausdurchsuchung im Casa Alpina Drogen und Bargeld sichergestellt. Dabei nahm sie sechs Asylanten in Ausschaffungshaft. Eine zur Verhaftung ausgeschriebene Person wurde zwecks Strafvollzug inhaftiert (siehe gestrige Ausgabe).

 "Unhaltbare Zustände"

 Markus Aeschlimann ist das Problem bekannt: "Nach dem Wegweisungsentscheid haben die Asylanten jeweils die Möglichkeit, unbefristet in einem Durchgangszentrum zu wohnen, wo sie ein Dach, ein Bett und Nahrung erhalten. Sehr viele von ihnen haben so aber ein wesentlich besseres Leben, als wenn sie in ihre Heimat zurückkehren würden." In den Schweizer Städten halten sich laut Aeschlimann mehrfach so viele Asylanten auf, die in den Durchgangszentren beherbergt werden: "Wenn diese dann aufgegriffen und in Ausschaffungshaft versetzt werden, dauert diese Haft in der Regel mehrere Monate an." Der Chef des kantonalen Migrationsamtes spricht selbst von "bundesweit unhaltbaren Zuständen" und ist dankbar, "dass uns die Polizei mit solchen Säuberungsaktionen wie diese Woche am Brünig unterstützt".

 "Kanton finanziert Handel"

 Susanne Huber, Gemeindepräsidentin von Meiringen, gibt sich kämpferisch: "Ich habe diese Reaktion des Kantons erwartet. Wir werden mit unserem Anliegen direkt bei Regierungsrat Hans-Jürg Käser vorsprechen. Es kann einfach nicht sein, dass der Kanton auf Kosten der Steuerzahler auch noch den Drogenhandel finanziert, wie dies auf dem Brünig der Fall ist." Anlässlich der Gemeinderatssitzung von gestern Abend hat Susanne Huber mit ihrem Gremium das weitere Vorgehen in dieser Sache besprochen. Das Resultat dieser Debatte lag zum Redaktionsschluss nicht vor.

 Polizeieinsatz wird kritisiert

 In einer Medienmitteilung von gestern Dienstagabend schreibt die Kantonspolizei Bern, dass das Bleiberechtkollektiv Bern an ihrem Einsatz vom Dienstag Kritik übt. Sie weist die Vorwürfe aber entschieden zurück. Die Kantonspolizei stellt klar: "Aufgrund von verschiedenen Hinweisen und eigenen Ermittlungen musste davon ausgegangen werden, dass ein Teil der dort anwesenden Bewohner im Handel mit Betäubungsmitteln aktiv ist." Da nicht habe ausgeschlossen werden können, dass sich Personen der Verhaftung entziehen würden, sei die Sondereinheit Enzian zum Einsatz gekommen: "Zu Beginn der Aktion wurden allen Männern Handschellen angelegt. In einer ersten Phase wurde ihnen vorübergehend die Sicht mit einer Schlafmaske verdeckt. Diese wurde aber anschliessend wieder abgenommen", teilt die Kapo weiter mit. Bei der Razzia fand die Polizei übrigens Kokain im Verkaufswert von 18 000 Franken, Streckmittel und mehrere Tausend Franken: "Die sechs in Ausschaffungshaft versetzten Asylanten haben sich wegen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz zu verantworten."

 Bruno Petroni

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police.be.ch 15.12.10

Polizeiaktion in Sachabgabezentrum: Kantonspolizei Bern nimmt Stellung zu Vorwürfen

15. Dezember 2010

pkb. Das "Bleiberechtkollektiv Bern" hat in einer Medienmitteilung Kritik am Polizeieinsatz vom Dienstag, 14. Dezember 2010, im Sachabgabezentrum "Casa Alpina" auf dem Brünig geübt. Die Kantonspolizei Bern weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Die Kantonspolizei Bern hat am Dienstag, 14. Dezember 2010, im Sachabgabezentrum (SAZ) Casa Alpina auf dem Brünigpass eine grossangelegte Kontrolle durchgeführt. Aufgrund von verschiedenen Hinweisen und eigenen Ermittlungen musste davon ausgegangen werden, dass ein Teil der dort anwesenden Bewohner im Handel mit Betäubungsmitteln aktiv ist. In den letzten Monaten sind im SAZ bereits mehrmals Betäubungsmittel sichergestellt worden.

Die polizeiliche Aktion startete kurz nach 0800 Uhr. Es waren mehrere Dutzend Mitarbeitende aus verschiedenen Spezialdiensten im Einsatz, um einerseits den Einsatz und andererseits die damit verbundene Bearbeitung der Dossiers möglichst rasch durchführen zu können. Das Dispositiv ist vergleichbar mit anderen koordinierten Aktionen gegen den Drogenhandel. Da aufgrund der Lagebeurteilung nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich Personen der Anhaltung entziehen würden, kamen auch Angehörige der Sondereinheit Enzian zum Einsatz, welche speziell für solche Aufgaben geschult sind. Damit wurde die Sicherheit sowohl der Einsatzkräfte wie auch der Bewohner gewährleistet.

Zu Beginn der Aktion wurden allen Männern Handschellen angelegt. In einer ersten Phase wurde ihnen vorübergehend die Sicht mit einer Schlafmaske verdeckt, diese wurde aber anschliessend wieder abgenommen. Während der Hausdurchsuchung und der Personenkontrolle wurden die Anwesenden angewiesen, sich auf die vorhandenen Sitzgelegenheiten zu setzen. Mehrmals kam es auch zu Etagen- oder Zimmerwechseln, die Aussage, es habe sich niemand bewegen dürfen, ist falsch. Auf Anfrage wurde den Anwesenden Wasser verteilt. Der Gang zur Toilette war erlaubt, hingegen war das Rauchen untersagt.

Die Kantonspolizei Bern ist sich bewusst, dass die Aktion für alle Anwesenden eine Belastung darstellte. Die Bewohner haben sich aber generell kooperativ gezeigt und sich nicht gegen das Vorgehen der Polizei gewehrt. Der Zentrumsleiter sowie die Betreuer waren während der Aktion vor Ort. Ziel war, die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen. Festzuhalten ist zudem, dass unter anderem Kokain im Verkaufswert von ca. 18'000 Franken, Streckmittel und mehrere Tausend Franken sichergestellt wurden. Die sechs Personen, die dem Migrationsdienst des Kantons Bern zugeführt und in Ausschaffungshaft versetzt wurden, hatten gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen.

Untersuchungsrichteramt IV Berner Oberland

(cm/mf)

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Bleiberechtkollektiv Bern 15.12.10
http://bleiberechtbern.ch

Rassistisches Vorgehen der Polizei bei Grossrazia im Nothilfezentrum "Casa Alpina"

Das Bleiberechtkollektiv Bern verurteilt das rassistische und menschenunwürdige Vorgehen der Kantonspolizei Bern im Sachabgabezentrum "Casa Alpina" von gestern Dienstag, dem 14. Dezember aufs Schärfste. Ein Augenzeugenbericht soll Aufschluss darüber geben, was sich auf dem Brünig abgespielt hat.

Am Dienstag 14.12.2010 führte die Spezialeinheit Enzian der Kantonspolizei Bern eine Grossrazzia im Sachabgabezentrum Casa Alpina auf dem Brünig, Kanton Bern durch. In dem Zentrum leben zurzeit gegen 60 abgewiesene männliche Asylsuchende. Laut Berner Zeitung war Ziel und Zweck dieser Razzia die Aufdeckung von Drogenhandel. Ein Augenzeuge berichtet: "Um 08:00 Uhr morgens, die meisten Flüchtlinge haben noch geschlafen, ist die Spezialeinheit ins Zentrum eingedrungen. Die schwer bewaffneten Polizisten haben die schlafenden Männer aus den Betten getrieben, ihnen die Augen verbunden und sie geheissen sich im Korridor mit den Händen über dem Kopf auf den Boden zu legen. Geschlagene vier Stunden mussten sie mit verbundenen Augen und Hände über dem Kopf sitzen bleiben und durften weder Nahrung noch Wasser zu sich nehmen oder ihre Notdurft verrichten. Auf die grob durchgeführte Leibesvisite ist eine eingehende Durchsuchung der Zimmer gefolgt, während der die Männer mit verbundenen Augen auf dem Boden liegend sich noch immer nicht haben bewegen dürfen. Um ca. 15:00 Uhr ist die Spezialeinheit wieder abgezogen. Dabei haben sie sechs Asylsuchende mitgenommen, zwei von ihnen, weil man sie einmal beim Schwarzfahren erwischt hat, die anderen sehr wahrscheinlich aufgrund dessen, dass sie sich illegal in der Schweiz aufhalten."

Das Bleiberechtkollektiv Bern verurteilt diesen Einsatz auf Schärfste. Die Grösse der Polizeieinheit, das grobe und unmenschliche Vorgehen ist unverhältnismässig. 60 Menschen werden unter einen Kollektivverdacht der Kriminalität gestellt, ihnen werden die Augen verbunden, sie werden auf den Boden gedrückt und haben keine Möglichkeit ihre Rechte geltend zu machen. Dieses Vorgehen ist eine generelle Abwertung einer bestimmten Menschengruppe, welche der gleichen Logik folgt wie die Abstimmungsresultate vom Sonntag vor zwei Wochen. Es ist anzunehmen, dass die sechs Verhaftungen zum Zwecke einer Ausschaffung absolut willkürlich erfolgten und keinen Zusammenhang aufweisen mit einem Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz, sondern vielmehr dazu benutzt werden, diesen Grosseinsatz zu rechtfertigen.
Diese menschenunwürdige Politik liefert den Nährboden für einen Repressionsapparat und rassistische Handlungen gegen gewisse Menschengruppen. Dies gilt es aufs Gröbste zu verurteilen und zu bekämpfen. Bleiberecht Bern fordert einen sofortigen Stopp dieser rassistischen Politik.

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Bund 15.12.10

Drogenrazzia im Sachabgabezentrum

 Die Kantonspolizei hat gestern auf dem Brünigpass bei einer Razzia in einem Zentrum für abgewiesene Asylsuchende rund 40 Personen kontrolliert. Die Polizisten fanden im Haus Betäubungs- und Streckmittel sowie Bargeld. 13 Personen wurden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittel- und das Ausländergesetz angezeigt, wie das zuständige Untersuchungsrichteramt und die Kantonspolizei Bern mitteilten. 6 weitere wurden in Ausschaffungshaft genommen. Ausserdem ging der Polizei eine zur Verhaftung ausgeschriebene Person ins Netz. Sie wurde inhaftiert. In der Unterkunft Casa Alpina auf dem Brünigpass wird ein sogenanntes Sachabgabezentrum für abgewiesene Asylsuchende betrieben, wo diese vorübergehend Nothilfe erhalten.(sda)

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Thuner Tagblatt 15.12.10

7 Asylanten verhaftet

 Brünigpass. Im Durchgangszentrum "Casa Alpina" führte die Sondereinheit Enzian der Kantonspolizei eine Razzia durch. Zum Vorschein kamen Drogen, Bargeld und Delinquenten.

 In einer untersuchungsrichterlich angeordneten Hausdurchsuchung mit Personenkontrollen verzeigte die Kantonspolizei gestern 13 Personen wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Ausländergesetz. 6 Asylanten wurden dem Migrationsdienst des Kantons Bern zugeführt und in Ausschaffungshaft versetzt. Eine zur Verhaftung ausgeschriebene Per son wurde zwecks Strafvollzug inhaftiert. bpm Seite 8

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Elite-Einheit stellte Drogen sicher

 BrünigpassGross angelegte Drogenrazzia auf dem Brünigpass, 1000 Meter über Meer: Im Durchgangszentrum "Casa Alpina" fand das Sonderkommando "Enzian" der Kantonspolizei Bern Betäubungsmittel. Sieben Insassen wurde verhaftet.

 Das vor zweieinhalb Jahren eröffnete Sachabgabezentrum für ausreisepflichtige Personen erhielt gestern Morgen Besuch. "Zu Gast" war die Spezialeinheit "Enzian" der Kantonspolizei Bern. In einer koordinierten Aktion führte diese eine Hausdurchsuchung mit Personenkontrollen durch. In der   Unterkunft erhalten abgewiesene, ehemalige Asylsuchende vorübergehend Nothilfe.

 13 Anzeigen, 7 Verhaftungen

 Von den 40 kontrollierten Asylsuchenden wurden deren 13 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittel- und   Ausländergesetz zur Anzeige gebracht. Sechs weitere Personen wurden in Ausschaffungshaft versetzt, und eine zur Verhaftung ausgeschriebene Person wurde zwecks Strafvollzug inhaftiert.

 Bei der untersuchungsrichterlich angeordneten Hausdurchsuchung wurden in mehreren Räumen Betäubungsmittel, Streckmittel und Bargeld sichergestellt.

 Rolf Habegger, der Leiter des Asylzentrums, reagierte auf die Durchsuchung positiv: "Wir begrüssen solche Aktionen und unterstützen die Polizei gerne, denn auf diese Weise können wir den Rechtsraum gewährleisten."

 Nicht aussergewöhnlich...

 Dasselbe sagt Philipp Rentsch, Geschäftsleiter des Vereins Asyl Biel und Region, und damit Chef über zehn Durchgangszentren: "Solche Durchsuchungen sind nicht aussergewöhnlich. Die Kontrollorgane sind bei uns immer willkommen."

 Anders tönt es auf der Strasse. So ein einheimischer Passant, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will: "Man hat ja schon lange gesehen, dass da etwas am Laufen ist. Oder wie kommt es sonst, dass die Herren Asylanten nobel mit dem Taxi in die Stadt chauffiert werden?" Meiringens Gemeindepräsidentin Susanne Huber ist entrüstet und spricht Klartext: "Wir waren von Anfang an unglücklich darüber, dass dieses Zentrum eingerichtet wird. Jetzt erwarten ich und weite Teile der Bevölkerung vom Kanton Konsequenzen, was nichts anderes als die sofortige Schliessung bedeutet."

 Bruno Petroni

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Telebärn 14.12.10

Razzia in Asylheim auf dem Brünig
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/razzia-in-asylheim-auf-dem-brunig/c=84713&s=1109486

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bernerzeitung.ch 14.12.10

Meiringen

Spezialeinheit stürmt Asylhaus - Sechs Bewohner werden ausgeschafft

Von Pascal Schwendener.

Die Gemeinde Meiringen hat immer wieder kritisiert, im Zentrum für abgewiesene Asylbewerber auf dem Brünig werde massiv mit Drogen gehandelt. Am Dienstag führte die Polizei eine Grossrazzia durch.

Am Dienstagmorgen hat die Kantonspolizei Bern das "Casa Alpina" auf dem Brünig ins Visier genommen, wo rund 60 abgewiesene Asylbewerber untergebracht sind, die nur noch Nothilfe erhalten.

Wie die Kantonspolizei Bern am späten Dienstagnachmittag mitteilte, wurden bei der Razzia 40 Personen kontrolliert. 13 Personen werden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Ausländergesetz angezeigt. Sechs weitere Personen wurden in Ausschaffungshaft versetzt.

Zudem sei bei der Kontrolle eine zur Verhaftung ausgeschriebene Person angehalten und inhaftiert worden. Bei der Hausdurchsuchung wurden in mehreren Räumlichkeiten Betäubungsmittel, Streckmittel und Bargeld sichergestellt.

Clan kontrolliert das Haus

Weitere Informationen lieferte die Kantonspolizei Bern nicht. Gut informierte Kreise aus Meiringen wissen aber: Die Spezialeinheit "Enzian" kam zum Einsatz. Im Zentrum sei nämlich "jeder vierte Bewohner" in Drogengeschäfte involviert. Die Sozialarbeiter vor Ort sprächen von schwer kontrollierbaren, "Clan-artigen" Zuständen. Immer wieder komme es zu wüsten Auseinandersetzungen und Schlägereien.

Die Gemeinde Meiringen hatte sich von Anfang an gegen die Wiedereröffnung des Zentrums auf dem Brünigpass 2008 gewehrt. "Wir sind nicht glücklich über den Entscheid des Kantons", erklärte die Meiringer Gemeindepräsidentin Susanne Huber seinerzeit und wiederholte in der Folge ihre Forderung für die Schliessung des Sachabgabezentrums. Doch ihr Protest nützte bisher nichts. Nach der Razzia vom Dienstag steht für sie fest: "der Kanton muss jetzt über die Bücher".

Wie eine Festung

Der Migrationsdienst habe aufgrund objektiver Kriterien wie Lage, Grösse und Einrichtung entschieden, das ehemalige Durchgangszentrum "Casa Alpina" auf dem Brünig als Sachabgabezentrum wieder in Betrieb zu nehmen, begründete der Kanton. Das Haus steht gegenüber des Bahnhofs Brünig, eingeklemmt zwischen Berg und Passstrasse. Es wird vom Verein Asyl Biel und Region geführt.

Die Meiringer sahen der Polizeiaktion nicht ohne Skepsis zu. Das Gebäude gleiche einer "Festung", heisst es. Vor allem aber sähen die Bewohner in der Regel schon lange zum voraus, wenn sich Polizisten dem Haus näherten und könnten sich so auf die Razzien einstellen. (Bernerzeitung.ch/Newsnetz)

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police.be 14.12.10

Brünig: Polizeiaktion in Sachabgabezentrum

14. Dezember 2010

pkb. Die Kantonspolizei Bern hat am Dienstag in einer koordinierten Aktion in einem Sachabgabezentrum für ausreisepflichtige Personen auf dem Brünigpass eine Personenkontrolle und eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Insgesamt wurden 40 Personen kontrolliert.

Anlässlich einer koordinierten Aktion kontrollierte die Kantonspolizei Bern am Dienstagmorgen, 14. Dezember 2010, im Sachabgabezentrum Casa Alpina auf dem Brünigpass insgesamt 40 Personen. 13 Personen werden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Ausländergesetz zur Anzeige gebracht. Sechs weitere Personen wurden dem Migrationsdienst des Kantons Bern zugeführt und in Ausschaffungshaft versetzt. Eine zur Verhaftung ausgeschriebene Person konnte angehalten und zwecks Strafvollzug inhaftiert werden.

Bei der untersuchungsrichterlich angeordneten Hausdurchsuchung wurden in mehreren Räumlichkeiten Betäubungsmittel, Streckmittel und Bargeld sichergestellt.

Die Unterkunft Casa Alpina wird als Sachabgabezentrum geführt, in dem rechtskräftig abgewiesene, ehemalige Asylsuchende vorübergehend Nothilfe erhalten.

Untersuchungsrichteramt IV Berner Oberland
(cm)

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POLICE BE
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20 Minuten 21.12.10

Patrouillieren in Bern bald Ausländer als Polizisten?

 BERN. Geht es nach der Kapo Bern, könnten bald auch Ausländer als Polizisten arbeiten. Dies sorgt für rote Köpfe.

 Dass die Berner Kapo mit Rekrutierungsproblemen kämpft, ist ein offenes Geheimnis. Tiefe Löhne und häufige Wochenendeinsätze sind für viele eine Hemmschwelle, den Polizistenberuf anzutreten. Besserung könnte aber bald in Sicht sein: Kapo-Personalchef Christian Brenzikofer erwägt, die Polizeischule für Ausländer mit C-Bewilligung zu öffnen. Wichtiger als der Ausweis sei die individuelle Eignung der Bewerber. Diese würde weiterhin mit einer anspruchsvollen Aufnahmeprüfung getestet, sagte er gegenüber der BZ.

 FDP-Stadtrat Philippe Müller ist skeptisch: "Es ist problematisch, wenn Ausländer Gesetze durchsetzen, über die sie selbst nicht abstimmen können." Völlig daneben findet die junge SVP den Vorschlag: "Es kann nicht sein, dass wir uns von Ausländern kontrollieren lassen müssen", poltert Grossrat Erich Hess. Für SP-Kollege Markus Meyer ist der rote Pass kein massgebendes Kriterium: "Wenn sie mit Land und Leuten vertraut sind und Deutsch und Französisch sprechen, sind ausländische Polizisten denkbar."  

Bigna Silberschmidt

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 Sollen Ausländer bei der Kapo Bern Polizist werden können?

 "Es wäre einfach unlogisch - grundsätzlich sollten doch Schweizer das Schweizer Gesetz vertreten."

 Emmanuel Halter (28), Bern

 "Die Idee ist nicht schlecht. Fraglich ist, ob Ausländer gegen ihre Landsmänner neutral vorgehen würden."

 Susanne Marti (50), Bern

 "Wenn sie ihre Arbeit gut und korrekt machen, dann gibt es keinen Grund, Ausländer nicht als Polizisten einzustellen."

 Ahmed Oukaddou (25), Bern

 "Sind sie gut integriert, sollte es kein Problem sein. Ich bin mir aber sicher, dass sich einige Leute daran stören werden."

 Melanie Biehl (22), Thun

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Blick am Abend 20.12.10

Polizist nur mit rotem Pass

 KONTRA

 Die Kantonspolizei Bern hat ein Personalproblem. Um mehr Nachwuchs zu rekrutieren, will sie das Schweizer Bürgerrecht als Kriterium für die Aufnahme in die Polizeischule abschaffen. Das passt der Jungen SVP nicht. "Es kommt nicht in Frage, dass ausländische Staatsbürger in den Polizeidienst der Kapo Bern eintreten dürfen. Der Grundsatz, dass nur Polizisten mit rotem Pass schweizerisches Recht durchsetzen, muss unbedingt beibehalten bleiben", sagt Grossrat Erich Hess. Die Junge SVP fordert eine Aufwertung des Polizeiberufs: bessere Besoldung und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. ehi

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BZ 18.12.10

Polizisten ohne Schweizer Pass

 StaatspersonalMuss ein Polizist einen Schweizer Pass besitzen? Nein, sagt man bei der Kantonspolizei Bern.

 Ausländer dürfen heute im Kanton Bern nicht Polizisten werden. Das könnte sich nun ändern: Die Kantonspolizei macht den Vorschlag, die sogenannte Passhürde abzuschaffen, um so künftig auf bessere Aspiranten zurückgreifen zu können.

 Wie sehr das Thema polarisiert, zeigen die unterschiedlichen Haltungen von schweizerischem und kantonalem Polizistenverband. Für Ersteren ist klar: "Nur Polizisten mit dem roten Pass dürfen schweizerisches Recht durchsetzen", während der Berner Verbandspräsident meint, "dass der Pass kein geeignetes Mittel ist, um die fähigsten Leute zu finden".

 Die Frage des Passes stellt sich auch bei der Bundesanwaltschaft: Diese sistierte gestern nach Kritik die geplante Beförderung von drei Ausländern zu Staatsanwälten. pas Seite 14

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Bürgerrecht von Staatspersonal

 Auch Ausländer sollen in Bern den Polizisten-Eid leisten können

 Immer mehr Kantone engagieren Polizisten ohne roten Pass. Nun prüft auch die Kantonspolizei Bern, Ausländer in ihre Dienste zu nehmen.

 Jung, gross und Schweizer muss sein, wer Polizist werden will. Das galt bisher. Die ersten beiden Kriterien wurden in Bern im letzten Jahr aus dem Anforderungsprofil gestrichen. Das Höchstalter von 35 Jahren für den Eintritt in die Polizeischule sowie die Mindestgrösse von 1,70 für Männer und 1,60 für Frauen wurden abgeschafft. Und jetzt steht auch die letzte Spezialhürde zur Diskussion: das Schweizer Bürgerrecht. Der fehlende Schweizer Pass sollte nach Ansicht des Chefs der Kapo-Personalabteilung Christian Brenzikofer künftig kein Ausschlussgrund mehr sein. Wichtiger als der Ausweis sei die individuelle Eignung der Bewerber, sagt er. Die werde weiterhin mittels einer anspruchsvollen Aufnahmeprüfung festgestellt. Neben einem Intelligenztest, einem Sporttest, und einer medizinischen Untersuchung werden die Interessenten auch auf sprachliche Fähigkeiten in Deutsch und Französisch sowie auf Allgemeinwissen, Kommunikationsfähigkeit und Sozialkompetenz hin getestet. Und an diesen messbaren Fähigkeiten will Brenzikofer keinerlei Abstriche machen. "Gar keine."

 Regierung zeigt sich offen

 Stellen, die Spezialwissen erfordern, konnten schon bisher mit Mitarbeitenden ohne Schweizer Pass besetzt werden: Übersetzer beispielsweise oder Experten aus den Bereichen Computer- und Wirtschaftskriminalität. Neu möchte die Kantonspolizei aber auch Ausländer mit Niederlassungsbewilligung C für den Uniformdienst ausbilden können. "Der Vorschlag wird derzeit intern diskutiert", sagt Kommandant Stefan Blättler. Er persönlich sehe den Vorschlag "als Chance, um im Einzelfall fähige Personen für die Polizei gewinnen zu können". Stösst der Vorschlag auch bei Polizeidirektor Hans-Jürg Käser auf ein positives Echo, kommt er voraussichtlich im nächsten Jahr auf die politische Traktandenliste. 2013 würde er zur Anwendung kommen.

 Der Regierungsrat zumindest zeigte sich in der Vergangenheit gegenüber dem Thema offen. Er sei bereit, die Abschaffung der Passhürde zu prüfen, antwortete er auf ein entsprechendes Postulat des Bieler Nationalrats Ricardo Lumengo, das vor drei Jahren überwiesen wurde.

 Gute Erfahrungen in Basel

 In Basel-Stadt ist die Staatsangehörigkeit schon seit 1996 kein Aufnahmekriterium mehr für die Polizeischule. "Seither haben wir im Korps jeweils zwischen 15 und 20 Kollegen, die über keinen Schweizer Pass verfügen", sagt Polizeisprecher Klaus Mannhart: Deutsche, Italiener, Franzosen, Engländer, Türken, Ghanaer und Vietnamesen - in aller Regel Ausländer der zweiten Generation. Der Polizeisprecher findet nichts dabei. In Basel sei es nie ein grosses Thema gewesen, als niedergelassene Ausländer zum Dienst zugelassen wurden. Und wenn, dann sei vor allem der positive Effekt gewürdigt worden. "Sie können sprach- und kulturbedingte Besonderheiten von gewissen Bevölkerungsgruppen einfach besser verstehen und in ihre tägliche Arbeit mit einbeziehen." Transkulturelle Kompetenz heisst das Zauberwort, auf das mittlerweile die Polizeien in zahlreichen europäischen Städten bauen. Die Idee: So vielfältig die gesellschaftlichen Probleme, so vielfältig muss auch ein Polizeikorps sein.

 Auch in der Schweiz blieb Basel mit dieser Politik nicht lange allein. Genf folgte dem Beispiel und öffnete seine Polizeischule für Ausländer. Dann folgten sogar Kantone, die nicht eben für ihre Progressivität bekannt sind: Appenzell und Schwyz.

 Grösserer Rekrutierungspool

 In Bern dagegen war das Thema bis heute nicht opportun. Zwar äusserte der Ausbildungschef bei der Kantonspolizei, Rudolf Camichel, schon vor zehn Jahren den "Wunsch", auch Ausländer anwerben zu dürfen. Doch dabei blieb es. Dass sein Nachfolger "das Thema nicht länger auf die lange Bank schieben, sondern nun einen politischen Entscheid herbeiführen will", hängt nicht zuletzt mit den akuten Rekrutierungsproblemen bei der Kantonspolizei zusammen. Oder wie Brenzikofer sagt: "Es wäre wünschenswert, die Anzahl an guten und für den Polizeiberuf geeigneten Bewerbungen erweitern zu können."

 Zwar ist es für sämtliche grossen Korps schwierig, geeignete Leute zu finden. Doch im Kanton Bern ist das Problem besonders ausgeprägt. Mehrere Gründe sind dafür verantwortlich: Erstens liegt das hiesige Lohnniveau rund zehn Prozent unter dem Schweizer Mittel. Zweitens haben Berner Polizisten mehr Wochenendeinsätze zu leisten, weil in der Bundesstadt neben Sportveranstaltungen auch zahlreiche Demonstrationen zu überwachen sind. Und drittens ist die Stimmung im Korps seit Jahren konstant schlecht.

 Auch Militär ist kein Muss

 Für Max Hofmann vom Verband Schweizer Polizeibeamter (VSPB) ist der vorskizzierte Weg allerdings nicht zielführend. Statt das Anforderungsprofil zusammenzustreichen, sollte die Polizei ihre Jobs attraktiver machen, meint er. Hofmann ist grundsätzlich "sehr skeptisch" gegenüber der Idee, Ausländer in die Polizei aufzunehmen. Hoheitliche Aufgaben gehören für ihn in die Hand von Staatsbürgern. "Nur Polizistinnen und Polizisten mit dem roten Pass dürfen schweizerisches Recht durchsetzen", sagt er.

 Sein Berner Kollege Markus Meyer sieht das freilich anders. "Sicher muss jeder Polizist ein gutes Verhältnis zum Staat haben", sagt er. Aber das hänge nicht vom Pass oder sonst einem amtlichen Stempel ab. Auch Zivildienstleistende könnten mittlerweile in der Polizei Dienst tun. Zwar gilt noch immer der Grundsatz, dass Polizisten eine RS absolviert haben müssen. Doch bei der Einzelfall-Prüfung habe man auch schon bei diesem Kriterium Ausnahmen gemacht, um die besten für den Job zu bekommen.
 
Pascal Schwendener

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 Passhürde für Polizisten

 Eine Schweizer Bastion fällt

 Fünf Kantone nehmen heute schon Ausländer in den Polizeidienst auf: Appenzell Innerrhoden, Basel-Stadt, Jura, Neuenburg und Schwyz. Mit Einschränkungen: In Basel etwa schreibt das Gesetz Ausländern die "nötige Beziehungsnähe" zur einheimischen Bevölkerung vor. In Schwyz müssen Anwärter "assimiliert" sein. In Neuenburg wiederum sind Ausländer zum Dienst zugelassen, die mindestens fünf Jahre im Kanton niedergelassen sind. Im Jura schliesslich werden ausländische Polizisten nur akzeptiert, wenn sie im Kanton eine Niederlassung haben. Die ausländischen Mitarbeiter machen gemessen am Personalbestand aber nur einen kleinen Prozentsatz aus:

 Appenzell IR: 0,0 %

 Basel-Stadt1,3 %

 Jura 1,0 %

 Neuenburg0,0 %

 Schwyz 0,5 %

 In weiteren fünf Kantonen können sich ausländische Kandidaten für die Polizeischule bewerben. Sie müssen allerdings vor dem Abschluss der Ausbildung eingebürgert sein: In Appenzell Ausserrhoden, Freiburg, Nidwalden und Waadt haben bislang keine ausländische Personen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. In Genf dagegen sind jeweils zwischen 8 und 20 Prozent aller Polizeischüler Ausländer. pas

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 Gegen fremde Staatsanwälte

 Der Bund wollte drei Ausländer zu Staatsanwälten machen. Das gehe nicht, monierten bürgerliche Parlamentarier. Mit Erfolg: Die Beförderungen werden auf Eis gelegt.

 Ein Deutscher, eine Holländerin und eine Italienerin sollten im neuen Jahr Staatsanwälte des Bundes werden. Doch gestern machten Parlamentarier gegen die Pläne von Bundesanwalt Erwin Beyeler mobil. FDP-Nationalrätin Doris Fiala forderte in einer Motion, dass Kaderstellen bei der Bundesanwaltschaft ausschliesslich mit Personen besetzt werden, die das Schweizer Bürgerrecht besitzen. Dasselbe müsse für die eidgenössischen Gerichte gelten. Noch einen Schritt weiter ging SVP-Nationalrat J. Alexander Baumann: Er kündigte eine Motion an, die fordert, dass sämtliche Träger hoheitlicher Gewalt einen Schweizer Pass haben müssen - also auch Mitarbeiter der Bundeskriminalpolizei. Diese beschäftigt derzeit fünf ausländische Personen, die eigentliche Polizeiarbeit leisten und im Besitz eines Polizeiausweises sind. Aufgrund der beiden Vorstösse legte Bundesanwalt Erwin Beyeler die geplanten Beförderungen noch am gleichen Tag auf Eis. Er wolle erst das Ergebnis der parlamentarischen Debatte abwarten, teilte er mit.

 Die drei betroffenen Personen sind bislang stellvertretende Staatsanwälte. In ihrer neuen Funktion könnten sie vor Gericht die Plädoyers für die Bundesanwaltschaft halten. sda/pas

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Bund 18.12.10

Meiringen setzt auf Securitas statt auf die Polizei

 Die Gemeinde Meiringen setzt für den Sicherheitsdienst künftig auf die Securitas und kündigt den Vertrag mit der Kantonspolizei. Grund: Die Polizei konnte die zusätzliche Präsenz wegen mangelnder Ressourcen nicht im gewünschten Mass leisten. Die Gemeinde hatte zum ordentlichen Grundangebot der Polizei noch zusätzliche Leistungsstunden bestellt. Diese Stunden sollten nach Möglichkeit an den Wochenenden als Sicherheitsdienst geleistet werden. Bedarf bestand vor allem, seit in den Lokalen nicht mehr geraucht werden darf; Lärm und Vandalismus rund um die Nachtlokale haben deutlich zugenommen. Von den zusätzlichen Polizeistunden erhoffte man sich in Meiringen nicht zuletzt auch eine präventive Wirkung. Die Polizei habe zwar stets vorzügliche Arbeit geleistet, doch gerade an Wochenenden seien die Polizisten oft anderweitig benötigt worden, etwa für Sportanlässe oder Kundgebungen in Bern, schreibt die Gemeinde in ihrer Mitteilung. Deshalb setzt sie nun auf die Securitas. Das Unternehmen war in Meiringen bisher bereits bei Parkplatzkontrollen im Einsatz. Die Polizei wird jedoch auch weiterhin ihr normales Grundangebot in Meiringen leisten. (sda)

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Thuner Tagblatt 15.12.10

Ordnungsdienst jetzt auch im Winter

 Thun. Was Anwohner und Polizei forderten, setzt der Gemeinderat jetzt um: Der Ordnungsdienst patrouilliert neu übers ganze Jahr an den Wochenenden in der Thuner Innenstadt. Das kostet 225 000 Franken - 41 000 Franken übernehmen die Wirte.

 "Das wird nun diskutiert", sagte SP-Gemeinderat Peter Siegenthaler am 9. November zur von Polizei und Anwohnern angeregten Ausdehnung des Ordnungsdienstes in der Altstadt aufs ganze Jahr. Damals zog der Sicherheitsvorsteher vor den Medien Bilanz zu den Massnahmen der Stadt für mehr Sicherheit und Ruhe. Jetzt, rund einen Monat später, ist klar: Die Sicherheitsleute sind künftig nicht mehr nur in den Sommermonaten unterwegs. "Gestützt auf die positiven Rückmeldungen aus dem Altstadt-Stamm, der Innenstadt-Genossenschaft, des Komitees ‹thun rockt›, der Wirtenden, der Kantonspolizei und der stadtinternen Stellen, hat der Gemeinderat nun entschieden, den Ordnungsdienst Innenstadt 2011 während des ganzen Jahres patrouillieren zu lassen", teilte die Stadt gestern mit. Die Fahrverbote Obere Hauptgasse und Marktgasse/Gerberngasse werden ebenfalls das ganze Jahr überwacht. Jene Gastgewerbebetriebe, die im Besitz einer Bewilligung für verlängerte Öffnungszeiten sind, beteiligen sich an den jährlichen Kosten von 225 000 Franken mit 41 000 Franken. Die Fahrverbotsüberwachung wird über Parkinggebühren finanziert.

 Gleiche Nächte und Perimeter

 Der Ordnungsdienst-Auftrag galt bisher nur von Mai bis Oktober. Sonst ändert sich der Auftrag laut Gemeinderat nicht: Er wird weiterhin durch die Berner Hunde Security GmbH und die GSD Gayret Security GmbH in den Nächten von Donnerstag auf Freitag, Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag zwischen 0.30 und 4.30 Uhr wahrge-nommen. Auch der Perimeter Aarequai ab Thunerhof, Obere/Untere Hauptgasse (Lauitor bis Berntorplatz), Schlosstreppen, Hauptgasse und Rathausplatz, Freienhofgasse, Waisenhausplatz, Bälliz, Mühleplatz, Gerberngasse, Marktgasse, Grabenstrasse, Schwäbisgasse und Berntorgasse gilt weiterhin.

 Mit dem ganzjährigen Sicherheitsdienst signalisiere der Gemeinderat, "dass ihm eine lebenswerte und florierende Innenstadt sehr am Herzen liegt". Gleichzeitig hat er die Direktion Sicherheit beauftragt abzuklären, inwieweit die Fahrverbotsüberwachung durch bauliche Massnahmen abgelöst werden könnte, um Kosten zu sparen. Denkbar seien beispiels-weise versenkbare Poller oder Barrieren.

 Fehlbare werden gebüsst

 Der Ordnungsdienst Innenstadt bildet eine Ergänzung zur Kantonspolizei. Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler hat die Kantonspolizei beauftragt, in der Innenstadt weiterhin eine möglichst starke sichtbare Präsenz zu leisten. Der Gemeinderat weist weiter darauf hin, dass weiterhin zur Rechenschaft gezogen werde, wer sich in der Stadt Thun nicht korrekt verhält. Fehlbare Personen würden gebüsst und zu Gesprächen zum Gewerbeinspektor eingeladen.
 pd/mik

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 Analyse zu den Veränderungen

 Thuner Altstadt

 Städteverband Wie sich die Thuner Altstadt bevölkerungsmässig und wirtschaftlich entwickelt und wie sich die bisher getroffenen Massnahmen zur Erhöhung der Lebensqualität auswirken - dazu haben Stadtverwaltung und Gemeinderat bisher keine genauen Angaben oder Beurteilungskriterien. "Dennoch möchte der Gemeinderat gemäss seiner Stadtentwicklungs-Strategie die Obere Hauptgasse als Wohnort in Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern aufwerten, das Erscheinungsbild der Innenstadt verbessern und lärmige Freizeitnutzungen besser regeln", schreibt die Stadt in einer Medienmitteilung. Um konkrete Grundlagen zu erhalten, hat der Gemeinderat beim Netzwerk Altstadt des Schweizerischen Städteverbandes eine standardisierte Stadtanalyse in Auftrag gegeben. Sie soll im Frühjahr 2011 vorliegen und aussagekräftige, spezifische Erkenntnisse darüber liefern, was sich in der Thuner Altstadt verändert hat, sich voraussichtlich noch verändern wird und was unternommen werden kann. Es geht um die Art der Geschäftsnutzungen, die Konflikte, die einer Wohnnutzung entgegen stehen, die Möglichkeiten, die Nutzung des öffentlichen Raumes zu regeln, mögliche Partnerschaften mit Privaten und zu prüfende flankierende Massnahmen ausserhalb der Altstadt. Der Gemeinderat hat für diese Analyse einen Kredit von 6500 Franken bewilligt.pd/mik

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HARASSENLAUF BS
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Basler Zeitung 21.12.10

Am Bierlauf droht erneut ein Chaos

 Das Organisationskomitee für den Harassenlauf hat sich aufgelöst

 Alan Cassidy

 Die potenziellen Organisatoren des nächsten 1.-Mai-Laufs haben das Handtuch geworfen. Nun wartet auf die Bierläufer wohl ein weiteres Grossaufgebot der Polizei.

 Es war als elegante Lösung gedacht: Eine Gruppe von jungen Leuten sollte als offizielles Organisationskomitee dafür sorgen, dass der von den Baselbieter Behörden als illegal erklärte und von Tausenden Jugendlichen besuchte Harassenlauf legal durchgeführt werden kann. So bliebe dem Kanton ein weiteres massives Polizeiaufgebot erspart.

 Aus dem Plan von Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) ist nun aber nichts geworden. Ihr Sprecher Dieter Leutwyler gab gestern bekannt, dass sich das im Sommer gegründete Organisationskomitee für den Bierlauf bereits wieder aufgelöst hat. Gegenüber den Behörden hatten die vier Mitglieder des Komitees den grossen zeitlichen Aufwand sowie den Auslandaufenthalt eines der Mitglieder als Grund für den Ausstieg angegeben.

 Kanton bedauert

"Wir bedauern diesen Rückzug", sagt Leutwyler. Mit den potenziellen Organisatoren sei der Kanton in "regelmässigem Kontakt" gestanden. Viermal hatten sich Behördenvertreter, darunter auch Pegoraro, mit den OK-Mitgliedern getroffen. Diese hätten ein "brauchbares Konzept" vorgelegt, mit dem sie den Umweltschutz und die Sicherheit der Teilnehmer garantieren wollten. "Falls sich nun andere Organisatoren melden, werden wir ihnen das Konzept zur Verfügung stellen", sagt Leutwyler.

 Mitorganisator Jonas Rotzler bestätigt, dass sich das Komitee aufgelöst hat. Zwei der ursprünglich vier Mitglieder hätten sich schon früher zurückgezogen, die dritte Person gehe aus beruflichen Gründen ins Ausland. Als Einzelperson sei ihm die Belastung und Verantwortung zu gross, sagt Rotzler.

 Für die Behörden ist klar: Ohne eine geordnete Organisation und ohne Bewilligung ist auch der nächste 1.-Mai-Lauf illegal. "Dann könnte das Sicherheitsregime wieder in grossem Umfang ausfallen", sagte Pegoraro bereits nach der vergangenen Ausgabe des Bierlaufs. Damals hatte der Kanton 400 Polizisten, Dutzende Kastenwägen sowie einen Armeehubschrauber aufgeboten. Kostenpunkt: eine halbe Million Franken.

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Basellandschaftliche Zeitung 21.12.10

Organisatoren des Bierlaufs geben auf

 Der Kanton Baselland hofft auf neues Komitee

Andreas Maurer

 Eigentlich hätte das Organisationskomitee Ende Jahr sein Konzept für einen geordneten Harassenlauf präsentieren wollen. Stattdessen gibt es seine Kapitulation bekannt. Somit scheitert der erste Versuch, die Idee der Baselbieter Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro umzusetzen: das Massenbesäufnis in Reinach und Münchenstein legal durchzuführen.

 "Wir haben den Aufwand teilweise überschätzt", gesteht Jonas Rotzler. Er hätte aber dennoch nicht aufgeben wollen. Als Grund für das Aus gibt er die Rücktritte seiner beiden Mitstreiter an. Diesen fehle wegen eines Auslandaufenthalts und einer neuen Ausbildung die Zeit. Dem Kanton macht Rotzler keinen Vorwurf: "Der Dialog ist aus unserer Sicht recht erfreulich verlaufen."

 Wie es nun weitergeht, ist offen. Die Sicherheitsdirektion ruft motivierte Harassenläufer nochmals dazu auf, ein Bewilligungsgesuch zu erarbeiten. Sie könnten das schon fast fertige Konzept des aufgelösten OK übernehmen. Dieses sei auf gutem Weg gewesen, heisst es vom Kanton. SP-Politikerinnen halten Pegoraros Vorgehen hingegen für naiv und machen neue Vorschläge.

 Seite 17, Kommentar rechts

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Jonas Rotzler: "Werde teilnehmen"

 Der Wortführer des aufgelösten Harassenlauf-OK ist schwer enttäuscht. "Ich mache aber niemandem einen Vorwurf", sagt Jonas Rotzler. Der Dialog mit dem Kanton sei aus seiner Sicht recht erfreulich verlaufen. Hat der Kanton nicht zu viel Verantwortung auf das Komitee geschoben? "Das war eine Diskussion, konkret haben wir uns aber noch nicht festgelegt", antwortet Rotzler. Er hat neue Mitstreiter für einen neuen Anlauf gesucht, aber nicht gefunden. Für den Harassenlauf 2012 könnte er sich vorstellen, in einem neuen Komitee mitzuarbeiten. Wie der Harassenlauf am 1. Mai 2011 wird, kann er nicht sagen: "Ich werde aber teilnehmen, wenn ich es zeitlich hinkriege und das Wetter stimmt." (öpf)

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Kommentar

 Weniger Bier, weniger Polizei?

Thomas Dähler

 Das Patentrezept ist gescheitert: Der jugendliche Spontianlass am 1. Mai lässt sich nicht so einfach in eine etablierte Veranstaltung mit Organisationskomitee umwandeln. Die drei Jugendlichen, die dem Aufruf von Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro gefolgt sind, haben aufgegeben. Das erstaunt nicht: Zu gross wäre die Verantwortung, die auf den Schultern der jugendlichen Idealisten lastete. Zu gross auch das Risiko, dass der Harassenlauf trotz Organisationskomitee aus den Fugen geriete und die selbst ernannten Organisatoren die Zeche zu bezahlen hätten.

 Mit dem Nein steht die Sicherheitsdirektion wieder vor dem gleichen Problem wie zuvor: Tut sie nichts, droht das Seilziehen zwischen jugendlichen Protestlern und dem politischen Establishment zu eskalieren. Und ob Regierungsrätin Sabine Pegoraro es nach der Schelte im vergangenen Jahr nochmals mit einer Strategie der Abschreckung durch ein gewaltiges und teures Polizeiaufgebot samt Super-Puma versucht, ist fraglich.

 Am Harassenlauf nahmen in den letzten Jahren weder Hooligans noch politische Chaoten mit Zerstörungswut teil, sondern normale Jugendliche. Jugendliche, die sich in der heutigen Verbotsgesellschaft an einem Tag etwas mehr Freiheiten herausnahmen. Auch wenn sich die Verantwortung jetzt nicht wie gehofft auf drei Vorzeige-Jugendliche abwälzen lässt: Am Gespräch mit potenziellen Harassenläufern führt dennoch kein Weg vorbei. Unter diesen sind die wenigsten an Polzeiaktionen interessiert, die den Spass Jahr für Jahr verderben. Aber vielleicht an einem vernünftigen Kompromiss - mit etwas weniger Bier und etwas weniger Polizei.

 thomas.daehler@azmedien.ch

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DEALSZENE BS
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Blick am Abend 20.12.10

Hier dealt der Nachwuchs

 KOKS

 Kügelidealer vom Claraplatz sind kaum 20 - aber schlau genug, um billig anzureisen.

 ronny.wittenwiler@ringier.ch

 Sie verticken jeden Abend Kokain und nutzen dazu das spezielle Angebot der SBB - die Drogendealer vom Claraplatz. "Mit dem "Gleis 7" reisen sie aus der ganzen Schweiz an, um hier ihre Geschäfte abzuwickeln", sagte Klaus Mannhart von der Polizei Basel-Stadt zur "Basellandschaftlichen Zeitung." Das "Gleis 7" ist die Bahnkarte der SBB mit günstigeren Konditionen für Jugendliche vom 16. bis zum 25. Altersjahr. Gültig jeweils ab 19 Uhr. In der Tat sind die sogenannten Kügelidealer vom Claraplatz jung. "Fast alle sind unter 25 Jahre alt", sagt Mannhart zu Blick am Abend. Die jüngsten sind sogar erst knapp 18-jährig.

 Die meisten Dealer sind afrikanischer Abstammung, kommen aus Nigeria. Dass derzeit der Weihnachtsmarkt auf dem Claraplatz stattfindet, stört die "Baby-Dealer" aber wenig. Sie gehen unverfroren ihren Geschäften nach. "An jeder Ecke steht ein Kügelidealer,", sagte bereits am Freitag eine Standbetreiberin. Einige Dealer sollten aber nicht mehr kommen. In den letzten Tagen sprach die Polizei mehrere Betretungsverbote aus.

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Blick am Abend 17.12.10

"Der Umsatz hat sich halbiert"

 Von  Philipp Schrämmli  und  Ronny Wittenwiler

 KOKS

 Der Weihnachtsmarkt am Claraplatz ist ein Flop. Sind die Drogenverkäufer schuld?

 Nach vielen Jahren findet auf dem Claraplatz wieder ein Weihnachtsmarkt statt. Doch die Standbetreiber sind unglücklich. "Es läuft nicht viel hier", sagt Theres Bossert. "Zuvor waren wir mit dem Weihnachtsmarkt beim Bahnhof, der wurde wegen Platzmangels aber nicht mehr bewilligt." Im Vergleich zum Vorjahr habe sich der Umsatz um mindestens die Hälfte reduziert.

 Meiden die Basler den Claraplatz wegen der vielen Drogendealer?

 "Sobald es dunkel wird, kommen sie", sagt ein Standbetreiber. "Es sind fast alles Afrikaner." Feierliche Stimmung kommt so keine auf. Nur der Schnee rieselt leise. Bossert bestätigt: "An jeder Ecke steht ein Kügeli-Dealer. Um das zu merken, muss man kein Polizist sein. Es sind immer die gleichen Gesichter, etwa zehn bis zwölf Stück". Man kenne sie mittlerweile. "Fehlt nur noch, dass man sich Grüezi sagt."

 Bossert glaubt jedoch nicht, dass die Dealer am miesen Geschäft schuld sind. "Mir haben schon Leute gesagt, seit der Markt hier ist, habe es weniger Dealer."

 Sie vermutet vielmehr, dass sich die Kunden erst an den neuen Standort im Kleinbasel gewöhnen müssen. "Wir geben nach dem ersten Jahr am Claraplatz aber sicher nicht auf - sonst wären wir keine richtigen Marktfahrer."

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Basellandschaftliche Zeitung 17.12.10

Koksdealer trotzen dem Winter

 Razzien Das Drogenproblem hat sich nach den Razzien im Kleinbasel nicht entschärft

LEIF SIMONSEN

 Die Umgebung des Claraplatzes hat sich zu einem Zentrum für afrikanische, so genannte "Kügelidealer" entwickelt. "Mit dem Gleis 7 reisen sie aus der ganzen Schweiz an, um hier ihre Geschäfte abzuwickeln", erklärt Klaus Mannhart, Sprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt. Die Problemzone hat sich im Verlauf der letzten Monate verschoben. "Dank intensiven Kontrollen und Durchsuchungen wurde die Situation am Rheinbord entschärft", so Mannhart.

 Die afrikanischen Drogendealer, in knapp 90 Prozent der Fälle Nigerianer, haben ihren Standort nun aber auf den Claraplatz verlagert. Wurde im Sommer noch über einen saisonal bedingten Anstieg spekuliert, ist nun auch für Mannhart zur Gewissheit geworden: "Es werden stetig mehr". Die Zahlen sprechen für sich: Allein bei zwei grösseren Polizeiaktionen in den letzten neun Tagen konnten 45 Delinquenten aus dem Verkehr gezogen werden, und beim Amt für Migration wurden 37 Anträge zur Ausgrenzung eingereicht.

 Diese Asylbewerber aus anderen Kantonen dürften demnach die Stadt-Basler Kantonsgrenze nicht mehr betreten. Die Ausgrenzung ist derzeit das erfolgversprechendste Instrument der Basler Polizei - auch wenn diese im Gegensatz zu einer Festnahme lediglich das Problem in andere Kantone verlagert. Die Festnahme der Kleinkriminellen gestaltet sich indes schwierig. Das Gesetz stellt dem Strafvollzug hohe Hürden in den Weg. Nicht nur müssen der Täter und die Droge gefasst werden, sondern auch der Drogenkäufer zu einer Zeugenaussage bewogen werden, was naturgemäss schwierig ist. Die Statistik belegt dies: Vom April bis Oktober führte die Basler Polizei 440 Kontrollen durch. 180-mal wurde Rauschgift gefunden, 144 Täter wurden ausgegrenzt. Nur in 39 Fällen konnte eine Festnahme durchgeführt werden. Obwohl der Polizei juristisch die Hände gebunden sind, verspricht Mannhart: "Wir werden versuchen, die Szene am Claraplatz mit noch strengeren Kontrollen zu zerschlagen."

 Anwohner fühlen sich bedroht

 Das Problem wird jedoch nicht nur von der Polizei, sondern auch von der Kleinbasler Bevölkerung wahrgenommen. Das Stadtteilsekretariat Kleinbasel hat in letzter Zeit häufiger Beschwerden aus der Bevölkerung entgegengenommen. Leiterin Therese Wernli will jedoch die Kleinbasler Drogenproblematik nicht als neues Phänomen bezeichnen. Die zunehmende Unsicherheit - vor allem auch von Frauen, die angemacht werden - habe primär andere Gründe.

 Mit dem Winter sei die soziale Kon-trolle viel schwächer, weil die Menschen sich nicht draussen aufhalten und die Dunkelheit früher einbricht. Wernli spricht neben der statistischen auch noch von einer gefühlten Anhäufung von Drogendealern im Bereich Claraplatz-Feldbergstrasse-Klybeckstrasse. "Durch die Hautfarbe fallen die Schwarzafrikaner viel mehr auf", findet sie. Darüber hinaus sei deren Verkaufsstrategie relativ indiskret.

 "Sie fragen einfach alle Passanten, ob sie Kokain wollen", erklärt Wernli, der ebenfalls täglich Drogen angeboten würden. "Sie wählen ihre Kunden nicht gut aus", schlussfolgert sie. Das Stadtteilsekretariat Kleinbasel rät derweil den belästigten Passanten, die Angebote kurz und dezidiert zurückzuweisen. In den allermeisten Fällen habe sich dies bewährt. "Von tätlichen Übergriffen habe ich bis jetzt nichts gehört", erzählt Wernli.

 Vom April bis Oktober führte die Kantonspolizei Basel-Stadt 440 Kontrollen durch.

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20 Minuten 16.12.10

Aggressive "Kügeli-Dealer" machen der Polizei Sorgen

 BASEL. Der Claraplatz gilt derzeit als bevorzugter Umschlagplatz für "Kügeli-Dealer". Die Polizei macht fast jeden Abend Kontrollen - die Verkäufer werden immer rabiater.

 So etwa in der Nacht auf gestern. Ein Asylbewerber aus Angola bot einer Polizistin in zivil beim Rappoltshof Kokain an, worauf sie ihm ihren Ausweis zeigte. Der 32-Jährige rannte davon, wurde kurz darauf jedoch von mehreren Polizisten eingeholt. "Als sie ihn festnehmen wollten, rastete der Mann, der 1,72 Promille intus hatte, aus und biss einen Beamten in den Daumen und den Ringfinger", sagt der Basler Polizeisprecher Klaus Mannhart. Der Polizist musste sich in der Notfallstation behandeln lassen.

 Rund um den Claraplatz kontrollierte die Polizei in derselben Nacht 14 weitere Personen wegen Verdachts auf Drogenhandel, darunter 12 Asylsuchende - zehn von ihnen aus anderen Kantonen. "Für sie haben wir beim Migrationsamt beantragt, dass sie den Kanton nicht mehr betreten dürfen", so Mannhart.

 Im Kampf gegen den Drogenhandel führt die Polizei in den letzten zwei Monaten "energische" Kontrollen beim Claraplatz durch. So auch bei Razzien am 5. und am 10. Dezember: 67 Asylsuchende erhielten ein Zutrittsverbot, acht Personen wurden festgenommen. Die meist schwarzafrikanischen Dealer, die aus Asylzentren aus der ganzen Schweiz anreisen, sind laut Mannhart "sehr penetrant".  

Denise Dollinger

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Basellandschaftliche Zeitung 16.12.10

Kontrolle Drogendealer beisst Polizisten

 Die Basler Polizei hat in der Nacht auf Mittwoch erneut rund um den Claraplatz 14 Personen wegen Verdacht auf Drogenhandel kontrolliert. Unter ihnen befanden sich 12 Asylsuchende - 10 davon aus anderen Kantonen. Für diese beantragte die Polizei beim Migrationsamt eine Ausgrenzung - sie dürfen das Gebiet des Kantons Basel-Stadt demnach nicht mehr betreten. Ein Asylbewerber aus Angola wurde festgenommen. Der 32-Jährige hatte beim Rappoltshof einer Polizistin in Zivil Kokain angeboten. Bei seiner Festnahme leistete er heftigen Widerstand und biss einen Polizisten derart massiv in Daumen und Ringfinger, sodass dieser in die Notfallstation musste. Der Festgenommene hatte laut Mitteilung des Justiz- und Sicherheitsdepartements einen Alkoholpegel von 1,72 Promille. In letzter Zeit führt die Polizei rund um den Claraplatz intensiv Kontrollen wegen Verdacht auf Drogenhandel durch. So wurden vor einer Woche 40 Ausgrenzungen ausgesprochen und 4 Personen verhaftet. (BZ)

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Basler Zeitung 16.12.10

Kokaindealer beisst Polizisten

 Basel. Bei einer Kontrolle auf dem Claraplatz wurde ein 32-jähriger Asylbewerber aus Angola festgenommen, der zuvor beim Rappoltshof einer Zivilpolizistin Kokain angeboten hatte. Als der Mann mit einem Alkoholpegel von 1,72 Promille festgenommen wurde, biss er einen Polizisten massiv in zwei Finger, sodass dieser die Notfallstation aufsuchen musste.

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Basler Zeitung 11.12.10

40 Asylbewerber aus dem Kanton gewiesen

 basel. Nach einer Kontrolle rund um den Claraplatz hat die Kantonspolizei gestern 40 Asylbewerbern aus andern Kantonen verboten, den Kanton Basel-Stadt wieder zu betreten, teilt das Justiz- und Sicherheitsdepartement mit. 58 Personen wurden wegen Verdachts auf Drogenhandel kontrolliert. Vier Personen wurden festgenommen, weil sie sich rechtswidrig im Kanton aufhielten. Schon vor einer Woche wurden Asylbewerber weggewiesen.

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RASSISMUS
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NLZ 18.12.10

Schwarze gesetzlich schützen

 Rassismus

Kari Kälin

 Schwarze fühlen sich einem "Generalverdacht" ausgesetzt, sagt die Kommission gegen Rassismus. Sie fordert gesetzliche Grundlagen, die Diskriminierung explizit verbieten.

 Kari Kälin

 kari.kaelin@luzernerzeitung.ch

 Derou Geroges Blezon stammt aus der Elfenbeinküste, studiert an der Universität Lausanne und arbeitet im Service. In den letzten sechs Jahren wurde er 21 Mal von der Polizei kontrolliert. Ein Ordnungshüter habe ihm gesagt: "Alle Schwarzen sind Drogendealer." Eine Geschichte, wie sie Doris Angst, Geschäftsführerin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, häufig zu Ohren kommt. "Immer wieder erhalten wir Nachrichten von Menschen mit dunkler Hautfarbe, dass sie von der Polizei nur wegen äusserer Merkmale kontrolliert werden." Selbst wenn sich rasch herausstelle, dass sie nichts auf dem Kerbholz hätten, würden sie nicht immer rasch wieder laufen gelassen. Und: "Eine Entschuldigung von der Polizei für den falschen Verdacht wird häufig nicht ausgesprochen. Oft reagieren Polizeibehörden bei eingereichten Klagen mit Gegenklagen, was einer gütlichen Beilegung nicht dienlich ist."

 Diskriminierungs-Prävention

 Gestern hat die Kommission gegen Rassismus eine neue Publikation zum Thema Sicherheit veröffentlicht. Sie fordert darin explizit gesetzliche Grundlagen gegen das so genannte Racial profiling. Mit anderen Worten: Die Polizei solle das Verhalten von Menschen untersuchen und ihr Handeln nicht allein auf äusserliche Merkmale abstellen. "Racial profiling als eine Methode, spezifisch nach Hautfarbe, Sprache, Religion oder Nationalität zu fahnden oder andere polizeiliche Verhandlungen vorzunehmen, soll verboten werden", verlangt die Kommission.

 Konkret denkt sie etwa an Situationen, in denen schwarze Menschen allein ihrer Hautfarbe wegen kontrolliert würden, ob sie Dealer seien. "Es darf nicht sein, dass zum Beispiel in einem Zug nur eine Person mit dunkler Hautfarbe gefilzt wird, die anderen Passagiere aber nicht durchleuchtet werden", sagt Doris Angst. Dass an Hotspots und Drogenumschlagplätzen wie der Langstrasse in Zürich spezifisch nach Mitgliedern von Banden gefahndet werde, dafür bringt sie Verständnis auf. Denn: Tatsache ist, dass heute vor allem auch Menschen aus Westafrika den Strassenhandel mit Drogen bestreiten, lässt sich im jüngsten Bericht des Bundesamtes für Polizei zur inneren Sicherheit der Schweiz nachlesen.

 Thema in Polizeiausbildung

 Beat Hensler, Kommandant der Luzerner Polizei, schreibt in der Publikation, er könne zwar nicht ausschliessen, dass einzelne Polizisten willkürlich vermehrt Schwarze kontrollieren. "Häufig liegt der Grund für ein solches Vorgehen aber nicht in einer diskriminierenden Absicht, sondern in der Tatsache, dass der Kokain-Kleinhandel fest in der Hand von Nordafrikanern ist. Wenn die Polizei also Strassendealer sucht, dann wird sie vor allem bei Schwarzen fündig, was wiederum dazu führt, dass vermehrt Schwarze kontrolliert werden." Hensler wehrt sich nicht gegen Gesetze, die Racial profiling untersagen. Schliesslich schreite die Polizei schon heute ein, wenn sich jemand verdächtig verhalte - und nicht wegen äusserer Merkmale. Zudem würden die Polizisten auf solche Fragen sensibilisiert. Den Vorschlag von Doris Angst, die Polizei solle beispielsweise in Zügen eine "gemischte Wahl von Personen" kontrollieren, um bei den Schwarzen nicht den Eindruck zu erwecken, sie würden diskriminiert, hält er indes nicht für praxistauglich: "Wir stoppen auch nicht einen blauen Porsche, wenn wir nach einem roten Ferrari fahnden."

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admin.ch 17.12.10

Bulletin TANGRAM Nr. 26 der EKR zum Thema "Sicherheit"

Bern, 17.12.2010 - Unter dem Titel "Sicherheit - Sicherheiten" kommen in der neusten Ausgabe 26 des Bulletins TANGRAM der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR sowohl Sicherheitsbehörden zu Wort als auch Minderheiten, die sich als zu wenig geschützt empfinden. In ihren Empfehlungen fordert die EKR, das "racial profiling" sei zu verbieten. Sie unterstützt die Sicherheitsbehörden dabei, ein Selbstverständnis als Hüterin des Schutzes vor Diskriminierung zu entwickeln.

Jede Sicherheitspolitik muss den Bedürfnissen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen gerecht werden, um so zum sozialen Frieden beizutragen. Die Sicherheitsbehörde soll von allen Bevölkerungsteilen als "unsere Behörde, die uns schützt", wahrgenommen werden. Dies ist eine grosse Herausforderung für Politik und Sicherheitsbehörden. Es darf keine Sicherheit der Mehrheit auf Kosten der Sicherheit von Minderheiten geben.   

Reflektierenden und analytischen Beiträgen stellt TANGRAM 26 Aussagen und Einschätzungen von Minderheitsangehörigen entgegen, die sich als zu wenig geschützt empfinden. Es sind dies insbesondere Menschen dunkler Hautfarbe und fahrende Jenische, die sich als "unter Generalverdacht stehend" fühlen. Die Polizei kann Vertrauen aufbauen, indem sie gegen unberechtigte Vorwürfe antritt und allfällige Verfehlungen sanktioniert. Kompetenzen von Sicherheitsbeamtinnen und Sicherheitsbeamten in Menschenrechtsfragen sollen weiter gefördert werden. Die EKR anerkennt die diesbezüglichen Bemühungen der Sicherheitsbehörden.  

Erstmals veröffentlicht die EKR in einem TANGRAM Empfehlungen. Die Praxis des racial profiling - wie anlass- und verdachtsunabhängige Personenkontrollen, die sich an Hautfarbe oder Aussehen orientieren - ist menschenrechtswidrig und zu verbieten. Die EKR ermutigt die Sicherheitsbehörden, ein Selbstverständnis als Hüterin des Schutzes vor Diskriminierung zu entwickeln.

Adresse für Rückfragen:
Doris Angst, Geschäftsführerin der EKR, Tel. 031 324 12 83,
E-Mail: doris.angst@gs-edi.admin.ch.

Herausgeber:
Kommissionen des EDI

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ekr.admin.ch 8.12.10
http://www.ekr.admin.ch/shop/00008/00075/index.html?lang=de

TANGRAM 26 - Sicherheit - Sicherheiten

Sicherheit für alle

Die Sicherheitsproblematik ist zu einem wichtigen Teil vom Militärischen ins Zivile gerutscht und betrifft eine Vielzahl von Sicherheitsvarianten. Hier geht es aber nicht um Verkehrs-, Arbeits- oder Kundensicherheit, hier geht es um die innergesellschaftliche Sicherheit von Gruppen beziehungsweise Gruppenangehörigen vor Diskriminierungen unterschiedlichster Art. Es geht um Bedrohungsformen und um den Preis, den man für Sicherheit bezahlen muss oder andere bezahlen lässt.

Darum ist es richtig, gegen Exklusivansprüche eine "Sicherheit für alle" zu postulieren. Sicherheit so verstanden bedeutet zum einen Sicherheit auch für Sicherheitsbeauftragte.

Mit diesen Inhalten will TANGRAM 26 zu einer offenen und vorurteilsfreien Sicherheitsdiskussion beitragen, welche die Anliegen der Nichtdiskriminierung berücksichtigt und die diesbezüglichen Herausforderungen in einer pluralistischen Gesellschaft ernst nimmt.
http://www.ekr.admin.ch/shop/00008/00075/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDdIJ6fGym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A-- (PDF)

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ANTIFA
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WoZ 23.12.10

Niklaus Wagner (1919-2010)

 Als Fluchthelfer unterwegs

 Der St.Galler Niklaus Wagner war in den dreissiger Jahren im antifaschistischen Widerstand tätig. Am 30. November starb er 91-jährig.

 Von Ralph Hug

 Als Niklaus Wagner aufwuchs, war der Kampf gegen den Faschismus das Gebot der Stunde. Hitler war im Norden, Mussolini im Süden und, seit 1934, das austrofaschistische Regime im Osten. Zahllosen Linken blieb in diesen Ländern nichts als die Flucht ins Exil. Von der Schweiz aus wurde der antifaschistische Widerstand organisiert. Das grenznahe St. Gallen war ein Brennpunkt. Hier versammelten sich in geheimen Treffen der Prager Exilvorstand der SPD sowie spätere kommunistische Grössen wie Walter Ulbricht, Franz Dahlem oder Edo Fimmen. Ein Stützpunkt in diesem klandestinen Netzwerk war Wagners Elternhaus im St. Galler Arbeiterquartier Linsebühl. Sein Vater Niklaus senior war ein bekannter Gewerkschaftsaktivist, sein Bruder Walter hielt die lokale Sektion der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS) am Leben. Niklaus junior machte bei den Jungsozialisten mit und trug am 1. Mai die rote Fahne.

 Wagners Karriere als heimlicher Kurier in der organisierten Fluchthilfe begann im Sommer 1936, als es galt, Spanienkämpfer aus Osteuropa auf festgelegten Routen durch die Schweiz zu schleusen. Der 17-Jährige nahm die von Wien kommenden Freiwilligen in Empfang, dirigierte sie zum Hauptbahnhof und setzte sie dann in den Zug nach Basel, wo sie über die Grenze nach Paris geführt wurden. Dabei musste er sowohl die Fahnder der Stadtpolizei als auch die Spitzel des Vaterländischen Verbands austricksen. Ein reger antifaschistischer Grenzverkehr fand im Rheintal statt. Im katholischen Vorarlberg waren die "Revolutionären Sozialisten" unterdrückt. Sie mussten ihre Schriften bei der sozialdemokratischen "Volksstimme" in St. Gallen drucken und über die Grenze schmuggeln. Nach dem Anschluss Österreichs ans "Dritte Reich" im Frühjahr 1938 wurde dieser Transit schwierig. Als der Präsident der St. Galler Jungsozialisten, Karl Zürcher, bei einem Botengang in Bregenz geschnappt wurde, musste Niklaus Wagner als Ersatz einspringen.

 Als unauffälliger Jugendlicher war er der ideale Kurier. Er brachte unerkannt Druckschriften, Flugblätter, Dokumente und Informationen über Treffpunkte nach Bregenz. Im Papier waren Tagesscheine versteckt, mit denen sich der Grenzübertritt von GenossInnen ins Exil organisieren liess. Rund ein Dutzend Mal sei er in Bregenz gewesen, erinnerte sich Wagner, zweimal in Lindau und einmal sogar in Innsbruck. Nie flog er auf, nicht einmal, als er im Ruderboot in Altenrhein auf Mission war. Allerdings wurde es brenzlig, als ihn SA-Leute anhielten, weil er die Hakenkreuzfahne nicht gegrüsst hatte, und als bei einer Kontrolle in seinem Jackett ein Maibändel gefunden wurde. Mit knapper Not entkam er einer Razzia bei der kommunistischen Aktivistin Franziska Vobr in Bregenz. Dort hatte er in der Dachmansarde übernachten können. Er hörte noch, wie SA-Leute die Wohnung stürmten und weitgehend zerstört hinterliessen. Fraglich, ob er eine Festnahme durch die Nazi-Schergen überlebt hätte.

 Mit seinem "Aktivdienst im Antifaschismus" zählt Wagner zu einer Generation lange vergessener ziviler HelferInnen, die durch ihren Ungehorsam zahllosen Flüchtlingen und politisch Verfolgten das Leben retteten und so den Ruf der humanitären Schweiz gegen die Demontage durch bürgerliches Anpassertum retteten. Erst mit der Rehabilitierung von Polizeihauptmann Paul Grüninger im Jahr 1993 drangen sie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Mathias Knauer und Jürg Frischknecht hatten sie bereits 1983 mit dem Film "Die unterbrochene Spur", in dem auch Niklaus Wagner vorkommt, dem Vergessen entrissen. Auf einen formellen Dank des Staates und eine öffentliche Würdigung ihres Wirkens warteten Leute wie Wagner allerdings vergeblich.

 Als Linker und im VPOD aktiver Gewerkschafter hatte es Wagner in der konservativen Ostschweiz nicht leicht. Als Hilfsarbeiter - er hatte keinen Beruf erlernen können - und später als Zählerableser fand er bei den St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken (SAK) ein Unterkommen. Noch im vorgerückten Alter wurde er Opfer einer politisch motivierten Entlassung. Nur dank einer Intervention des einflussreichen VPOD-Exponenten Max Arnold wurde er wieder eingestellt. Auch beruflich blieb ihm also nichts erspart. Die letzten Jahre verbrachte Niklaus Wagner im Kreis seiner Familie und dann allein in seiner Wohnung im St. Galler Vorort Mörschwil. Dort starb er am 30. November im Alter von 91 Jahren.

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SS-ARZT
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swissinfo.ch 20.12.10

Architekt der SS als Elite des "neuen Europa"

swissinfo

 Franz Riedweg, Arzt aus Luzern, war der einflussreichste Schweizer in Nazi-Deutschland. Der SS-Obersturmbannführer hatte als Architekt einer "germanischen SS" als Elite eines neuen Europa unter Führung der germanischen Rasse grosse Vollmachten, zeigt der Historiker Marco Wyss in einem Buch.

 Lange galt Riedweg in der Schweiz in erster Linie als Landesverräter Nummer 1, der während des Zweiten Weltkrieges von Berlin aus die Fäden zur - gescheiterten - Gründung einer Schweizer SS gezogen hatte.   In seinem jüngst erschienen Buch "Un Suisse au Service de la SS - Franz Riedweg 1907-2005" zeigt der Historiker Marco Wyss, dass Riedweg, der in der SS-Zentrale nur zwei   Stufen unter Heinrich Himmler stand, von seinem Chef mit grossen Vollmachten ausgestattet war.   So organisierte Riedweg, der bis an sein Lebensende überzeugter Nazi blieb, unter anderem die Rekrutierung und politische "Schulung" von Waffen-SS-Freiwilligen in den "germanischen" Ländern Dänemark, Norwegen, Schweden, Holland, Belgien, Frankreich, dem Baltikum, Kroatien, Ungarn und der Schweiz.

 swissinfo.ch: Als Frontist unterhielt er sehr enge Beziehungen mit Vertretern der bürgerlichen Rechten in der Schweiz, namentlich Jean-Marie Musy, Rudolf Minger, Giuseppe Motta oder Heinrich Walther , dem langjährigen "Königsmacher" der Schweizer Politik. Waren diese auf dem rechten Auge blind?

 M.W.: Einerseits waren viele bürgerliche Politiker stark rechts und antikommunistisch eingestellt und konnten Riedwegs Gesinnung verstehen. Andererseits waren sich gewisse Politiker vor 1938 nicht bewusst, wie weit er zu gehen bereit war. Nach 1938   galt diese Entschuldigung natürlich nicht mehr.   Die Bürgerlichen haben Frontisten auch verwendet, um politische Mehrheiten zu erreichen, insbesondere bei Volksabstimmungen.

 swissinfo.ch: Riedweg war Architekt der "germanischen SS" und Waffen-SS-Freiwilligenverbände als soldatisch-politische Elite eines neuen Europas unter deutscher Führung. Was war ausschlaggebend für seinen steilen Aufstieg innerhalb der SS?

 M.W.: Die These, er sei wegen seiner Heirat mit der Tochter von Generalfeldmarschall von Blomberg rasch aufgestiegen, ist falsch, denn von Blomberg hatte seine Funktion als Reichskriegsminister 1938 verloren. Dass Riedweg so rasch zum Protegée Himmlers aufstieg, verdankte er in erster Linie den antikommunistischen Kreisen, erst um Musy in der Schweiz, danach um das Büro Ribbentrop in Deutschland.   Voraussetzung war auch, dass er ein nicht-deutscher, 'germanischer' Studierter war. Mit seiner starken politischen Motivation konnte er in der SS sehr schnell sehr viel Macht erlangen.

 swissinfo.ch: Als Leiter der "germanischen SS" war er sehr nahe bei Himmler. Wie einflussreich war Riedweg 1942/Anfang 1943 auf dem 'Höhepunkt'?

 M.W.: Sein Einfluss war ziemlich gross. Er resultierte daraus, dass er sich mit den führenden Personen aus verschiedenen Kreisen zu vernetzen wusste. Nicht nur bezüglich der SS, sondern auch mit der preussischen Aristokratie, der NSDAP und der Wehrmacht.     Er dehnte die Rekrutierung von Freiwilligen für die SS und die Waffen-SS von den germanischen auch auf die nicht-germanischen, besetzten Länder aus und erweiterte diese Aufgabe um politische Inhalte. Sein direkter Zugang zu Himmler ermöglichte es Riedweg, seine Initiativen stärker durchzusetzen.   Gleichzeitig war aber seine Macht limitiert. Obwohl er die Germanische Leitstelle führte, war er von seinem direkten Vorgesetzten, Obergruppenführer Berger, abhängig. Deshalb war es ihm nicht immer möglich, direkt an Himmler zu rapportieren.

 swissinfo.ch: Was wusste Riedweg als "Persona grata" Himmlers von den Judenvernichtungen?

 M.W.: Er wusste vielleicht nicht alles, aber 99% musste er wissen. Erstens bewegte er sich in den höchsten SS-Kreisen, zweitens verfassten die Verbindungsstellen seiner Germanischen Leitstelle in den besetzten Ländern regelmässig Berichte, unter anderem auch über die Verfolgung und Deportation von Juden aus Westeuropa in Richtung Osten.   Die Konzentrationslager wurden von den Totenkopf-Divisionen bewacht, die teilweise in der Waffen-SS eingegliedert waren. Riedweg hatte auch mehrfach die im Osten kämpfenden SS-Truppen besucht. Er musste vom Holocaust, welchen Himmler einmal vor ihm indirekt erwähnte, wissen. Er war eindeutig ein Mitwisser, den diese und andere Greueltaten der Nazis nicht zu stören schienen.

 swissinfo.ch: Zu seiner Ausbootung: 1943 realisierte er, dass Hitler die Ideen eines gleichberechtigten Europas unter deutscher Führung, wie es Riedweg vorschwebte, nicht teilt. Darauf liess er sich an die Ostfront versetzen. Wollte er für seine Ideale sterben?

 M.W.: Nein, denn für einen Märtyrertod war er sicherlich zu selbstverliebt. Zwar wollte ihn Himmler direkt an die Front schicken, aber Riedweg liess sich in eine Waffen-SS-Einheit versetzen, deren Kommandant er sehr gut kannte. Dieser veranlasste, dass Riedweg als Arzt hinter den Frontlinien tätig sein konnte, wo er keiner direkten Gefahr ausgesetzt war.   Eine Rolle spielten auch sein Pragmatismus und sein Opportunismus, denn Riedweg hatte sicherlich erkannt, dass der Krieg wohl verloren war. Deshalb wollte er nicht unbedingt in einer Führungsfunktion in Berlin bleiben.

 swissinfo.ch: Bei Riedweg gab es nach der Niederlage Nazi-Deutschlands weder einen Bruch in seinen Idealen, noch hatte er je Reue über die Judenvernichtung geäussert. Sie sind als Historiker und Autor des Buches eine Art Profiler Riedwegs - wie würden Sie ihn charakterisieren?

 M.W.: Er hatte als junger Mann Ideale, seine Teilnahme an der Coudenhove-Bewegung belegt das. Diese wird übrigens immer noch als eine der Grundbewegungen für ein vereintes Europa angesehen.   Danach rückte er immer mehr nach rechts, sein starker Antikommunismus brachte ihn immer näher an Nazi-Deutschland. Dort fand er einen gewissen Glauben, der immer extremere Formen annahm, bis er zu einem richtigen Nazi wurde, dessen Verhalten man nicht entschuldigen kann.   Noch schlimmer ist, dass er nach dem Krieg seinen Idealen nie abgeschworen hatte. Vielmehr versuchte er, in der neuen Mächtekonstellation des Kalten Krieges, die seitens des Westens ja auch sehr stark antikommunistisch geprägt war, eine neue Heimat zu finden.   Er hat seine Taten nie in Frage gestellt und nicht einmal den rassistischen Aspekt der Nazi-Ideologie hinterfragt. In der Schlussfolgerung titulierte ich ihn deshalb als unverbesserlichen Nazi.

 swissinfo.ch: Riedweg wurde 1948 in der Schweiz in Abwesenheit zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Weshalb stellte die Schweiz aber nie ein Auslieferungsgesuch? Spielte der Einfluss seiner "Gönner" wie Heinrich Walther eine Rolle?

 M.W.: Es gab einerseits Einflüsse, nicht nur von Walther, sondern auch von Riedwegs Bruder, einem Rechtsanwalt. Sie versuchten noch in den 1950er-Jahren, die Begnadigung Riedwegs zu erreichen.   Andererseits hatten Politiker und Beamte in Bern, oder auch der Gesandte Frölicher in Berlin, wohl ein gewisses Interesse, dass Riedweg nicht an den Prozess in die Schweiz kommt und sie oder andere belasten könnte.   Das ist zwar nur eine Vermutung. Aber die Indizien lassen darauf schliessen. Denn nach dem Krieg, als Riedweg Gefangener der Briten war, hätten diese ihn ausgeliefert, wenn die Schweiz dies verlangt hätte.   Bern aber stellte kein Auslieferungsgesuch. Das lässt den Schluss zu, dass es im Interesse gewisser hoher Persönlichkeiten lag, nicht durch ihre Beziehungen zu Riedweg während oder vor   dem Krieg belastet zu werden.

 Renat Kuenzi,swissinfo.ch

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RECHTSEXTREM
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20min.ch 25.12.10

Rechtsradikale Werbung: NPD-Flyer gerät ins Visier der Juristen

 Die rechtsradikale NPD wirbt mit dem Schweizer Kreuz. Das könnte Konsequenzen haben. Der Bund prüft, ob die deutsche Partei ein Gesetz verletzt.

 Die Schweiz ist hoch im Ansehen bei den Rechtsradikalen in Deutschland. Seit der Annahme der Ausschaffungsinitiative wirbt die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit dem Slogan "Vorbild Schweiz" für eine harte Haltung gegenüber kriminellen Ausländern. Die Botschaft auf der Postkarte steht vor einer idyllischen Landschaft mit dem Matterhorn zusammen mit einem Schweizer Kreuz. Dieses könnte der Partei Ärger einbringen. Denn die Verwendung des Schweizer Kreuzes ist unter gewissen Umständen rechtlich reglementiert.

 Der Bund ist inzwischen aktiv geworden und prüft die rechtliche Situation. "Es muss abgeklärt werden, ob die Verwendung des Schweizerkreuzes im vorliegenden Fall widerrechtlich ist", sagt Adrian Sollberger, Sprecher des Aussendepartements EDA, auf Anfrage von 20 Minuten Online. Es sei nicht klar, welche Stelle des Bundes zuständig und welche Regelung anzuwenden sei. Die rechtliche Situation ist laut Sollberger kompliziert. Ob die Schweiz schliesslich gegen die NPD vorgehen wird, ist noch völlig offen, wie Sollberger sagt. Erst wenn eine juristische Beurteilung vorliege, könne der Bund prüfen, ob er überhaupt rechtliche Schritte unternehmen will.

 Bund fehlt gesetzliche Grundlage

 Die Frage der missbräuchlichen Verwendung des Schweizer Kreuzes stellt sich meist im Zusammenhang mit kommerziellen Produkten und deren Herkunft. In diesem Bereich ist die sogenannte Swissness-Vorlage in Arbeit, die klare rechtliche Rahmenbedingungen schaffen soll. Derzeit darf laut dem Institut für Geistiges Eigentum die Benutzung des Schweizer Kreuzes nicht gegen die guten Sitten verstossen. In der Schweiz müssen die Kantone eine missbräuchliche Verwendung verfolgen. Im Ausland geht das Institut für Geistiges Eigentum in Zusammenarbeit mit den schweizerischen Botschaften dagegen vor, wie der Bundesrat 2005 schrieb. Gleichzeitig wies er damals auf seine beschränkten Kompetenzen hin: "Dem Bund fehlt die gesetzliche Grundlage zur selbstständigen Ahndung solcher Missbräuche." (mdr/rn)

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Bund 24.12.10

Wanderprediger gegen Islamisierung

 In Frankreich und Belgien kennt man Oskar Freysinger als "den Mann hinter dem Minarettverbot". Als Gastredner obskurer Gruppen bekräftigt der Walliser SVP-Nationalrat das Feindbild Islam.

 Richard Diethelm, Sitten

 Die französischen Medien interessieren sich normalerweise nicht für Schweizer Politik. Ausnahmen von dieser Regel waren vor einem Jahr das Ja des Schweizervolkes zu einem Bauverbot für Minarette und im November die Annahme der SVP-Ausschaffungsinitiative. Um dieses helvetische Phänomen zu erklären, richteten frankofone Medien ihre Scheinwerfer auf den eloquentesten Verfechter der zwei Volksbegehren in der Westschweiz: den Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger.

 In Frankreich porträtierte der bürgerliche "Figaro" den "scharfen Kritiker der Minarette". Der TV-Sender France 2 lud Freysinger in die stark beachtete Sendung "L'objet du scandale" ein. Wegen der Ausschaffungsinitiative besuchte eine Equipe von France 2 den SVP-Nationalrat auch in Sitten, wo er an einer Mittelschule Deutsch unterrichtet. Seit der Genfer Soziologe und ehemalige SP-Nationalrat Jean Ziegler vor Jahren in französischen Medien über die "Gnomen von Zürich" und die Helfershelfer von Steuerflüchtlingen herzog, hat im Nachbarland kein anderer Schweizer Politiker mehr so viel Bekanntheit erlangt.

 E-Mail von Brigitte Bardot

 Der Walliser geniesst die Aufmerksamkeit, die ihm im Ausland zuteilwird. Nach seinem Auftritt in der Sendung über Skandale habe er 500 Mails erhalten, "darunter eines von Brigitte Bardot", sagt Freysinger im Gespräch in einem Sittener Café. Als er letzten Samstag in Paris an der Internationalen Tagung gegen die Islamisierung Europas auftrat, hätten 400 000 die Live-Übertragung via Internet angeklickt und danach 50 000 auf Youtube seine Rede über die "Benutzung des Islam zu politischen Zwecken" angehört.

 Freysinger ärgert sich, dass er in Medienberichten wegen dieses Auftritts mit der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht wurde: "Die Tagung wurde von 15 Organisationen aus der Zivilgesellschaft organisiert, das Spektrum reichte von Homosexuellen, Feministinnen, jüdischen Organisationen bis zum Bloc identitaire." So harmlos, wie Freysinger es darstellt, war die provokativ in einen Stadtbezirk mit vielen muslimischen Bewohnern verlegte Tagung allerdings nicht.

 Eingeladen hatte den SVP-Nationalrat eine obskure Gruppe namens Riposte laïque (säkularer Widerstand). Seit die von ehemaligen Trotzkisten gebildete Gruppe sich dem Kampf gegen die Einwanderung von Muslimen verschrieben hat, knüpfte sie gemäss französischen Medien Bande zum Bloc identitaire. Dieser war 2002 aus der rechtsextremen Unité radicale hervorgegangen.

 Im Ausland kennt der Walliser keine Berührungsängste gegenüber Rechtsextremen, wie auch ein Auftritt Mitte Oktober in Brüssel belegt. Auf Einladung einer katholischen Bewegung, die in den muslimischen Gemeinden Europas eine Bedrohung "unserer Werte" sieht, sollte Freysinger zum Thema "Der Islam, eine Gefahr?" reden. Die Behörden verboten den in einem Quartier mit vielen Muslimen geplanten Auftritt. Darauf öffnete Filip de Winter, der Führer des rechtsextremen Vlams Belange, dem Schweizer das flämische Parlamentsgebäude.

 Islam statt Kommunismus

 Warum tritt Freysinger als Abgeordneter der grössten Schweizer Partei im Ausland nicht vor unverdächtigen rechten Parteien auf? "Die politisch Korrekten laden mich nicht ein. Ich nutze die mir angebotenen Plattformen, meide jedoch Neonazis und Revisionisten", sagt er. Liest man seine auf der Webseite des Bloc identitaire publizierte Pariser Rede, versteht man, weshalb etablierte Parteien den Walliser nicht als Starreferenten einladen. Rhetorisch meisterhaft bestärkt er seine Zuhörer in ihren Ängsten vor einer Islamisierung Europas.

 Nach dem Ende des Kommunismus besetze der Islam mit seiner Überfülle an Dogmen und Regeln "ohne Zögern und ohne in Zweifel gezogen zu werden" die Leere an Werten in den modernen Gesellschaften, rief Freysinger in Paris in den Saal. "Sein Glaubenssystem basiert notwendigerweise darauf, die Macht über alle Lebensbereiche und alle verfügbaren Gebiete und nicht nur die Weltanschauungen zu erlangen."

 Eine knappe Woche nach dem Auftritt in Paris weist Freysinger den Vorwurf, er schüre durch solche Reden eine allgemeine Angst vor Muslimen, als "lächerlich" zurück. "Das Volk spürt instinktiv, dass sich da eine Weltanschauung breitmacht, die unseren Werten total zuwiderläuft", sagt er.

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Beobachter 24.12.10

BLAMAGE

 Das Sendungsbewusstsein des SVP-Nationalrats Oskar Freysinger ist gross. Er singt und dichtet, und für das Recht, die Waffe zu Hause haben zu dürfen, lässt er sich auch mal im Bademantel mit Gewehr ablichten. Sein jüngster Auftritt: in Paris an einem Anti-Islam-Treffen, an dem er sich als "Mann, der in der Schweiz die Minarette stoppte" feiern liess. Eingeladen hatten ihn die Organisatoren des Treffens, die ultrarechten Gruppierungen Bloc identitaire und Riposte laïque. Er habe den Anwesenden die direkte Demokratie näherbringen wollen, erklärte er hinterher seinen Auftritt vor den rund 800 Rechtsradikalen.

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20 Minutes 24.12.10

Un "ami" antisémite qui embarrasse Freysinger

 genève. Un auteur français, sorti de l'ombre grâce à des affiches racistes, se réclame de l'élu UDC. La rançon de liaisons dangereuses?

 "Racket, pornographie, meurtres sous contrat, traite des blanches (...). La mafia juive." Placardé cette semaine au centre de Genève, ce texte a suscité un vif émoi. Il s'agissait de reproductions de la couverture d'un livre écrit en 2008. Son auteur, Hervé Ryssen, est un militant français farouchement antisémite. Il s'est réjoui, sur son blog, des réactions indignées des Genevois.

 Annonçant des suites à sa "tournée" (des affiches avaient déjà été placardées à Paris), le nationaliste s'est aussi plu à remercier Oskar Freysinger pour sa "collaboration" et sa "gentillesse". A quel propos? Contactée, cette figure d'extrême droite n'en dit rien. Reste que cette déclaration d'amour ne fait guère plaisir au chantre de la lutte contre les minarets: "Je n'ai jamais rencontré ce monsieur. Même son nom m'était inconnu." Il menace de poursuivre l'auteur au tribunal s'il persiste à abuser de son nom. "Les antisémites sont une race que je ne supporte pas." De retour des Assises de l'islamisation, à Paris, le conseiller national paie-t-il ses liaisons dangereuses avec la droite très dure française? Il ne le pense pas, car l'événement réunissait aussi des juifs et gens de gauche.

 Spécialiste de l'extrême droite, Jean-Yves Camus estime qu'Hervé Ryssen se venge d'anciens camarades de lutte, devenus plus modérés que lui depuis quelques années, et désormais amis avec Freysinger. Selon lui, le Saviésan est pris au centre d'un règlement de comptes. "Reste à savoir qui, à Genève, a accueilli Ryssen lors de son passage ou a posé ses affiches." Cela reste, pour l'instant, une énigme.

 -Raphaël Pomey

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Le Temps 24.12.10

Oskar et le long couteau

Jean-Claude Péclet

 Oskar Freysinger a-t-il échappé de justesse à une agression au couteau lors de son passage triomphal aux "assises sur l'islamisation de l'Europe" organisées le week-end dernier à Paris? C'est ce que déclarait le conseiller national valaisan à Radio Rhône, ajoutant avoir eu entre les mains l'arme effilée, "typiquement faite pour tuer", ce qui l'a "refroidi". La nouvelle a été largement diffusée sur Internet, un lecteur reprochant même au Temps de censurer cette "tentative de meurtre d'un élu du peuple suisse". D'où enquête.

 Habituellement prompt à répondre aux demandes des médias, Oskar Freysinger se fait prier. "Ils ont intercepté une personne à l'entrée qui essayait d'introduire un couteau affilé à la meule. Je ne sais rien de plus", répond-il succinctement par courriel. Dans ce cas, l'agresseur a probablement été dénoncé, au moins identifié, l'arme conservée? "On m'a bien montré le couteau et ça m'a effectivement fait froid dans le dos. A vous de voir avec les organisateurs…", tranche un second courriel plus sec du conseiller national.

 Voici ce que répond, dans un premier temps, Fabrice Robert, président du Bloc identitaire, co-organisateur des assises: "Un spectateur du 3e âge bien connu de l'organisation était venu assister aux Assises internationales. Il avait dans sa poche un petit couteau de cuisine, au bout émoussé, destiné à couper le saucisson qui était proposé à la buvette. A l'entrée de la salle, le service de sécurité (appliquant les consignes rigoureuses qui avaient été édictées) s'est saisi de l'objet et l'a rangé dans le PC de sécurité. Lors de son arrivée, Oskar Freysinger et son escorte sont venus dans ce même local. C'est à ce moment-là que divers accompagnateurs ont évoqué, sur le ton de l'humour, la "taille et la dangerosité" du couteau. Ces propos mal interprétés sont à l'origine du malentendu".

 De l'attentat au saucisson, il y a comme une divergence.

 Nous envoyons cette explication à Oskar Freysinger qui, cette fois, réagit au quart de tour: "Je m'érige en faux contre cette version", écrit-il, précisant (par téléphone cette fois) que le "couteau de dix centimètres était pour planter dans le bide". Mais qui donc était l'agresseur? Mystère. Comment sait-on que le député suisse était visé? "Personne n'a jamais prétendu que l'on voulait m'agresser", nuance le Valaisan. Ah bon, mais alors pourquoi l'avoir dit? "J'ai reçu des menaces de mort." Lesquelles, sous quelle forme? Mystère, là encore.

 Cette fois, Oskar Freysinger nous donne le numéro de portable du chef des six (!) gardes du corps venus le chercher à la gare. Au bout du fil, un homme qui se fait appeler Ivanov raconte qu'un individu "un peu âgé, qui n'avait pas l'air net", a laissé tomber un couteau alors qu'il se dirigeait vers la salle où le conseiller national signait des dédicaces. La lame "faisait 10 à 12 centimètres, elle était aiguisée de frais". A-t-on dénoncé, ou simplement interrogé le quidam? Ivanov n'en sait rien.

 Retour vers Fabrice Robert, qu'on devine embêté. Apparemment, le téléphone a chauffé entre le Valais et Paris. Le président du Bloc identitaire reconnaît qu'il n'était pas sur place au moment de l'incident et que sa première version était peut-être hâtive. Laquelle est la bonne, alors? On ne le saura probablement jamais, "l'agresseur" ayant été expulsé sans que personne ne songe à lui demander la moindre explication…

 Quant à Oskar Freysinger, que les organisateurs avaient également revêtu d'un gilet pare-balles, il admet avoir été un peu surpris par ce déploiement de sécurité, déclarant sur le moment: "On n'est quand même pas à Beyrouth!"

 A Beyrouth, non, mais peut-être un peu du côté de Marseille et de sa légendaire sardine bouchant le port?

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Le Nouvelliste 23.12.10

Un couteau dans la salle

 MENACE Une arme blanche a été confisquée dimanche à Paris, à l'entrée du colloque sur les "Assises contre l'islamisation de l'Europe". Oskar Freysinger, invité à la manifestation, n'a pas été surpris.

 Les menaces de mort ne l'ont pas dissuadé. Malgré tout, Oskar Freysinger a bel et bien décidé de participer aux "Assises contre l'islamisation de l'Europe", thème du colloque organisé par "Riposte Laïque" dimanche dernier à Paris. "En y allant, j'avais une appréhension, mais je ne voulais pas me laisser paralyser par la peur. Je défends l'idée de débattre librement de tous les sujets", lance le conseiller national valaisan. Tout s'est finalement bien déroulé. Ou presque. Un couteau a en effet été découvert sur un participant à l'entrée de la salle. "Le service d'ordre l'a confisqué. J'avoue que je n'aurais pas voulu être arrêté pour port d'arme prohibée en raison d'un couteau dans le dos!", lance ironiquement Oskar Freysinger.

 Sans regret. Le politicien observe cela avec recul aujourd'hui. Il ne regrette pas de s'être rendu à Paris pour ce colloque. "C'était une expérience incroyable. Il y avait plus de mille personnes dans la salle. C'était une réunion de chapelles diversifiées, avec des gens de tous bords politiques, des pro et des anti-avortement, des féministes, etc. C'est pour ça que j'y suis allé d'ailleurs. Même si certains continuent à me traiter de facho."

 Le Saviésan n'a pas constaté de mouvements de violence particuliers, hormis la menace du couteau confisqué. "On nous avait dit qu'il y aurait de nombreux manifestants, et en fait, on a compté, ils étaient une cinquantaine, contrairement à ce que certains médias ont annoncé". Quant à sa sécurité, Oskar Freysinger ne veut pas se laisser intimider. "En plus, aujourd'hui, en Suis- se, la situation s'est totalement inversée à mon égard. A part les extrémistes de gauche qui continuent à me traiter de facho, la plupart de la population est positive envers moi. Je reçois de nombreux courriels me remerciant pour ce que nous faisons. Il y a une évolution au sein de la population. Nous répondons à l'inquiétude croissante des gens par rapport à l'islamisation notamment."

 CHRISTINE SAVIOZ

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20min.ch 23.12.10

Werbung für NPD: Schweiz als Vorbild der Rechtsextremen

 Für einmal gibt es aus dem Ausland Lob - aus zweifelhafter Ecke: Die rechtsradikale NPD verteilt derzeit Postkarten, die die Schweiz als Vorbild preisen.

Ronny Nicolussi

 Seit das Schweizer Stimmvolk Ende November die Ausschaffungsinitiative der SVP angenommen hat, wirbt die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit dem "Vorbild Schweiz". Das Naturpanorama mit Blick auf das Matterhorn auf einer Postkarte wird begleitet durch das Logo der rechtsextremen Partei und dem Wahlspruch "Mit kriminellen Ausländern kurzen Prozess machen".

 "Seit Anfang Dezember haben wir bereits einige Hunderttausend Postkarten in ganz Deutschland verteilt", sagt NPD-Sprecher Klaus Beier auf Anfrage von 20 Minuten Online. Nochmals so viele sollen folgen. Mit der Postkartenaktion soll den deutschen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern aufgezeigt werden, dass in Deutschland jeden Tag von Demokratie gesprochen - in der Schweiz hingegen Demokratie praktiziert werde. Gleichzeitig kann mit der Postkarte der NPD beigetreten werden. Auf der Rückseite ist die Adresse der NPD in Berlin vorgedruckt.

 "Die Einführung der direkten Demokratie nach Schweizer Art ist seit Jahrzehnten ein Schwerpunkt unserer Politik", erklärt Beier. Zudem setze sich die NPD seit langem für die Ausschaffung krimineller Ausländer ein. Aus diesem Grund habe man auch ein Fünf-Punkte-Programm zur "Rückführung" von Ausländern erstellt.

 Kein Kommentar aus Bern

 Mit der SVP hat die NPD keinen Kontakt, wie Beier sagt, obschon die Deutschen wiederholt auf Symbole und Themensetzungen der Schweizer zurückgreifen. So kamen beispielsweise abgewandelte Schäfchen-Plakate der SVP 2008 bei den Landtagswahlen in Hessen zum Einsatz. In der Folge diskutierte die SVP über rechtliche Schritte gegen die NPD. Es blieb jedoch beim Geplänkel, sagt der NPD-Sprecher: "Rechtliche Konsequenzen gab es keine."

 Inwiefern die Postkartenaktion der NPD Konsequenzen haben wird, war zunächst nicht absehbar. Immerhin wirbt eine rechtsextreme Partei mit Schweizer Werten und verwendet dabei auch das Schweizer Kreuz. Weder das Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) noch die dem EDA angegliederte Stelle "Präsenz Schweiz", die für die Pflege des schweizerischen Erscheinungsbildes im Ausland verantwortlich ist, wollten bis am Donnerstagmorgen zu entsprechende Anfragen von 20 Minuten Online Stellung nehmen.

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WoZ 23.12.10

Anti-Muslim-Kongress

 Freysingers  europäische Freunde

 Tausend TeilnehmerInnen trafen sich letzten Samstag in Paris zum "Kongress gegen die Islamisierung unserer Länder". Mit dabei war auch ein bekanntes Gesicht aus der Schweiz.

 Von Bernhard Schmid, Paris

 Es geht nichts über einen gemeinsamen Feind. Damit lassen sich Menschen zusammenbringen, die sonst nichts gemeinsam haben. So trafen sich letzten Samstag unter anderem Berber aus Algerien, rechte Juden, rechtsradikale Fussballhooligans vom Pariser Club PSG, eine Feministin und ein Schweizer SVPler in Paris. Sie alle zeigten sich vereint im Kampf gegen die Muslime, die angeblich Europa überschwemmen, den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen, an der Kriminalität schuld sind   - und die jeweiligen Länder letztendlich überfremden würden.

 Rund tausend Leute fanden zum "Kongress gegen die Islamisierung unserer Länder" in einem grossen Saal im zwölften Pariser Arrondissement zusammen. Geladen hatte eine französische neofaschistische Organisation: Der "Bloc identitaire". Die TeilnehmerInnen waren nicht nur aus halb Europa angereist. Es waren auch Gastredner aus Russland und den USA dabei. So rief der US-amerikanische anti-muslimische Aktivist Tom Trento kurz vor der Mittagspause in den Saal: Die von den Muslimen ausgehende Bedrohung sei viel "perfider und tödlicher" als jene, die damals von Hitler ausgegangen sei.

 Freysingers Heimspiel

 Anne Zelensky, eine ehemalige Weggefährtin der französischen feministischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir, ergriff am Kongress die Gelegenheit, Marine Le Pen ihre Unterstützung für die umstrittenen Äusserungen zuzusichern, die die stellvertretende Vorsitzende des rechtsextremen Front National (FN) Anfang Dezember gemacht hatte: Vor rund 300 Parteianhängerinnen hatte die Tochter des FN-Chefs Jean-Marie Le Pen in Lyon erklärt, statt "dauernd vom Zweiten Weltkrieg" und der Besatzung durch Nazideutschland zu reden, sollten sich die PolitikerInnen doch lieber um die aktuelle "Besatzung" von "Teilen" des französischen Territoriums kümmern. Jene durch die Muslime.

 Am Kongress nahm Marine Le Pen selber nicht persönlich teil. Sie sei mit dem innerparteilichen Wahlkampf im Ringen um den Parteivorsitz des FN beschäftigt, liess sie ausrichten. Auf dem französischen Nachrichtensender LCI lobte sie jedoch die "bemerkenswerte Rede", die Oskar Freysinger am Kongress gehalten hatte.

 Der Schweizer SVP-Parlamentarier war der Stargast am Kongress. Gegen Mittag war er mit einem stattlichen Trupp von Leibwächtern in Sonnenbrille auf dem Kongress aufgetaucht. Als "helvetischen Asterix" stellte er sich bei den Anwesenden vor, bevor er zum verbalen Zweihänder griff: Voller Bedrohungen sei die Welt, doch die kleine Schweiz widerstehe ihnen wacker, führte der Walliser aus. "Islam und Kommunismus" seien beides "kollektivistische Totalitarismen". Deswegen stünden die Linken ja auch in einer Front geeint mit den Muslimen.

 Doch das Hauptproblem diagnostizierte Freysinger bei den EuropäerInnen selber. Auf eine "geistige und spirituelle Wüste" würden die muslimischen EinwanderInnen hier treffen   - weil sich die EuropäerInnen ihrer "eigenen Identität" nicht mehr sicher seien.

 Aufklärung oder Christentum?

 Weniger gut als Freysingers Rede kam jene der Feministin Anne Zelensky an. Als sie erwähnte, wie sie im Jahr 1970 am Kampf um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen teilnahm, wurde sie von einer Mehrheit der Anwesenden kurzerhand ausgepfiffen. Auch wenn sich viele der Anwesenden gerne auf die Aufklärung inklusive Laizismus berufen: Für die meisten von ihnen ist sie vor allem ein bequemes Argument, um gegen den Islam zu hetzen, der mit der Aufklärung angeblich unvereinbar ist.

 Das Sagen hatten am Kongress die christlichen Konservativen: Als Überraschungsgast hatten die KongressorganisatorInnen denn auch Xavier Lemoine vorgesehen, den Bürgermeister der Pariser Vorstadt Montfermei. Und ein Verfechter des Laizismus ist dieser fanatische abendländische Kreuzzügler gegen den Islam wahrlich nicht. Im Gegenteil. Der Rechtskatholik, der am Rande der konservativen französischen Regierungspartei UMP steht, ist ein Abtreibungsgegner und hat ein nostalgisches Verhältnis zum Vichy-Regime.

 Letztlich tauchte Lemoine vergangenen Samstag nicht auf. Die Parteiführung der UMP habe ihren Abgeordneten einen Maulkorb verpasst, greinten die Organisatoren.

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Newsnetz 21.12.10

Der Walliser Messias von Europas radikalen Islam-Gegnern

Claudia Blumer

 Nationalrat Oskar Freysinger geht mit der SVP-Politik auf Europatournee und lässt sich feiern wie ein Pop-Star. Seine Heimatpartei allerdings mag nicht klatschen.

 Oskar Freysinger ist schon mehrmals aufgefallen als internationales Aushängeschild seiner Partei. So gab er nach Annahme der Anti-Minarett-Initiative auf al-Jazeera ein Interview, und häufig tritt er in französischen Talkshows auf.

 Dieses Wochenende war Freysinger zu Gast in Paris, wo er an einer Veranstaltung zur "Islamisierung unserer Länder" eine Rede hielt. Veranstalter waren der Bloc identitaire und Riposte laïque, Vereinigungen der extremen Rechten in Frankreich (siehe Box).

 "Oskar, Oskar!"

 Der Walliser, der als einer von rund 30 Rednern auftrat, geniesst unter den Islam-Gegner offenbar eine grosse Fangemeinde. Bevor ihn der Moderator ankündigen konnte, ertönten im Publikum "Oskar, Oskar"-Rufe, und als Freysinger die Bühne betrat wurde er empfangen wie ein Popstar, oder, wie er selber sagt, "wie ein Messias". Seine Rede wurde immer wieder von lang anhaltendem Applaus unterbrochen.

 "Sie haben die Schnauze voll", sagt Freysinger, "von der Islamisierung in den Vororten und der politischen Elite, die das nicht beachtet." Freysinger erklärt sein Messias-Image so: "Die bewundern das direktdemokratische System der Schweiz." Freysinger gilt bei der extremen Rechten im Ausland als Kopf der Ausschaffungsinitiative und als "Mann, der die Minarette gestoppt hat".

 "Volksrechte stärken"

 Oskar Freysinger plant bereits seinen nächsten Auftritt im Ausland, ihm liegt eine Einladung einer Dresdner Bürgerbewegung vor. Ja, er werde die SVP-Ideologie nach Kräften in Europa verbreiten, bestätigt er. "Mit gutem Grund. Die Volksrechte müssen gestärkt werden." Er macht einen Bogen zu den rhetorischen Differenzen zwischen der Schweiz und der EU: "Gerade jetzt, wo sich die EU wie ein heiliges Reich gebärdet, braucht es Gegensteuer."

 Die Europa-Mission behagt der SVP nicht unbedingt. "Die SVP ist da sehr zurückhaltend", sagt Generalsekretär Martin Baltisser auf Anfrage. "Aber den Volksvertretern schreiben wir nicht vor, wann sie wo auftreten dürfen. Sie müssen selber beurteilen, ob ein Auftritt sinnvoll ist oder nicht." SVP-Vizepräsident Yvan Perrin sagte vor wenigen Wochen gegenüber den Medien, er würde die Einladung für ein solches Treffen ausschlagen.

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Basler Zeitung 20.12.10

Zu Gast bei Rechtsextremen

 Der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger tritt an einem Anti-Islam-Treffen in Paris auf

Rudolf Balmer, Paris

 Der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger hat am Wochenende in Paris viel Applaus an einem Kolloquium gegen die "Islamisierung Europas" geerntet.

 Es war nicht das erste Mal, dass der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger von Frankreichs rechtsextremer Kleinpartei Bloc Identitaire eingeladen worden war. Deren Anhänger halten den Front National von Jean-Marie Le Pen für zu weich. Vergangenes Wochenende war Freysinger in Paris der Stargast an einem Treffen gegen die "Islamisierung Europas", das die radikalen Nationalisten zusammen mit der Gruppe Riposte Laïque organisiert hatten.

 800 Zuhörer empfingen Freysinger, den "Mann, der die Minarette in der Schweiz gestoppt hat", mit einer Ovation. Der Islam generell und das als Aggression empfundene religiöse Selbstbewusstsein eines Teils der aus dem Maghreb stammenden Jugend in der Banlieue stellen das neue Feindbild für Frankreichs fremdenfeindliche extreme Rechte dar.

 SVP-Abstimmungsplakate wie jenes mit dem herausgeworfenen schwarzen Schaf, mit den wie Raketen in den Himmel ragenden Minaretten oder zuletzt jenes mit dem "Vergewaltiger Ivan S." haben bei Frankreichs nationalistischer Rechter begeisterte Zustimmung und Nachahmung gefunden.

 Attacken

Wenn Freysinger mit seinem Look, namentlich seinem Langhaar-Pferdeschwanz, vielleicht zuerst einige Ältere oder Kahlrasierte im dicht gedrängten Saal im 12. Bezirk der Hauptstadt irritiert hat, so fand er schnell die Worte, die zu hören sie gekommen waren.

 Seine mit Ironie gewürzten Attacken gegen die Toleranz predigenden Eliten und ihr "Dogma des Multikulti" sprachen ihnen aus dem Herzen: "Das gibt es nur in Europa, dass man meint, wenn man mit allen nett ist, sei jedermann auch mit uns nett. Anderswo in der Welt gilt das einfach als Zeichen der Schwäche."

 Dass die Meinungsmacher aber auch ausgerechnet jene "diabolisieren", die vor dieser von ihm in allen bedrohlichen Farben beschworenen Gefahr der Islamisierung warnen, stellt für Freysinger den Gipfel dar. "Sie liefern damit den fanatischen Islamisten einen Freibrief zur Eliminierung der entschiedensten Gegner wie Pim Fortuyn."

 Unterhaltsam

Dass dieser holländische Rechtspopulist nicht von muslimischen Extremisten, sondern von einem radikalen niederländischen Tierschutzaktivisten ermordet wurde, liess er unerwähnt. Dagegen warnte er Deutschland vor den Folgen einer verantwortungslosen "Hexenjagd gegen den Bankier Thilo Sarrazin". Während "hier alle nur an ihre Rente, an die Ferien und Versicherungen denken, produziert die muslimische Welt Armeen von Kämpfern, Frauen und Männern, die bereit sind, als menschliche Bomben in einem Krieg ihr Leben zu opfern", sagte Freysinger.

 Im amüsanten Tonfall eines Alleinunterhalters auf der Bühne gab der SVP-Nationalrat sodann eine kurze Nachhilfestunde zur Geschichte der Eidgenossen, die sich seit dem Rütlischwur gegen fremde Einflüsse und Bevormundung wehrten und nicht von ungefähr heute nicht Mitglied der Europäischen Union seien. Die institutionellen Instrumente des Initiativrechts hätten es ermöglicht, dass "die schweizerische Elite gleich zweimal in einem Jahr vom Volk desavouiert wurde".

 Freysinger rät darum den Franzosen, deren revolutionäre Traditionen er in allen Tönen lobte, dringend, bei sich "die Spielregeln zu ändern".

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Landbote 20.12.10

Aufgefallen

 Oskar "la star de la journée"

 Stefan Brändle

 Paris - Er nannte sich froh, "Voltaires Frankreich" zu besuchen, und stellte sich als "Asterix der Helveten" vor. Doch Oskar Freysinger hätte es gar nicht nötig gehabt, das Publikum mit so viel Ehrerbietung zu grüssen: "Oskar, Oskar" skandierend, bedachten ihn die mehreren Hundert Zuhörer der "Internationalen Tagung zur Islamisierung unserer Länder" mit Ovationen im Stehen, noch bevor der SVP-Nationalrat das Rednerpodest betreten hatte.

 "La star de la journée", wie sich ein Organisator ausdrückte, staunte wohl selbst über den frenetischen Empfang bei seinem ersten Auftritt in Frankreich. Zu verdanken hatte er ihn seiner Führungsrolle in der Schweizer Anti-Minarett-Initiative. Einzelne Vorredner lobten sie als Modell für den "Volkswiderstand gegen die Islamisierung Europas". Darüber hinaus warnte die österreichische Islamgegnerin Elisabeth Wolff, die islamische Scharia werde dazu führen, dass Christen und Juden aus Europa ausgewiesen würden. Verglichen mit diesen Tiraden, wirkte Freysingers halbstündige Rede geradezu moderat. Der Walliser Freigeist warnte vor der "demografischen, soziologischen und psychologischen Islamisierung Europas". Ansonsten pries er aber vor allem die Vorzüge des Schweizer Föderalismus und der direkten Demokratie.

 Scharf war dafür die Bewachung Freysingers durch mehrere Leibwächter in kugelsicheren Westen. Linksparteien und Grüne hatten im Vorfeld zu Protesten gegen den vom rechtsextremen "Bloc identitaire" organisierten Anlass aufgerufen. Vor dem Tagungszentrum demonstrierten einige Hundert Gegner mit Spruchbändern wie "Faschisten raus aus dem Viertel!" lSTEFAN BRÄNDLE

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Sonntag 19.12.10

Anti-Islamisten bejubeln Freysinger

 Auftritt an umstrittenem Treffen in Paris

 Er stellte sich zum Gaudi des Publikums als "Asterix der Helveten" vor. Doch Oskar Freysinger hatte die Teilnehmer der "internationalen Tagung zur Islami-sierung unserer Länder" in Paris schon vor dem Beginn seiner Rede erobert: "Oskar, Oskar" skandierend, begrüssten die mehreren hundert Anwesenden "la star de la journée" - so ein Organisator.

 Der SVP-Nationalrat staunte wohl selbst, welcher Empfang ihm beim ersten Auftritt in Frankreich zuteil wurde. Zu verdanken hatte er ihn seiner Führungsrolle in der Schweizer Anti-Minarett-Initiative. Die islamische Scharia werde dazu führen, dass Christen und Juden aus Europa ausgewiesen, Behinderte und Homosexuelle getötet würden, warnte die österreichische Islam-Gegnerin Elisabeth Wolff; der aus der deutschen CDU ausgeschlossene Politiker René Stadtkewitz deklamierte, die Europäer würden durch die "von Islamisten gesteuerten Islam-Organisationen aus dem Land gejagt".

 Verglichen mit diesen Tiraden wirkte Freysingers halbstündige Rede geradezu moderat. Der Walliser Rechtspolitiker warnte wohl vor der "demografischen, soziologischen und psychologischen Islamisierung Europas" und "dem Tag, an dem sie explodieren wird".

 Ansonsten pries er aber vor allem die Vorzüge des Schweizer Föderalismus und der direkten Demokratie. "Der Schweizer stimmt in einem Jahr mehr ab als Sie in ihrem ganzen Leben." Scharf war hingegen die Bewachung Freysingers durch mehrere Leibwächter in dunklen Brillen. Linksparteien und Grüne hatten im Vorfeld zu Protesten gegen den Anlass aufgerufen.

Stefan Brändle

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Zentralschweiz am Sonntag 19.12.10

Frankreich

 Islam-Gegner feiern SVP-Nationalrat

Stefan Brändle, Paris

 Er war der Star des Anti- Islamisten-Treffens in Paris: SVP-Nationalrat Oskar Freysinger pries unter Beifall die direkte Demokratie.

 Er grüsste "das Frankreich von Voltaire" und stellte sich zum Gaudi des Publikums als "Asterix der Helveten" vor. Doch SVP-Nationalrat Oskar Freysinger hatte die Teilnehmer der "internationalen Tagung zur Islamisierung unserer Länder" schon vor dem Beginn seiner Rede erobert: "Oskar, Oskar" skandierend, begrüssten die mehreren hundert Anwesenden "le star de la journée", wie sich ein Organisator ausdrückte.

 Lob für Schweizer Modell

 Der SVP-Nationalrat staunte wohl selbst, welcher Empfang ihm bei seinem ersten Auftritt in Frankreich zuteil wurde. Zu verdanken hatte er ihn seiner Führungsrolle in der Schweizer Anti-Minarett-Initiative. Einzelne Vorredner lobten sie als Modell für den "Volkswiderstand gegen die Islamisierung Europas". Die islamische Scharia werde dazu führen, dass Christen und Juden aus Europa ausgewiesen, Behinderte und Homosexuelle getötet würden, warnte die österreichische Islam-Gegnerin Elisabeth Wolff. Der aus der deutschen CDU ausgeschlossene Politiker René Stadtkewitz deklamierte, die Europäer würden durch die "von Islamisten gesteuerten Islam-Organisationen aus dem Land gejagt".

 "Psychologische Islamisierung"

 Verglichen mit diesen Tiraden wirkte Freysingers halbstündige Rede geradezu moderat. Der Walliser Rechtspolitiker warnte wohl vor der "demografischen, soziologischen und psychologischen Islamisierung Europas" und "dem Tag, an dem sie explodieren wird". Ansonsten pries er aber vor allem die Vorzüge des Schweizer Föderalismus und der direkten Demokratie. "Der Schweizer stimmt in einem Jahr mehr ab als Sie in ihrem ganzen Leben", klärte er die begeisterten Zuhörer auf, die sich indes offensichtlich schärfere Worte zum Tagungsthema gewünscht hätten.

 Scharf war hingegen die Bewachung Freysingers durch mehrere Leibwächter mit dunklen Brillen. Linksparteien und Grüne hatten im Vorfeld zu Protesten gegen den vom rechtsextremen "Bloc identitaire" organisierten Anlass aufgerufen. Freysinger scherzte in seiner Rede, die Schläger aus der Banlieue sollten nur vorbeikommen, wenn sie einen warmen Ort suchten.

 Schliesslich blieb es aber bei Internet-Appellen, die festhielten, dass Laizismus nicht mit Rassismus zu verwechseln sei. Das war auf die ehemals linke Vereinigung "Riposte Laïque" gemünzt, die an der Anti-Islamisten-Tagung teilnahm. Auch die feministische "Frauenliga" Frankreichs war vertreten.

 nachrichten@neue-lz.ch

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sv.tv 18.12.10

Freysinger nimmt an Anti-Islam-Treffen teil

 Der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger ist an einer Tagung der rechtsnationalen französischen Bewegung "Bloc Identitaire" in Paris als Redner aufgetreten. Beim Treffen ging es um "Massnahmen gegen den Islam und seine Gefahren".

sda/widb

 Freysinger, einer der Fahnenträger der Schweizerischen Volkspartei und Kämpfer für die beiden Initiativen für ein Minarettverbot und die Ausschaffung ausländischer Straffälliger, wurde unter stürmischem Beifall wie ein Held empfangen.

 Freysinger erklärte, er werde weniger über den Islam als viel mehr über die direkte Demokratie reden.

 Skinheads auch vor Ort

 Eingeladen worden war er nach eigenen Worten nicht vom "Bloc" sondern von der Organisation "Riposte laïque", einer Gruppierung für den Säkularismus. Bevor er die Einladung angenommen habe, habe er sich versichert, dass es sich bei den Teilnehmenden nicht um Holocaust-Leugner, Neo-Nazis oder Faschisten handle.

 Der Veranstaltungssaal in Paris war mit Menschen aller Altersklassen gefüllt. Auch einige Skinheads waren präsent. Tom Trento, ein Redner aus den USA, stellte in seinem auf französisch vorliegenden Redetext den politischen Islam als gleich gefährlich wie Adolf Hitler dar.

 800 Teilnehmer in Paris

 Die Anti-Islam-Konferenz sorgte in Frankreich bereits im Vorfeld für Auseinandersetzungen. Betrand Delanoë, der Bürgermeister von Paris, wollte den Anlass verbieten. Die Polizei zog ein erhöhtes Sicherheitsdispositiv auf. 200 Personen protestierten gegen die Veranstaltung. An der Tagung nahmen mehrere hundert Menschen teil, die Veranstalter sprachen von bis zu 800 Teilnehmern.

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Langenthaler Tagblatt 14.12.10

Mit Kette und Messer Weihnachten "gefeiert"

 Kreisgericht Aarwangen/Wangen Brüderpaar, das in der rechtsextremen Szene verkehrte, wegen Schlägereien verurteilt

Urs Byland

 In ihren Jugendjahren sind sie vor allem durch gute sportliche Leistungen aufgefallen. Gestern stand das Brüderpaar in Aarwangen aber vor dem Richter. Sie sollen es sich zum Sport gemacht haben, andere zu verprügeln. Drohung, Raufhandel und Körperverletzung: Die Vorwürfe an die beiden einschlägig bekannten Geschwister, die der rechtsextremen Szene zugerechnet werden, sind happig. Gewütet haben sie, so die Anklage vor dem Kreisgericht IV unter Einzelrichter Fritz Aebi, zwischen Sommer 2007 und Weihnachten 2008 im Oberaargau und Kanton Solothurn.

 Es war nicht einfach, bei dieser Serie von Delikten die Übersicht zu bewahren, zumal die Zeugenaussagen zu den Vorkommnissen gerade bei den Schlägereien an Anlässen oft auch ungenau waren. Mitschuldig daran dürfte der Alkoholkonsum gewesen sein, wie Gerichtspräsident Aebi festhielt. Im März dieses Jahres fand bereits ein erster Verhandlungstag statt. Gestern Morgen folgten noch die Aussagen des letzten von der Verteidigung aufgebotenen Zeugen.

 Opfer in Täter verwandeln

 In den Plädoyers beklagte der Verteidiger des einen Angeklagten den Ruf, der den Brüdern vorauseile: "Bei Vorfällen im Oberaargau stehen die Brüder schnell mal unter Generalverdacht", so der Vorhalt des Verteidigers. Das würde die Strafverfolgungsbehörden dazu verleiten, vorschnell zu handeln. Der Verteidiger des zweiten Angeklagten unterstützte in seinem Plädoyer seinen Kollegen. Fall für Fall versuchten beide, ihre Klienten von den Vorwürfen reinzuwaschen. Die Strategie der Verteidiger zielte auf die teilweise ungenauen, manchmal auch widersprüchlichen Zeugenaussagen. Diese versuchten aus den Opfern Täter zu machen, indem sie die Opfer als Auslöser der Aggressionen hinstellten. Die beiden Verteidiger forderten in allen Fällen Freisprüche für das Brüderpaar.

 Kein Freispruch, sondern Strafe

 Der Richter wollte jedoch nichts von Freisprüchen wissen. Exemplarisch verurteilte er die Brüder nicht einfach zu Geldbussen, sondern zu 8 (den Jüngeren) und 6 Monaten Freiheitsstrafen bei einer Probezeit von 3 Jahren. Auf zusätzliche Geldbussen verzichtete er, da die Brüder sich in den letzten zwei Jahren nichts mehr zuschulden haben kommen lassen, und die Verfahrenskosten bereits eine erkleckliche Summe ausmachen.

 Nicht beweisen konnte das Gericht die Teilnahme der Brüder an einer Schlägerei am Waldrock-Open-Air 2007 in Röthenbach. Damals verprügelte eine Gruppe aus der rechtsextremen Ecke mehrere Personen. Die Teilnahme der Brüder konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden: "Dieses Verfahren hat weite Kreise gezogen, und ja, es war ein genereller Verdacht gegen die Brüder, dem keine konkreten Aussagen zugrunde lagen", so Aebi. Dennoch sei es nicht von der Hand zu weisen, dass die Brüder öfters in gefährliche Situationen verwickelt seien und sich ihren zweifelhaften Ruf auch "verdient" hätten.

 Schlägerei am Weihnachtstag

 Verurteilt wurde der Jüngere wegen einfacher Körperverletzung, begangen am Weihnachtstag 2007 in Oberbipp. Dieser Vorfall vor dem Anwesen des Opfers sei bewusst provoziert worden und die Kette, mit der das Opfer traktiert wurde und die klar Spuren hinterlassen hatte, sei keine in Notwehr eingesetzte Hundeleine, sondern extra mitgenommen worden: "Ich habe die Abdrücke der Kette auf den Beweisfotos gesehen", so der Richter. Der ältere Bruder war auch da und habe, das Messer in der Hand, Drohungen ausgestossen. "Sie provozierten und suchten die Konfrontation. Als das Opfer bedrohlich auf sie zukam, hätten sie einfach wegrennen können. Aber das wollten sie ja nicht", so Aebi. Später seien die Brüder erneut am Domizil des Opfers aufgetaucht und haben randaliert.

 Auch bei einer Schlägerei am 6. Juli 2008 in Niederwil SO seien beide Brüder zugegen gewesen. Zum Einsatz kamen dort erneut Ketten. Fünf Personen wurden verletzt: "Es liegt nicht am Staat herauszufinden, wer was genau gemacht hatte. Beim Vorwurf des Raufhandels genügt die Beteiligung", klärte Aebi auf. Der Jüngere wurde zusätzlich wegen eines Raufhandels, begangen am 18. November in Derendingen SO, verurteilt.

 Die Oberaargauer Brüder können das Urteil vor Obergericht anfechten.

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NLZ 14.12.10

Rütli-Extremist ist abgeblitzt

 Obergericht

 MZ. Das Obergericht Uri stützt das Urteil des Landgerichts. Es verurteilt einen 31-jährigen Berner zu einer bedingten Geldstrafe von acht Tagessätzen à 100 Franken sowie zu einer Busse von 200 Franken. Das führende Mitglied der rechtsextremen Szene sei der Rassendiskriminierung und der Nachtruhestörung schuldig, befindet die höchste Urner Gerichtsinstanz. Die Verfahrenskosten von 4580 Franken gehen ebenfalls zu seinen Lasten.

 Applaus für Holocaust-Leugner

 Der Berner hatte am 5. August 2007 auf dem Rütli vor 300 Gleichgesinnten eine Rede gehalten. "Wir leben in einer Zeit, in der die Lüge regiert", so der Berner. Und weiter: "Das Antirassismusgesetz wurde installiert, um eine geschichtliche Lüge zu stützen." Zudem nahm er Bezug auf einen vor ihm sprechenden Westschweizer, der bereits als Holocaust-Leugner verurteilt worden ist. "Wenn man bedenkt, was er alles durchmachen musste, um für die Wahrheit zu kämpfen, danken wir ihm mit Applaus", forderte er die Menge auf. Zudem wird der Berner vom Gericht schuldig gesprochen, weil er am 28. Dezember 2007 in Burgdorf Lärm verursacht und die Nachtruhe gestört hat.

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IDENTITÄTSWAHN
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Landbote 11.12.10

Warum es gesund ist, ein Fremder zu sein

 Helmut Dworschak

 Wie sich die Annahme der Ausschaffungsinitiative in der Praxis auswirkt, bleibt abzuwarten. Sie und ähnliche Volksbegehren dürften Teil einer Entwicklung sein, die der Orientalist Navid Kermani als "Identitätswahn" bezeichnet.

 Ich bin ein Secondo. Kein italienischer, spanischer, afrikanischer, portugiesischer oder türkischer, sondern ein österreichischer. Wer jetzt erwartet, dass ich zur Bestätigung ein wenig Wiener Schmäh auftische, den muss ich enttäuschen; ausser meinem Pass erinnert bei mir nichts an meine ausländische Herkunft, an der ich übrigens berechtigte Zweifel hege. Denn bei Licht besehen, komme ich aus einem kleinen Landspital in der Schweiz. Einem Land, in dem mir vieles Freude bereitet. Die Berge, die Seen, die pünktlich abfahrenden Züge, die gefüllten Regale, die Sparkassen. Ja, ich mag auch die Banken, denn sie stehen für den Wohlstand, in dem wir leben.

 Wer genau ist "wir"? Wir sind zum Beispiel Manager auf der einen und alle übrigen Steuerzahler auf der anderen Seite. Falls normale Steuerzahler sich einfallen liessen, eine Bank auszurauben, würden sie möglicherweise kurzerhand "ausgeschafft". Im Gegensatz zu den Managern, die sich ein Steuerparadies in ihrem Wunschkanton aussuchen dürfen, nachdem sie die Bank mit ihren Bonusbezügen ausgeraubt haben. Egal, ob sie Schweizer oder Ausländer sind.

 Rechtsgleichheit aufgehoben

 Wie sich die Annahme der Ausschaffungsinitiative auf die behördliche Praxis auswirkt, bleibt abzuwarten. Was die Initiative verlangt, war ja auch bisher schon möglich, weshalb sie von manchen als unnötig bezeichnet wurde. Doch sie setzt ein Signal, indem sie das grundlegende Prinzip der Rechtsgleichheit aufhebt und Ausländer per Verfassungsartikel zu zweitklassigen Menschen stempelt. Damit stellt sie eine Errungenschaft in Frage, die sie doch gerade zu schützen vorgibt. Der Volksentscheid erschreckt umso mehr, als er Teil einer konsequent gegen Fremde gerichteten Strategie ist; vorangegangen war die Annahme der Minarett-Initiative, bereits angekündigt ist eine Initiative zur Beschränkung der Zuwanderung.

 Darauf kann man mit Humor reagieren wie der 30-jährige Berner Musiker Semih Yavsaner aka Müslüm, der in seinem Song "Samichlaus" den in der Initiative zutage tretenden Ordnungssinn verulkt und in einem Zeitungsbericht zu Protokoll gibt: "Theoretisch gesehen hat mein C-Ausweis an Wert gewonnen. Nun ist er Identität und eventuelles Flugticket nach Istanbul zugleich."

 Identitätswahn

 Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass für die Abstimmungsergebnisse eine grössere, weltweit zu beobachtende Entwicklung verantwortlich ist. Der deutsch-iranische Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani bezeichnet sie als "Identitätswahn". In seinem Buch "Wer ist Wir?" behandelt Kermani Fragen um die Integration der Muslime in Deutschland und kommt zum Schluss, dass die soziale Herkunft - nicht die geografische oder ethnische oder die Zugehörigkeit zu einer Religion - entscheidend ist für das Gelingen der Integration. Kermani hält die Integration islamischer Einwanderer in Deutschland für erfolgreich. Er berichtet auch von Konflikten, die sich ergeben, wenn an Schulen die Mehrzahl der Kinder aus türkischen Familien stammen; für solche Probleme hat die Regierung 2006 die Deutsche Islamkonferenz ins Leben gerufen.

 Die von Kermani beobachteten sozialen Vorgänge lassen sich so zusammenfassen: Um sich auf das Eigene zu besinnen, wird das Fremde dingfest gemacht, am wirksamsten anhand sichtbarer Symbole wie Kopftücher, Burkas und Bärte. Beide, eigene wie fremde Identität, erfahren dabei eine gefährliche Verengung. Denn niemand ist nur Muslim, nur Christ, nur Deutscher oder nur Türke - jeder hat viele Identitäten, je nachdem, welchen Lebensbereich man betrachtet. Im Westen hat die Religion ihren prägenden Einfluss auf den Lebensstil längst verloren. Auch der Islam ist nur ein Faktor unter vielen. So wenig es ferner "das" Christentum gibt, sondern de facto ganz unterschiedliche Glaubensrichtungen, so wenig gibt es "den" Islam; der "Dialog der Kulturen" ist genauso eine Karikatur wie der viel zitierte "clash of civilisations", weil die vorausgesetzten einheitlichen Gebilde Fiktionen sind.

 Manchmal ist es schwierig, die Reduktion auf ein Merkmal - die immer eine Vereinfachung darstellt und daher der menschlichen Bequemlichkeit entgegenkommt - zu erkennen: Die Aussage "Wir müssen mit den Muslimen reden" konstruiert zum Beispiel eine "Wir"-Identität, welche die Muslime ausschliesst.

 Welche Widersprüche mit realen Identitäten einhergehen, veranschaulicht der 1967 geborene, zweisprachig aufgewachsene Kermani etwa plastisch am Vielvölkerstaat Indien, dem "Mutterland des Multikulturalismus", vor allem aber an zahlreichen eigenen Beispielen: "Die geschriebene deutsche Sprache ist meine Heimat; nur sie atme ich, nur in ihr kann ich sagen, was ich zu sagen habe. Aber nur die geschriebene Sprache. Mit meinen Kindern sprach ich vom ersten Augenblick an, ohne darüber nachgedacht zu haben, persisch."

 Das sehr gut lesbare Buch, das zum Teil auf Vorträge zurückgeht, mündet in ein "Lob der Differenz". Wer viele Identitäten in sich hat, muss sich nicht auf Gedeih und Verderb mit einer einzigen identifizieren. Oder anders gesagt: "Fremdsein ist keine Krankheit."

 Genau hinsehen, abwägen

 Fundamentalistische Ideen, so Kermanis bedenkenswerte These, entstehen vor allem in einem Milieu, das sich durch eine hohe Anpassung auszeichnet. Dies gilt sowohl für die Herkunft islamistischer Terroristen wie für die Konjunktur eines rechtsgerichteten, das Fremde abwehrenden Diskurses in Italien, Holland, Dänemark und der Schweiz. Wo eine enge Identifizierung stattfindet, scheint die Gefahr eines Vakuums grösser als dort, wo eine distanziertere Haltung vorherrscht. Anstelle der Polarisierung, welche die politischen Debatten in der Schweiz beherrscht - und die nicht zuletzt von den Medien gefördert wird -, wäre es nötig, immer wieder zu differenzieren, genau hinzusehen, abzuwägen. Und bereit zu sein, das eigene Urteil zu revidieren.lHELMUT DWORSCHAK

 Buchtipp

 Navid Kermani: Wer ist Wir? Deutschland und seine Muslime. C.-H.-Beck-Verlag, München 2009. 176 Seiten, Fr. 28.90.

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SANS-PAPIERS
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Rundschau 22.12.10

Jugendliche Papierlose

Der 17jährige Erick stammt aus Ecuador, ist als Kind mit seiner Familie illegal eingereist und sieht die Schweiz als seine Heimat. Kürzlich hat sich das Parlament dafür ausgesprochen, dass Papierlose eine Lehre machen können. Für Erick und die jährlich rund 400 Betroffenen nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer: Ihr Aufenthalt bleibt ungeregelt, ihre Zukunft ungewiss. Die "Rundschau" über das Ringen des Rechtsstaats mit den Rechtlosen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=28b718e2-8d89-4e60-8822-1eb3a2bea4a1

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Dossier Einwanderung und Integration
http://www.sf.tv/sfwissen/dossier.php?docid=17303&navpath=pol/inl

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L'Express/L'Impartial 22.12.10

Sans-papiers, elle témoigne

 Il y aurait entre 70 000 et 180 000 sans-papiers en Suisse. Ayant exceptionnellement pu obtenir une autorisation de séjour pour "cas de rigueur", une Colombienne qui a vécu 14 ans dans l'illégalité témoigne. S'étant élevée toute seule et sans formation, cette femme s'est juré que sa fille aurait la vie plus facile. Mais elle a payé le prix fort puisque sa fille, restée chez sa mère en Colombie, n'a pu venir que trois fois en Suisse pendant toutes ces années. >>> PAGE 14

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TÉMOIGNAGE

 "Sans papiers, on vit comme en prison"

 CORINNE BUCHSER SWISSINFO.CH

 Il y aurait entre 70 000 et 180 000 sans-papiers en Suisse. Annalilia Sanchez*, Colombienne qui a vécu quatorze ans dans l'illégalité, a pu exceptionnellement obtenir une autorisation de séjour pour "cas de rigueur".

 "Le permis de séjour est mon plus beau cadeau, je n'arrive pas encore à y croire", lance Annalilia Sanchez*, 41 ans, avec les yeux qui brillent. La peur d'être découverte et expulsée qui l'a accompagnée pendant toutes ces années, et avec laquelle elle a dû apprendre à vivre, lui colle toujours à la peau. "Le fait de croiser un policier ou que quelqu'un presse la sonnette me fait encore à chaque fois un choc."

 "Sans papiers, on vit comme en prison", ajoute cette femme gracieuse, avec de petites boucles d'oreille en or et ses boucles noires attachées en queue-de-cheval. Elle est vêtue d'un jeans et d'un sweat-shirt gris. Et raconte qu'on ne peut ni louer un appartement, ni utiliser de téléphone portable et qu'il faut aller chez le médecin incognito. Une de ses amies s'est cassé la jambe mais n'a jamais osé aller à l'hôpital. Annalilia Sanchez, elle, a pu s'affilier à une caisse-maladie grâce à l'association de défense des sans-papiers, précise-t-elle en très bon allemand.

 Elle n'y connaît pas grand-chose à la politique mais elle sait bien qu'il est difficile de légaliser tous les migrants. Mais, à son avis, il faudrait examiner chaque cas particulier. "Nous ne sommes pas que sans papiers, nous sommes des êtres humains avec un cœur et une famille." Elle ne comprend pas non plus pourquoi les étrangers n'ont pas le droit de travailler comme personnel de maison ou comme jardinier, puisqu'il n'y a de toute façon pas beaucoup de Suisses qui veulent le faire. Car c'est pour travailler qu'Annalilia Sanchez est venue en Suisse, il y a quatorze ans. Quand sa cousine, qui avait une place de femme de ménage, est tombée enceinte, elle a sauté sur l'occasion. Elle s'est ainsi retrouvée dans une mansarde sans cuisine ni douche, sans famille et sans pouvoir parler sa langue.

 Pour parler avec ceux restés au pays, elle ne pouvait, à ses débuts, s'acheter qu'une taxcard à 10 francs. De quoi échanger trois ou quatre mots avec sa mère et sa fille, avant le bip. "Au début, j'ai beaucoup pleuré, mais cela m'a aussi rendue plus forte."

 Annalilia Sanchez vient d'un milieu pauvre. Sa mère travaillait comme lessiveuse - pas avec une machine mais avec une pierre et du savon - lorsqu'elle est tombée malade. Elle a donc dû abandonner l'école pour aller travailler. Son père s'est tué à 49 ans dans un accident. La mère et ses six enfants se sont retrouvés sans argent ni perspectives. S'étant élevée toute seule et sans formation, Annalilia Sanchez s'est juré que sa fille aurait la vie plus facile. Mais elle a payé le prix fort puisque sa fille, restée chez sa mère en Colombie, n'a pu venir que trois fois en Suisse pendant toutes ces années. "Je pensais sans cesse à elle et cela m'a donné de la force."

 Grâce à son travail comme femme de ménage dans la famille d'un médecin, elle a pu aider financièrement sa mère et payer l'éducation de sa fille. "Si j'étais restée, je n'aurais pas pu les aider." /CBU

 *Nom connu de la rédaction de swissinfo.ch

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 "La Suisse n'est pas faite pour tout le monde"

 Annalilia Sanchez le sait bien: "La Suisse n'est pas faite pour tout le monde." Elle connaît beaucoup d'étrangers qui n'arrivent pas à s'adapter à la mentalité et au climat, qui ont fait des dépressions. "Comparée à la Colombie, la Suisse est plutôt triste." Les gens ne rient pas beaucoup ici, il n'y a pas beaucoup de soleil et les rues sont souvent désertes.

 "Beaucoup de gens ont beaucoup d'argent, mais peu de désir de faire quelque chose de leur vie", constate Annalilia Sanchez. "Et pourtant, pourquoi ne pourrais-je pas rire dans ma vie? Je suis en bonne santé, j'ai un travail, un lit chaud et une bonne soupe. Tout le monde n'a pas cette chance."

 Quand on lui demande si elle a été discriminée ou exploitée en tant que sans-papiers, elle répond que non. Mais, après avoir gardé le silence si longtemps, elle peut parler de ces gens qui ont travaillé au noir pour un employeur qui ne les payait pas toujours. Cela a été le cas d'une amie couturière, qui a travaillé jour et nuit pour confectionner des vêtements d'une valeur de 6000 francs pour une cliente.

 La fille d'Annalilia Sanchez a maintenant grandi et elle est aujourd'hui en mesure de gagner sa vie comme hôtesse de l'air.

 Mais notre interlocutrice voit son avenir en Suisse plutôt qu'en Colombie. Maintenant qu'elle a son autorisation de séjour, elle espère pouvoir trouver un emploi dans un hôpital ou dans une usine. Son rêve? Avoir sa propre maison à l'extérieur de Berne, sa "deuxième patrie". /cbu

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Bund 21.12.10

Junge Sans-Papiers sollen Lehre in der Schweiz machen können

 Die eidgenössische Migrationskommission schlägt vor, auch die papierlosen Eltern hierzubehalten.

 Verena Vonarburg

 Kinder von Sans-Papiers dürfen neun Jahre lang die Schule in der Schweiz besuchen. Die Schulpflicht respektive das Schulrecht gilt für alle. Ins Gymnasium können sie in der Regel auch, die höheren Schulen zeigen sich recht grosszügig. Eine Berufslehre oder ein Praktikum zu machen, ist Jugendlichen ohne Aufenthaltsbewilligung hingegen von Gesetzes wegen nicht erlaubt.

 Ist das ungerecht? Wie soll der Staat überhaupt mit Personen umgehen, die hier leben, hier möglicherweise sogar geboren sind, aber nicht hier sein dürften? Die Frage der Sans-Papiers - besonders der jungen - ist in der Schweiz, aber auch international ein Dauerthema. In den USA haben die Republikaner im Senat unlängst den Dream-Act verhindert, ein Gesetz, das jungen illegal Eingewanderten unter bestimmten Voraussetzungen die amerikanische Staatsbürgerschaft ermöglichen wollte.

 Bundesrat verweist auf Kantone

 In der Schweiz wird nicht über ein Bürgerrecht debattiert, sondern über die Möglichkeit, dass junge Sans-Papiers eine Berufslehre hierzulande machen dürfen. Die eidgenössische Kommission für Migration, ein vom Bundesrat eingesetztes Gremium, empfiehlt, Jungen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, damit sie eine Lehre absolvieren können. Konkret: Wer hier geboren ist oder mindestens fünf Jahre obligatorische Schulzeit hinter sich hat, soll für die Lehre oder eine andere Ausbildung bleiben dürfen. Die Eltern dieser Jugendlichen sollten ebenfalls ein befristetes Aufenthaltsrecht bekommen. Diese Empfehlungen hat die Kommission gestern öffentlich abgegeben.

 Der Bundesrat dagegen will keine Ausnahme für die Berufslehre von Sans-Papiers schaffen. Er verweist in dieser Frage jeweils auf die Kantone: Diese könnten in Härtefällen beim Bund ein Bleiberecht für illegale Aufenthalter beantragen. Bei gut integrierten Jugendlichen, die hier die Schule besucht hätten, werde praktisch immer die Härtefallklausel angewendet, sagte Eveline Widmer-Schlumpf im Herbst vor dem Ständerat.

 Das eidgenössische Parlament tut sich schwer mit der Berufslehre für Sans-Papiers. Zwar haben National- wie Ständerat einen Vorstoss überwiesen, der vom Bundesrat verlangt, Sans-Papiers zur Berufslehre zuzulassen. Doch das ist möglicherweise nicht das letzte Wort, hat die staatspolitische Kommission des Nationalrats doch Ende Oktober alle weiteren Vorstösse abgelehnt, die in dieselbe Richtung zielten. Erlaube man die Lehre, so führe das zu einer generellen Legalisierung der Papierlosen, findet die Mehrheit der staatspolitischen Kommissionsmehrheit.

 Die eidgenössische Migrationskommission ihrerseits verlangt neben einer grosszügigeren Berufslehren-Regelung auch, es müssten mehr Papierlose als Härtefälle in den Genuss einer Amnestie kommen. Die Kantone hätten einen grossen Spielraum, die Unterschiede seien in der Praxis beträchtlich, je nachdem, in welchem Kanton der Papierlose wohne. Am meisten Härtefallgesuche senden Genf und die Waadt nach Bern. Die Deutschschweizer sind restriktiver. Die Kommission wünscht sich, dass neu Härtefallgesuche direkt beim Bund eingereicht werden können, damit sie nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden.

 Keine kollektive Aufnahme

 Eine kollektive Amnestie für Papierlose hingegen sei nicht realistisch, bilanzierte Migrationskommissions-Präsident Francis Matthey gestern.

 Wie viele Sans-Papiers in der Schweiz leben, ist umstritten. Die Zahl von 90 000 dürfte realistisch sein, glaubt Denise Efionayi, die im Auftrag der Migrationskommission gestern eine Studie über die Papierlosen in der Schweiz vorstellte. Die illegal Eingewanderten seien tendenziell eher jung. In den letzten Jahren seien immer mehr Frauen zugewandert. Arbeit fänden die Sans-Papiers vor allem in der Gastronomie, in Privathaushalten, im Sexgewerbe, in der Landwirtschaft und auf dem Bau. Da sie illegal in der Schweiz weilten und schwarzarbeiteten, lebten sie aber oft in prekären Verhältnissen, mehrheitlich in Städten, heisst es in der Studie. Die meisten derzeit in der Schweiz Lebenden kämen aus Lateinamerika.

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NZZ 21.12.10

Rechte ohne Aufenthaltsrecht

 Migrationskommission fordert pragmatische Verbesserungen für Sans-Papiers

 Ausländer ohne Aufenthaltsrecht haben gleichwohl Grundrechte, speziell etwa in der Bildung. Die Kommission für Migrationsfragen rät zu konkreten Verbesserungen und vermehrten Legalisierungen.

 C. W. · Ausländer, die sich illegal in der Schweiz aufhalten, wurden lange etwa als "clandestins" bezeichnet oder unter die Schwarzarbeit subsumiert, die auch die Missachtung von Abgabepflichten und anderen Vorschriften durch Inländer umfasst. Unter dem aus Frankreich stammenden, bagatellisierenden Namen "Sans-Papiers" gingen einige von ihnen 2001 in die Offensive, besetzten Kirchengebäude und forderten, unterstützt von Solidaritätsgruppen, eine Regularisierung ihres Status. Seither ist das Problem öfter ein politisches Thema, ohne dass sich aber eine Lösung ergeben hätte. Die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen (EKM) hat nun untersuchen lassen, wie sich die Lage seither entwickelt hat.

 Zunehmend für Hausarbeiten

 Die Autorinnen vom Forum für Migrationsstudien hatten für ihren Bericht kaum statistische Informationen; sie stützen sich auf andere Studien und auf Gespräche mit Fachleuten, die in Kontakt mit Sans-Papiers stehen. Ihre Aussagen formulieren sie vorsichtig, von einer weiteren Schätzung der Gesamtzahl sehen sie ab. Die Sans-Papiers sind eine heterogene Gruppe. Teils haben sie ihr Aufenthaltsrecht verloren, teils waren sie von Anfang an illegal im Land; einige leben hier nur kurz, andere über Jahrzehnte. Viele stammen aus Lateinamerika, ferner aus dem Balkan oder aus Ostasien. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit gibt es kaum mehr Sans-Papiers aus der EU.

 Dazugekommen sind hingegen die abgewiesenen Asylsuchenden, die nicht mehr in den Strukturen der Sozialhilfe toleriert werden. Ihre Lage ist erheblich schwieriger als die der erwerbstätigen Sans-Papiers. Vermehrt scheint einem Asylgesuch der direkte Weg in die Klandestinität vorgezogen zu werden. Beschäftigung findet sich vor allem im Gastgewerbe und in der Bauwirtschaft - mit sinkender Tendenz - sowie zunehmend in Privathaushalten (auch für Kinderbetreuung und Pflege), unter anderem wegen der Frauenerwerbstätigkeit und der demografischen Alterung. Auch im Sexgewerbe sind mehr als früher Ausländerinnen ohne Status tätig.

 Die prekäre Stellung der illegalen Aufenthalter, die den Kontakt mit Behörden vermeiden müssen, kann für niedrige Löhne und fristlose Entlassungen ausgenützt werden; andere Arbeitgeber verhalten sich arbeitsrechtlich korrekt oder zahlen sogar Sozialabgaben und Quellensteuer. In diesem Fall spricht man von Grauarbeit. Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, das seit 2008 den Informationsaustausch unter den Behörden erleichtert, führte zusammen mit einer offiziellen Kampagne paradoxerweise dazu, dass statt Grau- mehr Schwarzarbeit geleistet wird. Aber auch die Schwarzarbeit nahm, eher nur vorübergehend, ab. Spürbar war ferner die Wirtschaftskrise.

 Verbesserungen werden im Bereich von Bildung und Gesundheit registriert. Der Zugang zur obligatorischen Schule - nicht aber zu einer Lehre - sei im Allgemeinen gewährleistet, dank Ambulatorien und privaten Anlaufstellen besteht eine gewisse medizinische Versorgung. Meistens fehlt es aber an der - obligatorischen - Krankenversicherung. Eine restriktivere Haltung konstatieren die Autorinnen bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen in Härtefällen. Die Praxis sei intransparent und kantonal sehr unterschiedlich, so dass die Betroffenen oft das Risiko scheuten.

 Für gezielte Regularisierung

 Forderungen nach einer kollektiven Regularisierung sind politisch aussichtslos. Die EKM sieht aber in blosser Repression keine Lösung für ein Problem, das durch die Nachfrage nach Arbeitskräften bedingt sei. Perspektiven zeigten sich in pragmatischen Schritten. Ähnlich wie das Parlament in einer Motion tritt die EKM dafür ein, dass Jugendliche, die in der Schweiz fünf Schuljahre absolviert haben, für eine Berufs- oder Mittelschulausbildung ein Aufenthaltsrecht "beantragen" können. Den Eltern soll für diese Zeit ebenfalls ein Bleiben erlaubt werden. Personen mit Berufserfahrung sollten einen Abschluss nachholen können. Generell seien Härtefallgesuche, die allenfalls zuerst vom Bund beurteilt werden sollten, grosszügiger und mit besonderer Beachtung der Kinderrechte zu behandeln.

 Zur Frage, wie mit "neuen" Sans-Papiers umzugehen sei, äussert sich die Kommission nicht. Auch bleibt offen, wie weit die Nachfrage nur wegen "Einsparungen" bei Löhnen und Abgaben besteht oder auch etwa durch Personen aus Ostmitteleuropa gedeckt werden könnte, für die im kommenden Juni die Kontingentierung aufgehoben wird.

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20 Minuten 21.12.10

Mehr Sans-Papiers im Sexgewerbe

 BERN. Die Zahl der Papierlosen in der Schweiz hat seit 2000 insbesondere im Haushalts- und Pflegesektor sowie im Sexgewerbe zugenommen. Zu diesem Schluss kommen drei Expertinnen, die für die Eidg. Kommission für Migrationsfragen die Lage der Sans-Papiers untersuchten. Sie fordern, dass jugendliche Sans-Papiers eine Ausbildung machen dürfen. In der Schweiz leben zwischen 70 000 und 180 000 Menschen ohne Aufenthaltspapiere.

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Le Temps 21.12.10

"Les sans-papiers doivent être égaux devant les chances d'être régularisés"

 La Commission fédérale pour les questions de migration vient de publier une nouvelle étude sur les sans-papiers, qu'elle assortit de propositions

Propos recueillis parValérie de Graffenried

 "Visage des sans-papiers en Suisse. Evolution 2000-2010". C'est sous ce titre que la Commission fédérale pour les questions de migration (CFM) vient de publier une étude sur la situation des personnes sans autorisation de séjour en Suisse. La commission l'assortit de propositions. Dont celle d'accorder un statut de séjour indépendant aux jeunes sans-papiers qui souhaitent effectuer un apprentissage, proposition immédiatement critiquée par l'UDC. Autre revendication: modifier la procédure sur les cas de rigueur (LT du 17.12.10), jugée arbitraire. Denise Efionayi-Mäder, à qui l'étude a été commandée, précise ces enjeux.

 Le Temps: En dix ans, quelle est la principale évolution qui a caractérisé le monde des sans-papiers?

 Denise Efionayi: Grâce à une certaine prise de conscience, ils sont plus présents dans l'opinion publique. Et des améliorations ont notamment été constatées concernant l'accès au système de santé ou la scolarisation des enfants, dont le nombre semble être en augmentation. L'accès à l'école obligatoire est dans l'ensemble garanti partout; seules quelques communes se montrent réticentes par rapport aux jeunes frappés d'une décision de non-entrée en matière et menacés d'expulsion.

 - Vous renoncez à entrer dans le débat sur les chiffres, les estimations du nombre de sans-papiers en Suisse allant de 70   000   à 300   000. Pourquoi tant de prudence? Le phénomène reste-t-il non quantifiable?

 - Soyons honnêtes: il n'existe aucune statistique fiable. Pour ma part, j'estime que le chiffre oscille plutôt autour des 100   000 à 150   000.

 - La CFM prône un statut de séjour indépendant pour ceux qui souhaitent effectuer un apprentissage. Le parlement a accepté des motions en ce sens. Mais n'est-ce pas hypocrite de leur ouvrir la voie à l'apprentissage alors qu'ils ne pourront ensuite pas travailler légalement?

 - Non. S'ils peuvent fréquenter l'école et l'université sans être inquiétés, les clandestins qui veulent effectuer un apprentissage ne peuvent aujourd'hui pas le faire. Il faut y remédier, pour les encourager à se former au lieu de les laisser traîner dans la rue. Surtout, cela devrait faciliter leur régularisation. Je conviens qu'il s'agit d'une politique des petits pas. Mais dans le climat politique actuel, c'est peut-être une des seules solutions envisageables.

 - La CFM est très critique concernant le système des "cas de rigueur". Quelles solutions prônez-vous? La Suisse devrait-elle réévaluer l'idée d'une amnistie générale?

 - Le système des régularisations individuelles fonctionne mal: les disparités cantonales sont immenses. Un sans-papiers a par exemple nettement plus de chances d'être régularisé à Lausanne ou à Genève qu'à Zurich ou à Lucerne. Certains cantons ne transmettent carrément jamais de dossier à Berne pour demander des permis de séjour. Il est vraiment urgent d'établir une égalité des chances dans ce domaine. La solution de la commission, qui revendique d'inverser l'ordre de la procédure, est intéressante. Les demandes ne devraient plus être déposées auprès des cantons mais directement auprès de la Confédération, qui demanderait ensuite aux cantons d'agir. Une amnistie générale pour tous les sans-papiers n'est pas une solution. Mais je ne serai pas contre l'instauration d'une durée de séjour minimale à partir de laquelle un clandestin pourrait être régularisé.

 - Faudrait-il aussi régulariser automatiquement les enfants de sans-papiers nés en Suisse?

 - Ce serait une idée. Ils ne sont pas responsables du choix de leurs parents. Mais que ferait-on des parents? Une idée serait de leur accorder un permis provisoire.

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Tagesschau sf.tv 20.12.10

Jugendliche Sans Papiers sollen Aufenthaltsbewilligung bekommen

Jugendliche Sans Papiers sollen eine Berufslehre absolvieren und eine Aufenthaltsbewilligung bekommen. Dies fordert die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen in einer Studie.
http://videoportal.sf.tv/video?id=b3e6bc07-4552-4555-891b-40ccf5eeb2af

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admin.ch 20.12.10

Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für jugendliche Sans-Papiers

Bern, 20.12.2010 - Die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen EKM macht neue Vorschläge zum Thema Sans-Papiers. Die wohl wichtigsten betreffen die Situation der Jugendlichen, die eine Berufslehre machen möchten. Ihnen könnte ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erteilt werden. Zudem müsste das Härtefallverfahren so geändert werden, dass es allen, die sich regularisieren lassen möchten, Chancengleichheit gewährt, unabhängig vom Kanton, in dem sie leben und arbeiten.

Die EKM und ihre Vorgängerkommission, die Ausländerkommission, haben sich immer wieder mit Fragen der Sans-Papiers beschäftigt. Zu Beginn des Jahres 2010 hat die EKM dem Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien SFM der Universität Neuchâtel den Auftrag erteilt, die aktuelle Situation der Sans-Papiers in der Schweiz zu untersuchen. Als die Forscherinnen unter der Leitung von Denise Efionayi die Entwicklungen von 2000 bis 2010 genauer untersuchten, stellten sie fest, dass die Sans-Papiers heute in der Öffentlichkeit mehr präsent sind. Zudem kann man davon ausgehen, dass sich immer mehr Personen immer länger ohne Erlaubnis hier aufhalten und arbeiten. Die Zahl heranwachsender Kinder nimmt zu. Ebenso scheint es mehr Jobs (vor allem in der Hausarbeit und im Pflegesektor) für papierlose Frauen zu geben. Verbesserungen für die Sans-Papiers ergaben sich in den letzten zehn Jahren namentlich in der Gesundheitsversorgung, aber auch im Umgang der Behörden mit Kindern. Als problematisch erweist sich immer wieder die Lage der Familien, die Nothilfe beziehen.

Die Studie "Leben als Sans-Papiers in der Schweiz. Entwicklungen 2000 bis 2010" dient der EKM als Basis für eine Reihe von Empfehlungen. Sie hält zunächst fest, dass irreguläre Migrationssituationen zu einer globalisierten Welt gehören und dass sie bestehen bleiben, solange die Nachfrage nach solchen Arbeitskräften vorhanden ist. Insofern gehören die "Sans-Papiers" zur schweizerischen Realität, und die Gesellschaft muss sich damit beschäftigen. Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Kommission den jugendlichen Sans-Papiers, die in der Schweiz geboren sind oder einen grossen Teil der Schulzeit hier verbracht haben. Während Kinder aus Familien ohne Aufenthaltsrecht in aller Regel die Schule besuchen können, stehen Jugendliche, die eine Lehre beginnen wollen, vor dem Nichts. Damit auch diese Jugendlichen, die ja nicht schuld an ihrer Papierlosigkeit sind, wieder Perspektiven erhalten, sollen sie die Möglichkeit erhalten, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu beantragen, das ihnen eine Berufslehre oder eine andere Ausbildung ermöglicht. Die EKM fordert die Behörden auf, nach Lösungen zu suchen, damit auch die Eltern dieser Jugendlichen zumindest während der Zeit der Lehre eine wenn auch befristete Bewilligung erhalten. Nach dem Lehrabschluss sind diese jungen, meist sehr gut integrierten Berufsleute bestens gerüstet für den Schweizer Arbeitsmarkt.

Auch beim Härtefallverfahren braucht es nach Ansicht der EKM dringend eine neue Lösung. Wer ein Härtefallgesuch deponiere, müsse überall die gleichen Chancen bei der Beurteilung durch die Behörden haben. Ein möglicher Weg könnte die Umkehrung des Verfahrens sein: Demnach müssten die Gesuche nicht, wie bisher, bei den Kantonen eingereicht werden, sondern beim Bund, der dann die Meinung der Kantone einholen würde.

Adresse für Rückfragen:
Elsbeth Steiner, Informationsverantwortliche EKM
031 324 52 61, 079 292 34 79, elsbeth.steiner@bfm.admin.ch

Herausgeber:
Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen
Internet: http://www.ekm.admin.ch

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Studie "Leben als Sans-Papiers in der Schweiz"
http://www.ekm.admin.ch/de/dokumentation/doku/mat_sanspap_d.pdf

EKM-Empfehlungen: Sans-Papiers in der Schweiz
http://www.ekm.admin.ch/de/dokumentation/doku/empf_sapa_d.pdf

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swissinfo.ch 19.12.10

"Ohne Papiere lebt man wie in einem Gefängnis"

swissinfo

 In der Schweiz gibt es laut Schätzungen zwischen 70'000 und 180'000 Sans-Papiers. Eine davon ist Annalilia Sanchez. Im Rahmen eines Härtefallgesuchs hat die Kolumbianerin als eine der ganz wenigen Papierlosen nach 14 Jahren eine Aufenthaltsbewilligung erhalten.

 "Die Aufenthaltsbewilligung ist das beste Geschenk, ich kann es immer noch nicht glauben", sagt die 41-jährige Annalilia Sanchez* und ihre Augen strahlen.   Die Angst entdeckt und ausgeschafft zu werden, die sie all die Jahre begleitete und mit der sie zu leben gelernt hatte, stecke noch immer in ihren Knochen. "Begegne ich Polizisten oder klingelt es unerwartet an der Haustür, durchfährt mich noch immer ein Schock."   "Ohne Papiere lebt man wie in einem Gefängnis", sagt die zierliche Frau mit den kleinen goldenen Ohrringen und den dunklen zusammengebundenen Locken in Jeans und grauer Trainerjacke. Man könne weder eine Wohnung mieten, noch ein Handy lösen, geschweige denn zum Arzt gehen.   Sie erzählt von einer Kollegin, die einen Beinbruch erlitt und sich nicht traute, ins Spital zu gehen. Dank der Unterstützung der Beratungsstelle für Sans-Papiers sei sie seit ein paar Jahren bei einer Krankenkasse versichert, sagt Annalilia Sanchez sagt in sehr gutem Deutsch, das sie in den Jahren in der Schweiz "erarbeitet" hat.

 "10 Franken für vier Worte"  

 Sie habe nicht viel Ahnung von Politik, und ihr sei klar, dass es schwierig sei, alle Einwanderer zu "legalisieren". Doch ihrer Ansicht nach müsste man jeden Fall einzeln untersuchen. "Wir sind nicht Sans-Papiers, wir sind Menschen mit einem Herz und einer Familie." Sanchez versteht auch nicht, weshalb Ausländer nicht im Haushalt oder im Garten aushelfen dürfen, für diese Arbeiten würden sich ja sowieso kaum Schweizer finden.   Der Arbeit wegen kam Annalilia Sanchez vor 14 Jahren denn auch in die Schweiz. Als ihre Cousine, die in der Schweiz eine Putzstelle hatte, ein Kind erwartete, sprang sie für diese ein. So habe sie sich allein in einer kleinen Mansarde ohne Küche und Dusche wiedergefunden, ohne Familie und ohne die Sprache des Landes zu sprechen.   Für ein Gespräch in die Heimat konnte sie sich in der ersten Zeit höchstens eine Taxcard im Wert von 10 Franken leisten, wobei nach drei, vier Worten mit Mutter und Tochter bereits das Piepen des Telefons ertönte. "Ich habe anfangs viel geweint, doch das auf mich selbst gestellt sein hat mich auch stark gemacht", so Annalilia Sanchez.

 Hohen Preis bezahlt  

 Annalilia Sanchez kommt aus armen Verhältnissen. Als die Mutter, die als Wäscherin arbeitete - nicht mit der Waschmaschine, sondern mit Stein und Seife - erkrankte, musste Annalilia Sanchez die Schule abbrechen und arbeiten. Ihr Vater verunfallte mit 49 Jahren tödlich. Die Mutter und ihre sechs Kinder waren ohne Geld und Perspektiven.   Annalilia Sanchez, alleinerziehend und ohne Ausbildung, wollte, dass es ihrer Tochter einmal besser geht als ihr. Der Preis, den sie dafür bezahlte, war hoch, konnte die Tochter, die bei ihrer Mutter in Kolumbien blieb, sie in alle den Jahren doch nur drei Mal in der Schweiz besuchen. "Ich dachte all die Zeit immer an sie. Das gab mir Kraft", sagt Annalilia Sanchez.   Dank ihrer Arbeit als Putzfrau bei einer Arztfamilie konnte sie ihre Mutter finanziell unterstützen und die Schule für ihre Tochter bezahlen. "Wenn ich in Kolumbien geblieben wäre, hätte ich meiner Familie nicht helfen können."

 Schweiz ist ein eher trauriges Land"  

 Doch für Annalilia Sanchez ist klar: "Die Schweiz ist nicht für alle gemacht." Sie kenne viele Ausländer, die mit dem Mentalitäts- und Klimawechsel nicht zurechtkämen, die Depressionen hätten. "Die Schweiz ist im Gegensatz etwa zu Kolumbien eher ein trauriges Land". Die Leute hier würden nicht viel lachen, die Sonne scheine wenig und die Strassen seien häufig menschenleer.   "Viele Leute in der Schweiz haben viel Geld, aber wenig Motivation, etwas aus ihrem Leben zu machen", so Annalilia Sanchez. "Doch weshalb soll ich nicht mit einem Lächeln durchs Leben gehen? Ich bin gesund, habe eine Arbeit, ein warmes Bett und eine warme Suppe - das haben nicht alle."   Die Frage, ob sie selbst als Papierlose mit Diskriminierungen konfrontiert oder ausgenutzt worden sei, verneint sie. Nach langem Schweigen erzählt sie aber von Sans-Papiers, die schwarz gearbeitet hätten und dafür von ihren Auftraggebern nicht bezahlt worden seien. So sei es auch einer Kollegin von ihr ergangen, einer Schneiderin, die für eine Kundin in Tag- und Nachtarbeit Kleider und Vorhänge im Wert von rund 6000 Franken gefertigt habe.

 Traum vom eigenen Haus in   "zweiter Heimat"  

 Annalilia Sanchez' Tochter ist mittlerweile erwachsen, sie kann ihr Leben als Flight Attendant selbst verdienen.   Doch Annalilia Sanchez sieht ihre Zukunft in der Schweiz und nicht in Kolumbien. Sie hofft, dass sie mit der Aufenthaltsbewilligung vielleicht eine Stelle in einem Spital oder in einer Fabrik finden kann. Ihr Traum ist ein eigenes Haus ausserhalb von Bern, ihrer "zweiten Heimat".

 Corinne Buchser,swissinfo.ch*Name der Redaktion bekannt

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Zentralschweiz am Sonntag 19.12.10

Katholische Kirche Luzern

 Kritik an Hilfe für Sans-Papiers

Ernst Meier

 Sans-Papiers müssten die Schweiz eigentlich verlassen. Doch die katholische Kirche und die Gewerkschaft Unia geben ihnen Tipps, wie sie im Land bleiben können.

 Sie müssten ausreisen, weil sie ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz leben oder ihr Asylgesuch abgelehnt worden ist. Aus zum Teil unterschiedlichen Gründen bleiben sie aber trotzdem: die "Sans-Papiers" (siehe Kasten). Der Verein "Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern" wurde am 12. November gegründet und soll eine Anlaufstelle für sie sein. Initiiert wurde der Verein von der Katholischen Kirche Luzern, Präsidentin ist Nicola Neider von der Kirchgemeinde.

 Politik kritisiert Verein

 Noch bevor der Verein seine Arbeit richtig aufgenommen hat, wird er von der Politik scharf beobachtet und zum Teil auch heftig kritisierte. Guido Müller, Fraktionschef der SVP im Luzerner Kantonsrat: "Sans-Papiers müssen so schnell als möglich ausgeschafft werden. Je länger die Ausschaffung hinausgezögert wird, desto schwieriger wird ein Vollzug später." Zudem schaffe der Verein falsche Anreize, ist er überzeugt: "Die zuvorkommende Behandlung von Sans-Papiers durch solche Beratungsstellen macht die Schweiz für Asylsuchende noch attraktiver".

 Nicola Neider betont, dass es nicht das Ziel des Vereins sei, solche Anreize zu schaffen: "Es geht lediglich darum, Sans-Papiers von neutraler, nichtstaatlicher Stelle aus zu helfen und sie zu beraten - dies in Ergänzung zu den vorhandenen staatlichen Leistungen wie der Nothilfe." Zudem richte sich die Beratungsstelle auch an Arbeitgeber, die Sans-Papiers beschäftigen. "Hier wollen wir Unterstützung und Beratung anbieten, um eine richtige Arbeitsbewilligung für diese Beschäftigung zu erhalten und damit dem Phänomen der Schwarzarbeit entgegenzuwirken. Denn es bestehen oft Unklarheiten über die rechtlichen und versicherungstechnischen Bestimmungen bei einer Arbeitstätigkeit von Sans-Papiers", sagt Nicola Neider.

 Rechtsprofessorin Martina Caroni von der Universität Luzern, die den Verein als Gründungspatin unterstützt, betont, dass sowohl Bundesverfassung als auch Gesetze Sans-Papiers Rechte garantierten, die jedem Menschen zustünden, unabhängig vom Aufenthaltsstatus: "Die Einhaltung dieser Rechte sowie das Angebot der entsprechenden Beratung verstösst gegen keine Gesetze."

 Vorstoss im Kantonsrat

 Fast gleichzeitig mit der Gründung des Vereins "Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern" wurde im Luzerner Kantonsrat ein politischer Vorstoss eingereicht. Das Postulat, unterschrieben von der SVP-Fraktion und vier CVP-Vertretern, will erreichen, dass staatliche Gelder an Organisationen gestrichen werden, wenn diese illegal anwesenden Ausländern helfen.

 Nadia Britschgi, Kantonsrätin der SVP, hat den Vorstoss auch aus finanziellen Gründen eingereicht: "Wir hatten im letzten Jahr eine Budgetüberschreitung von 15 Millionen Franken, die auf Mehrausgaben für Heim- und Asylwesen zurückzuführen sind." Deshalb fordere man vom Regierungsrat, dass dieser sämtliche im Asyl- und Flüchtlingsbereich gesprochenen Staatsbeiträge überprüfe. "Falls Organisationen illegal anwesenden Ausländern behilflich sind und diese beraten oder gar Integrationsprogramme anbieten, müssen die staatlichen Zahlungen eingestellt werden. Aktive Untergrabungen unserer Rechtsnormen können und dürfen nicht mit staatlichen Geldern unterstützt werden."

 Unia gibt Sans-Papiers Tipps

 Im Postulat wird namentlich die Gewerkschaft Unia erwähnt und kritisiert, da diese eine Ratgeber-Broschüre für Sans-Papiers herausgibt. Darin gibt die Unia Tipps wie im folgenden Beispiel: "Am einfachsten funktioniert die Wohnungssuche, wenn eine legal hier lebende Person für dich eine Wohnung mietet. Diese Person macht sich allerdings dadurch strafbar." Bei der Unia Zentralschweiz wehrt man sich gegen den Vorwurf. "Die Broschüre wird in der ganzen Deutschschweiz verteilt. Der Inhalt verstösst gegen keine Gesetze", erklärt Giuseppe Reo, Sekretär Unia Zentralschweiz. "Zudem erhalten wir gar keine Gelder vom Kanton Luzern."

 Caritas wird kontrolliert

 Kantonale Gelder für Dienstleistungen im Asylbereich erhält hingegen die Caritas Luzern, wie Regierungsrat Guido Graf bestätigt: "Caritas Luzern hat vom Gesundheits- und Sozialdepartement einen Leistungsauftrag für die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden." Seit November ist die Caritas auch Mitglied im Verein "Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern". Eine Zweckentfremdung der Mittel, zum Beispiel für die Finanzierung des Vereins, sei nicht möglich, betont Graf: "Ich garantiere, dass wir dies genau kontrollieren." Auch Caritas-Luzern-Geschäftsleiter Thomas Thali bekräftigt: "Caritas Luzern unterstützt keine illegale Aktivitäten." Die Mitarbeit beim Verein sei mit dem Auftrag des Kantons im Asylwesen vereinbar. Kommentar Seite 43

 redaktion@zentralschweizamsonntag.ch

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 Sans-Papiers

 Bis 5000 in Luzern

 Als "Sans-Papiers" (Papierlose) werden vor allem Personen ohne Aufenthaltsbewilligung in Westeuropa bezeichnet. Die Definition bezieht sich in der Schweiz auf Migranten ohne geregelten Aufenthaltsstatus, und es sind Personen, deren Asylgesuch abgelehnt worden ist. Oft vernichten Sans-Papiers ihre Papiere absichtlich, um so die Rückschaffung ins Ursprungsland zu erschweren. Wie viele Sans-Papiers in der Schweiz wohnen, ist nicht offiziell erfasst. Laut Schätzungen handelt es sich schweizweit um 100 000 bis 300 000 Personen. Im Kanton Luzern sollen zwischen 2000 bis 5000 Sans-Papiers leben.

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 Beratungsstelle

 3 Jahre Pilotphase

 Nach dem Vorbild anderer Orte gründete ein Bündnis verschiedener Organisationen unter der Federführung der Katholischen Kirche Luzern den Verein "Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern". Die Katholische Kirchgemeinde finanziert den Start mit 20 000 Franken. Das Budget für die 3-jährige Pilotphase beträgt 180 000 Franken. Die Beratungsstelle wird mit einem 50-Prozent-Pensum besetzt. Gründungsmitglieder sind unter anderem Caritas Luzern, Asylnetz, Schweizerisches Arbeiterhilfswerk, Gewerkschaftsbund, Katholischer Frauenbund und Verband des Personals Öffentlicher Dienste (VPOD).

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 Nachgefragt

 Sabotiert der Verein Ihre Arbeit?

 Guido Graf, Sie sind als Regierungsrat für das Asylwesen im Kanton Luzern zuständig. Wie stehen Sie zum Verein "Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers"?

 Guido Graf: Ich habe von der Gründung Kenntnis genommen und möchte dazu keine Wertung abgeben. Entscheidend ist für mich, dass sich der Verein bei seinen Tätigkeiten an die gesetzlichen Bestimmungen hält, was er in seinen Statuten auch ausdrücklich festhält.

 Wie beurteilen Sie den Einfluss der Beratungsstelle auf die Sans-Papiers?

 Graf: Ich kann mir vorstellen, dass es schwieriger sein wird, Leute, die eine rechtskräftige Wegweisung erhalten haben, oder Leute, die sich illegal bei uns aufhalten, auszuschaffen. Wenn dabei Gesuche für Härtefälle eingereicht werden, ist das im Rahmen des Gesetzes. Werden Sans-Papiers Wege aufgezeigt, wieder eine Existenz in ihrem Land aufzubauen, ist das sehr positiv. Wird die Behördenarbeit aber behindert, erachte ich eine solche Beratung als problematisch.

 Sehen Sie einen Widerspruch zwischen den Bemühungen von Bund und Kanton im Asylwesen und den Aktivitäten des Vereins?

 Graf: Ich gehe davon aus, dass der Verein mit den Behörden zusammenarbeiten und Gespräche mit der Politik führen wird - wie er es in seinen Statuten schreibt - um konstruktive und legale Lösungen zu finden. Grundsätzlich handelt es sich bei den Sans-Papiers um ein ausländerrechtliches Problem, für das das Bundesamt für Migration zuständig ist.

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ASYL
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Zentralschweiz am Sonntag 12.12.10

Asylentscheide

 Einheitlicher Umgang mit Härtefällen

Jürg Auf der Maur

 Je nach Kanton können abgewiesene Asylbewerber mehr oder weniger einfach in der Schweiz bleiben. Diese Lotterie wollen Parlamentarier nun stoppen.

 Das Problem ist seit Jahren bekannt, nun soll es endlich geregelt werden. In der Schweiz können Personen, die sich in einem Asyl- oder Beschwerdeverfahren befinden oder deren Asylgesuch abgewiesen wurde, nur dann verbleiben, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. So müssten sie mindestens seit fünf Jahren in der Schweiz wohnen, die Behörden müssten den Aufenthaltsort kennen oder eine Ausweisung müsste wegen fortgeschrittener Integration problematisch sein.

 Kinder als Leidtragende

 Diese so genannte Härtefallregelung sorgt deshalb immer wieder für Probleme, weil sie jeder Kanton unterschiedlich handhabt. Während der eine Kanton relativ milde ist und auf die Härtefallgesuche wohlwollend eintritt, kennen andere kein Pardon und weisen schnell aus. Leidtragende dieser Situation sind vor allem Kinder- und Jugendliche. Das soll nun ändern, hofft der Schwyzer SP-Nationalrat Andy Tschümperlin. Er kündigt gleich mehrere Vorstösse an, die aus verschiedenen Parteien nächste Woche eingereicht werden sollen.

 Tschümperlin: "Stossend"

 Mit einer Motion verlangt Tschümperlin, dass bei Härtefallgesuchen die Integration der betroffenen Kinder auch dann zu prüfen und zu gewichten seien, wenn davon ausgegangen werde, dass die Eltern die Härtefallkriterien nicht erfüllen. Tschümperlin: "Kinderrechte dürfen nicht weiter hinter migrationspolitische Interessen zurückgestellt werden." Die Garantien der UNO-Kinderrechtskonvention gelte es konsequent anzuwenden.

 Es sei, so der Schwyzer Integrationsfachmann, besonders stossend, wenn die betroffenen Kinder und Jugendlichen seit vielen Jahren in der Schweiz leben, eine Landessprache fliessend sprechen, hier bestens integriert sind und gute berufliche Aussichten hätten, aber bei der Härtefallprüfung nur die Situation der Eltern beurteilt werde. Für Tschümperlin ist klar: "Eine Wegweisung steht in solchen Fällen im Widerspruch zu Garantien der UNO-Kinderrechtskonvention."

 Auch die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer setzt sich für dieses Anliegen ein. Sie will den Bund mittels Motion beauftragen, dass die Kantone Kinder und Jugendliche in Härtefallverfahren immer anzuhören haben, obwohl es sich hierbei eigentlich nur um ein schriftliches Verfahren handelt. Bei der Anhörung handle es sich um ein "elementares Kinderrecht".

 Beschwerden ermöglichen

 Darüber hinaus soll, so das Ziel weiterer Vorstösse, der Bundesrat ein Beschwerderecht ermöglichen, damit kantonale Härtefallentscheide angefochten werden können. Nur so sei es möglich, dass die heutige unerfreuliche Situation für die Betroffenen verbessert und die "Lotterie" zwischen den Kantonen beendet werden könne. Schliesslich soll das Bundesamt für Migration zeigen, welche Schritte unternommen wurden, um die Praxis unter den Kantonen zu harmonisieren.

 juerg.aufdermaur@zentralschweizamsonntag.ch

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 Einwanderung

 Estermann will Punktesystem

 adm

 Immigranten sollen künftig bewertet werden. Das fordert die Luzerner SVP-Politikerin Yvette Estermann. Sie will nächste Woche einen Vorstoss einreichen. "Das Ziel ist, dass nur gut qualifizierte Arbeitskräfte einwandern", sagt sie. Konkret wünscht sich Estermann ein Punktesystem.

 Solche gibt es bereits in Ländern wie Österreich oder Dänemark. In Österreich etwa wurde die Rot-Weiss-Rot-Card als Eintrittskarte in den Arbeitsmarkt lanciert. Je mehr Punkte ein Ausländer vorweisen kann, desto willkommener ist er. Punkte gibt es unter anderem für das Alter, die berufliche Qualifikation, Sprachkenntnisse oder Einkommen.

 Vorstellen kann sich Estermann auch eine Kaution. Wer hier arbeiten und mit seiner Familie leben wolle, soll ein Pfand hinterlegen, damit der Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten werden müsse, "falls etwas schiefläuft". Bei der Höhe dieses Betrages ist Estermann unschlüssig; vorstellbar seien etwa 15 000 Franken pro Person.

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Aargauer Zeitung 11.12.10

Internierung kommt nicht infrage

 Asylbewerber Der Regierungsrat hält gar nichts von der Idee, ein grosses Aargauer "Flüchtlingslager" einzurichten. Neben rechtlichen sprechen auch ganz praktische Gründe gegen die zentrale Unterbringung von Asylbewerbern: Es müsste eine Infrastruktur für über 2300 Personen errichtet werden, welche "die Grösse zahlreicher Aargauer Gemeinden um ein Vielfaches übertreffen würde", wie die Regierung in der Antwort auf ein SVP-Postulat schreibt.

 Die SVP fordert eine zentrale Anlage "möglichst ausserhalb des Siedlungsgebietes bei minimalstem Angebot". Begründet wird der Vorschlag mit dem kriminellen Verhalten mancher Asylbewerber. In praktisch allen Asylunterkünften finde sich Deliktgut aus Raubzügen und Einbrüchen, die Unterkunft in Holderbank zum Beispiel habe sich zu einem eigentlichen Mekka des Drogenhandels entwickelt. In einer zentralen Unterkunft liessen sich die Asylbewerber besser und billiger kontrollieren, findet die SVP. Ihr schwebt ein eigentliches Internierungslager vor: Ausflüge ins Siedlungsgebiet seien nicht notwendig und somit zu unterbinden.

 Das würde dem Völkerrecht widersprechen, gibt der Regierungsrat zu bedenken, insbesondere der europäischen Menschenrechtskonvention. Ein zentrales Internierungslager, wie es sich die SVP vorstellt, sei aber nicht nur widerrechtlich, sondern auch nicht sachgerecht. Zum einen hält der Regierungsrat den im Postulat zum Ausdruck kommenden Generalverdacht gegenüber Asylbewerbern nicht für angezeigt. Zum anderen weist er aber auch auf praktische Probleme hin, die sich bei der Errichtung einer zentralen Asylunterkunft stellen würden.

 Im Aargau werden derzeit über 2300 Personen in den Asylstrukturen betreut: Asylbewerber mit laufendem Verfahren, Personen mit Nichteintretensentscheid, Ausreisepflichtige und Personen mit humanitärer Aufenthaltsbewilligung. Mit Baracken und Feldbetten wäre es nicht gemacht. Es gibt gesetzliche Bestimmungen. Die Einrichtungen für das tägliche Leben, Aufenthalts- und Verpflegungsmöglichkeiten, sanitäre und medizinische Einrichtungen für weit über 2000 Menschen, da nähme ein zentrales Flüchtlingslager einigermassen gigantische Ausmasse an. Für den Regierungsrat stellt sich die Frage, ob sich ein solches Projekt überhaupt mit den raumplanerischen Grundsätzen des Kantons vereinbaren liesse und realisierbar wäre beziehungsweise ob es dazu Anpassungen von Raum- und Zonenplanung brauchte.

 Keine einzige zentrale, aber eine zentralere Unterbringung von Asylbewerbern in grösseren Unterkünften will allerdings auch die Regierung prüfen. Die Unterbringung und Betreuung in Klein- und Kleinstunterkünften gestalte sich nämlich tatsächlich "zunehmend aufwändig und schwierig". (mou)

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MIGRATIONSRECHT
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20min.ch 27.12.10

Scheinehen: Standesbeamte werden zu Detektiven

 Im Kampf gegen Scheinehen gilt ab 1. Januar 2011 ein strengeres Regime: Neu darf nur noch heiraten, wer in der Schweiz ein Bleiberecht hat.

Nicole Meier, SDA

 Als die Kantonspolizei Zürich letztes Jahr einen 41-jährigen Türken kontrollierte, ahnte sie nicht, worauf sie stossen würde. Sein abgelaufenes Visum führte die Polizisten zu einem ganzen Schneeballsystem von Scheinehen: Insgesamt acht Frauen und Männer hatten Schweizer und Schweizerinnen geheiratet, um eine Aufenthaltsbewilligung zu ergattern.

 Damit soll nun Schluss sein. Ab 1. Januar 2011 darf nur noch heiraten, wer sich rechtmässig in der Schweiz aufhält. Beweisen kann er das schriftlich - je nach Fall etwa durch Vorweisen des Ausländerausweises oder des gültigen Visums. Die Vorschriften gelten auch für hängige Verfahren.

 Die entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuchs geht auf eine parlamentarische Initiative von SVP-Präsident und Nationalrat Toni Brunner zurück.

 Eine gesamtschweizerische Statistik zur Anzahl aufgedeckter Scheinehen gibt es nicht. Einen Eindruck vermitteln aber die Zahlen aus dem Kanton Zürich: Von 3500 Ehen, die 2008 unter die Lupe genommen wurden, stellten sich 500 als Scheinehen heraus.

 Eine "komplexe" Sache

 Eine zentrale Rolle im Kampf gegen solche Fälle kommt ab Januar den Zivilstandsbeamten in den Kantonen zu. Sie sind von Gesetzes wegen dazu verpflichtet zu überprüfen, ob der rechtmässige Aufenthalt nachgewiesen ist. Dazu können sie unter anderem auf ZEMIS, das Zentrale Migrationsinformationssystem, zugreifen.

 Kann ein Ehewilliger nicht beweisen, dass er sich legal in der Schweiz aufhält, muss das Standesamt die Trauung verweigern - und die Identität des oder der Betroffenen der zuständigen Ausländerbehörde melden.

 "Wir können noch nicht abschätzen, wie viel Zeit die Abklärungen in Anspruch nehmen werden", sagt Roland Peterhans, Präsident des Schweizerischen Verbands für Zivilstandswesen, der Nachrichtenagentur SDA. "Sind es fünf Minuten oder zwei Stunden am Tag?" Die Sache sei äusserst "komplex", sagt Peterhans, Leiter des Stadtzürcher Zivilstandsamts.

 Nicht immer sei die Abklärung einfach. Liegt ein gültiger Ausländerausweis oder ein gültiges Visum vor, ist die Sache eindeutig. Doch in anderen Fällen werde man recherchieren und rechnen müssen, ob jemand den richtigen Visumstyp hat oder ob das Visum zum fraglichen Zeitpunkt noch gültig ist. Zumindest in Zürich wird das Personal dafür nicht aufgestockt.

 Dschungel von Merkblättern

 Vorschriften gilt es allerdings unzählige zu beachten: Allein zu den Visumsvorschriften finden sich auf der Website des Bundesamts für Migration über 70 Dokumente - von den Vorschriften nach Staatsangehörigkeit bis zur Liste der konsultationspflichtigen Länder.

 Fachleute des Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen haben daher die Verantwortlichen der Kantone geschult, und diese wiederum geben ihr Wissen an die Zivilstandsämter weiter.

 Allerdings ist laut Roland Peterhans auch denkbar, dass sich illegal Anwesende von der drohenden Meldung an die Ausländerbehörde abschrecken lassen und gar nicht erst auftauchen. Bereits heute würden sich die meisten Ehewilligen vor der Trauung nach den Bedingungen erkundigen.

 Andere Länder, gleiche Sitten

 Die Schweiz ist mit der neuen Regelung in Europa nicht allein: Auch Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Grossbritannien haben ähnliche Gesetze.

 Laut Bundesamt für Statistik waren von den rund 42 000 Ehen, die 2009 in der Schweiz geschlossen wurden, knapp 36 Prozent binationale Ehen.

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NZZ 22.12.10

Ausländer im Recht

 Hilfsmittel und Fachliteratur

Christoph Wehrli (CW)

 C. W. · Die Aufenthaltsbedingungen von 1,7 Millionen Bewohnern der Schweiz sind durch das neue Ausländergesetz, das laufend revidierte Asylrecht und das Freizügigkeitsabkommen mit der EU in allerdings unterschiedlicher Weise verrechtlicht worden. Dementsprechend hat sich das Migrationsrecht als Disziplin etabliert, und dies wiederum zeigt sich auch in Publikationen.

 Das einschlägige Jahrbuch beruht einerseits auf Referaten, die an den von Beamten, Anwälten und Wissenschaftern rege besuchten Migrationsrechtstagen gehalten worden sind; anderseits enthält es umfangreiche Übersichten über die Rechtsprechung und die Rechtsentwicklung. Schwerpunktthema des neuen Bandes ist die Personenfreizügigkeit. Bei aller Spezialisierung geht es oft um allgemein interessierende Fragen. So legt eine Autorin dar, wie die Prostitution geregelt werden könnte (durch Insistieren auf selbständiger Erwerbstätigkeit und eine Meldepflicht für In- und Ausländerinnen). Eine andere Verwaltungspraktikerin weist auf Faktoren eines Kontrollverlustes hin: Eine geringe Erwerbstätigkeit begründet ein Aufenthaltsrecht, kann aber Sozialhilfe nötig machen; Personalvermittler schliessen für befristete Einsätze unbefristete Arbeitsverträge ab; bilaterale Niederlassungsverträge dürften einer Nichtverlängerung der EU-Aufenthaltsbewilligung entgegenstehen.

 An Juristen und Nichtjuristen wendet sich das Handbuch, das Marc Spescha zusammen mit Antonia Kerland und Peter Bolzli verfasst hat. Es informiert präzis und gut verständlich, auch anhand von Beispielen, über die rechtlichen Grundlagen, die Verfahren von der Einreise bis zu den ausserordentlichen Rechtsmitteln, über die verschiedenen Wege zu einem Aufenthaltsrecht, über Asyl und Einbürgerung. In einem Rück- und einem Ausblick, einem Kapitel über die Integration sowie zwischendurch äussern sich die Autoren zur Politik, die ihnen zu wenig humanitär ausgerichtet und auch unrealistisch erscheint.

 Sie sind im beruflichen und im übertragenen Sinn Anwälte von Migranten, halten aber bei den juristischen Erläuterungen Ist- und Soll-Zustand einigermassen auseinander. Während sie die Zulassung zur Erwerbstätigkeit aus Nicht-EU-Staaten als "Eliteimmigration" eher kurz abhandeln, erläutern sie die Möglichkeiten zum Familiennachzug auf 40 Seiten. Als praktische Hilfe sind besonders die Kapitel über Zuständigkeiten und Verfahren angelegt. Daher und dank seiner umfassenden Konzeption ist das Handbuch sicher auch Lesern nützlich, die den Standpunkt der Verfasser nicht teilen.

 Zum Asylrecht liegt schon länger ein spezielles, seinerseits über 300-seitiges Handbuch vor, das die Schweizerische Flüchtlingshilfe herausgegeben hat. Trotz einzelnen kritischen Bemerkungen ist der Text nüchtern gehalten und eng an den geltenden Normen und der Rechtsprechung orientiert. Dass der grössere Teil dem Verfahren gilt, spiegelt die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Asylgesuche, die selten anhand eigentlicher Beweise beurteilt werden können, aber auch die Komplizierung unter dem Titel der Missbrauchsbekämpfung, die zum Beispiel echte und unechte Nichteintretensentscheide oder eine Unterscheidung von Abklärungen und zusätzlichen Abklärungen hervorgebracht hat.

 Der Gewichtsverteilung in der Praxis und der Diskussion entspricht ferner, dass der Flüchtlingsbegriff weniger Platz einnimmt als die Hindernisse für den Vollzug negativer Asylentscheide. Nichtfachleute könnten sich allenfalls wünschen, noch ausführlicher und konkreter darüber informiert zu werden, wer aufgenommen wird und wer nicht.

 Alberto Achermann u. a. (Hrsg.): Jahrbuch für Migrationsrecht. 2009/2010. Stämpfli, Bern. 458 S., Fr. 98.-. Marc Spescha u. a.: Handbuch zum Migrationsrecht. Orell Füssli, Zürich 2010. 344 S., Fr. 65.-. Schweizerische Flüchtlingshilfe (Hrsg.): Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren. Haupt, Bern 2009. 330 S., Fr. 66.-.

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NOTHILFE
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NZZ 27.12.10

Regierungsrat für Sozialhilfegesetz

 SVP-Gegenvorschlag abgelehnt

 vö. · Gemäss Bundesrecht werden vorläufig aufgenommene Asylbewerber nicht mehr bloss in der Schweiz geduldet, sondern müssen beruflich und sozial integriert werden. Der Zürcher Kantonsrat hat deshalb eine Teilrevision des Sozialhilfegesetzes verabschiedet, das diesem Systemwechsel Rechnung trägt: Vorläufig Aufgenommenen, die bis jetzt wie abgewiesene Asylbewerber nur Nothilfe erhalten, soll das Recht auf Sozialhilfe gewährt werden, sofern sie wie die anderen Anspruchsgruppen das Prinzip von Leistung und Gegenleistung erfüllen.

 Gegen diesen Passus ergriff ein Komitee der SVP das konstruktive Referendum mit dem Gegenvorschlag "Keine Sozialhilfe für abgewiesene Asylbewerber". Wie der Regierungsrat mitteilt, beantragt er dem Kantonsrat, den Stimmberechtigten dessen Ablehnung zu empfehlen.

 Laut dem Zürcher Regierungsrat werden abgewiesene Asylbewerber vorläufig aufgenommen, wenn sie in ihrem Heimatland wegen Krieg, allgemeiner Gewalt oder medizinischer Notlage an Leib und Leben gefährdet sind. Wer hingegen straffällig sei oder seine Identität verschleiere, könne nicht vorläufig aufgenommen werden.

 Vor dem Hintergrund des Bundesrechts sei eine Unterstellung der vorläufig Aufgenommenen unter die Regeln der Sozialhilfe geboten. Dank den gesetzlichen Grundlagen könne diese Gruppe - wenn nötig auch mit Sanktionen - zur beruflichen und zur sozialen Integration angehalten werden, schreibt der Regierungsrat weiter. Dadurch lasse sich die Erwerbsquote der rund 5000 vorläufig Aufgenommenen im Kanton Zürich, die Ende 2009 47,5 Prozent betrug, langfristig an die Erwerbsquote der anderen Ausländer anpassen.

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Südostschweiz 18.12.10

Eggenberger im Baucontainer

 Ein Baucontainer in St. Gallen zeigt bis zum 22. Dezember, wie abgewiesene Asylbewerber in der Ostschweiz zum Teil leben müssen.

 St. Gallen. - In der Weihnachtszeit haben es Herr und Frau Schweizer gerne behaglich und warm. Mit der Container-Aktion beim Broderbrunnen wollen das Solidaritätsnetz Ostschweiz und Amnesty International aber vor Augen führen, dass auch das krasse Gegenteil zum Beispiel im Kanton St. Gallen Realität ist.

 "Wir wollen zeigen, wie verschissen es die abgewiesenen Asylbewerber zum Teil haben", sagte TV-Journalist Walter Eggenberger, als er am Freitag Medienvertreter im (noch) kalten Container begrüsste. Bis zum nächsten Mittwoch steht hier ein Treffpunkt für Begegnungen und Gespräche offen.

 Petition gegen Nothilfe

 Die Aktion "Solidarische Weihnachten" will mit dem Container zum Nachdenken und Umdenken anregen, zum Beispiel über die 8 Franken Nothilfe im Tag, mit denen die Flüchtlinge zurechtkommen müssen - "eine Katastrophe", wie Eggenberger sagte. Das sei ein Drittel des Existenzminimums. Diese Nothilfe funktioniere nicht.

 Mit einer Petition sammeln das Solidaritätsnetz und "Amnesty" Unterschriften für die Abschaffung der Nothilfe. Diese dränge Kinder und Erwachsene in Armut, isoliere die Menschen und mache sie krank. "Die Nothilfe ist der Schweiz unwürdig", mahnen die Petitionäre.

 Beschämendes Beispiel Mels

 Als Beispiele für einen besonders harten Umgang mit abgewiesenen Asylbewerbern gelten die Gemeinden Mels und Landquart. Dort würden Menschen gezielt schikaniert, berichteten Maya Leu und Anita Rohner, die Betroffene in ihren Wohncontainern besuchen und sie in ihrem schwierigen Alltag unterstützen.

 Zum Teil dürften die Asylbewerber nicht einmal kochen. Heizungen würden nur alle zwei Stunden für kurze Zeit eingeschaltet und Steckdosen abgeschaltet, erzählten Leu und Rohner. (sda)

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St. Galler Tagblatt 18.12.10

Trotz Kälte im Baucontainer leben
 Mit einem Baucontainer machen Helfer der Aktion "Solidarische Weihnachten" in St. Gallen auf die Lebensumstände abgewiesener Asylbewerber aufmerksam.

 Nina Rudnicki

 St. Gallen. Es ist eiskalt an diesem Freitagmorgen, eine dicke Schneedecke liegt auf den Strassen. Doch das hält die Helfer der Aktion "Solidarische Weihnachten" nicht davon ab, beim St. Galler Broderbrunnen einen Container - wie er für die Unterbringung abgewiesener Asylbewerber eingesetzt wird - einzurichten.

 "Mit der Aktion wollen wir darauf aufmerksam machen, dass die Nothilfelösung für abgewiesene Asylbewerber eine Katastrophe ist", sagt der Radio- und TV-Journalist Walter Eggenberger und zeigt die spärliche Innenausstattung des Containers. Viel mehr als zwei Stockbetten, einige Wolldecken und ein Tisch hat hier drin nicht Platz.

 Harte Bedingungen in Mels

 Besonders hart hätten es die abgewiesenen Asylbewerber in Mels, berichtet Anita Rohner von Amnesty International. Kochgelegenheiten seien dort verboten, geheizt werde nur alle zwei Stunden während fünf Minuten und es gebe kein Anrecht auf Privatsphäre. Die abgewiesenen Asylbewerber dürfen nicht arbeiten und leben isoliert - dies mache sie depressiv und krank.

 Meist könnten sich die Betroffenen nicht einmal untereinander verständigen, da sie verschiedenen Nationalitäten angehörten. Dies führe zu Misstrauen und Streit. Zudem treibe die Nothilfe von nur acht Franken pro Tag in eine Bettelexistenz.

 Petition gegen die Nothilfe

 "Wir haben keine Demonstration geplant, sondern wollen durch unsere Aktion mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen", sagt Eggenberger. Seit dem Jahr 2004 werden Asylsuchende, auf deren Gesuch nicht eingetreten wird, von der Sozialhilfe ausgeschlossen und können nur noch das in der Bundesverfassung festgeschriebene Recht auf Hilfe in Notlagen geltend machen.

 Mitglieder des Solidaritätsnetzes Ostschweiz und von Amnesty International sammeln Petitionsunterschriften für die Abschaffung der Nothilfelösung und weisen mit Gesprächen und Diskussionen auf die Situation der betroffenen Menschen hin. Der Container bleibt noch bis zum 22. Dezember aufgebaut.

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Blick am Abend 17.12.10

Ein Schlaf-Container als Mahnmal

 daniel.steiner@ringier.ch

 SCHLAFPLATZ

 Freiwillig geht da niemand rein. Flüchtlingshelfer protestieren gegen die Nothilfe.

 Beim Broderbrunnen in St. Gallen steht seit heute ein Container. Darin stehen sechs Betten. "Wer will, kann für einige Stunden, einen Tag oder eine Nacht hier einziehen", sagt Marina Widmer vom Solidaritätsnetz Ostschweiz.

 Mit der Aktion protestieren die Verantwortlichen gegen "das unwürdige Leben in der Nothilfe". In der Gemeinde Mels würden abgewiesene Asylbewerber und solche mit einem Nichteintretensentscheid in einem Container leben. "Die Lebensbedingungen dieser Menschen sind menschenunwürdig und verstossen gegen die Bundesverfassung", sagt Marina Widmer. Mit der minimalen Sozialhilfe sollen abgewiesene Asylsuchende, die keine Papiere haben und sich illegal in der Schweiz aufhalten, seit Anfang 2008 rasch zur Rückreise in ihr Herkunftsland gezwungen werden. Beim Solidaritätsnetz Ostschweiz zweifelt man an der Wirksamkeit dieser Nothilfe-Strategie. "Wir fordern neue Lösungen und die Abschaffung der Nothilfe", sagt Widmer. Bis am Mittwoch sammelt das Solidaritätsnetz beim Broderbrunnen Unterschriften dafür.

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AUSSCHAFFUNGEN
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La Liberté 27.12.10

Renvoi des Nigérians: Berne cassera sa tirelire

Migrations ● Chiasso attire de moins en moins les requérants d'asile nigérians. Depuis trois semaines, ils sont toujours moins nombreux à tenter le passage en Suisse par la frontière sud. Cela n'empêche pas la Confédération de mettre le paquet: les personnes renvoyées vers le Nigeria pourraient recevoir jusqu'à 7000 francs sous forme d'aide au retour. Ces prochains mois, 1600 requérants devraient théoriquement pouvoir en bénéficier. Au final, l'opération pourrait coûter plusieurs millions à la Suisse. > 3

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Migrations. Depuis trois semaines, l'afflux de requérants nigérians s'est tari à la frontière de Chiasso. Leur expulsion va coûter des millions de francs à la Suisse.

 Ce que coûte le renvoi des Nigérians

 Nicole della Pietra, Chiasso

 Voici près de trois semaines que le flux de requérants d'asile nigérians à la frontière sud s'est soudainement tari. Alors qu'il arrivait parfois jusqu'à 80 personnes en un seul week-end, ils ne sont plus désormais que quelques-uns sur l'ensemble de la semaine.

 Les explications de cette inversion de tendance? Elles varient selon les analyses des diverses autorités concernées par le contrôle des flux migratoires. Du côté des gardes-frontières, on espère que les contrôles systématiques opérés par les agents de la Région IV, en gare de Chiasso et aux divers points de passage au sud du Tessin, "ont eu un effet décourageant sur les requérants", estime Davides Bassi, porte-parole des gardes-frontières au Tessin. Il n'exclut pas non plus que l'approche des fêtes de fin d'année offre davantage d'opportunités de petits gains aux migrants, qui resteraient ainsi de manière prolongée côté italien.

 Bouche-à-oreille

 C'est aussi vers la Péninsule, première terre d'accueil de l'espace Schengen, que la grande majorité d'entre eux seront renvoyés par l'Office des migrations (ODM), après le refus quasi systématique de l'asile décrété par celui-ci envers les ressortissants du Nigeria. Mais jusqu'ici, cela n'a pas empêché ces derniers de tenter leur chance: "La vente de boulettes de cocaïne dans la rue est suffisamment lucrative pour venir, ne serait-ce que quelques mois dans notre pays, en attendant d'en être expulsé", suggère ce spécialiste de la migration, sous couvert de l'anonymat, qui est convaincu qu'une organisation nigériane articule ce flux de jeunes hommes (de 18 à 35 ans), avides d'un bien-être matériel auquel ils n'ont pas accès chez eux.

 Du côté de l'ODM, on préfère rester prudent. La baisse drastique du nombre d'arrivées aurait plusieurs causes. "C'est un recul du flux saisonnier qui n'est pas nouveau pour les mois de novembre et décembre", explique Marie Avet, porte-parole de l'ODM, qui espère néanmoins que le bouche-à-oreille fonctionne entre candidats déboutés en attente de renvoi. "Bien sûr, nous espérons que les mesures prises ces derniers mois pour assurer la réadmission des demandeurs dans leur pays ait un effet dissuasif", espère-t-elle.

 Délégation nigériane

 Une note d'espoir qui témoigne de l'importance que l'ODM accorde à la "question nigériane". A tel point que les autorités suisses s'apprêtent à débourser une somme qui pourrait dépasser le million de francs pour rapatrier dans leur pays 126 personnes (tous des hommes). Ces candidats déboutés ont été interrogés durant deux semaines par une délégation des services de l'immigration du Nigeria, invitée en Suisse par les autorités fédérales. Les fonctionnaires africains, dont l'ODM n'a pas pu indiquer le nombre, ont séjourné deux semaines en Suisse, durant lesquelles ils ont procédé à des interrogatoires sur 135 personnes dépourvues de documents d'identité et niant ou masquant leurs origines. Langue, accent, dialecte et autres spécificités culturelles ont permis d'établir que 126 d'entre elles sont d'origine nigériane.

 "Un taux excellent", se réjouit Marie Avet. En vertu d'un accord de partenariat, signé le mois dernier entre les autorités helvétiques et nigérianes à Lagos, la procédure de réadmission de ces 126 Nigérians doit débuter sous peu.

 Pour cela, l'ODM s'est doté de moyens exceptionnels: les personnes renvoyées au Nigeria pourraient recevoir jusqu'à 7000 francs sous forme d'aide au retour. Le versement de cette somme (1000 fr. accordés dès leur arrivée au pays et jusqu'à 6000 fr. par la suite) est lié à la présentation - et acceptation - d'un projet. "Cette aide est octroyée aux personnes qui souhaitent par exemple lancer une petit activité économique à leur retour ou bénéficier d'une formation professionnelle, par exemple", explique Marie Avet. Et de préciser que l'aide est examinée au cas par cas, et qu'elle peut même être attribuée pour des soins médicaux. La manne helvétique est uniquement réservée aux candidats qui ne peuvent être renvoyés vers un autre Etat de l'espace Schengen, assure-t-on à l'ODM.

 Cela signifierait-il que les 126 requérants qui s'apprêtent à quitter la Suisse, n'ont pas transité par l'Italie, par exemple? Difficile à croire. "Nous sommes obligés de nous baser sur des indices et des déclarations. Il est effectivement possible que des candidats qui n'auraient pas droit à cette aide passent entre les mailles du filet", admet Marie Avet.

 L'addition est salée

 Pour le seul mois de novembre, quelque 1800 ressortissants nigérians ont déposé une demande d'asile en Suisse; 1600 d'entre eux devraient théoriquement être renvoyés vers un pays Schengen, et 684 procédures d'asile sont ouvertes. Le calcul est vite fait: l'aide au retour (à destination du Nigeria uniquement) pourrait bien coûter des millions de francs à la Suisse, ces prochains mois. Sommes auxquelles vont s'ajouter les coûts des vols de retour et les frais annexes, de même que les séjours, tous frais payés, des délégations nigérianes qui se succéderont dans notre pays. I

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 Aide au retour, mode d'emploi

 L'aide au retour est un système de prestations visant à promouvoir le retour volontaire des requérants d'asile dans les délais impartis. L'Office fédéral des migrations (ODM) met en œuvre cet instrument en collaboration avec la Direction du développement et de la coopération (DDC), l'Organisation internationale pour les migrations (OIM), les services cantonaux compétents et diverses œuvres d'entraide.

 L'aide au retour est assurée par le Groupe directeur interdépartemental d'aide au retour, et dirigée par l'ODM et la DDC. Toutes les personnes relevant du domaine de l'asile peuvent déposer une demande auprès de services-conseils situés dans les cantons, les centres d'enregistrement ou les aéroports de transit. Les réfugiés reconnus désireux de rentrer dans leur pays d'origine peuvent aussi bénéficier de l'aide au retour. En sont exclus: les délinquants et les personnes dont le comportement a été manifestement abusif pendant ou après la procédure.

 D'autres personnes ont accès à l'aide au retour: les victimes ou les témoins de la traite d'êtres humains et les artistes de cabaret qui se trouvent en situation d'exploitation. Accessoirement, dans les pays de provenance, la section Aide au retour de l'ODM (avec la participation de la DDC) met en œuvre des projets d'aide structurelle qui profitent aussi bien aux rapatriés qu'à la population locale. La priorité est donnée à la création de possibilités de retour pour des groupes de personnes plus restreints, comme ceux dont le renvoi de Suisse s'avère difficile. En l'occurrence les Nigérians, qui représentent 85 à 90% des candidats à l'asile arrivant au Tessin. NdP

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Bund 23.12.10

Zu streng bei Wegweisungen?

 Das Bundesamt für Migration wird gerügt. Es schicke abgewiesene Asylbewerber in gefährliche Gegenden zurück, sagt das Bundesverwaltungsgericht.

 Verena Vonarburg

 Wer kein Asyl erhält in der Schweiz, kann unter Umständen trotzdem hierbleiben. Er wird vorläufig aufgenommen, falls ihm die Rückreise nicht zugemutet werden kann, weil die Lage in seinem Heimatland zu gefährlich ist, wenn Krieg herrscht oder Gewalt oder wenn die medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist.

 Der Bundesrat legt fest, welche Länder oder welche Gegenden in einem Land als sicher gelten. Wer aus einer solchen Region kommt, hat kein Bleiberecht in der Schweiz und muss zurück.

 Nun kritisiert das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt für Migration (BFM) scharf: Das Amt sei zu streng in der Frage vorläufiger Aufnahme, finden die Richter. Mehr noch: Das BFM halte sich "des Öfteren nicht an die publizierte Länderpraxis" des Bundesverwaltungsgerichts als höherer Instanz. Das steht in einem gestern publizierten Grundsatzentscheid. Konkret geht es um einen Afghanen, den das BFM zurückschicken wollte. Mit der Begründung, die Bevölkerung in Afghanistan sei nicht konkret gefährdet. Das Bundesverwaltungsgericht sieht das anders, hält eine Ausweisung dorthin für unzumutbar.

 "Belastung der Bundeskasse"

 Auch in anderen Fällen, bei der Wegweisung von Kurden in die türkischen Ostprovinzen und von ethnischen Minderheiten nach Kosovo, weiche das Bundesamt für Migration bewusst von der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts ab, moniert dieses. Dem BFM komme allerdings kein Ermessensspielraum zu. Beim BFM stellt man sich demgegenüber auf den Standpunkt, die Länderliste und die Lageanalysen des Gerichts seien nicht verbindlich. Das Gericht sei Beschwerdeinstanz, nicht aber Aufsichtsorgan des BFM.

 Das Bundesverwaltungsgericht wiederum kritisiert, die Praxis des BFM sei "unhaltbar", gerade auch, was die Rechtsgleichheit betreffe. Ob jemand in ein möglicherweise gefährliches Land abgeschoben werde, hänge einzig und allein davon ab, ob er Beschwerde einreiche. Zudem provoziere das BFM "eine Vielzahl unnötiger Rechtsmittelverfahren", die alle mit dem Gutheissen der Beschwerde endeten. Das sei auch eine "sachlich nicht zu rechtfertigende Belastung der Bundeskasse".

 Das Bundesverwaltungsgericht verweist in seinem Urteil auch auf eine Untersuchung des BFM, wonach etwa die Hälfte der Asylbeschwerden sich auf eine bewusst unterschiedliche Praxis zwischen Amt und Beschwerdestelle beziehe. Im Klartext: Das BFM ist offenbar viel strenger als das Bundesverwaltungsgericht.

 Im Fall des Afghanen heisst das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut. Das BFM wird angewiesen, den Mann vorläufig aufzunehmen und ihm eine Entschädigung von 1600 Franken zu zahlen. Asyl bekommt er aber so oder so nicht: Seine Geschichte gilt als nicht glaubwürdig. Er hatte 2006 geltend gemacht, er habe in Afghanistan heimlich Sex mit einem Mädchen gehabt. Als die Familie davon erfahren habe, sei er geflüchtet. Die Angehörigen des Mädchens hätten ihm mit dem Tod gedroht.

 Künftig mehr Aufnahmen

 Eveline Gugger, Vizedirektorin im BFM, sagt auf Anfrage, dem Amt liege der Entscheid noch nicht vollständig vor. "Aber die Feststellungen, die das Bundesverwaltungsgericht hier macht und die in dieser Massierung gravierend sind, müssen wir ganz genau prüfen und unsere Schlüsse daraus ziehen." Tendenziell töne das "nach mehr vorläufigen Aufnahmen in Zukunft". Denn in gleich gelagerten Fällen wie jenem des Afghanen würden die Betreffenden künftig vorläufig aufgenommen.

 Im Übrigen, hält Gugger fest, würden 80 Prozent der Entscheide des BFM vom Bundesverwaltungsgericht gestützt. "Wir haben sicher keine flächendeckende Differenz."

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BZ 23.12.10

Gericht übt Kritik am Bundesamt für Migration

 Wegweisungspraxis Das Bundesamt für Migration (BFM) muss sich für seine Praxis bei Wegweisungen in Risikoländer vom Bundesverwaltungsgericht harsche Kritik gefallen lassen.

 Das BFM wird aufgefordert, bei der Gefahrenbeurteilung künftig den Vorgaben des Gerichts zu folgen. Das Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise die frühere Asylrekurskommission erachten die Wegweisung abgewiesener Asylbewerber in bestimmte Länder oder Regionen als unzumutbar. Im Widerspruch zu dieser sogenannten Länderpraxis hat das BFM auf Basis eigener Analysen mehrfach trotzdem Wegweisungen verfügt. So unter anderem auch gegenüber einem Afghanen aus der Bergregion Hazarajat im Zentrum des Landes. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Mannes nun gutgeheissen und seine Wegweisung als unzumutbar aufgehoben. Das Gericht hat den Fall zum Anlass genommen, um das BFM in die Schranken zu weisen.

 Die Richter in Bern fordern das BFM im Urteil in ungewohnt deutlicher Art und Weise auf, bei der Länderbeurteilung künftig nicht mehr aus der Reihe zu tanzen und sich den Vorgaben des Gerichts zu fügen. Das BFM halte sich des Öftern bewusst nicht an die publizierte Länderpraxis des gerichtsinternen Expertenteams. Neben Afghanistan betreffe dies etwa die Wegweisung von Kurden in die türkischen Ostprovinzen oder von Angehörigen ethnischer Minderheiten nach Kosovo. Für eine eigene Beurteilung der Zumutbarkeit von Wegweisungen durch das BFM, die der Praxis des Gerichts widerspreche, sei aber kein Raum.
 sda

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NZZ 23.12.10

Migrationsamt schwer gerügt

 Gerichtliche Länderbeurteilung für Asylentscheide verbindlich

 Das Bundesamt für Migration hält sich bei Asylentscheiden öfters nicht an die Beurteilung der Lage im Herkunftsgebiet durch das Bundesverwaltungsgericht. Dieses hält nun dezidiert fest, dass solche Abweichungen widerrechtlich sind.

 C. W. · Die Frage, ob die Rückkehr eines abgewiesenen afghanischen Asylsuchenden in die Region Hazarajat zumutbar sei, hat das Bundesverwaltungsgericht zu einem Grundsatzurteil veranlasst, das nicht nur die konkrete Praxis des Bundesamts für Migration (BfM), sondern auch dessen Haltung zu rechtsstaatlichen Grundregeln klar kritisiert.

 Wie früher die Asylrekurskommission hat das Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Entscheiden festgehalten, in jener Region herrsche eine Situation allgemeiner Gewalt, der Vollzug von Wegweisungen sei nicht zumutbar. Das BfM teilt zwar heute offenbar diese Sicht der Dinge, hatte die Lage aber in vielen Fällen anders beurteilt. Auch die Wegweisung von Kurden in die Osttürkei und von Angehörigen ethnischer Minderheiten nach Kosovo wurde teilweise in bewusster Abweichung von der Praxis der übergeordneten Instanz als zumutbar erachtet. Das Bundesamt bezeichnet die Länderbeurteilung der Beschwerdeinstanz als wichtigen Orientierungspunkt ohne bindende Wirkung.

 Das Bundesverwaltungsgericht hält fest, dass ihm die Befugnis, sogar die Pflicht zukommt, die Fälle umfassend zu prüfen. Es könne der Vorinstanz die Wahl unter mehreren angemessenen Lösungen überlassen und solle nicht ohne Notwendigkeit von der Auffassung einer Stelle abweichen, die ein ganz spezifisches Fachwissen besitze. Die auf Asylfragen spezialisierten Abteilungen des Gerichts verfügten aber, auch dank seiner Dienststelle "Länderexpertisen" und der mit dem BfM gemeinsam betriebenen Datenbank, über eine Fachkompetenz, die mit jener der Verwaltung vergleichbar sei.

 Die Meinung des Bundesamts, Rekursentscheide gälten nur für den Einzelfall, führt laut Urteilsbegründung zwangsläufig zu Ergebnissen, "die - im Kontext höchster betroffener Rechtsgüter - unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit, Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit als offensichtlich unhaltbar bezeichnet werden müssen"; denn der Schutz vor Wegweisung in eine potenziell gefährliche Situation hänge allenfalls nur davon ab, ob die Betroffenen Beschwerde erheben. Gleichzeitig werde eine Vielzahl unnötiger Rechtsmittelverfahren provoziert. Rund die Hälfte aller erfolgreichen Rekurse gehe darauf zurück, dass das BfM bewusst von der Praxis des Gerichts abweiche.

 Relativierend schreibt das Bundesverwaltungsgericht, das BfM könne seine Praxis mit einlässlicher Begründung ändern, wenn es mittelfristig die Lage in einem Land neu beurteile. Auch auf eine dramatische Verschlechterung der Sicherheit könne es reagieren. Zum Schluss heisst es aber, wenn das Bundesamt die Praxis des Gerichts in Zukunft missachten sollte, könnten solche Entscheide im vereinfachten Verfahren aufgehoben werden. Vorbehalten bleibe auch eine Aufsichtsbeschwerde.

 Die vorliegende Beschwerde und die gerügte Stellungnahme des BfM stammen aus dem Jahr 2006. Das Bundesverwaltungsgericht liess sich also Zeit, um auf das als alarmierend dargestellte Verhalten zu reagieren.

 Urteil E-5929/2006, 20. 12. 10. Publikation vorgesehen.

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NLZ 23.12.10

Richter kanzeln Bundesamt ab

 Migration

 Das zuständige Amt foutiere sich um die Lage in Risikoländern und setze sich über Empfehlungen hinweg. Diese happigen Vorwürfe kommen von Bundesrichtern.

 Karl Fischer

 karl.fischer@luzernerzeitung.ch

 Alard du Bois-Reymond, seit Anfang Jahr Chef des Bundesamtes für Migration, ist eine umstrittene Persönlichkeit. Der frühere Chef der Invalidenversicherung und einst Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), steht im Fadenkreuz der Kritik. Im linken Lager hat er den Ruf, als "Hardliner" die Asylpolitik des Bundes mit harter Hand umzusetzen. Bürgerliche wiederum halten ihm vor, er handle zu nachsichtig, ja manchmal sogar naiv. Für Unmut sorgte dieser Tage seine Idee, rückkehrwilligen Nigerianern eine Heimkehrprämie von 6000 Franken zu geben. Das sei "die Dummheit des Jahres", zitierte das Online-Portal des "Blicks" dazu beispielsweise den Aargauer FDP-Nationalrat Philipp Müller.

 Jetzt hat der Chefbeamte seinen Ruf als "Hardliner" sozusagen mit juristischem Gütesiegel bestätigt erhalten. Das Bundesamt für Migration wird nämlich vom Bundesverwaltungsgericht heftig kritisiert. Es setze sich über verbindliche Vorgaben hinweg, lautet der happige Vorwurf.

 "Unzumutbarer Entscheid"

 Konkret ging es um die Beurteilung des Falles eines Afghanen aus der Bergregion Hazarajat, dessen Asylgesuch vom Bundesamt für Migration im Jahre 2006 abgelehnt und zugleich dessen Wegweisung verfügt wurde. Der Abgewiesene war damit nicht einverstanden und gelangte an die damalige Asylrekurskommission, die 2007 im Bundesverwaltungsgericht aufgegangen ist. Das nun zuständige Gericht hat jetzt die Beschwerde des Mannes gutgeheissen und die angeordnete Wegweisung aufgehoben. Ein solcher Entscheid sei "unzumutbar", argumentieren die Richter. Und sie machen aus ihrem Ärger keinen Hehl, das Bundesamt für Migration habe wider besseres Wissen so gehandelt.

 Empfehlungen missachtet

 Im Verlauf des Verfahrens hatte der Instruktionsrichter der Asylrekurskommission das Bundesamt nämlich darauf hingewiesen, dass gemäss der Länderpraxis Wegweisungen in die fragliche Region Hazarajat grundsätzlich unzumutbar seien. Doch das Amt stellte sich auf den Standpunkt, solche Hinweise seien zwar wichtige Orientierungspunkte, hätten aber keinen verbindlichen Charakter.

 Das sehen die Bundesrichter völlig anders. Die in der sogenannten Länderpraxis des Bundesverwaltungsgerichtes enthaltenen Vorbehalte seien keine unverbindliche Orientierungshilfe, sie seien vielmehr zu berücksichtigen. Es gebe keinen Ermessensspielraum, was zumutbar sei oder nicht. Unzumutbar findet das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise derzeit die Rückschaffung von Kurden in die türkischen Ostprovinzen oder die Wegweisung ethnischer Minderheiten in den Kosovo.

 Gericht greift korrigierend ein

 Weiter kritisieren die Bundesrichter, weil sich das Bundesamt die Freiheit eigener Beurteilungen herausgenommen habe, provoziere es eine Vielzahl von Rekursen, die angesichts der klaren Lage sehr oft gutgeheissen würden. Dies bringe dem Gericht nicht nur Mehrarbeit, sondern dem Staat auch zusätzliche Kosten.

 Zudem widerspreche die Praxis auch elementaren Grundsätzen der Rechtsgleichheit, betonen die Richter: Ob ein abgewiesener Asylbewerber letztlich in eine lebensgefährliche Situation ausgewiesen werde, hänge einzig davon ab, ob die betreffende Person gegen den Entscheid Beschwerde einreiche. Das aber sei aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit unhaltbar.

 Letzte Mahnung erlassen

 Für eigene Beurteilungen der Zumutbarkeit einer Wegweisung durch Beamte gebe es somit keinen Spielraum, lautet das Fazit des Gerichts. Sollte das Bundesamt die Länderpraxis weiterhin missachten, werde das Gericht solche Verfügungen nicht nur aufheben, es behalte sich auch eine Aufsichtsbeschwerde gegen das Bundesamt vor.

 Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA erklärte Eveline Gugger Bruckdorfer, Vizedirektorin des Bundesamtes, man werde das Urteil "eingehend prüfen". Jeder Fall sei aber ein Einzelfall. Es sei daher nicht auszuschliessen, dass man in einem bestimmten Fall wieder zu einer anderen Lagebeurteilung kommen werde als das Gericht.

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Südostschweiz 23.12.10

Richter rüffeln das BFM

 Das Bundesamt für Migration (BFM) muss sich künftig strikt an die Länderpraxis des Bundesverwaltungsgerichts halten. Dieses duldet nicht mehr, dass Asylsuchende weggewiesen werden, wenn sie in ihrem Heimatland gefährdet sind.

 Von Urs-Peter Inderbitzin

 Bern. - Lehnt das BFM ein Asylgesuch ab, verfügt es in der Regel die Wegweisung des Betroffenen aus der Schweiz. Ist ein Asylsuchender jedoch konkret gefährdet, weil in seinem Heimat- oder Herkunftsland Krieg, Bürgerkrieg oder Gewalt herrscht oder eine medizinische Notlage besteht, ordnet das Amt die vorläufige Aufnahme an. Dazu haben die frühere Asylrekurskommission und das Bundesverwaltungsgericht eine sogenannte Länderpraxis erarbeitet, die Länder bezeichnet, in die eine Wegweisung nicht zulässig ist.

 Länderpraxis bewusst missachtet

 In letzter Zeit hat sich das BFM immer wieder nicht an diese Länderpraxis gehalten und Asylbewerber in Länder zurückschickt, die eigentlich tabu sind. Zuletzt im Fall eines Afghanen aus der Provinz Ghazni der Ethnie Hazara. Das Bundesamt befand, die Rückkehr des Mannes sei zumutbar, weil dieser in seiner Heimatre- gion über ein Beziehungsnetz ver- füge und die Region Hazarajat im afghanischen Vergleich zu den sicheren Gebieten gehöre.

 Unnötige Kosten

 Diese erneute Missachtung der Länderpraxis hat das Bundesverwaltungsgericht nun massiv verärgert. Die Richter in Bern werfen dem Bundesamt vor, mit ihrem Vorgehen eine Vielzahl unnötiger Rechtsmittelverfahren zu provozieren. Diese Verfahren, die allesamt mit einer Gutheissung der Beschwerde endeten, würden die Bundeskasse erheblich und unnötig belasten. Deshalb verlangen die Richter nun, dass das BFM die Länderpraxis künftig strikt beachtet.

 Nur dann, wenn sich die Lage "massgeblich und dauerhaft" verändert hat, kann das Bundesamt ein Pilotverfahren anstrengen und eine Praxisänderung beantragen. Auch wenn sich die Sicherheitslage in einem Herkunftsland schnell und dramatisch verschlechtert, ist ein Abweichen von der Länderpraxis zulässig. Im konkreten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Afghanen gutgeheissen. Er wird nicht in sein Heimatland weggewiesen. Das Gericht ordnete seine vorläufige Aufnahme an.

 Urteil E_5929/2006 vom 20. Dezember

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Le Temps 23.12.10

"On les traitait comme des sacs de patates"

Valérie de Graffenried

 Isabelle a participé à un vol spécial chargé de l'expulsion de force de quatre requérants déboutés vers le Nigeria. Choquée par le manque de transparence qui entoure ces opérations, elle a choisi de témoigner. Les requérants sont ficelés durant toute la durée du vol à leur siège, raconte-t-elle

 "On les traite comme des sacs de patates, pas comme des êtres humains." Isabelle*, la trentaine, a fait partie de l'équipage d'un vol spécial chargé d'expulser de force des requérants d'asile déboutés. C'était vers le Nigeria, en 2006. Elle a aussi assisté à plusieurs scènes d'embarquement, où les requérants, pieds et poings liés, et donc totalement immobilisés, sont hissés dans les ­avions, tant bien que mal. Choquée, Isabelle a décidé de ne plus exécuter ce genre de mission. Elle accepte aujourd'hui de témoigner "pour que la transparence soit faite sur ces vols controversés".

 "Le vol, avec quatre Nigérians et trois à quatre policiers par requérant, s'est en soi plutôt bien passé. Les requérants étaient calmes. Dès que l'un d'eux criait, le "chef" - il y avait une sorte de hiérarchie entre eux - leur demandait de se taire. Mais la manière dont ils sont attachés est horrible: ils ont des liens aux pieds et aux mains et sont, pendant toute la durée du vol, ficelés à leur siège, les bras bloqués derrière. On leur met aussi un casque de boxeur sur la tête. Pour qu'ils ne se blessent pas.

 "Ils sont déjà "préparés" ainsi à la prison. Il arrive qu'aux toilettes de la prison, ils s'enduisent de leurs excréments, pour ne pas être expulsés. Là, ce n'était pas le cas. Sur le tarmac, la montée des escaliers est dure à voir. Comme ils sont immobilisés par leurs entraves, on les tire, on les pousse comme des sacs de pommes de terre, pour les faire monter dans l'avion.

 "Le nôtre, un petit appareil de moins de 50 places, a dû, avant Lagos, faire escale à Tamanrasset (Algérie), pour le carburant. Au retour, nous avons passé une nuit au Bénin. La compagnie aérienne pour laquelle je travaillais transportait souvent des équipes de football avec des "stars africaines" que les Européens courtisent. Là, le contraste était saisissant. J'ai eu le sentiment d'assister à des scènes de déportations, qui réveillent de tristes souvenirs.

 "Bien sûr, ces personnes doivent quitter la Suisse car elles sont en situation illégale. Mais c'est la méthode qui me dérange. Et surtout le fait que les autorités cachent ce qui se passe à l'opinion publique. Au moins, avec les experts indépendants promis par l'Office fédéral des migrations (ODM), il devrait y avoir une certaine surveillance.

 "Ces vols engendrent beaucoup de stress. On doit s'attendre à tout jusqu'au dernier moment: les requérants arrachent parfois les tablettes des sièges pour se rebeller; et le pays de destination peut au dernier moment refuser de reprendre ses ressortissants. Les autorisations d'atterrissage fournies ne garantissent rien.

 "Dans notre avion, en plus des Nigérians, des policiers et des trois membres de l'équipage, il y avait un représentant de l'ODM, un des Affaires étrangères et trois de l'ambassade du Nigeria. Le diplomate suisse m'a dit que le vol aurait probablement été annulé si, la veille, une partie des fonds Abacha n'avait pas été restituée au Nigeria. Ces vols sont non seulement chers - le nôtre a coûté environ 100 000 francs, salaires non compris - et inhumains mais ils cachent parfois aussi des arrangements politiques. J'ai aussi vu une grosse chaîne Hifi. Un "cadeau", m'a-t-on dit. Pour qui? Je n'ai pas vraiment compris. Autre chose bizarre: tous les policiers avaient des visas nigérians. Ils n'en avaient pourtant pas besoin: nous, comme membres d'équipage, n'en avions pas.

 "Stressés, les quatre Nigérians n'ont rien mangé pendant le vol. Ils transpiraient à grosses gouttes sous leur casque, et l'un d'eux a même refusé de boire pendant les neuf heures qu'a duré de trajet. Nous ne leur donnons rien automatiquement: s'ils veulent quelque chose - des boissons froides et un plateau-repas sans couverts -, ils doivent d'abord passer par les policiers. Un médecin? Il n'y en avait pas. Cela m'aurait pourtant rassurée. J'étais vraiment inquiète pour la sécurité: qu'aurions-nous fait en cas de problème avec des personnes attachées de la sorte? Comment aurions-nous pu leur mettre des gilets de sauvetage et masques à oxygène? Ils auraient grillé comme des poulets sur leur broche.

 "Les toilettes? Ils peuvent en général y aller. Mais on ne leur desserre pas les liens. Et un policier les accompagne. Il leur défait le pantalon; la porte reste à moitié ouverte. C'est humiliant.

 "A Lagos, des fonctionnaires nigérians attendaient à la descente de l'avion. Ils ont contrôlé tous les papiers et les quatre Nigérians sont sortis en "hommes libres" de l'appareil: on leur a enlevé les liens à l'intérieur. Ils n'ont opposé aucune résistance. Mais tout ne se passe pas toujours aussi bien. Au retour - les représentants de l'ambassade du Nigeria ne sont pas rentrés avec nous -, les policiers ont décompressé; le vol a pris un air de vacances. Je sais que dans certains avions, ils trinquent au champagne. Mais dans le mien, il n'y avait pas d'alcool. Cette attitude peut paraître malsaine pourtant je la comprends: je n'aime pas particulièrement les policiers, mais là, je dois admettre qu'ils ont agi en professionnels pendant leur mission. Une fois qu'elle est accomplie, ils ont besoin d'évacuer le stress accumulé, ravis que tout ce soit déroulé sans dérapages. Et les dérapages, comme l'a montré la mort d'un Nigérian sur le tarmac de l'aéroport de Zurich en mars dernier, peuvent arriver très vite."

 *Prénom fictif.

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Tagesschau 22.12.10

Bundesverwaltungsgericht rügt Bundesamt für Migration

Das Bundesamt für Migration wurde wegen seiner Praxis bei Wegweisungen in Risikoländer gerügt. 2006 wurde ein Afghane abgewiesen, obwohl die Ausschaffung nach Afghanistan als unzumutbar gilt.
http://videoportal.sf.tv/video?id=0437bffd-708e-405b-96d2-f81406326311

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Blick am Abend 22.12.10

"Nicht alle kriegen Geld"

 RÜCKSCHAFFUNG

 Die Hilfe von 6000 Franken für Nigerianer ist an harte Auflagen geknüpft .

 Bis zu 6000 Franken kann ein abgewiesener Asylbewerber aus Nigeria beim Bund abholen, wenn er freiwillig zurückkehrt. Diese Regelung des Bundesamts für Migration sorgte für Empörung (Blick am Abend berichtete).

 Das Bundesamt will nun die Wogen glätten und präzisiert, dass insbesondere rechtskräftig Verurteilte oder auch solche in Ausschaffungshaft kein Geld erhielten. "Jedes Dossier wird einzeln geprüft", sagt Marie Avet zu Blick am Abend.

 Ob sich unter den rückkehrwilligen Nigerianern auch solche befinden, die Drogenhandel betrieben, müsste aus den jeweiligen Dossiers hervorgehen. Wer keinen Vermerk hat, kann einen Antrag stellen. 1000 Franken Grundbetrag erhält jeder freiwillige Rückkehrer. "Nicht jeder aber erhält 6000 Franken zusätzlich, das ist einfach der Maximalbetrag", erklärt Avet.

 Die Rückkehrer müssen glaubhaft nachweisen, dass sie mit dem Geld in ihrer Heimat eine Ausbildung starten oder zum Beispiel ein eigenes Geschäft. "Dafür müssten sie mindestens einen Businessplan vorweisen können."

 Zu Hause in Nigeria würden die ehemaligen Asylbewerber von einer internationalen Organisation in Empfang genommen. Diese überwache, so Avet, ob sie das Geld entsprechend der Abmachung einsetzen würden. 1800 Nigerianer stellten 2009 ein Asylgesuch in der Schweiz; im selben Jahr wurde nur gerade eines bewilligt. mip

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BZ 21.12.10

Ausschaffung: Zahl der Häftlinge hat sich verdoppelt

 Kanton BernInnert drei Jahren hat sich in Berner Gefängnissen die Zahl jener Ausländer, die zur Rückführung oder Identitätsabklärung inhaftiert sind, verdoppelt.

 Die Zahl der zur Rückführung oder zur Identitätsabklärung inhaftierten Ausländerinnen und Ausländer hat sich in den letzten drei Jahren im Kanton Bern mehr als verdoppelt - von 330 im Jahr 2007 auf 668 im laufenden Jahr. Dies geht aus der Erhebung des kantonalen Migrationsdienstes hervor.

 Verdoppelt hat sich zwischen 2007 und 2009 auch die Zahl der Verpflegungstage: Damit ist die Summe aller Tage gemeint, die jene Personen in Haft verbringen mussten. In dieser Erhebung sind nur jene Personen mitgerechnet, welche einst als Asylsuchende dem Kanton Bern zugewiesen wurden. Diese Verteilung der Asylsuchenden durch den Bund erfolgt nach seit Jahren unverändertem Verteilschlüssel.

 Die Verdoppelung der Ausschaffungshafttage im Kanton Bern ist in Anbetracht dieses für alle Kantone geltenden Verteilschlüssels erstaunlich: Die massive Zunahme fand nur in Bern statt.

 Schweizweit und explizit auch im Kanton Zürich stagnieren die Zahlen. Im Kanton Zürich ist die Zahl der Verpflegungstage bezogen auf jene Ausländergruppe gar rückläufig. Die für diese Zahlen zuständigen Behörden haben keine schlüssige Erklärung für das Berner Phänomen gefunden.

 Der massive Anstieg der Zahlen in Bern sagt nichts aus über die Qualität der Ausschaffungspraxis der kantonalen Behörde. Der Anstieg ist hingegen brisant vor dem Hintergrund, dass die Berner Gefängnisse seit einiger Zeit heillos überfüllt sind. So sind etwa im Berner Regionalgefängnis seit Monaten zehn Notbetten im Dauereinsatz (wir haben berichtetet).

 Der Ausländeranteil in den Haftinstitutionen ist generell gross: Zurzeit sind zum Beispiel in den Berner Regionalgefängnissen im Durchschnitt insgesamt 17 Prozent aller Insassen Ausländer, die inhaftiert sind zwecks Ausschaffung oder einfach weil sie ihre Identität nicht preisgeben. ma Seite 15

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Mehr illegale Einwanderer

 Kanton BernIn ihrer Antwort auf eine Interpellation stellt die Berner Regierung eine Zunahme der illegalen Einwanderer im Kanton Bern fest.

 Der Berner Grossrat Lars Guggisberg (SVP, Ittigen) macht sich Sorgen wegen illegaler Einwanderung im Kanton Bern. In einer Interpellation stellte er dem Regierungsrat eine ganze Reihe von Fragen. In ihrer Antwort bestätigt die Polizeidirektion (POM), dass die Zahl der im Kanton Bern illegal anwesenden Ausländer stark zugenommen hat. Im Jahr 2008 hat das Bundesamt für Statistik in diesem Zusammenhang 901 Straftatbestände registriert, 2009 waren es mit 1190 Fällen 32 Prozent mehr. Im ersten halben Jahr 2010 wurden 692 gezählt. In jenen Bereichen, in denen sich illegal eingewanderte Personen erfahrungsgemäss vermehrt aufhielten, bilde die Polizei deshalb "operative Schwerpunkte", schreibt die POM. Und "soweit möglich" würden die illegal Anwesenden im Rahmen des Dublin-Verfahrens "konsequent in ihre Erstasylländer" zurückgeführt.

 Kampf gegen Scheinehen

 In "mehreren Dutzend Fällen jährlich" wird im Kanton Bern vertieft abgeklärt, ob eine Scheinehe vorliegen könnte. Im ersten Halbjahr 2010 hat das Amt für Migration und Personenstand 45 Befragungen durchgeführt. Doch nur gerade "in einem halben Dutzend Fällen pro Jahr" werde in diesem Zusammenhang eine ausländische Person aus der Schweiz weggewiesen, schreibt die Regierung in ihrer Antwort.

 Auch den missbräuchlichen Familiennachzug thematisierte Guggisberg in seiner Interpellation. Nun erfährt er von der Polizeidirektion, dass das Amt für Migration und Personenstand im letzten Jahr 26 Familiennachzugsgesuche formell abgewiesen hat, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren oder weil die Berufung auf den grundsätzlichen Rechtsanspruch "missbräuchlich erfolgt" sei. Laut der POM kommt es seit der Visumsbefreiung immer wieder vor, dass serbische, mazedonische und montenegrinische Staatsangehörige "scheinbar nur für einen vorübergehenden Aufenthalt in den Schengen-Raum einreisen und dann in der Schweiz ein Gesuch zum dauerhaften Verbleib beim Ehepartner oder bei den Eltern stellen". Laut Gesetz müssten solche Gesuche aber im Ausland gestellt werden.

 Milde Verwaltungsjustiz

 In den ersten sechs Monaten dieses Jahres habe das Amt 14 Gesuche abgewiesen. Doch ein relativ hoher Anteil der Beschwerden werde jeweils von der nächsthöheren Instanz gutgeheissen. Dies führt die POM darauf zurück, dass die Verwaltungsjustiz bei Rechtsfragen, die sich auf die Verhältnismässigkeit stützen, "einen milderen Massstab ansetzt als die erste Verwaltungsinstanz".
 Susanne Graf

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Ausschaffungshaft: Ein Grund, weshalb Berner Gefängnisse heillos überfüllt sind

 Kanton Bern Innert drei Jahren hat sich die Zahl der Ausländer, die in Haftzellen im Kanton auf die Wegweisung warten, verdoppelt. Merkwürdigerweise ist das in Zürich und auch schweizweit anders. Ebenfalls merkwürdig: Keine Behörde kann das Berner Phänomen erklären.

 Massiv habe in den letzten drei Jahren die Zahl der Ausländer zugenommen, die in Berner Gefängnissen auf die Rückführung in ihre Heimat oder die Abklärung ihrer Identität warten, sagt Beat Jost, stellvertretender Vorsteher des kantonalen Amtes für Freiheitsentzug.

 Die Erhebung des kantonalen Migrationsdienstes zeigt, dass Jost nicht übertreibt: 2007 warteten im Kanton Bern insgesamt gerade mal 330 Ausländer hinter Gittern auf die Ausschaffung oder Abklärung der Identität. Letztes Jahr waren es schon fast doppelt so viele, nämlich 645. Und im laufenden Jahr stieg die Zahl gar auf 668 an. Auch die durchschnittliche Haftdauer hat zugenommen (siehe Text rechts). Mitgerechnet hat der kantonale Migrationsdienst nur Asylsuchende, die vom Bund nach einem seit vielen Jahren unveränderten Verteilschlüssel dem Kanton Bern zugeteilt wurden. Die Verdoppelung der Zahlen ist problematisch: Denn in Berns Gefängnissen herrscht akute Platznot. Notbetten stehen im Dauereinsatz.

 Warum nur in Bern?

 Die Ursache für diese Zunahme in Bern ist merkwürdig: Sie ist nämlich gesamtschweizerisch nicht feststellbar. Das zeigt die Erhebung des Bundesamtes für Statistik (BfS). Das BfS erhebt sie nur einmal jährlich an einem Stichtag. Sie sind deshalb mit Vorsicht zu geniessen. Doch auch die Vollerhebung des Kantons Zürich zeigt: Im selben Zeitraum, in dem sich die Zahlen in Bern verdoppelt haben, sind sie in Zürich kaum gestiegen. Die Summe der Gefängnisverpflegungstage der zur Rückführung oder Identitätsabklärung inhaftierten Ausländer ist in Zürich sogar rückläufig . Immerhin sind in Zürich - in absoluten Zahlen gesehen - mehr Personen in Ausschaffungshaft als in Bern.

 Behörden fehlt die Übersicht

 Die Angelegenheit noch merkwürdiger macht folgender Umstand: Keine Behörde, die in irgendeiner Form mit Zahlen zu Ausschaffungen zu tun hat, findet eine plausible Erklärung für die Zunahme der Ausschaffungshafttage in Bern - weder das kantonale Amt für Freiheitsentzug noch das Bundesamt für Statistik. Einen Erklärungsansatz haben zwar der kantonale Migrationsdienst und Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser. Auch Käsers Vermutung ist aber nicht schlüssig. Man verzeichne mehr Personen in Ausschaffungshaft wegen der sogenannten Dublin-Fälle, glaubt der Polizeidirektor. Diese Erklärung bezieht sich auf das EU-Abkommen von Dublin, das 2008 in Kraft getreten ist. Das Abkommen besagt, dass die Schweiz Asylsuchende, die bereits in einem anderen europäischen Land einen Asylantrag stellten, direkt wieder in dieses Land zurückführen darf. Gemäss Käser kann das zu mehr Ausschaffungshafttagen führen. Dass sich das Rätsel aber nicht so einfach beantworten lässt, zeigen schon seine eigenen Worte: "Dies müsste aber auch in andern Kantonen der Fall sein." Das ist aber eben gerade nicht der Fall, wie die Zahlen aus Zürich zeigen.

 Ein weiterer Erklärungsversuch des Polizeidirektors: Die Zahl der tatsächlich erfolgten Ausschaffungen im Kanton Bern sei auch stark gestiegen. Und: "Der Stopp der Sonderflüge hat uns im Vollzug gebremst, noch immer warten wir auf die Wiederaufnahme der Sonderflüge nach Nigeria." Auch hier fehlt die Begründung, weshalb dies nur in Bern, nicht aber in Zürich zu einer massiven Zunahme der Ausschaffungshaft führt.

 Unterschiedliche Praxis

 Käser hält überdies fest, dass Berner Regionalgefängnisse aus verschiedenen Gründen viele Auszuschaffende aus anderen Kantonen beherbergen müssen. Allerdings: All diese auswärtigen Fälle sind in der Erhebung des Migratonsdienstes gar nicht miteingerechnet. Am ehesten trifft wohl noch der vieles offen lassende Erklärungsansatz Käsers zu: "Die Kantone haben im Vollzug der Wegweisungen unterschiedliche Praxen, unterschiedliche Bedingungen und Möglichkeiten, Personen in Haft zu nehmen."

 Mischa Aebi

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 17 Prozent Ausländer

 17 Prozent der Insassen in Berner Regionalgefängnissen sind Ausländer, die im Zusammenhang mit der Ausschaffung oder wegen der Abklärung ihrer Identität inhaftiert sind.

 Im Schnitt waren die Berner Regionalgefängnisse im Jahr 2009 zu 17 Prozent mit Ausländern belegt, die ausgeschafft werden sollen oder die ihre Identität nicht preisgeben wollen.

 In dieser Prozentzahl sind allerdings auch jene zur Ausschaffung stehenden Ausländer mitgezählt, welche zwar in Berner Regionalgefängnissen untergebracht, aber eigentlich anderen Kantonen zugeteilt sind.

 Auch Belegung verdoppelt

 Nicht nur die Zahl der im Kanton Bern zwecks Ausschaffung oder Abklärung der Identität inhaftierten Ausländer hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt (siehe Haupttext). Auch die Gesamtzahl der Tage, welche diese Personen in Berner Gefängnissen absitzen mussten, ist sprunghaft angestiegen - von 12 400 (im Jahr 2007) auf 30 100 (2009).

 Die drei Haftarten

 Nach Gesetz gibt es drei Haftarten, die direkt oder indirekt zur Rückführung von Ausländern dienen. In den Zahlen im Haupttext sind alle aufaddiert.

 Ausschaffungshaft: Wurde einer Person ein erstinstanzlicher Ausweisungsentscheid eröffnet, kann die Behörde die Person in Ausschaffungshaft setzen, falls Gefahr besteht, dass die Person untertauchen würde.

 Durchsetzungshaft: Hat eine Person ihre Pflicht zur Ausreise innerhalb der ihr angesetzten Frist nicht erfüllt, so kann sie die Behörde in Durchsetzungshaft setzen, um "der Ausreisepflicht Nachhaltigkeit zur verschaffen". So steht es im Gesetz.

 Vorbereitungshaft: Sie kann unter anderem dann angeordnet werden, wenn eine asylsuchende Person sich weigert, ihre Identität offenzulegen.

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Bund 21.12.10

Im Kanton Bern werden mehr illegale Einwanderer gefasst

 Seit die Schweiz zum Schengen-Raum gehört, hat die illegale Einwanderung offenbar stark zugenommen.

 Mit dem Beitritt zum Schengen-Abkommen sind auch an der Schweizer Grenze Ende 2008 die Personenkontrollen weggefallen. Nach knapp zwei Jahren interessierten nun SVP-Grossrat Lars Guggisberg aus Ittigen die Auswirkungen auf den Kanton Bern. In einer Interpellation stellte er dem Regierungsrat zahlreiche Fragen dazu. Gestern wurden die Antworten publiziert.

 Deutlich wird daraus, dass die Zahl der illegalen Einwanderer offenbar stark zunimmt. Das Bundesamt für Statistik hat im Jahr 2008 für den Kanton Bern noch 901 illegale Einreisen, Ausreisen und Aufenthalte registriert. 2009 ist diese Zahl bereits auf 1190 gestiegen, was einer Zunahme von 32 Prozent entspricht. Im ersten Halbjahr 2010 wurden bereits 692 derartige Straftatbestände festgestellt. Geht es in diesem Tempo weiter, verzeichnet der Kanton Bern bis Ende dieses Jahres eine Zunahme von 54 Prozent seit Umsetzung des Schengen-Abkommens.

 Konsequente Ausschaffung

 Ob der starke Anstieg auf vermehrte Kontrollen oder auf eine tatsächliche Zunahme der illegalen Einwanderung in die Schweiz zurückzuführen ist, geht aus der Interpellationsantwort nicht hervor. Der Regierungsrat schreibt dazu lediglich: "Die Polizei bildet Schwerpunkte in Bereichen, in denen sich illegal eingewanderte Personen erfahrungsgemäss vermehrt aufhalten." Fasst die Kantonspolizei illegale Einwanderer, so werden diese im Rahmen des Dublin-Verfahrens "soweit möglich" konsequent in ihre "Erstasylländer" ausgeschafft.(rw)

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Bund 21.12.10

Ausschaffungen

 200 Bewerbungen für Überwachungsmandat

 Das Interesse an einem Auftrag für die Überwachung von Ausschaffungsflügen ist gross: Auf ein Inserat des Bundesamtes für Migration (BFM) gingen bis Ablauf der Frist Ende letzter Woche rund 200 Bewerbungen ein. Aus Datenschutzgründen würden keine Einzelheiten zu den Bewerbungen bekannt gegeben, sagte BFM-Sprecherin Marie Avet. Wer den Auftrag erhält, werde nicht sofort entschieden, auch wenn der Schengen-Vertrag ab dem 1. Januar 2011 eine unabhängige Überwachung der Ausschaffungen vorsieht.(sda)

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Blick 21.12.10

Kommentar

 Die bessere Alternative

 Irène Harnischberg  Redaktorin Politik

 irene.harnischberg@ringier.ch

 Jeder nigerianische Asylbewerber, der freiwillig in seine Heimat zurückgeht, erhält 1000 Franken bar auf die Hand, aber erst in seinem Heimatland. Und dann gibt es zusätzliche maximal 6000 Franken. Wenn der heimgekehrte Nigerianer sich damit zum Beispiel eine neue berufliche Existenz aufbauen oder eine Ausbildung finanzieren will.

 Ja, 7000 Franken für jeden heimkehrenden Nigerianer, der illegal in unserem Land war, das ist eine Menge Geld. Mir fallen ein paar Dinge ein, die ich davon kaufen könnte. Aber darum gehts nicht.

 Es ist eine sinnvolle Lösung und die beste Initiative zu einer Ausschaffung unter Zwang. Geht ein Asylbewerber nämlich nicht freiwillig, entstehen Kosten für die Ausschaffungshaft, den Sonderflug und die Begleitung auf dem Flug. Und diese Kosten sind dann um einiges höher als diese Rückkehrhilfe.

 Eines nur muss klar sein: Einmal zurück in seinem Heimatland, darf der von uns finanziell Unterstützte nicht wieder in die Schweiz zurückkehren.

 Es darf natürlich nicht sein, dass ein "freiwillig" Zurückgekehrter, kaum hat er das Geld aus der Schweiz, schon wieder bei uns auf der Matte steht. Deshalb muss der Bund die Zahlung der Rückkehrhilfe von präzisen und überprüfbaren Angaben beziehungsweise Projekten abhängig machen.

 Es wird sich Missbrauch nicht in jedem Fall verhindern lassen. Es wird Leute geben, die mindestens einen Teil des Geldes aufwenden, um zurück in die Schweiz zu kommen. Sie müssen wissen: Werden sie dann erwischt, geht die Ausschaffung ganz schnell. Sie sind dann keine Asylbewerber, sondern gewöhnliche Ganoven.

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Rückkehr für 7000 Franken

 Bern -

 Für eine freiwillige Rückkehr nach Nigeria erhalten Asylbewerber bis zu 7000 Franken. 1000 Franken gibt es als Starthilfe bar auf die Hand. 6000 Franken sind an ein konkretes Projekt gebunden. Sie können für den Aufbau einer neuen beruflichen Existenz, den Kauf einer Wohnung oder eine Aus- oder Weiterbildung verwendet werden. Für die 126 Nigerianer, die im kommenden Jahr definitiv in ihre Heimat zurückkehren müssen, sind dies knapp 900 000 Franken. Zum Vergleich: Ein Sonderflug mit Ausschaffungshäftlingen kostet bis zu 110 000 Franken.

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Blick am Abend 20.12.10

6000 Franken für jede Rückkehr

 AB JANUAR

 6000 Franken erhalten Nigerianer, die freiwillig zurückreisen. 126 müssen gehen.

 fabienne.riklin@ringier.ch

 Die nach einem Todesfall gestoppten Ausschaffungsflüge nach Nigeria sollen im Januar wieder starten. Diesen Monat hat eine Delegation aus Nigeria 126 abgewiesene Asylbewerber als Nigerianer identifiziert. Sie haben nun die Möglichkeit, freiwillig und mit 6000 Franken Rückkehrhilfe in der Tasche auszureisen.

 Tun sie es nicht, werden sie mit Sonderflügen ausgeschafft - ohne Sackgeld.

 FDP-Nationalrat Philipp Müller ist entsetzt: "Eine Rückkehrhilfe in dieser Höhe ist die Dummheit des Jahres", sagt er zu Blick am Abend. Sie sei absolut kontraproduktiv. "Es spricht sich in Nigeria herum, und andere Leute stehen postwendend wieder hier und kassieren ab", sagt Müller. Bereits während des Bosnien und Kosovokriegs in den 90er-Jahren hätten Rückkehrer Tausende Franken erhalten mit dem Resultat, dass noch mehr gekommen seien.

 Deshalb kritisiert Müller den Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM), Alard du Bois-Reymond, scharf: "Er macht alles falsch, was man falsch machen kann."

 Und spricht damit auch du Bois-Reymonds unbedarfte Aussage an - praktisch alle Nigerianer gingen hier illegalen Geschäften nach - mit der er fertiggebracht hat, dass bis heute keine Rückschaffungen nach Nigeria möglich sind.

 In der Frühjahrssession will Müller eine Motion einreichen: "Allerhöchstens sollen die Rückkehrer 200 Franken erhalten, schliesslich haben sie ein rechtsgültiges Verfahren hinter sich."

 Zustimmung erhält Müller von SVP-Nationalrat Hans Fehr: "Die Rückkehrhilfe ist absolut übertrieben. Jeder, der sie nicht ausnützt, ist ja ein Löli."

 Für den Grünen-Nationalrat Geri Müller ist klar: "Das Geld allein löst das Problem nicht. Innovative junge Männer erleben, wie ihr Land durch die Ölkonzerne ausgebeutet wird und sie selber vollkommen im Stich lässt. Deshalb ist für sie klar: Wer aufsteigen will, muss dies im Norden probieren."

 Geplant ist nun, dass alle drei Monate eine Identifikationsdelegation aus Nigeria in die Schweiz kommt. Allein im November reisten 224 Nigerianer als Asylbewerber in die Schweiz, seit Anfang Jahr sind es rund 1800. Die meisten Gesuche lehnt das BFM ab. 2009 gewährte das BFM nur einem Fall Asyl.

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Blick 20.12.10

126 Nigerianer müssen gehen

 Ab Januar werden Asylbewerber aus Nigeria wieder mit Sonderflügen ausgeschafft. Passagiere dafür hat es bereits genug.

 Anfang Dezember ist zum ersten Mal nach dem Tod eines nigerianischen Asylbewerbers im März wieder eine Delegation aus Nigeria in die Schweiz gereist. Ihr Auftrag: die Identität nigerianischer Asylbewerber ohne Ausweispapiere zu prüfen.

 126 Leute wurden eindeutig als Nigerianer identifiziert, wie Marie Avet, Sprecherin des Bundesamtes für Migration (BFM), der "NZZ am Sonntag" sagte. Jetzt haben die Identifizierten die Möglichkeit, freiwillig auszureisen, mit 6000 Franken Rückkehrhilfe in der Tasche. Tun sie es nicht, werden sie mit Sonderflügen ausgeschafft - ohne 6000 Franken. Das ist ab Januar wieder möglich. Die vielen Gespräche zwischen dem BFM und den nigerianischen Behörden scheinen also etwas gefruchtet zu haben. Geplant ist nun, dass alle drei Monate eine Identifikationsdelegation aus Nigeria in die Schweiz kommt.

 Sie werden noch alle Hände voll zu tun haben. Denn Nigeria steht seit Monaten auf Platz eins der Asylstatistik. Allein im November reisten 224 Nigerianer als Asylbewerber neu in die Schweiz ein, seit Anfang Jahr sind es rund 1800. Die meisten der Gesuche werden abgelehnt. 2009 gewährte das BFM nur gerade in einem Fall Asyl.

 BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond hatte im Frühling für Aufregung gesorgt, als er sagte, die meisten der Nigerianer kämen in die Schweiz, um "illegale Geschäfte zu machen". Damals forderte er eine intensivere Mitwirkung der nigerianischen Behörden. Offenbar mit Erfolg.

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NZZ am Sonntag 19.12.10

126 nigerianische Asylbewerber stehen vor der Ausschaffung

 Eine Behördendelegation aus Nigeria hat 126 abgewiesene Asylbewerber als Nigerianer identifiziert. Diese müssen nun ausreisen. Das Bundesamt für Migration wertet das als Erfolg.

 Stefan Bühler

 Im November hat die Schweiz mit Nigeria eine sogenannte Migrationspartnerschaft abgeschlossen. Dabei wurde unter anderem vereinbart, dass eine Behördendelegation aus Nigeria in die Schweiz reisen soll, um hier nigerianische Asylbewerber ohne Ausweispapiere auf ihre Identität hin abzuklären. Ziel ist es, dass die Schweiz solche Personen nach Nigeria ausweisen und - wenn nötig - ausschaffen kann. Wie Marie Avet, Sprecherin des Bundesamts für Migration (BfM), auf Anfrage bestätigt, war im Dezember erstmals eine Delegation aus Nigeria für zwei Wochen in Bern. "Die Delegation hat 135 rückreisepflichtige Personen abgeklärt, davon wurden 126 als nigerianische Staatsangehörige identifiziert", erklärt Avet, "das ist eine sehr gute Quote." Die Identifikation erfolgte in Gesprächen der Asylbewerber mit der Delegation, dabei dienten der Dialekt, kulturelle Fragen und Wissen über Nigeria als Anhaltspunkte. Bei den neun Personen, die nicht als Nigerianer identifiziert wurden, sind weitere Abklärungen geplant, um herauszufinden, welcher Nationalität sie sind.

 Für die 126 betroffenen Nigerianer bedeutet der Entscheid, dass sie nun zuerst die Möglichkeit haben, selbständig nach Nigeria auszureisen. Dabei können sie von Rückkehrhilfen bis zu 6000 Franken profitieren und die Beratung der nigerianischen Behörden in Anspruch nehmen. Verlassen sie die Schweiz nicht freiwillig, folgt ihre Ausschaffung mit Rückführungsflügen, die das BfM 2011 wieder aufnehmen will.

 Laut Avet haben in diesem Jahr bis Ende November knapp 1800 Nigerianer in der Schweiz um Asyl ersucht; für 1300 von ihnen ist jedoch im Rahmen des Dublin-Abkommens ein anderer europäischer Staat zuständig. Zurzeit befinden sich 684 Nigerianer in einem laufenden Asylverfahren. Avet zufolge ist vorgesehen, dass "rund alle drei Monate eine Identifikationsdelegation aus Nigeria in die Schweiz kommt".

 Der Besuch der Identifikationsdelegation steht für die Entspannung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und Nigeria, das dieses Jahr erheblich belastet war: Im April hatte BfM-Direktor Alard du Bois-Reymond im Interview mit der "NZZ am Sonntag" unter anderem kritisiert, viele nigerianische Asylsuchende kämen nur in die Schweiz, um illegalen Geschäften nachzugehen. Seine Aussagen sorgten für diplomatische Verstimmung.

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newsnetz 16.12.10

TV-Kritik: Von Gutmensch zu Hardliner

Michèle Binswanger

 Alard du Bois-Reymond, oberster Asylchef der Schweiz, gilt je nach Perspektive als Naivling oder Rassist, obschon selber mit einer Afrikanerin verheiratet. Ein Dok-Film hat ihn im Job begleitet.

 Mit dem Ja zur Ausschaffungsinitiative hat sich die Schweiz offiziell für die harte Hand in der Asylpolitik ausgesprochen und die Befürworter der Initiative dürften sich erfreut zurücklehnen. Nicht so Alard du Bois-Reymond. Als oberster Asylchef der Schweiz hat er den "härtesten Beamtenjob der Welt", so heisst es im Film von Karin Bauer, die ihn ein Jahr lang mit der Kamera begleitet hat. Schon vor einem Jahr trat der "Hardliner mit Herz" seinen Job mit dem Vorsatz an, strengere Asylbestimmungen durchzusetzen. Bald schon musste er aber feststellen, dass die Praxis in Asylfragen wesentlich komplizierter ist, als es die Mehrheit des Schweizer Stimmvolks gerne hätte - und als er selbst es sich wohl vorgestellt hatte.

 Kollateralschaden der Ausschaffungsmethoden

 Gleich zu Beginn seiner Amtszeit schreckte Reymond Medien und Linke auf, als er einen Grossteil der nigerianischen Asylbewerber als kriminell bezeichnete. Den Linken galt er darauf als Rassist. Dann starb ein Nigerianer bei der gewaltsamen Ausschaffung. Menschenrechtsaktivisten protestierten in Bern, die Beziehungen zu Nigeria gerieten in Schieflage und Reymond geriet auch von rechts in Bedrängnis.

 Reporterin Karin Bauer will wissen, was das für den Chef des Migrationsamtes bedeutet. Politisch und persönlich, denn Bois-Raymond war am Tag der Ausschaffung dabei. Wie geht man mit einem solch tragischen Ereignis um? Ein Schock sei es gewesen, sagt Reymond, und dass er gedacht habe, Joseph simuliere bloss. Das Ganze sei ein Unglücksfall. Doch muss man solche Kollateralschäden einer konsequenten Politik zuliebe hinnehmen? "Das sind Leute, die aus der kriminellen Szene stammen. Man muss streng sein, nur dann kann man offen sein für die wirklichen Flüchtlinge. Heute reden alle nur noch von Asylbewerbern. Aber es gibt auch echte Flüchtlinge", sagt der Asylchef.

 Am System arbeiten

 Raymond ist nicht so einfach in eine Schublade zu stecken. Er hat selbst in Afrika gearbeitet als IKRK-Delegierter und ist heute auch mit einer Afrikanerin verheiratet. Er kennt die subtilen rassistischen Vorurteile, denen dunkelhäutige Menschen in der Schweiz auf Schritt und Tritt begegnen. Und ist trotzdem nicht bereit, Milde walten zu lassen.

 Früher sei er naiver gewesen, ein "Gutmensch", sagt Raymond. Zum Anfang sei das in Ordnung gewesen, aber wenn man etwas verändern wolle, müsse man am System arbeiten, könne nicht immer nur brav sein. Dies hat zur Folge, dass man sich auch persönlich verändert. Besonders, wenn man so motiviert ist wie Reymond. "Er geht keinem Streit aus dem Weg. Sei süchtig nach Gefahr", heisst es im Film.

 Die grosse Stärke des Doks ist, dass er nicht nur ein Porträt Reymonds zeichnet, sondern auch aufzeigt, wie dieser während des turbulenten ersten Amtsjahres Schritt für Schritt in die Aufgabe hineinwächst. Karin Bauer stellt kritische Fragen und lässt sich nicht so leicht abwimmeln. "Als ich die Mutter des Toten sah, da war ich sehr berührt", sagt er. "Warum dann nicht auf Gewalt verzichten?", fragt die Reporterin. "Das ist unrealistisch", antwortet Reymond. "Also würden sie weiterhin einstehen für Todesfälle?" "Im Extremfall ja."

 Die andere Seite des Problems

 Aber der Film zeigt auch die andere Seite des Asylproblems, die komplizierten politischen Hintergründe, die Menschen und Schicksale, die dahinter stehen. Angesichts dieser Verhältnisse verbieten sich simple Schuldzuweisungen. Wir treffen nigerianische Politiker, die mit der Schweiz neue Verträge wegen der Rückschaffungen aushandeln müssen. Wir treffen aber auch Asylbewerber Mark Badimele, ein verurteilter Chügelidealer. "Die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen, sind oft die Drogen. "Wir lernen hier Drogen zu verkaufen, aber nicht zu arbeiten", sagt er und schiebt damit die Verantwortung für die Schweizer Probleme mit nigerianischen Dealern den Schweizern zu. Und ein weiterer Chügelidealer, der wegen der gestoppten Rückschaffungsflüge nach kurzer Haft wieder freikommt meint lapidar: "Ich weiss nicht, was passiert ist. Ich überlasse alles dem Herrgott." Dann macht er sich auf den Weg zurück ins Asylheim.

 Nach einem Jahr Weibeln auf dem politischen Parkett fällt am 5. November bei einer Sitzung mit einer nigerianischen Delegation die Entscheidung, ob die Ausschschaffungs-Flüge nach Nigeria wieder aufgenommen werden können. Reymond braucht dringend einen Erfolg, der Druck ist gross vor der Verhandlung. Was agenau am tag der Verhandlung hinter den Kulissen geschieht, und warum kritische Fragen plötzlich nicht mehr erwünscht sind, zeigt der Film.

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DOK sf.tv 16.12.10

Der Asylchef und die Nigerianer

Die harte Tour im Flüchtlingswesen

Ein Film von Karin Bauer
http://videoportal.sf.tv/video?id=73563cc5-d464-40cc-87e6-4ffd92709abc

Alard du Bois-Reymond ist angetreten, die strengen Asylbestimmungen durchzusetzen. Doch es läuft schief: Ein Nigerianer stirbt bei der gewaltsamen Ausschaffung. Und der Chefbeamte sagt, ein grosser Teil der nigerianischen Asylbewerber sei kriminell. Alard du Bois-Reymond wird zum Buhmann von links und rechts. Ein Asylkrimi über Stolz und Vorurteil, über das Verhältnis zwischen weiss und schwarz. - Nach der Sendung können Sie im DOK-Forum mitdiskutieren über die harte Tour im Flüchtingswesen.
http://www.sf.tv/sendungen/dok/forum/index_overview.php

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sf.tv 16.12.10

Zwangsausschaffungen nach Nigeria in Frage gestellt

sf/from

 Die nach einem Todesfall gestoppten Ausschaffungsflüge nach Nigeria sollen im Januar wieder starten. Auf der nigerianischen Botschaft aber heisst es, Zwangsmassnahmen wie Fesseln und Helme würden nicht mehr akzeptiert. Dies zeigt der Dokumentarfilm "Der Asylchef und die Nigerianer".

 Der Ankündigung der Wiederaufnahme der Ausschaffungsflüge nach Nigeria ist ein monatelanges Seilziehen voraus gegangen. Der "DOK" zeigt die Höhen und Tiefen des ersten Amtsjahres von Alard du Bois-Reymond, Direktor des Bundesamts für Migration BFM.

 Angespanntes Verhältnis zu Nigeria

 Im März stirbt der abgewiesene nigerianische Asylbewerber Joseph Chiakwa bei der Fesselung für den Ausschaffungsflug. Der Todesfall warf in der nigerianischen Botschaft in der Schweiz erhebliche Wellen. Als BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond drei Wochen danach einen grossen Teil der nigerianischen Asylbewerber als kriminell bezeichnet, setzt er die Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung über ein Rückübernahmeabkommen für Asylbewerber aufs Spiel.

 Der nigerianische Staatssekretär Martin Uhomoibhi dazu: "Ich dachte, dass da jemand neu in seinem Job ist. Menschen haben das Recht, ihre Meinung zu ändern." Im Juli verhandelt der BFM-Direktor zwei Tage lang mit nigerianischen Regierungsvertretern in Abuja. Zuvor hat die Schweizer Regierung der Familie des Toten 50‘000 Franken bezahlt. Als humanitäre Geste, wie das BFM damals sagte. Aber nicht nur, wie der "DOK"-Film zeigt.

 Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Nigeria war angespannt, laut du Bois-Reymond überwies das BFM die Summe auch, um eine Blockade bei den Verhandlungen zu verhindern.

 1000 Arbeitsbewilligungen gefordert

 Auch bezüglich einer weiteren Abmachung zwischen der Schweiz und Nigeria besteht noch weiterer Klärungsbedarf. Für die Rücknahme von abgewiesenen nigerianischen Asylbewerbern bietet die Schweiz Ausbildungsplätze. Die Nigerianer aber fordern Arbeitsbewilligungen für bis zu 1000 Personen.

 Du Bois-Reymond: "Als ich von der Quote hörte, dachte ich, das wird schwierig, das können wir nicht bieten. Ich war erstaunt, wie schnell die Nigerianer darauf eingestiegen sind. Sie mussten ganz weit von ihrer Anfangsforderung herunterkommen."

 Fesselung verletzt Menschenwürde

 Anfangs November treten Martin Uhomoibhi und Alard du Bois-Reymond vor die Presse und erklärten, dass die Ausschaffungsflüge nach Nigeria im Januar wieder starten. Auf Rückfrage teilte der Botschaftsangestellte Okee Nze aber mit, Zwangsmassnahmen wie Helme und Fesseln würden künftig nicht mehr akzeptiert. Das widerspreche der Menschenwürde.

 Alard du Bois-Reymond spricht von Einzelmeinungen und bleibt zuversichtlich, dass Zwangsausschaffungen weiterhin stattfinden.

 "Der Asylchef und die Nigerianer", heute abend, 20.05 auf SF1

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Bund 13.12.10

Die Flüchtlingshilfe will beim Ausschaffen helfen

 Der Bund sucht Beobachter bei Ausschaffungen. Die Flüchtlingshilfe möchte den Job. Doch das Bundesamt für Migration verhindert ihr Mitwirken.

 Verena Vonarburg

 Die Schweizerische Flüchtlingshilfe bewirbt sich um ein für sie äusserst heikles Mandat. Sie will ab kommendem Jahr die neue unabhängige Stelle sein, die vor Ort zum Rechten schaut, wenn der Bund ausgewiesene Ausländer mit Sonderflügen zwangsweise in ihre Heimat zurückschafft.

 Seit ein Nigerianer im letzten Frühling starb, sind Zwangsausschaffungen noch schwieriger geworden. Beat Meiner, Generalsekretär der Flüchtlingshilfe, ist sich der Brisanz der Beobachterfunktion durchaus bewusst: "Wenn wir als Flüchtlingshilfe diese Aufgabe übernähmen, hätten wir keine Garantie, dass in Zukunft nichts mehr passiert. Es hiesse dann: mitgegangen, mitgehangen." Sowohl das Schweizerische Rote Kreuz wie auch Amnesty International haben denn auch kein Interesse bekundet, die Rolle der Überwacher bei Ausschaffungen zu spielen.

 "Offenbar will man uns nicht"

 Trotzdem bemüht sich der Generalsekretär der Flüchtlingshilfe intensiv um den Job. "Wir fordern eine solche Beobachtung seit vielen Jahren. Jetzt, wo sie endlich kommt, muss man auch parat sein, um die Verantwortung zu übernehmen."

 Allerdings müssten die Behörden bei den Ausschaffungen eng mit der Flüchtlingshilfe zusammenarbeiten und "keine übermässige Gewalt mehr anwenden". Eine Alibifunktion wolle man nicht einnehmen.

 Die Flüchtlingshilfe habe schon seit langem ihr Interesse an der Überwachungsarbeit bekundet, sagt Meiner. Nun meldet sie sich in diesen Tagen auch noch auf eine Stellenausschreibung des Bundesamts für Migration. Das Inserat ist aussergewöhnlich. Normalerweise greift man für ein solches Mandat nicht zum Mittel einer Zeitungsannonce. Doch die Zeit drängt, denn das Monitoring bei Zwangsrückführungen muss schon ab dem 1. Januar installiert sein. Eine für die Schengenstaaten verbindliche Richtlinie der EU von 2008 verlangt: "Die Mitgliedstaaten schaffen ein wirksames System für die Überwachung von Rückführungen."

 Warum also die Zeitnot der Bundesbehörden, wo doch die Flüchtlingshilfe seit geraumer Zeit zur Verfügung stünde? Für den Flüchtlingshilfe-Generalsekretär kommt nur eine Erklärung infrage: "Offenbar will man uns nicht." Man habe schon mehrfach Gespräche geführt: mit der früheren Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf und dem Direktor des Bundesamts für Migration, Alard du Bois-Reymond. "Die Signale waren nie so, dass wir das Gefühl hatten, wir wären willkommen."

 Start mit einem Provisorium

 Die Flüchtlingshilfe habe aber auch nie eine klare Absage erhalten. "Man hat uns einfach hingehalten." Meiner stört zudem, dass du Bois-Reymond öffentlich geklagt habe, man finde keine Organisation, die bereitstünde. Und nun das Inserat: Es sei so formuliert, dass die Flüchtlingshilfe ausgeschlossen werde, kritisiert Meiner. Der Bund verlangt, die Interessenten dürften "keine weiteren Mandate von Bundes- und kantonalen Stellen im Migrationsbereich" innehaben. Die Flüchtlingshilfe hat jedoch seit langem ständige Mandate des Bundes. Und diese wolle und könne man auf keinen Fall aufgeben, so Meiner. Die Unabhängigkeit vom Bund sei dadurch auch nicht tangiert, glaubt Meiner. "Wir sind eine glaubwürdige und zudem breit abgestützte Stimme der Zivilgesellschaft."

 Angesprochen auf die Voraussetzung, dass der Leistungserbringer keine weiteren Mandate innehaben darf, bestätigt Marie Avet, Sprecherin des Bundesamts für Migration, dass die Flüchtlingshilfe "in dem Sinn nicht infrage kommt". Es liege aber grundsätzlich an den Bewerbern, darzulegen, wie sie das Kriterium der Unabhängigkeit erfüllten.

 Eine definitive Monitoring-Lösung auf den 1. Januar ist nicht mehr realistisch. Man behilft sich mit einem Provisorium: Mitglieder der Anti-Folter-Kommission fliegen einstweilen mit.

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Bund 13.12.10

Nackter Protest gegen Ja zu Ausschaffungsinitiative

 Ein nacktes Paar demonstrierte am Samstagnachmittag vor dem Bundeshaus gegen das Ja des Volkes zur Ausschaffungsinitiative. "Wir schämen uns bis auf die Haut", stand auf Plakaten. Ihre Körper hatten der Mann und die Frau mit roter Farbe und Schweizerkreuzen bemalt.(pd/st)

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SEXWORK
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NLZ 20.12.10

Kanton will Gesetz für Bordelle
 
Luzern

 Bessere Arbeitsbedingungen für Prostituierte, Bewilligungspflicht für Salonbetreiber: Der Kanton prüft, dies in einem neuen Gesetz zu regeln.

 red. Ausbeutung, Probleme mit Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen, schlechte Arbeitsbedingungen in den Sexbetrieben: Dagegen will der Kanton Luzern vorgehen. Wie Recherchen unserer Zeitung zeigen, klärt das Justiz- und Sicherheitsdepartement ab, ob ein eigenes Prostitutionsgesetz erlassen werden soll, wie dies andere Kantone bereits kennen. Auch weitere Massnahmen, für die es kein Gesetz braucht, werden geprüft. Im Kanton sind schätzungsweise 380 bis 400 Prostituierte tätig.

 Fachleute sind kritisch

 Neu soll Folgendes geregelt werden: Betreiber von Saunaclubs, Studios oder Salons sollen eine Bewilligung beantragen müssen. Diese würde nur an Leute ausgestellt, die keinen Eintrag im Strafregister haben und die verschiedene Auflagen einhalten. So müssten etwa hygienische Mindestauflagen erfüllt und die Zimmer zu marktüblichen Preisen vermietet werden. Anders als in Luzern ist im Kanton Zug kein solches Gesetz geplant.

 Prostitutionsgesetze stossen bei Stellen, welche Betroffene beraten, auf Kritik. Birgitte Snefstrup von der Aids-Hilfe Luzern etwa sagt: "Die Gesetze werden zum Schutz der Frauen eingeführt, bewirken aber oft genau das Gegenteil."

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Erhält Kanton Luzern bald ein "Bordellgesetz"?

Prostitution

Barbara Inglin

 Immer mehr Kantone führen ein Prostitutionsgesetz ein. Nun prüft auch Luzern diese Option. Die Gesetze sind jedoch umstritten.

 Im Kanton Luzern sollen Betreiber von Salons, Saunaclubs und Studios künftig eine Bewilligung einholen müssen. Dies geht, wie Recherchen unserer Zeitung zeigen, aus einer Situationsanalyse hervor, die das Justiz- und Sicherheitsdepartement erstellt hat. Eine Bewilligung soll an bestimmte Auflagen geknüpft werden, so etwa hygienische Mindestanforderungen an die Zimmer, marktübliche Mietzinsen und Informationen für die Sexarbeiterinnen.

 Prostituierte besser schützen

 Auch die Barbetreiber selber müssen gewisse Anforderungen erfüllen. Sie dürfen zum Beispiel keinen Eintrag im Strafregister haben. Die Arbeitsbedingungen und der Schutz der Prostituierten sollen damit verbessert werden. Für die Umsetzung dieser Vorschläge braucht es gesetzliche Regelungen, beispielsweise in einem Prostitutionsgesetz oder durch zusätzliche Bestimmungen im Gastgewerbegesetz.

 In Westschweiz bereits verbreitet

 Der Kanton Tessin und die meisten Westschweizer Kantone haben bereits solche Prostitutionsgesetze erlassen, in Bern läuft die Vernehmlassung. Auch Schwyz überlegt sich ähnliche Schritte (siehe Kasten). "Das hat uns dazu bewogen, in Luzern den Handlungsbedarf zu klären", sagt Madeleine Meier, Zuständige für Aussenbeziehungen und Projekte beim Justiz- und Sicherheitsdepartement Kanton Luzern. "Es hat sich gezeigt, dass es immer wieder Probleme gibt in den Bereichen Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen, Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, Information und Beratung, Arbeitsbedingungen in den Sexbetrieben und Ausbeutungssituationen." Gemäss Schätzung arbeiten zwischen 380 und 400 Prostituierte im Kanton, über 90 Prozent stammen aus dem Ausland.

 "Dass die Situation für die Sexarbeiterinnen mit Regelungen zur Ausübung der Prostitution verbessert werden soll, ist unbestritten", sagt Meier. "Kontrovers diskutiert wurde am ‹runden Tisch Frauenhandel› vor allem die Frage nach der Registrierung der Sexarbeiterinnen respektive der Einführung einer Meldepflicht." Eine solche ist in den meisten Prostitutionsgesetzen vorgesehen.

 "Gesetze bewirken oft Gegenteil"

 Kritisch ist Birgitte Snefstrup, Leiterin der Aids-Prävention im Sexgewerbe der Aids-Hilfe Luzern: "Die Gesetze werden zum Schutz der Frauen eingeführt, bewirken aber oft genau das Gegenteil. Die Gesetzgeber in den betreffenden Kantonen sehen in der Registrierung der Sexarbeiterinnen ein Instrument gegen Frauenhandel. Eine Frau kann aber durchaus registriert sein und sich dennoch unter Zwang prostituieren."

 Ein Problem sei die Registrierung auch für Frauen, die aufgrund ihrer Herkunft keine Arbeitsbewilligung erhalten. "Sie werden damit zusätzlich von ihren Hintermännern abhängig." Zudem: "Eine Registrierung ist diskriminierend für Frauen, die in diesem legalen Gewerbe tätig sind. Auch punkto Datenschutz ist die Praxis fragwürdig."

 Teure Businesspläne

 Auch für ausländische Frauen, die nur als Selbstständigerwerbende eine Bewilligung für das Sexgewerbe bekommen, bringen die neuen Gesetze zusätzliche Schwierigkeiten. "Sie müssen meistens für eine Bewilligung einen Businessplan in einer Landessprache vorlegen und sind damit oft überfordert. Diese Businesspläne müssen sie dann zum Teil teuer einkaufen", sagt Snefstrup. Ein weiteres Problem sei die Wohnungsmiete. "Wohnungen, die für Sexarbeit vermietet werden, sind in der Regel sehr teuer. Die Frauen teilen sich deshalb eine Wohnung und erhöhen dadurch auch ihre Sicherheit."

 In einigen Kantonen schliessen neu Wohngemeinschaften aber eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus; die Frauen können nur auf der Strasse anschaffen, da sie für die hohen Mieten alleine nicht aufkommen können. "Für eine Verbesserung sollten die Massnahmen auf Unterstützung und rechtliche Gleichstellung zielen" sagt Snefstrup.

 Netzwerk Prokore übt Kritik

 Das nationale Netzwerk Prokore, das sich für die Interessen von Prostituierten einsetzt, schreibt in einer aktuellen Mitteilung zum "Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Sexarbeiterinnen": "Von den verschiedenen kantonalen Prostitutionsgesetzen geht eine strukturelle Gewalt aus. Sie werden politisch als Schutzmassnahmen für Sexarbeitende begründet, wirken sich aber aus in Form von zusätzlichen Repressionen, Kriminalisierung, Abhängigkeiten und administrativen Hürden, die eine selbstständige Sexarbeit erschweren." Prokore stellt drei Forderungen:

 Sexarbeiterinnen sollen wie alle anderen Berufsleute behandelt werden, dazu gehörten arbeitsrechtlicher Schutz, legale Arbeits- und Aufenthaltsmöglichkeiten, die Wahl, ob sie selbstständig oder als Angestellte arbeiten wollen.

 Administrative Hürden für Arbeitsverträge beziehungsweise für den Nachweis der Selbstständigkeit sollen gesenkt werden,

 Flächendeckend sollen niederschwellige, soziale und unabhängige Beratungsangebote zur Verfügung stehen.

 Im Februar wird entschieden

 Beim kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartement will man die Erfahrungen mit den Prostitutionsgesetzen in den anderen Kantonen evaluieren. "Wir werden sehr genau prüfen, welche Auswirkungen die gesetzlichen Regelungen auf die Sexarbeiterinnen, auf die Lokalbetreiber, aber auch auf den öffentlichen Raum hätten", sagt Madeleine Meier. "Wir prüfen darum auch weitere Massnahmen und Projekte, die ohne ein Gesetz realisierbar sind."

 Zum Beispiel: Ausbau von Informations- und Beratungsangeboten zu den Bereichen Rechte, Gesundheit und Soziales, aufsuchende Sozialarbeit; Schaffung einer kostengünstigen Gesundheitseinrichtung; Durchsetzung des Krankenkassenobligatoriums bei den Sexarbeiterinnen.

 Der Bericht liegt bei Regierungsrätin Yvonne Schärli. Bis im Februar 2011 soll in Zusammenarbeit mit dem Gesundheits- und Sozialdepartement und der Stadt Luzern als Standort der meisten Betriebe über das weitere Vorgehen entschieden werden.

 Barbara Inglin

 barbara.inglin@luzernerzeitung.ch

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 Schwyz will Regelung festlegen

 Zentralschweiz

 bin. In den Zentralschweizer Kantonen Zug, Uri, Ob- und Nidwalden sind zurzeit keine Prostitutionsgesetze in Planung. "Wir haben keine Prostitutionsprobleme bei uns und sehen darum auch keinen Handlungsbedarf", sagt der Zuger Sicherheitsdirektor Beat Villiger.

 Der Schwyzer Regierungsrat wollte Bestimmungen rund um die Prostitution in der geplanten Revision des kantonalen Gastgewerbegesetzes festlegen. Das Parlament ist auf die Vorlage aber aus anderen Gründen gar nicht erst eingetreten. Möglicherweise werden nun die vorgesehenen Regelungen zur Prostitution in einem anderen Erlass eingefügt oder eine spätere Revision des Gastgewerbegesetzes abgewartet.

 Staatliche Bordelle?

 In Basel, Bern und Zürich wird über staatliche Bordelle diskutiert, um die Strichszene auf der Strasse einzudämmen. Dort könnten sich Prostituierte Zimmer mieten und auf Kunden warten. In Luzern bestehen solche Pläne gemäss Stadtrat nicht.

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 Diskussion über staatliches Bordell

 Strassenstrich

 red. In Basel, Bern und Zürich wird über staatliche Bordelle diskutiert, um die Strichszene einzudämmen. Dort könnten sich Prostituierte Zimmer mieten und auf Kunden warten.

 In der Stadt Luzern befindet sich der Strassenstrich im Tribschenquartier. Birgitte Snefstrup, Leiterin der Luzerner Aids-Prävention im Sexgewerbe, sagte im September gegenüber unserer Zeitung: "Die Grundidee von staatlich kontrollierten Bordellen könnte auch in Luzern Sinn machen. Sie würden die Kontrolle über diesen Teil der Prostitution erleichtern." Laufhäuser stünden für mehr Sicherheit und faire Zimmerpreise. Gemäss der Luzerner Stadträtin Ursula Stämmer ist zurzeit allerdings nichts in dieser Richtung geplant

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Prostituierte besser schützen

Schwyz

 bin. Diskussionen um ein Prostitutionsgesetz laufen auch in Schwyz. Laut Ursula Lindauer vom Rechtsdienst des Sicherheitsdepartements bestehe in zwei Bereichen Regelungsbedarf: Erstens sollten die verantwortlichen Betreiber und Inhaber von Gastgewerbebetrieben, die Sexdienstleistungen anbieten oder dulden, zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn beispielsweise gegen Aufenthalts- oder Arbeitsbestimmungen verstossen werde. Andererseits sollten auch Schutzbestimmungen für die Prostituierten aufgenommen werden.

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Kommentar

 In Ruhe prüfen

Karin Winistörfer

Prostitution ist seit je eine Realität. Solange Leute ihre sexuellen Bedürfnisse für Geld befriedigen lassen wollen, gibt es Frauen und Männer, die diese Dienstleistung anbieten. Prostitution ist ein legales Geschäft.

 Schätzungen zufolge bieten im Kanton Luzern rund 400 Personen ihren Körper gegen Geld an. Nicht immer verläuft ihre Arbeit problemlos: Prostituierte werden ausgebeutet und müssen für Zimmer Wucherzinse bezahlen. In manchen Etablissements sind die Arbeitsbedingungen schlecht, viele Frauen haben keine Versicherung bei einer Krankenkasse.

 Dass der Kanton nun prüft, ein Prostitutionsgesetz zu erlassen oder auf anderem Weg Regelungen zu treffen, ist begrüssenswert. Wichtig ist jedoch, genau zu erörtern, ob damit wirklich den Prostituierten gedient ist. Eine Registrierungspflicht allein etwa kann gemäss der Aids-Hilfe Luzern nicht sicherstellen, dass sich Frauen nicht gegen ihren Willen prostituieren müssen.

 Sinnvoll scheint, dass Mietzinse für Zimmer marktüblich sein müssen und hygienische Mindestanforderungen erfüllt werden - das dient auch Freiern. Dass Barbetreiber keinen Strafregistereintrag haben dürfen, ist eine wichtige Vorgabe. Sie kann helfen zu vermeiden, dass schwarze Schafe in der Branche tätig sind.

 Ob Luzern ein eigenes "Bordellgesetz" braucht, muss nun diskutiert werden. Wichtig ist, dass die Auswirkungen von Prostitutionsgesetzen in anderen Kantonen sehr gut untersucht und Fachleute einbezogen werden, die die Bedürfnisse der Anbieterinnen im Sexgewerbe kennen. So lässt sich sicherstellen, dass sich eine neue Regelung positiv für Prostituierte auswirkt.

 Karin Winistörfer

 karin.winistoerfer@luzernerzeitung.ch

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Oltner Tagblatt 17.12.10

"Das volle Programm - das macht 'hundred'"

 Tag gegen Gewalt an Sexarbeitenden. Malgorzata* aus Polen über sich und das Leben als Prostituierte an der Haslistrasse

 Von Urs huber

 20.45 Uhr: Draussen, im leichten Schneegestöber, pulsiert der Verkehr. Nie sonst drängen sich so viele Fahrzeuge an der Haslistrasse wie zur Abend- und Nachtzeit, wenn die Freier auf Beutefang sind. "Olten ist ein guter Ort; ruhig, friedlich und dennoch geschäftig", sagt Malgorzata aus Tomaszêw. Im polnischen Städtchen mit 20 000 Einwohnern hat die 28-Jährige ihre Familie zurückgelassen; andersrum gesagt: ihre drei Kinder im Alter zwischen 8 und 10 Jahren, die nun in der Obhut ihrer Mutter sind. Das Leben ihrer Kinder zu sichern, ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen - das hat Malgorzata in die Schweiz gebracht. "Mit dem Flugzeug", sagt sie. Als sie in Warschau in die Maschine der polnischen Fluggesellschaft LOT stieg, war die Absicht klar: Prostitution. "Das Geschäft läuft gut", bilanziert sie die zurückliegenden vier Monate. So lange nämlich macht sie den Strich in Olten, sieben Tage die Woche, regelmässig ab 19 Uhr. "Ich bleibe stets sechs, sieben Stunden", erklärt sie in rudimentärem Englisch. Englisch hat sie in der Schule gelernt, Deutsch kennt sie nur vom Strich. Und um ihre bescheidenen Kenntnisse anzudeuten, spreizt sie Daumen und Zeigefinger zwei Zentimeter auseinander.

 "Der Beruf ist gefährlich"

 Nein, jemandem zur Prostitution raten würde sie nicht. "Zu gefährlich", sagt sie. Man wisse nie, wie sich ein Freier verhalte. Die allermeisten aber seien friedlich und korrekt, halt am schnellen Sex interessiert. "Ich machs des Geldes wegen", schiebt sie hinterher, erzählt in einem Nebensatz, dass sie bislang zwei Mal über den Tisch gezogen worden sei. Was tun dagegen? Sie zuckt bloss mit der Schulter. Das Tempo im schnellen Sexgewerbe lässt keinen Rückblick zu, das Leben geht weiter. Malgorzata sagt, sie sei zufrieden. An guten, ja sehr guten Tagen bedient die Polin bis zu 20 Freier. "Too much", sagt sie, lächelt. Zu viele klar, aber eben, das Geld. Dann streift sie die Zigarettenasche ins Papiertaschentuch, welches sie - zu einer Schale geformt - in den Händen hält. In der Absteige nahe der Haslistrasse, für die sie täglich 50 Franken bezahlt, gibts keinen Aschenbecher; nur Papier- und Frotteetücher, eine mit einem mittelblaufarbenen Fixleintuch überspannte Liege. Blinkende Rotlichter sorgen für schummrige Atmosphäre und unter der Tür wirkt die leise Zugluft von draussen. Dann öffnet sie den Reissverschluss am Stiefelschaft und holt ihren Ausweis hervor, den sie hütet wie ihren Augapfel. Er bescheinigt die Aufenthaltsbewilligung B. Vor Polizeikontrollen, die nach ihrer Einschätzung relativ häufig durchgeführt werden, fürchtet sie sich nicht. Die Illegalen dagegen schon und von denen gebe es welche an der Haslistrasse.

 Volles Programm für einen "Blauen"

 Malgorzatas Freier haben die Wahl. Sie redet ungeniert, aber nicht druckreif darüber. "Das volle Programm - das macht <hundred>", sagt sie trocken, fast mechanisch. Sie sagt <hundred>, typisch für Menschen des Ostens: halb Englisch, halb Strichdeutsch. Wer nicht alles will, zahlt zwischen 50 und 80 Franken, je nach Vorstellung des Freiers. Die Preise sind unter den Prostituierten abgesprochen; die Erfahrensten - wer am längsten dabei ist - geben dabei den Ton an. Manchmal komme es zwar trotzdem zu Streitigkeiten. "Aber nicht der Preise wegen, sondern weil die eine der andern den beruflichen Erfolg nicht gönnen mag", sagt Malgorzata.

 Die Polin arbeitet mit Perücke, Strichname und nur mit Kondom. Ihre rigorose Haltung auf die entsprechende Frage bezüglich Letzterem lässt Konsequenz vermuten. "Ich habe drei Kinder in Polen. Für die muss ich sorgen. Eine Krankheit wäre das Ende", sagt sie und verwirft die Hände. Man versteht. Sie sagt: "In zwei Jahren ist Schluss; dann beginnt wieder ein normales Leben." In ihrer Heimat? "Ja", sagt sie. Schwierig zu sagen ob sie dies auch glaubt. Denn wie für die Polin ein normales Leben konkret aussieht, vermag sie nicht zu erklären.

 Die Perücke dagegen trägt sie zur Tarnung, privat will sie keinesfalls als Prostituierte erkannt werden und den Strichnamen mit vier Buchstaben hat sie sich aus Effizienzgründen einfallen lassen. "Er ist kurz, den kann man im Kopf behalten", lächelt sie. Die Namen ihrer Freier hingegen weiss sie nicht oder will sie nicht wissen. "Wir, der Kunde und ich, sprechen wenig, eigentlich gar nichts. Wir machen das Geschäft, fertig." Innert einer halben Stunde ist die Sache erledigt, draussen kurven schon weitere potenzielle Männer über die Haslistrasse. Männer wohl jeder Nationalität, vermutet Malgorzata. "Die Wochenenden sind jeweils besonders gut fürs Geschäft", sagt die Polin. Ob sie sich jemals in einen Freier verliebt habe? "Verliebt?", fragt sie zurück, ob der Romantik schon fast entsetzt. "Never - nie."

 Schlafen, schlafen, schlafen

 Wenn Malgorzata nicht den Strich macht, schläft sie. "Schlafen, schlafen, schlafen" sagt sie in Deutsch. Die Frage nach einem Hobby mutet schon fast grotesk an. "Geine" radebrecht sie. Und daneben? Sie telefoniere täglich mit ihrer Mutter, ihren Kindern, schicke Geld nach Hause. Die Familie dürfe nicht wissen, auf welche Art sie das Geld verdiene. Zu Hause ist man - wie in Polen üblich - katholisch. Polnische Freunde helfen ihr bei dieser Maskerade und machen die Familie in Tomaszêw glauben, Malgorzata arbeite im Gastgewerbe. Während zweier Monate ging die dreifache Mutter übrigens auch in Polen auf den Strich. "Ich musste immer aufpassen, dass mich dabei niemand aus meiner Familie sieht", blickt sie zurück.

 Ein bisschen freie Schulter, die Betonung der Beine und Hüften: Attribute am Strassenrand, die den Erfolg auf dem Strich optimieren helfen? Malgorzata nickt. Zwar mache Sommer oder Winter keinen grossen Unterschied im Geschäft aus, aber der Sommer eigene sich eben schon besser, um die eigenen körperlichen Vorzüge zu präsentieren. Man müsse "nice", hübsch sein eben. Ob sie sich hübsch finde beim Blick in den Spiegel? Malgorzata lächelt unter ihrer schwarzfarbenen künstlichen Haarpracht. "Yes", sagt sie fast schon heiter. In zwei Jahren will sie zurück sein, in Polen.

 *Name der Redaktion bekannt

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 Zum 17. Dezember

 Der 17. Dezember als Internationaler Tag gegen Gewalt an Sexarbeitenden wird seit 2003 begangen. Auslöser war der Prozess gegen den so genannten "Green River Killer" Gary Leon Ridgway in der US-amerikanischen Stadt Seattle, dem 48 Morde, vor allen an Prostituierten, nachgewiesen werden konnten und der seine Taten als "Karriere" bezeichnete. Ridgway erhielt den Spitznamen, weil er seine Opfer stets in der Nähe des Green River, dem grössten Nebenfluss des Colorado River, deponierte. Die Geschichte rund um die Morde wurde unter anderem im Film "The Riverman" (2004) nacherzählt. (mgt/hub)

 ProKoRe

 ProKoRe vernetzt 21 Organisationen, Projekte und Einzelpersonen in der Schweiz. Zu ihnen gehört auch der Frauenbus Lysistrada aus Olten. Ziel ist die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden. Zu diesem Zweck soll das Thema Prostitution kollektiv reflektiert werden. ProKoRe macht am diesjährigen Tag gegen Gewalt an Sexarbeitenden auf die strukturelle Gewalt aufmerksam, welche von den verschiedenen kantonalen Prostitutionsgesetzen ausgeht. Sie werden politisch als Schutzmassnahme für Sexarbeitende begründet, wirken sich aber aus in Form von zusätzlicher Repression, Kriminalisierung, Abhängigkeiten und administrativen Hürden, die eine selbstständige Sex-arbeit erschweren. (mgt/otr)

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SQUAT FR
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La Liberté 22.12.10

Occupation de la chassotte

 Les squatteurs réfutent les accusations du syndic

 Samuel Jordan, avec NM

 "Nous rejetons vivement les accusations farfelues et mensongères tenues dans la presse par Monsieur le syndic de Granges-Paccot, René Schneuwly." Par cette prise de position, le collectif Raie Manta monte aux barricades et réagit à un article paru il y a une semaine dans "La Liberté".

 Dans l'article en question, René Schneuwly blâmait les squatteurs - lors de l'occupation de la Chassotte - d'avoir percé le toit de la chapelle "à l'arrache" pour se créer une issue par le haut. Et d'avoir ainsi permis à la pluie de se frayer un passage et d'endommager le parquet de la chapelle, classé en catégorie B par le Service des biens culturels. "Réparer les dégâts au toit et protéger les bâtiments contre de nouvelles dégradations coûtera 100 000 fr.", avait alors expliqué le syndic.

 Pour rappel, le collectif Raie Manta a brièvement occupé le bâtiment de la Chassotte le 8 décembre (voir "LL" du 9 décembre). Il y a passé quelques heures, avant d'en être délogé manu militari par la police.

 Selon le collectif, il s'agit de plaintes fallacieuses. "Quand nous sommes arrivés dans la chapelle, le trou était déjà existant. Nous n'avons jamais envisagé de nous faufiler par le trou pour monter sur le toit. Avec la pluie battante, cela aurait été du suicide. Au contraire, nous nous sommes réfugiés sur une coursive plate extérieure par une fenêtre." Et de poursuivre: "Il aurait été absurde de notre part de saboter un bâtiment dans lequel nous envisagions de faire vivre nos projets, d'autant plus que nous avions aussi pleinement conscience que certaines ailes du bâtiment étaient classées."

 Le groupe de squatteurs va encore plus loin et de victime se fait accusateur. Il déplore l'état de décrépitude avancé du bâtiment: "Il nous paraît évident que les hurlements médiatiques des autorités ne visent qu'à dissimuler le sabotage spéculatif dont est victime la Chassotte depuis plusieurs années de la part des communes propriétaires (ndlr. Granges-Paccot et Givisiez). Ces dernières font porter à notre collectif l'entière responsabilité de leurs propres agissements."

 Des philippiques qui ne troublent pas trop le sommeil du principal visé, René Schneuwly: "Lors de l'occupation de la Chassotte, il y a eu effraction d'un bâtiment dont nous sommes propriétaires. Il est évident que ce sont nous les lésés. Il est déplacé de nous transformer en coupables."

 Pour ce qui est de la question du dommage au toit de la chapelle et de l'ampleur des dégâts, le syndic de Granges-Paccot ne veut pas faire de surenchère: "Moi-même je n'étais pas sur place. Je tiens ces informations de plusieurs sources. De toute manière une plainte a été déposée, une enquête sera faite et fera la lumière sur les événements exacts qui se sont déroulés à la chapelle." Il botte également en touche les reproches qui concernent l'état du bâtiment. A l'entendre, il n'y a de loin pas péril en la demeure. Et il est normal que l'état d'un bâtiment qui n'est plus chauffé, ni occupé, ne s'améliore pas. Au contraire.

 Le son de cloche est sensiblement le même du côté de la commune de Givisiez. "C'est le juge qui déterminera si les dommages sont consécutifs à l'occupation des squatteurs ou non. Il faut quand même dire que le bâtiment a toujours fait l'objet de contrôles réguliers par la police intercommunale avant l'occupation des squatteurs. Les forces de l'ordre n'avaient jusqu'alors pas constaté de présence de trou dans le toit", répond Didier Carrard, conseiller communal.

 Située sur le territoire de Givisiez, la Chassotte, autrefois siège d'une école internationale renommée, appartient à part égale à cette dernière et à Granges-Paccot. Il y a quelques années, les deux communes sarinoises avaient racheté l'imposant bâtiment - idéalement situé sur une parcelle de 30 000 m2 - à une banque qui l'avait elle-même acquis lors d'une vente aux enchères. Le bâtiment est vide depuis plusieurs années. "Nous attendons de le réserver pour un projet de qualité", justifient les deux communes.

 A noter encore qu'à la suite des derniers épisodes, le collectif Raie Manta va enfin sortir du bois aujourd'hui. "Pour tordre le cou aux idées reçues" selon la formulation de son communiqué, le collectif Raie Manta invite "tous les citoyens, politiciens, journalistes, propriétaires, squatteurs" à un apéro-discussion. I

 Ce soir, dès 17 heures, café de l'Ancienne Gare à Fribourg.

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Freiburger Nachrichten 15.12.10

Besetzer mit wenig Sinn für historisches Gebäude

 Bei seiner letzten Besetzung im Chassotte-Gebäude hat das Kollektiv Raie Manta beträchtlichen Schaden angerichtet.

 Pascal Jäggi

 Givisiez Die rund 100-jährige Kapelle im Chassotte-Gebäude hat einiges abgekriegt beim "Besuch" des Kollektivs Raie Manta am letzten Mittwoch. Verschmierte Fresken, umgedrehte Kreuze, Schäden an Fenstern und Türen und einen Wasserschaden konstatierte Gemeinderat Didier Carrard bei einer Besichtigung. "Da ging es nur um Zerstörung, nicht darum, sich dauerhaft einzurichten", meint Carrard gegenüber den FN.

 Vor allem der Wasserschaden könnte teuer werden. Offenbar haben die Besetzer Teile des Vordachs als Barrikaden missbraucht, mit dem Resultat, dass Schnee und Wasser ins Innere drangen. Beziffern kann Carrard die Schäden noch nicht, die Gemeinde sei noch dabei, das Ausmass abzuschätzen, sagt er. Zusammen mit dem Einsatz der Kantonspolizei zur Räumung der Chassotte rechnet er aber mit einigen zehntausend Franken, die der Steuerzahler berappen muss. "Wir haben eine Strafanzeige eingereicht und versuchen auf jeden Fall unsere Ausgaben zurückzuholen", versichert der Gemeinderat. Für Raie Manta ist das bereits die vierte Strafanzeige.

 Den Vorwurf, dass die Chassotte jahrelang leer stand, lässt Carrard nicht gelten. "Der letzte Mieter, die orthodoxe Kirche, hat das Gebäude erst vor kurzem verlassen", erklärt er. Aus Sicherheitsgründen, wie er betont. "Die Kosten, um alles benutzbar zu machen, sind enorm", fährt Didier Carrard fort. Auch deshalb hätte dem Maison des Artistes vor einiger Zeit eine Absage erteilt werden müssen. Projekte gebe es durchaus, hält Carrard fest. Einen baldigen Verkauf will er nicht ausschliessen.
    
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La Liberté 15.12.10

Une facture estimée à 100 000 francs

Squat de la chassotte - Lors de sa brève occupation, le collectif Raie Manta a percé la toiture de la chapelle, sous une pluie battante. Le bâtiment est classé. Le syndic de Granges-Paccot s'est mis en colère.

 Antoine Rüf

 Il est rare que le syndic de Granges-Paccot René Schneuwly s'énerve en assemblée communale. C'est arrivé lundi, quand un citoyen tout pétri de bonnes intentions est intervenu pour défendre les squatteurs du collectif Raie Manta, évacués manu militari mercredi dernier, après quelques heures d'occupation.

 "Ces jeunes sont des provocateurs. Leur occupation était une pure provocation du préfet et de la police. Ce qu'il faut savoir, c'est qu'en deux heures et demie, ils ont réussi à casser le toit de la chapelle pour se créer une issue par le haut. Il pleuvait à verse. Le parquet, un des éléments intérieurs qui présentait le plus d'intérêt de cet ensemble, classé en catégorie B par le Service des biens culturels, a été endommagé. Pour jouer!", s'est indigné René Schneuwly.

 Toit percé "à l'arrache"

 "Ils parlent de droit et de liberté, mais ils ne respectent pas la propriété, qui est aussi un droit constitutionnel. Réparer les dégâts au toit et protéger les bâtiments contre de nouvelles dégradations coûtera 100 000 francs", a expliqué le syndic à l'assemblée communale. La réparation du toit, qui a été perçé "à l'arrache", sans souci des règles de l'art, sera chère, avertit-il.

 Ni eau, ni chauffage

 Pour le conseiller communal Jean-Marie Chardonnens, qui s'occupe des bâtiments pour Granges-Paccot, ce montant dépasse effectivement les dommages causés, et comprend les autres mesures qui devront être prises pour éviter que les bâtiments se dégradent davantage, et surtout qu'ils soient à nouveau l'objet d'occupations sauvages.

 "Il y avait une alarme sonore. Ils l'ont coupée. Actuellement, nous avons dû faire appel à Securitas pour surveiller le site. Il y en a pour 22 000 francs." Qui s'ajoutent aux frais de protection.

 Quant au confort de la Chassotte, il est aujourd'hui minimal: il n'y a plus de chauffage, l'eau a été coupée pour éviter des fuites dans le réseau interne, il n'y a plus d'électricité dans la plus grande partie des trois bâtiments. "On va peut-être enlever les fenêtres et les bâcher pour qu'il fasse aussi froid dedans que dehors, hasarde Jean-Marie Chardonnens, ancien gendarme, impressionné par le degré de préparation et l'équipement des squatteurs.

 Suites civiles

 Pour le syndic et avocat René Schneuwly, il n'y a guère de doute que les communes de Givisiez et Granges-Paccot, propriétaires de la Chassotte, qui ont déjà déposé une plainte pénale, se porteront partie civile pour faire payer aux squatteurs au moins la réparation des dégâts qu'ils ont causés.

 En effet, les bâtiments étant actuellement classés et les communes ne sachant pas encore ce qu'elles vont faire de cette vaste parcelle de 30 000 m2 fort bien située, elles doivent les maintenir au moins dans leur état actuel. "En tout cas jusqu'à ce qu'on ait un projet", conclut le syndic.

 Le conseiller communal de Givisiez Didier Carrard ne confirme pas le montant: les entreprises sont en train d'estimer les dégâts, qui sont importants: la sous-toiture est à refaire, la toiture devra être partiellement retuilée, dans un environnement compliqué par les barricades des squatteurs. Quant au parquet et aux fresques, ils ont bien souffert des ruissellements d'eau.

 "L'évolution des dégâts dépendra de la météo jusqu'à ce que l'on ait pu remettre le bâtiment hors d'eau", précise le conseiller. Il ajoute que la chapelle endommagée, partie la plus intéressante de l'ensemble, date de plus d'un siècle.

 Pour Didier Carrard, les frais d'intervention de la police risquent d'être élevés. Plus même que les frais de réparation proprement dits. Il n'exclut pas que les communes propriétaires doivent les prendre en charge en cas d'insolvabilité des squatteurs.

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COMMENTAIRE

 Le silence du préfet

 Samuel Jordan

 Vendredi, les squatteurs ont rencontré pour la première fois le préfet de la Sarine, Carl-Alex Ridoré. Leur objectif? Présenter en haut lieu leurs revendications et leur projet culturel. Comment s'est déroulé le rendez-vous? "Bien", répond laconiquement le préfet. Qu'en est-il ressorti? "Je ne souhaite pas me prononcer sur le sujet", poursuit-il. Mais encore? Existe-t-il une solution? N'est-il pas fatigué de jouer au chat et à la souris avec des squatteurs qui ont investi quatre immeubles en deux mois? Comment faire pour prévenir de nouveaux dégâts? Comment mettre fin à une histoire qui prend des airs de mauvais feuilleton, genre "Squatter break"?

 Des questions qui restent désespérément sans réponse: "Ce n'est pas mon rôle de commenter chaque épisode du collectif Raie Manta. Mon rôle dans cette affaire est d'ordre sécuritaire." Une réaction que l'on peine à comprendre, quand on sait que le préfet est également investi d'une mission culturelle.

 On l'aura compris, l'activisme puéril et jusqu'au-boutiste du collectif Raie Manta devient une véritable épine dans le pied de Carl-Alex Ridoré, surtout moins d'un an avant les élections de novembre 2011. Son manque d'envie de communiquer sur la question et de partager son appréciation sur le dossier en est une preuve criante.

 Soit. Mais est-ce vraiment une solution que de se contenter d'envoyer la cavalerie à chaque occupation? D'une part, cela coûte cher au contribuable, et d'autre part ce petit jeu pernicieux finira forcément par mal se terminer. Bien sûr, traiter avec le collectif Raie Manta n'est pas la plus aisée des tâches. C'est tout le contraire d'un cadeau de Noël. Car comment prendre au sérieux des interlocuteurs qui investissent la Chassotte par pure provocation, deux jours avant un rendez-vous fixé de longue date avec le préfet? Comment porter crédit à des individus qui taisent leur nom et refusent d'assumer publiquement la responsabilité de leurs actes et de leur démarche? Comment comprendre des jeunes gens qui désirent mener à bien un projet culturel, tout en bottant en touche toute implication des autorités?

 Bref, entre un groupuscule aux obscures revendications anarchisantes et un préfet qui se contente de jouer au gendarme, il risque fort d'y avoir de la fricassée de raie et de poulet au prochain épisode.

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FREIRAUM SO
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Solothurner Zeitung 15.12.10

Die Initianten der illegalen Party im leerstehenden Druckereigebäude sind ermittelt

 Solothurn Gut fünf Wochen nach den Sachbeschädigungen in einem leer stehenden Gebäude der Vogt-Schild AG stehen die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft offenbar kurz vor dem Abschluss. Die mutmasslichen Organisatoren der Party vom 6. auf den 7. November seien nun bekannt, bestätigte gestern Andreas Mock vom Mediendienst der Kantonspolizei. "Es handelt sich um fünf Personen aus der Region im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, allesamt Schweizer" - und darauf angesprochen, sie seien nicht der regionalen Hausbesetzerszene zuzuordnen, die beispielsweise bereits bei der Besetzung der Anlaufstelle am Dornacherplatz oder der ehemaligen Gloria-Wäscherei in Biberist aktiv gewesen war. Die besagte Party hatte in der Nacht vom Samstag, 6., auf den Sonntag, 7. November, in der leer stehenden Druckerei der Vogt-Schild AG an der Zuchwilerstrasse stattgefunden. In deren Verlauf kam es zu massiven Sachbeschädigungen im Gebäude und an eingelagertem Mobiliar. Ob die Organisatoren gleichzeitig für die Zerstörungen verantwortlich gemacht werden können, liess Mock offen. Die Polizei werde nun gegen mehrere Personen Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten. Die Polizei war damals wegen Inaktivität vor Ort kritisiert worden, was sogar zu einer parlamentarischen Anfrage im Kantonsrat geführt hatte. Die Regierung wies allerdings die Kritik postwendend zurück und lobte sogar das Verhalten der Einsatzkräfte. (pks/ww)

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SQUAT VD
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24 Heures 27.12.10

Clarens - Un Noël royal pour les squatters

Christophe Boillat

 La famille royale de Bahreïn tolérera les dix squatters du collectif Tesla jusqu'au 31   mars. Ils sont installés depuis septembre dans deux villas de la rue du Lac, à Clarens. Après réflexion, les propriétaires ont accepté de ne pas exiger de la justice leur expulsion immédiate. Un contrat de confiance a été passé entre les deux parties. "Cette convention est assortie, outre le réapprovisionnement en eau, du retrait de la plainte pénale déposée contre nous. En conséquence, nous partirons comme promis le 31   mars", affirme une squatteuse. C. BO.

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VELODEMO GE
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20 Minutes 27.12.10

Manif cycliste gardée à l'œil

 Manifestation. La tension monte entre les militants pro-mobilité douce de Critical Mass et la police. En novembre, le défilé s'était terminé à Grange-Canal de manière musclée (jets de pavés, usage de gaz lacrymogène, canon à eau). A quelques jours de la prochaine parade, qui coïncidera avec le Nouvel-An, un participant dénonce des interventions policières disproportionnées: "On constate un changement d'attitude de la police", explique-t-il. "Les dernières éditions ont dérivé sur d'autres sujets que la mobilité douce, réplique Eric Grandjean, porte-parole de la police genevoise. On a adapté notre personnel en fonction de cette évolution." Pour l'édition de vendredi prochain, la police ne prévoit aucun dispositif spécial, mais "si cela tourne au vinaigre, nous dépêcherons des patrouilles en renfort". -Léo

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AUTONOME SOMMERUNI
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Indymedia 11.12.10

Zusammenfassung der autonomen Sommeruni 2010 ::

AutorIn : [denknische] : http://denknischen.ch

Die Autonome Sommeruni hat sich diesen August in Luzern mit der Krise der Linken auseinandergesetzt. Unter dem Titel "Warum heute nicht mehr 68 ist" fanden an fünf Abenden Vorträge und Diskussionen statt.     
    
Es wurde versucht, Kritikmöglichkeiten durch theoretische und empirische Analysen neoliberaler Gesellschaftsformationen auf verschiedenen Ebenen auszuloten. Im Anschluss an die Vorträge wurde dann jeweils nach der Bedeutung dieser Veränderungen für eine linke Kritik gefragt. Denn: Transformierte Strukturen verändern auch die Voraussetzungen und Möglichkeiten einer kritischen Haltung gegenüber diesen Prozessen. Die Autonome Sommeruni suchte in diesen zwei intensiven Wochen eine "Denknische"; von der politischen Arbeit und dem ständigen Drang nach öffentlicher Anerkennung abgelöste Räume, in welchen in Ruhe eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen stattfinden kann.
Die Vorträge und die engagiert geführten Diskussionen gaben aufschlussreiche Einblicke in die verschiedensten Bereiche der vom Neoliberalismus geprägten Gesellschaft und zeigten, vor welchen Problemen kritische Debatten heute stehen. Der Anspruch war dabei nie einen ganzheitlichen Überblick zu geben. Deshalb kann auch diese Zusammenfassung nur in stark verallgemeinerter und gekürzter Form die besprochenen Prozesse und Phänomene skizzieren.

DOWNLOAD der Zusammenfassung als pdf:
http://denknischen.files.wordpress.com/2010/12/zusammenfassung_denknischen.pdf

LINK [denknische]
http://denknischen.ch/

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GASSENKÜCHE
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BZ 24.12.10

Edle Speisen und Geschenke aus der Gassechuchi

 LangenthalWeihnachten für Randständige: Die Gasse-chuchi hat festlich gekocht und Geschenke aufgetischt.

 Kalter Nebel liegt über den dunklen Strassen. Vom Eingangstor der ehemaligen Porzellanfabrik führen Laternen mit flackernden Kerzen zu einem hell erleuchteten Gebäude. Es ist die ehemalige Porzi-Kantine, heute Sitz der Familiengemeinde Langenthal. In dem grossen Saal steht ein geschmückter Weihnachtsbaum. Die Tische sind mit weissen Tischtüchern, roten Sets und grünen Servietten in Form einer Tanne geschmückt; in der Küche ist das Team rund um Hans Ruedi Leuthold am Werk.

 Esther Schönmann, Präsidentin und Gründerin des Vereins Gassechuchi Langenthal, begrüsst jeden Gast persönlich mit einem Händedruck, mit einer Umarmung. Viele Gäste kennt sie seit Jahren. Sie kommen jeweils am Donnerstag zur Essensausgabe für bedürftige Menschen auf den Wuhrplatz oder holen am Mittwoch in Langenthal Lebensmittel ab. "Diese Lebensmittel erhalte ich von der Schweizer Tafel, von der Organisation Tischlein deck dich und von privaten Spendern", erklärt Esther Schönmann.

 Auch bedürftige Familien

 Nicht nur Menschen mit Suchtproblemen sitzen an den geschmückten Tischen. Man hört auch Kinderlachen und -weinen. So sind Marlen-Jasmine und Stephan Charles aus Bützberg mit ihren kleinen Mädchen der Einladung gefolgt. Die junge Mutter deckt sich jeweils am Mittwoch bei Esther Schönmann mit Lebensmitteln ein. "Ich bin keine Sozialhilfe-Empfängerin", betont sie. Ihr Mann - er kommt aus Sierra Leone - suche aber seit langem vergeblich Arbeit. Und sie sei froh, wenn sie ihr schmales Budget mit den Lebensmitteln ergänzen könne.

 Bruno Marti ist mit seinem Bruder und mit Kollegen aus Egerkingen angereist. Der seit längerem arbeitslose Lagerist kommt ursprünglich aus Langenthal und besucht seit einem halben Jahr die Gassechuchi. "Ich werde vom Sozialamt unterstützt, aber das reicht nicht weit." Daher sei er dankbar für die Mahlzeiten, die er von der Gassechuchi erhalte. "Ich habe mich über die Einladung zur Weihnachtsfeier sehr gefreut", sagt der 54-Jährige mit einem Lächeln.

 Kulinarisch und besinnlich

 Der rote Faden des Abends bildet ein fünfgängiges Weihnachtsmenü. Dazwischen bleibt auch Raum für Besinnliches. So stimmt Thomas Lohnke, Pastor der Familiengemeinde, zwei Weihnachtslieder an und hält eine kleine Predigt. Andächtig folgen die Gäste seinen Worten. Eine feierliche Stimmung senkt sich über den Raum. Lohnke weiss, wovon er spricht. Er war früher selbst drogenabhängig und hing auf dem Platzspitz herum. Erst ein Gefängnisaufenthalt brachte die Wende in seinem Leben.

 Dann wird wieder geplaudert und diskutiert. Man hört Bruchstücke von Lebens- und Leidensgeschichten. Auch Missstimmungen flackern auf und legen sich wieder wie im normalen Leben. Ab und zu wird es im Saal leer. Die Gäste verziehen sich nach draussen in die Kälte, um zu rauchen. Der eine oder andere hält auch eine Bierdose in der Hand. Obwohl kein Alkoholverbot ausgesprochen wurde, bleiben die Büchsen draussen vor der Tür.

 Geschenke aus zweiter Hand

 Wie bei Weihnachtsfeiern im Familienkreis fehlt auch die Bescherung nicht. Da sind gebrauchte Kleider, die mitgenommen werden können. Dass sie grossen Anklang finden, zeigen die prall vollen Plastiktüten, mit denen der eine oder andere Gast am Ende die Feier verlässt. Hinter der Küche warten weitere Geschenke auf die Gäste. Eine junge Frau erklärt, dass ihr leider die Jeans nicht gepasst hätten. Nun freut sie sich über die Auswahl von zum Teil handgestrickten Socken. Daneben dürfen sich die Gäste auch mit Kosmetikartikeln, Kugelschreibern und Kerzen bedienen. Die junge Frau packt ihre Socken in eine Tüte und verabschiedet sich mit einer Umarmung von Esther Schönmann. Vielleicht wird sie am kommenden Sonntag den Brunch im Blaukreuzhaus besuchen, den die engagierte Gassechuchi-Frau ihren Gästen finanziert.
 Prisca Rotzler Köhli

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OBDACHLOS
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Landbote 27.12.10

Von der Gasse in ein warmes Bett

 Andrea Söldi

 Das neue Durchgangsheim der Heilsarmee an der Habsburgstrasse 29 bietet Obdachlosen ein Dach über dem Kopf. Wer hier übernachtet, weiss das saubere Bett, die warme Mahlzeit und die Waschgelegenheit sehr zu schätzen.

 Von der Küche her breitet sich Kaffeeduft aus, ein Topf voll Suppe steht auf dem Herd. Punkt 19 Uhr ertönt die schrille Türglocke zum ersten Mal. Dragana Blanc, die Leiterin des neuen Durchgangsheims, öffnet Daniel* die Tür und begrüsst ihn herzlich. Der grosse junge Mann war schon vergangene Nacht hier. Denn Blick zu Boden gerichtet, grüsst er knapp und geht gleich auf sein Zimmer. Kurz darauf begehren zwei weitere Männer Einlass. Auf den Tischen stehen Schalen mit Früchten und Nüssen, die Betten in den Zimmern sind mit farbiger Bettwäsche bezogen.

 Ein Bett hat Jürg seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen, wie er erzählt. Seit dem Sommer, als er seine Wohnung verloren hat, übernachtete der 40-Jährige im Freien. Meistens hat er sich im Wald einen Schlafplatz gesucht. Wenn es regnete, fand er in einer Tiefgarage Schutz. Doch oft wurde er mitten in der Nacht von der Polizei vertrieben. "Es gibt kaum Orte, wo man sich einfach hinlegen und schlafen kann", sagt Jürg. Tagsüber hielt er sich meist in verschiedenen Warenhäusern auf, doch inzwischen hat er fast überall Hausverbot.

 Seit zwei Wochen kommt Jürg nun jeden Abend ins Durchgangsheim. Ja, ein warmes Bett sei schon angenehmer als ein Schlafsack auf einem harten Boden, räumt er ein. Seinen ganzen Besitz habe er in einer Tasche herumgetragen. Als er Anfang Dezember an den Pforten des Heims anklopfte, besass er lediglich die Kleider, die er am Leib trug. Während diese in der Waschmaschine von einem halben Jahr Obdachlosenleben gereinigt wurden, organisierte ihm Dragana Blanc eine saubere Garnitur.

 Heute seien die Leute spät dran, sagt die 29-Jährige. Doch bestimmt würden bis elf Uhr noch weitere eintreffen, ist sie überzeugt. An einem Abend sei das Heim mit 12 Personen bereits voll belegt gewesen. Für Notfälle gibt es im Esszimmer noch einen ausziehbaren Sessel. Ein Zweierzimmer wird von einem Paar belegt. Eigentlich erhalten Frauen und Männer getrennte Zimmer, aber bei diesem Paar machte Blanc eine Ausnahme. "Sie haben sich so gefreut, als ich ihnen die zusammengeschobenen Betten zeigte", sagt die gelernte Psychiatriepflegefachfrau.

 Am Tag bei der Familie

 Die drei Männer sitzen im Wohnzimmer, hier ist Rauchen erlaubt. Allmählich füllt sich der kleine Raum mit Rauchschwaden. Daniel ist schweigsam, er widmet sich seinem Buch. Am Fernseher wird gerade DJ Bobos romantische Hochzeit gezeigt. Küsse, Luftballons in Herzform und bald darauf ein Baby.

 Auch Thomas, noch nicht einmal zwanzig, hat kürzlich seine Arbeitsstelle und darauf auch die Wohnung verloren. Die Tage verbringt er meist bei seiner Familie, doch da sind noch drei kleinere Geschwister und ein Stiefvater. Die beengenden Verhältnisse in der Wohnung führten zu Spannungen. Thomas hat sich nun ein Zimmer im betreuten Wohnen angeschaut und kann wohl bald dort einziehen.

 ANDREA SÖLDI

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 Das Heim - im Auftrag der Stadt

 Anfang Dezember wurde das Durchgangsheim an der Habsburgstrasse 29 eröffnet. Die Heilsarmee führt die Institution mit zwölf Schlafplätzen im Auftrag der Stadt. Es ist jeweils eine Betreuungsperson anwesend. Das Heim ist von 19 Uhr bis 9 Uhr geöffnet. Benutzer können sich ein Nachtessen kochen und erhalten ein Frühstück. Auch eine Waschmaschine kann benutzt werden. Eine Nacht kostet 95 Franken. Für Mittellose kommt das Sozialamt auf, wer kann, trägt einen Teil der Kosten selber. Die Aufenthaltsdauer ist unbeschränkt, das Heim ist jedoch als Notlösung gedacht. Das Betreuerteam unterstützt die Benutzer bei der Suche nach einer dauerhaften Unterkunft. Personen auf der Durchreise steht das Heim für höchstens drei Nächte offen. (as)

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NZZ am Sonntag 26.12.10

Der Stolz nimmt nur langsam ab

 Nur kurz in der Patsche oder auf dem finalen Abstellgleis? Menschen im Obdachlosenheim stellt sich eine universelle Frage ganz besonders erbarmungslos: Bin ich gescheitert?

Von Christof Gertsch

 Luca hat Essen mitgebracht, Lammfleisch und Tiefkühlgemüse. Aber er kocht nicht gern. Fredy schon, Fredy kennt sich aus in der Küche. Früher, sagt er, habe er oft Mahlzeiten zubereitet, auch für Dutzende hungrige Mäuler. Luca nimmt das Angebot an. Unter der Bedingung, dass Fredy mitisst. Zuerst sträubt sich Fredy. Die Zurückhaltung legt sich, als er sich besinnt, wovon er sich an anderen Tagen ernährt: Suppe, nichts sonst.

 Fredy, 62-jährig, könnte der Grossvater von Luca, 21-jährig, sein. Doch nicht die Familienkonstellation hat die zwei Männer an diesem Abend kurz vor Weihnachten zusammengeführt, sondern ihr Leid. Sie sitzen im Aufenthaltsraum der Notschlafstelle Zürich, vor sich das Lammfleisch, schön rosa, das Gemüse und einen Becher Kaffee. Nebenan läuft der Fernseher, Federer gegen Nadal. Luca ruft: "Leiser, bitte." Es ist ungewöhnlich betriebsam, aber ein bisschen Ruhe beim Essen ist ja wohl nicht zu viel verlangt.

 Die Notschlafstelle ist ein Ort des Scheiterns. Wer sie aufsucht, weiss nicht weiter. Ist oft abhängig von Alkohol, Drogen, Psychopharmaka. Hat meistens kein Beziehungsnetz. Und schon gar keine Arbeit. Knapp drei Viertel sind Männer, die paar Frauen halten sich in separaten Räumen auf. Für fünf Franken pro Nacht gibt's einen Platz zum Schlafen, eine Dusche, eine saubere Zahnbürste. Auf drei Stockwerke verteilen sich 52 Betten.

 "Etwas Neues aufbauen"

 Den Winter durch ist die Auslastung besonders hoch, durchschnittlich sind 45 bis 48 Betten belegt. Draussen ist es kalt, zudem ist die Nachfrage generell so gross wie lange nicht mehr. 2007 verzeichnete die Notschlafstelle noch 8419 Übernachtungen. 2008 waren es 10 529. Und 2009 schon 14 219. Ursachen für die Zunahme sind schwer eruierbar. Manche Obdachlose kommen seit ein, zwei, drei Jahren immer wieder her. Andere bleiben lediglich ein paar Wochen, ehe sie verschwinden.

 Weil sie eine Bleibe gefunden haben? Die Betreuer können nur hoffen. Vielleicht ist im Knast gelandet, wer nicht mehr auftaucht. Oder an einer Überdosis gestorben. Doch setzt sich die Klientel nicht mehr nur aus Drogenabhängigen zusammen. Der sichtbar abgewrackte Obdachlose ist seltener geworden. Zugenommen hat der Anteil psychisch erkrankter Personen.

 Die Mannen auf der Couch haben den Fernseher wieder lauter gedreht. Diesmal sagt Luca nichts. "Hier musst du tolerant sein", sagt er. Wacher Blick, lockiges Haar, weiche Haut: Luca passt nicht ins Klischee des Obdachlosen - und vielleicht deshalb so gut hierher. Die Menschen in der Notschlafstelle sind aus den verschiedensten Gründen hier. Der, den sie den Veteran nennen, war anscheinend lange auf Reisen gewesen, zuletzt in Mexiko. Als er heimkehrte, war der Job weg, den er sich per Handschlag hatte versichern lassen. Sagt er. Und: "Jetzt will ich mir etwas Neues aufbauen." Ist nicht ganz einfach. Andere suchen Unterschlupf, weil sie sagen: "Die Gesellschaft will mich nicht, also will auch ich nichts von der Gesellschaft."

 Es sind Geschichten von Menschen, die am Abgrund leben - aber sich etwas Würde bewahren wollen. Sie gehen in die Notschlafstelle, weil der Ort ihnen nicht wie das Ende vorkommt, nicht wie das finale Abstellgleis. Sie sagen von sich, nur vorübergehend in der Patsche zu sein. Wenn sie erklären, was sie ins Haus an der Rosengartenstrasse verschlagen hat, fällt es schwer, Realität von Fiktion zu unterscheiden. Ihre Geschichten dienen der Verdrängung.

 Luca erzählt. Die Eltern trennten sich, als er drei war. Die Mutter zog ihn und den Bruder alleine auf. Nach der Schule jobbte er bei McDonald's, später versuchte er sich als Landschaftsgärtner und Elektrotechniker. Die Ausbildung zum Krankenpfleger schloss er schliesslich ab. Und nun, sagt Luca, arbeite er in einem Altersheim. Am Aufenthalt in der Notschlafstelle sei eine Verkettung unglücklicher Umstände schuld. Er war aus seiner WG ausgezogen, weil er eine eigene Wohnung gefunden hatte. Der Vertrag ist unterschrieben, doch der Vormieter stellt sich quer. Er geht nicht raus. Der Verwalter, sagt Luca, habe versichert, sich des Problems anzunehmen, notfalls mit harten Bandagen. Luca geht davon aus, dass er demnächst einziehen kann.

 Warum er die Wartezeit nicht bei Freunden überbrückt? Oder bei der Mutter? "Ich gebe nichts auf den sozialen Status", sagt Luca. "Ich will mein Leben nicht davon abhängig machen, was andere von mir denken." Vor anderthalb Jahren habe er zu Hause den Fernseher entsorgt, "die senden doch nur Müll, das ist Volksverblödung". Luca will die Zeit für Besseres nutzen, will die Probleme der Welt erkennen, will nachdenken, Verständnis haben.

 In der Notschlafstelle hat man Verständnis für ihn. "Es ist unwesentlich, warum die Leute hier sind", sagt eine Betreuerin. Und Matthias Schneebeli, seit der Eröffnung 1996 Leiter der Einrichtung, sagt: "Jede Nacht ist wie ein anderer Film." Mal für Mal aufs Neue gehe es darum, bis zum Morgen eine möglichst ruhige Atmosphäre zu schaffen - was für die 27 Mitarbeitenden, die sich 11 Vollzeitstellen teilen, nicht leicht ist. Wenn die Türen abends um acht Uhr öffnen, haben viele Obdachlose einen anstrengenden Tag hinter sich. Sie suchten Stoff. Oder versuchten schlicht, der Langeweile zu entfliehen. Die Notschlafstelle verschafft vorübergehend ein bisschen Struktur. Der Zustand, in dem sie ankommen, ist eine Mischung aus Gereiztheit, Hoffnungslosigkeit, Enttäuschung - und nur langsam abnehmendem Stolz. Denn nicht alle sind wie Luca. Oder Fredy.

 Zukünftige in Thailand

 Fredy ist seit 14 Tagen hier - aber hat nicht vor, noch lange zu bleiben. Am 10. Januar, sagt er, wolle er wieder nach Thailand fliegen, wo er eine Frau kennengelernt habe. Die Heirat sei geplant. Er zeigt Bilder, die er immer auf sich trägt, und den Katalog eines Viersternehotels, in das er seine Zukünftige einladen will. Sodann erzählt Fredy diese Geschichte: Zuletzt habe er als Techniker in einem Spital gearbeitet. Nun beziehe er IV, ab April auch AHV. Wenn alles klappt. Nur deshalb sei er in die Schweiz zurückgekehrt. Die Zahlungen waren eingestellt worden. "Ein dummes Missverständnis", sagt Fredy.

 Seine Frau starb vor 20 Jahren an Krebs, sein Sohn meidet jeden Kontakt, und mit dem Bruder hat er sich überworfen - deshalb die Notschlafstelle. Fredy ist blank. Aber macht einen aufgeweckten Eindruck, wenn er aus dem Leben erzählt. Wie er einst 100 000 Franken in ein Projekt investierte, das scheiterte. Und wie er Menschen vertraute, manchmal wohl zu sehr.

 Luca sitzt daneben, er lacht laut und sagt: "Über dich könnte man ein Buch schreiben und damit Millionen verdienen. Wie überhaupt mit den Geschichten von vielen hier." Ein Buch - das war, sagt Luca, auch mal ein Traum. "Aber mir hat die Ausdauer gefehlt."

 So vergeht der Abend in der Notschlafstelle. Eigentlich ohne nennenswerte Aufregung. Bis auf die Meldung, dass die ZSC Lions das Eishockey-Derby gegen Kloten verloren haben. Um ein Uhr ist Nachtruhe, um zehn Uhr morgens müssen alle wieder raus.

 An Weihnachten drei Tage später kochen die Betreuer für die Obdachlosen. Ein Tannenbaum verbreitet festliche Stimmung, so gut es geht. "Die Feiertage sind die schwierigste Zeit im Jahr", sagt Schneebeli. "Da merken die Leute hier, wie alleine sie sind." Ausser sie tun sich vorübergehend zusammen. Wie Luca und Fredy. Und sei es nur für die Dauer eines Abendessens.

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 Fünf Franken pro Nacht

 In Zürich, der grössten Stadt der Schweiz, gibt es nur eine Notschlafstelle. Sie existiert seit 1996 - und löste die verschiedenen Provisorien ab, die im Zuge des Drogenproblems initiiert worden waren. Sie verfügt über ein Jahresbudget von gut 1,5 Millionen Franken. Eine Übernachtung kostet die Stadt rund 130 Franken, der Obdachlose beteiligt sich mit 5 Franken. Dabei handelt es sich eher um einen symbolischen Betrag. Die Gäste sollen nicht das Gefühl haben, die Gesellschaft halte sie für gänzlich wertlos - darum wird bewusst ein kleiner Beitrag gefordert. (cag.)

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Zürichsee-Zeitung 24.12.10

Anders leben In der Gesellschaft nicht daheim, in die Illegalität gedrängt

 Auch Punks feiern Weihnachten

 Ihre Gruppe betrachten sie als Rudel, die Hunde sind ihre treuen Freunde. Ihnen ist bewusst, dass sie ausserhalb der Gesellschaft stehen, aber sie tun es freiwillig. Ein "Wohnprojekt" in Zürich-Leimbach.

 Gabriele Spiller

 Buda, Migu, Ramona, Monika und Röbu halten sich bevorzugt in der Nähe von Bahnhöfen auf. Sie sind keine Fahrenden, aber viel unterwegs. Auch das Wohnen in Bauwagen verbindet einige von ihnen mit Sinti und Roma. Als solche würden ihnen, dies hat das Bundesgericht entschieden, zum Schutze der Kultur Standplätze mit sanitären Anlagen zustehen. Da sie darauf keinen Anspruch haben, besetzen sie eben Häuser. Mit dem Verwalter haben sie vor anderthalb Jahren eine "Mietkostenfreistellung" ausgehandelt, die sogar den Strom beinhaltet. Das finden sie lässig.

 Die ehemalige Weinkelterei mit dem Wohnhaus hat so viele Räume, dass jeder der rund 25 Aussteiger ein eigenes Zimmer oder ein Zimmer für zwei bewohnen kann. Sie schätzen diesen "Luxus", denn viele haben schon auf der Strasse oder unter einer Brücke geschlafen. Dass sie am 6. Januar raus müssen, weil dann die Abrisswagen kommen, bereitet ihnen Kopfzerbrechen. "Es ist schon hart, mitten im Winter vor die Tür gesetzt zu werden", sagt Buda. Das ist ihnen noch nie passiert. Die Notschlafstellen akzeptieren ihre Hunde nicht, und bei Pfarrer Sieber ist auch kein Platz für so viele Gäste.

 Kein 08/15-Leben

 "Wir sind nicht abgeneigt, Gegenleistungen zu erbringen", erklärt Migu. Eine kleine Miete zum Beispiel, und ausserdem leisten sie Instandsetzungsarbeiten. An einem andern Ort zahlten sie zu fünft 200 Franken im Monat für Strom und Wasser. Das lag drin. Manche gehen unregelmässig einer Arbeit nach: auf dem Bau, bei der Müllabfuhr oder besonders gern als Bühnenbauer. Röbu erzählt, dass er einmal ein halbes Jahr zu 100 Prozent in der Psychiatrie gearbeitet hat. Das ginge schon, wenn man auf die Hygiene achte. Ein Kollege arbeitet als Eisenleger: zwei Monate lang, so hat er wieder Geld für vier Monate. Hauptsache, man wird nicht in ein 08/15-Leben gedrängt. "Drei Jahre in der Fabrik, und du hast einen Hirnschaden", ergänzt Migu.

 Werbung und Konsumterror sind ihnen ein rotes Tuch. Damit werde der Mensch in materielle Abhängigkeiten gezwungen. "Was den Lebensstandard betrifft, sind wir Minimalisten", führt Röbu aus. Mit der Zeit häufe sich aber doch mehr an, als man eigentlich will. Wer einmal mit Rucksack, Schlafsack und Hundefutter ankam, hat heute zum Teil schon TV, DVD und Laptop. Am Haus prangen drei Satellitenschüsseln, alte Unterhaltungselektronik findet man auf dem Sperrmüll. Per Prepaid sind sie mobil erreichbar und surfen mit dem Datenstick, bis sie ihre zehn Gigabyte im Monat gedownloadet haben. Buda sieht per Internet fern, am liebsten Dokus. Monika findet auch Gratiszeitungen ganz praktisch. Die Werbung darin müsse man halt in Kauf nehmen, irgendwie müssten die auch leben.

 Es fehlt fast an nichts

 Das Essen wird frei Haus geliefert. Es kommt von der Schweizer Tafel, die gespendete Lebensmittel verteilt. Röbu ist der Meinung, dass sie feiner speisen als so mancher Normalverdiener. Es hat öfter Fine-Food-Produkte darunter, und kürzlich gab es sogar Bison-Medaillons. Das Fleisch war so zart, dass man es roh essen konnte. Früher gingen sie auch "containern". Die Entsorgungskübel an den Supermärkten waren eine ergiebige Quelle, doch heute wird der Inhalt mit Kaffeesatz, Waschpulver oder Javelwasser unbrauchbar gemacht. Lachend erinnert sich Migu an den Servelas-Container nach einer abgelaufenen Denner- Aktion. Der reichte für über einen Monat. Einzig die Wasserversorgung ist ein Problem. Dafür müssen sie zu öffentlichen Brunnen laufen und PET-Flaschen füllen. Sie sammeln auch Regenwasser auf dem Dach oder schmelzen Schnee.

 Manchmal stellen ihnen Nachbarn Körbe mit Nahrungsmitteln hin oder abgelegte Kleidung. Buda findet das sehr anständig, sagt aber auch, dass sie nicht darauf angewiesen sind. "Wir haben schon Klamotten zum Brockihaus gebracht." Mobiliar kommt vom Sperrmüll, Baumaterial, Fenster und Toilettenschüsseln holten sie aus Abrisshäusern. Mit alten Teppichen und Sofas haben sie ihre Bar eingerichtet, ein Treffpunkt, in dem getöggelt wird und die hauseigene Band spielt. Bis jeder von seinem Tag erzählt habe, sei der Abend schon fast rum. Kinder gibt es keine in dieser Gruppe, dafür geht es gelegentlich zu wild zu und her. In Biel existiere aber eine Wagenburg mit einem eigenen "Kinderkreis".

 Freiheit um jeden Preis

 Gesellschaftlich sind sie abgemeldet. Sie haben eine Schriftenadresse bei den Eltern oder eine Amtsadresse. Da sie eh nicht mehr ans System glauben, ist es ihnen egal, ob sie abstimmen könnten. Zumindest dieses Wohnprojekt bezeichnet sich als politisch völlig inaktiv. Intern organisieren sie sich per Haussitzung. Dabei werden Entscheidungs- mehrheiten ausgehandelt. Kompromisse seien erzielbar, auch sonst gebe es nur die üblichen menschlichen Streitigkeiten: Wer ist mit Kloputzen dran? Wo sind die Schlüssel? Wer hat mein Joghurt gegessen? Medizinische Hilfe gibt es im Notfall im KfO, Krankenzimmer für Obdachlose, an der Kaserne.

 Weihnachten werden viele doch zu ihrer Familie gehen, da seien sie halt richtige Schweizer, lacht Röbu. Andere wollen eine Goa-Party im Haus machen, Einzelne setzen sich sogar in die Ferien nach Spanien ab. Es ist ein selbstbestimmtes Leben, wäre da nicht das aktuelle Problem mit der Räumung. Sie wollen zusammenbleiben, eine WG von 20- bis 58-Jährigen. Röbu hat Angst, dass der gesellschaftliche Zwang immer weiter zunimmt. Wenn ihre Lebensform verboten würde, wolle er lieber sterben. In einer Wohnung, zum Beispiel bei sei- ner Mutter, könne er nicht mehr ruhig schlafen. "Der Mensch ist ein Herdenwesen", meint er, und in der Gruppe ist man nie allein. Irgendeiner ist immer wach. Und sonst gibt es noch die Hunde.

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Limmattaler Taglatt 22.12.10

Stadtrat prüft Notschlafstelle für die Region

Nicole Emmenegger

 Schlieren Der Stadtrat nimmt das Postulat von Gaby Niederer (Quartierverein Schlieren) zur Errichtung einer Notschlafstelle entgegen - und erntet dafür im Parlament nicht nur Lob.

 Limmattaler Obdachlose müssen derzeit "hinten anstehen", wenn sie ein warmes Bett in einer Notschlafstelle ergattern möchten - das bestätigte der Schlieremer Sozialvorstand Robert Welti (EVP) an der Parlamentssitzung am Montag. Letzten Frühling schloss die Notschlafstelle auf dem Areal von Pfarrer Siebers "Ur-Dörfli" neben der Kantonsschule in Urdorf ihre Tore. Seither existieren im Kanton nur noch in der Stadt Zürich Notschlafplätze. Dort haben jedoch Stadtzürcher Vorrang (az Limmattaler Zeitung berichtete). "Ich werde mich mit dem Sozialdienst Limmattal dafür einsetzen, dass wir eine gute Lösung finden", sagte Robert Welti. Er teilte mit, dass der Stadtrat das Postulat von Gemeinderätin Gaby Niederer (Quartierverein) über die "Einrichtung einer Notschlafstelle" entgegennehme.

 Keine Lösung im Alleingang

 Niederer hatte in ihrem Postulat vorgeschlagen, eine allfällige Notschlafstelle könne "durch die Stadt Schlieren oder zusammen mit weiteren Gemeinden im Limmattal an einem geeigneten Standort betrieben werden". Welti machte in seiner Stellungnahme jedoch deutlich, dass eine Lösung nur in Zusammenarbeit mit einer sozialen Institution denkbar sei, auch aufgrund der geringen Nachfrage. Die Notschlafstelle im "Ur-Dörfli" sei im Durchschnitt von fünf bis sechs Personen genutzt worden - davon rund die Hälfte aus dem Bezirk Dietikon, so Robert Welti.

 Sozialdienst Limmattal zuständig

 SVP-Gemeinderat Thomas Grädel äusserte in der anschliessenden Debatte Zweifel an der Notwendigkeit einer Notschlafstelle für das Limmattal. "Obdachlose wollen oft erst um Mitternacht ein Bett haben", sagte er. "Wenn man sich frühzeitig anmeldet, bieten Institutionen wie die Heilsarmee einen Platz."

 Andreas Geistlich (FDP) kritisierte, dass der Sozialdienst Limmattal als Zweckverband in der Pflicht sei, nach einem Ersatz für die Notschlafstellen in Urdorf zu suchen. "Ich verstehe nicht, was Schlieren damit zu tun hat", sagte Geistlich. Sozialvorstand Robert Welti bestätigte die Zuständigkeit des Sozialdienstes Limmattal. Als Vorstandsmitglied des Verbandes wolle er sich trotzdem für eine Lösung einsetzen. Das Parlament verzichtete auf einen Ablehnungsantrag, womit sich der Stadtrat der Problematik annehmen kann.

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20 Minuten 16.12.10

Studenten verschlimmern Situation für Obdachlose

 LUZERN. Die Situation der Obdachlosen hat sich in Luzern verschärft - nicht nur wegen der Kälte. Das Leben machen ihnen auch Studenten schwer, die billigen Wohnraum für sich beanspruchen.

 Dreissig Nächte dürfen Obdachlose in der Luzerner Notschlafstelle verbringen. Danach müssen sie - auch wenn sie keine Anschlusslösung gefunden haben - mindestens einen Monat lang woanders unterkommen. Ein Problem: Die wachsende Universität zieht immer mehr Studenten an - und diese wiederum nehmen Randständigen den billigen Wohnraum weg. "Studenten gelten bei Vermietern leider als pflegeleichter", bedauert Annemarie Käch, Präsidentin des Vereins Jobdach. Das mache es schwierig, die Randständigen zu motivieren. "Viele halten es für aussichtslos, eine Wohnung zu finden." Deshalb nehme man es mit der 30-Nächte-Regelung im Winter nicht immer ganz genau.

 Auch Josef* (42) musste aus seiner Wohnung im Eichhof raus, weil das Haus für Studenten umgebaut werden soll. Seit drei Monaten lebt er nun auf der Strasse. "Ein- oder zweimal habe ich draussen übernachtet. Ich habe mich in einen Lastwagen-Anhänger gelegt", erzählt er in der "Gasse Ziitig Lozärn". Pro Nacht schlafen laut SIP-Chef Anton Häfliger trotz der tiefen Temperaturen durchschnittlich vier Personen draussen. Die SIP macht deshalb Kältepatrouillen. "In Luzern soll niemand erfrieren", so Häfliger.

 Lena Berger

 *Name der Redaktion bekannt

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20min.ch 15.12.10

Obdachlose: "Ich schleppe sie eigenhändig weg"

 Pfarrer Sieber über Obdachlose, die sich nicht helfen lassen wollen, häuslich eingerichtete Schlafplätze und Wendepunkte beim Weihnachtsessen.

Joel Bedetti

 20 Minuten Online: Herr Sieber, wie viele Obdachlose sind derzeit in Zürich unterwegs? Pfarrer Sieber: Es sind hunderte, wenn man die mitrechnet, die in der Nacht eine warme Unterkunft wie den Pfuusbus (siehe Box) haben. Dutzende bleiben aber in der Kälte. Manche wollen gar keine Hilfe annehmen. Einige seelisch Kranke, von denen wir in letzer Zeit immer mehr haben, spüren die Kälte gar nicht mehr. Kürzlich lasen wir zwei oder drei auf, die wären erfroren ohne unsere Hilfe.

 Wie überzeugen Sie sie, mitzukommen? Indem wir ihnen zeigen, dass wir wirklich an ihnen interessiert sind. In all den Jahren konnte ich viel Vertrauem aufbauen. Es gibt auch andere Methoden. Einem, der in eine Wolldecke eingewickelt war und nichts von uns wissen wollte, brachte ich einmal ein warmes Poulet. Erst streckte er zum Dank den angenagten Knochen aus der Wolldecke, dann kam er freiwillig in den Pfuusbus mit. Viele müssen erst ihren grossen Stolz überwinden.

 Was machen Sie mit denen, die ihren Stolz nicht überwinden können? Manchmal reicht eine Wolldecke. Aber wenn einer zu erfrieren droht, dann mache ich kurzen Prozess. Ich rufe die Polizei. Und wenns sein muss, schleppe ich sie gleich eigenhändig in den Pfuusbus - wie den jungen Mann, der neben der Limmat auf einem Betonboden schlief. Daneben stand ein Warnschild, dass die Fläche manchmal überschwemmt werde.

 Wehren die sich nicht? Meistens sind sie sehr geschwächt. Und wenn man sie in die Arme nimmt und sie menschliche Nähe spüren, schmilzt der Widerstand manchmal sehr schnell. Das fehlende Dach ist nicht ihr grösstes Übel, sondern das Alleinesein.

 Glauben Sie nicht, dass manche einfach allein gelassen werden wollen? Nein. Der Mensch ist nicht dafür gemacht, alleine zu sein. Wenn sie erst mal im Pfuusbus sind, schmelzen die stahlharten Schalen, und sie geniessen die Gemeinschaft. Niemand will wirklich auf der Strasse leben. Meistens sind es Gegenreaktionen und Trotzreaktionen auf Schicksale.

 Was für Schicksale? Wir hatten einen Schreiner, der als Geschäftsinhaber ein so grosses Selbstbewusstsein aufgebaut hatte, dass er mit der Pleite nicht klar kam und lieber auf die Strasse ging als die hohle Hand zu machen. Oder einer, der einen Bauernhof geerbt hatte, aber von den Nachbarn vertrieben wurde.

 Wo leben die Obdachlosen heute? Manchmal schlafen sie über den Abzügen von Bäckereien, die in der Nacht laufen. Manchmal in Kellern von Neubauten, weil dort immer geheizt wird. Manchmal bei einem Gebäude nahe der ETH, das Wärme abstrahlt. Und manche haben sich dabei ganz häuslich eingerichtet.

 Inwiefern? Oft haben sie Musikinstrumente dabei, andere schleppen auch ganze Möbel her und richten sich auf längere Zeit ein. Einer, der in einem Park eine gemütliche Nische gefunden hatte, sagte mir mal, er bleibe jetzt wohl ein ganzes Jahr hier. Wie einst dieser Zürcher gesungen hat, wie hiess er doch gleich: (singt) Mis Dach isch dr Himmel vo Züri und ds Bellevue mis Bett wo n i pfuus, und d'Schipfi mis Tänkli und d'Meise mis Schränkli und Züri, ganz Züri, mis Huus!

 Gibt es eine Gegend, wo sich die Obdachlosen konzentrieren? Nein, sie leben verstreut und hüten ihre Plätzchen wie ein grosses Geheimnis. Sonst schnappt es ihnen ein anderer weg. Meist leben sie allein. Viele halten aber ein Tier, meistens einen Hund. Das ist oft ein Grund, wieso sie nicht in Notschlafstellen wollen: Dort akzeptiert man keine Tiere, die aber ihre nächsten Bezugspersonen sind, wenn man so will. Das muss man ändern.

 Bleiben viele ein Leben lang obdachlos? Einige bleiben es sehr lange. Andere erreichen nach einigen Jahren einen Punkt, wo sie sich entscheiden, sich wieder aufzuraffen. Manche sagen plötzlich: "Ich würde gerne meine Familie wiedersehen."

 Woher kommen diese Wendepunkte? Nicht selten geschieht es an Weihnachten, dem Essen im Hotel Mariott, das am nächsten Sonntag wieder stattfindet (siehe Box). Manche freuen sich das ganze Jahr darauf. Da entstehen Gespräche, die Wendepunkte darstellen können. Wir versuchen auch die Obdachlosen mit Anschlussprogrammen von der Strasse zu holen. In einem Drittel aller Fälle gelingt es uns. Darf ich noch einen Aufruf machen?

 Natürlich! Wenn man an Weihnachten jemanden ziellos in der Gegend herumwandern sieht, sollte man am besten den Abholdienst des Pfuusbus rufen. Wir bringen die Obdachlosen dann an einen Ort, wo sie etwas Gemeinschaft haben und einen Happen Siedfleisch essen können - oder wie unser Bundesrat sagte: "Bü-Bü-Bü-Bündnerfleisch!!"

 Herr Sieber, danke für das Interview. Bhüet di Gott, Tschüss!

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20 Minuten 14.12.10

Wegen Kälte: Betten für Obdachlose heiss begehrt

 BERN. Die klirrende Kälte macht den Obdachlosen das Leben auf der Strasse schwer. Ein warmes Plätzchen zu finden, ist aber nicht so einfach.

 "Es kommt vor, dass wir im Sleeper Leute abweisen müssen", sagt ein Mitarbeiter der Berner Notschlafstelle. Sobald es draussen bitterkalt wird, füllt sich die Notschlafstelle an der Neubrückstrasse nämlich im Nu. Dies, obwohl der Sleeper Leute auch auf dem Boden schlafen lässt, wenn alle 20 Betten besetzt sind. "Ich hoffe schwer, dass bei dieser Kälte jeder Suchende noch einen Platz findet", so der Mitarbeiter.

 Und die Minustemperaturen sollen anhalten - "zumindest bis zum Wochenende", so Jürg Kurmann vom Meteotest. Eine Hiobsbotschaft für die im Sleeper Abgewiesenen, denn Notbetten sind auch anderswo knapp. Beim Passa ntenheim der Heilsarmee waren gestern Nachmittag von 43 Betten noch drei frei, bei WOhnenbern in Bümpliz gerade mal zwei. Im Passantenheim komme es aber nie vor, dass Leute in der Kälte bleiben müssen. "Zur Not können wir über 50 Personen Schutz vor der Kälte bieten", so Heimleiter Franz Dillier.

 Dennoch übernachten in Bern Menschen auf der Strasse. Die Streetworker von Pinto wissen von mehreren Personen, die das dauernd tun. "Trotz der Kälte. Die schlafen in öffentlichen Toiletten, in Hauseingängen oder in selbstgebauten Verschlägen", so Pinto-Leiter Silvio Flückiger. "Wir haben schon drei Winterschlafsäcke verteilt." Das tue man aber als letzte Möglichkeit. Vorher versuche man die Randständigen irgendwo unterzubringen.  

Pedro Codes

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Wegen Kälte: Betten für Obdachlose heiss begehrt

 ZÜRICH. Bei tiefen Temperaturen wird es für Obdachlose in Zürich besonders ungemütlich. Der Pfuusbus von Pfarrer Sieber ist bereits voll.

 In Zürich wird es in den nächsten Tagen kalt sein: "In der Nacht und am Morgen werden Temperaturen von minus sechs bis minus acht Grad herrschen", sagt Ivo Sonderegger, Meteorologe bei MeteoNews. Auch tagsüber werde es nie wärmer als minus drei Grad. Pfarrer Ernst Sieber vom Pfuusbus erwartet einen grossen Andrang in seinen Einrichtungen: "Am letzten Freitag hatten wir bereits 30 Leute im Bus und dem angebauten Zeltlager." Normalerweise seien es rund ein Dutzend.

 Der Obdachlosenpfarrer geht derzeit zwischen elf und drei Uhr nachts auf "Kältepatrouillen" - seine Equipe fährt durch die Stadt und bietet Obdachlosen ein Bett und eine warme Mahlzeit an oder gibt ihnen vor Ort Decken, Tee und Kleider ab. "Viele Randständige haben nicht den Mut und die Kraft, selber Hilfe zu suchen." Das sei aber gefährlich: "Wenn man in einem seelischen Elend steckt, spürt man die kalten Temperaturen nicht mehr", sagt Sieber. Er habe schon eine Frau getroffen, die im tiefsten Winter mit einem Sommerrock auf einer Bank schlief.

 Die Stadtzürcher Notschlafstelle rechnet für den Dezember mit einer Zunahme der Übernachtungen - bereits 328 wurden im laufenden Monat registriert. Die Notschlafstelle der Heilsarmee an der Luisenstrasse öffnet trotz der Kälte erst am 11. Januar 2011. "Wir würden gerne jetzt schon aufmachen, haben aber fast keinen Platz in unseren Räumlichkeiten", sagt Leiter Walter Sommer.  

David Torcasso

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20 Minuten 13.12.10

Für Obdachlose wird es in Basel bei Minusgraden eng

 BASEL. Volle Wärmestube und keine kostenlosen Schlafplätze: Bei kalten Temperaturen ist Basel für das Leben auf der Strasse kein angenehmer Platz.

 Minus acht Grad - die Prognosen für die kommende Woche stimmen Claudia Adrario, Präsidentin des Vereins Soup & Chill, besorgt: "Es gibt keinen Notfallplan für solch kalte Tage." In der Wärmestube herrsche riesiger Andrang: Täglich kommen über 60 Besucher vorbei, es werden 30 Liter Suppe ausgeschenkt. "Wir sind dabei, Schlafsäcke und Anoraks aufzutreiben", so Adrario. Denn viele Leute würden unter Brücken, in Nischen oder Gartenhäuschen übernachten. "Wir bräuchten einen Raum oder ein beheiztes Zelt, in dem Obdachlose kostenlos übernachten können, wie es das etwa in Rom gibt", sagt Adrario.

 Auch Michel Steiner vom Schwarzen Peter bestätigt: "Im Tageshaus an der Wallstrasse oder dem Treffpunkt Glaibasel wirds langsam eng." Richtig problematisch sei es jedoch nachts: Ein Bett in der Notschlafstelle kostet sechs Franken, für Ausserkantonale gar 40. "Das ist einfach zu viel", so Steiner. Nächstes Jahr will der Schwarze Peter deshalb an Wohnprojekten arbeiten - bis dann zahlt der Verein Obdachlosen den Schlafplatz aus eigener Kasse.  

Anna Luethi

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Randständige als Kunstobjekte

 BASEL. Die Basler Künstlerin Barbarella Maier macht aus Obdachlosen Kunst: Ihr neustes Projekt heisst "Handy Homeless". Maier hat dafür auf dem Claraplatz und beim Bahnhof Randständige fotografiert und die Bilder nun zu dreidimensionalen Objekten verarbeitet. "Ich wollte aus etwas, das eigentlich keiner in unserer Gesellschaft haben will, ein begehrtes Kunstobjekt machen", sagt Maier. Damit wolle sie eine Annäherung erwirken: "Ich habe gemerkt, dass es mir selbst schwerfiel, auf diese Menschen zuzugehen", so Maier. Vier Obdachlose wurden nun in unterschiedlicher Form und Funktion dargestellt: im Taschenformat zum Mitnehmen, als Magnet sowie als Schneekugel-Inhalt. Die Werke kosten 150 Franken - 50 Franken gehen an die Galerie, 50 an die Künstlerin und 50 an den Abgebildeten. Maier will zudem auf Baizentour gehen und die Objekte direkt verkaufen.  lua http://www.easyart.ch

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BIG BROTHER SPORT
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WoZ 23.12.10

Fussballfans und Staat

 "Mich stört das Benimmdiktat"

 Manuela Schiller ist Anwältin, Feministin und Politikerin der Zürcher Alternativen Liste. Und sie ist bekannt als Kämpferin für die Rechte von Fussballfans. Ein Gespräch über die Abschaffung der Unschuldsvermutung, Gewalt, Frauenfeindlichkeit in den Stadien und darüber, was die Politszene von den Fans des FC Basel lernen kann.

 Von Daniel Ryser (Interview) und Ursula Häne (Foto)

 WOZ: Auch 2010 machten Fussballfans Wochenende für Wochenende Schlagzeilen. Leserbriefschreiber fordern inzwischen gar in der WOZ: "Jetzt hört damit auf, diese Fans immer in Schutz zu nehmen. Es gibt Wichtigeres!" Warum kämpfen Sie so vehement dafür, dass Fans zu ihrem Recht kommen?

 Manuela Schiller: 2004 kam ich zu diesem "Kundensegment". Im Bahnhof Altstetten wurden Hunderte Fans des FC Basel auf dem Weg zu einem Spiel eingekesselt und präventiv verhaftet. Diese Fans aus der Muttenzerkurve luden mich danach zusammen mit Leuten der Menschenrechtsgruppe Augenauf zu einem Treffen ein. Sie erzählten, was ihnen in Altstetten passiert war. Sie waren sich sicher: Derartiges habe es in der Schweiz noch nie gegeben. Ich entgegnete: Das stimmt nicht. Ich erzählte ihnen, was Gegnern, die zum Weltwirtschaftsgipfel in Davos anreisten, in Landquart passiert war - dieselbe Situation. Sie merkten: "Denen ging es tatsächlich genau gleich wie uns, aber weil es andere waren, hat es uns damals nicht interessiert. Und jetzt interessiert es die nicht, weil es uns betrifft."

 Die Linke hat sich für den Altstetter Kessel nicht interessiert?

 Nein. Dabei passierte zweimal exakt dasselbe: Leute, die mit einem SBB-Zug gefahren sind, die ein Ticket hatten, die also gar nichts verbrochen haben, wurden eingekesselt. Man sucht sich eine Gruppe von Leuten aus, welche die Medien und die Öffentlichkeit gerade als nicht schützenswert betrachten, und wendet den Repressionsapparat an, testet neue Polizeistrategien.

 Seither haben Sie Hunderte Fussballfans verteidigt, darunter auch bekannte Hooligans.

 Damit wir uns verstehen: Ich kann mit Hooliganismus wirklich nichts anfangen. Dieses ganze Kampfsportgetue verstehe ich überhaupt nicht, und ich bin froh, wenn ich damit so wenig wie möglich zu tun habe. Doch vom Standpunkt der Strafverteidigerin aus hat jeder ein Recht darauf, dass der Rechtsstaat korrekt angewendet wird. Das ist eine direkte Kritik an der linken, der fortschrittlichen, der feministischen Szene: Wir halten diese Prinzipien hoch, aber wir sind bereit, sie über Bord zu werfen, wenn solche, die uns nicht genehm sind, ins Visier geraten.

 Erklären Sie das.

 Es gibt den Grundsatz, dass jeder als unschuldig gilt, dass der Staat die Schuld eines Einzelnen beweisen muss. Weil das bei Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen sehr schwierig ist, wenn der Täter sie abstreitet, sind fortschrittliche Frauen und Männer bereit, eine Umkehr der Beweislast zuzulassen: dass also der Verdächtige beweisen muss, dass er unschuldig ist. Bei Geldwäscherei, dem Bankgeheimnis, bei Sachen also, die wir Linken kritisieren, sind wir auch bereit, zu glauben, dass, wo Rauch ist, auch Feuer sei. Ein Prinzip also, das wir nicht gelten lassen wollen, wenn es auf uns angewendet wird. Und ein ganz praktisches Beispiel aus Zürichs Strassen: Wer hat in Zürich als Erste die öffentliche Videoüberwachung gefordert?

 Die Rechten?

 Nein. Grüne Exponenten.

 Die Grünen?

 Sie riefen nach Kameras, um bei Sammelstellen Abfallsünder zu überwachen. Aber nur weil ein Abfallsünder erwischt werden könnte, bin ich nicht plötzlich für Videoüberwachung.

 Woher kommt Ihre anhaltende Konzentra tion auf den Fussball?

 Ich wurde während der Zürcher Bewegung 1980 politisiert. Damals gab es viele Demonstrationen, eine grosse politische Auseinandersetzung. Ich nahm fast wöchentlich an Demos und Aktionen teil. Das hat massiv abgenommen. Viele junge Leute "bewegen" sich heute in Fussballstadien - und werden mitunter kriminalisiert. Vergessen Sie nicht: Das ist genau das, was während der Achtzigerbewegung passiert ist. Damals wurden Tausende junge Leute kriminalisiert. Im Widerstand gegen die Kriminalisierung könnte die Politszene von den Fans etwas lernen.

 Was könnte sie lernen?

 In der Fanszene sind der Respekt und die Zuverlässigkeit, der lange Atem, etwas durchzuziehen, grösser. Nach dem Kessel in Landquart wollten Kollegen von mir einen Prozess anstreben, so wie ich es nach dem Kessel von Altstetten getan habe. Es hat nicht gut funktioniert. Fast niemand wollte mit Namen hinstehen und die Sache bis zum Ende durchziehen. Die Leute der Muttenzerkurve hingegen haben über die Jahre hinweg mehrfach Geld gesammelt, haben mich eingeladen, haben mit mir besprochen, wie es weitergeht. Niemand ist abgesprungen. Dies, obwohl ich von Anfang an nichts beschönigt habe: Ich habe klipp und klar gesagt, die Chancen, dass die Polizei dafür zur Rechenschaft gezogen werde, stünden schlecht. Am Schluss haben wir in allen Bereichen Teilerfolge erzielt.

 Die St. Galler Repressionspolitikerin Karin Keller-Sutter hat sich mit dem Thema "Hooligans" ihre Bundesratskandidatur aufgebaut. Sie ist der Meinung: Die Fans in den Stadienkurven gefährden die Sicherheit des Landes. Zudem sei die Stimmung in den Kurven latent rassistisch und frauenfeindlich.

 Das stimmt so generell einfach nicht.

 In St. Gallen skandiert die Kurve, Frauen wie Männer: "Karin Keller-Sutter, du Hure!" Die Betroffene sagt, diese Angriffe seien deshalb so heftig, weil sie eine Frau sei. Solche Gesänge gehörten verbannt.

 Ob nun "Hure" oder "Hurensohn" - ich finde, beides sagt man nicht. Ist es aber Aufgabe des Staats, hier einzugreifen? In der Stadt Zürich arbeitet die rot-grüne Regierung seit Jahren mit dem Slogan "Erlaubt ist, was nicht stört". Ich kann vieles unterschreiben, was an Störendem aufgeführt wird: Littering, Rücksichtslosigkeit. Aber mich stört das staatliche Benimm-Diktat. Da kriege ich einen Abwehrreflex. Man kann von mir aus mit gutem Beispiel vorangehen, aber man kann nicht alles sanktionieren. Die Jugend brauchte immer Freiräume. Und jetzt muss ich Ihnen ehrlich und vielleicht politisch unkorrekt sagen, dass ich es trotz allem nicht so schlimm finde, wenn man "Hure" als Schimpfwort benutzt.

 Warum nicht?

 Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der nicht mehr so gesprochen wird. Doch man kann trotz politisch höchst korrektem Benehmen im Handeln genauso oder anders frauenfeindlich sein. Unsere Gesellschaft ist ja nach wie vor sehr frauenfeindlich. Warum hat es in meinem Bereich viel mehr Jusstudentinnen, die abschliessen, aber später viel weniger Anwältinnen als Anwälte? Warum stehen an der Spitze viel weniger Frauen als Männer? Warum ist es bei der Familiengründung nach wie vor so, dass es eher die Frau ist, die die Arbeit reduziert oder gar aus dem Berufsleben aussteigt? Da wird nicht "Hure" gesagt, die Entscheidungsmechanismen sind scheinbar höchst zivilisiert. Das Ergebnis ist trotzdem frauenfeindlich. Vor allem bei jungen Leuten macht es doch einen Unterschied, wie einer frauenverachtend ist. Ist er es bloss mit Worten? Dann legt sich das doch häufig. Oder ist er es im Handeln? Oder in beidem?

 Dann glauben Sie nicht, dass die Kultur in den Schweizer Stadien die Sicherheit des Landes gefährdet?

 Quatsch. Es ist in den letzten Jahren Folgendes passiert: Es ist plötzlich angesagt, in die Kurven zu gehen, es hat Studenten, viele Frauen, kulturell interessierte Leute, sehr viele Jugendliche - es ist eine Art Jugendbewegung, eine riesige Subkultur, und die Jugendlichen engagieren sich dort auf eine Art und Weise, die während meiner Jugendzeit ganz klar politisch war: Sie malen Transparente, produzieren Choreografien, texten neue Slogans, Lieder, rund herum entstehen Bands, die ein Teil der Kurve sind oder gar durch die Kurve bekannt geworden sind. Das hat es früher nicht gegeben. Ich bin seit Jahren eine treue FCZ-Anhängerin, und ich finde das keine negative Entwicklung. Natürlich nehmen gerade die Jungen unter den Fans für sich in Anspruch, was wir früher als Bewegte auch in Anspruch genommen haben: dass wir uns nicht an alle Regeln halten. Da kann es schon sein, dass gesprayt wird oder dass oft das Pyrotechnikverbot nicht eingehalten wird. Man nimmt die Staatsgewalt, manchmal zu Recht und manchmal auch zu Unrecht, nicht ernst. Was uns als Linke dabei befremdet, ist ja vor allem eines: Warum tun die das für den Fussball? Aber da müssten wir eher uns selbst die Frage stellen: Warum ist es heute für viele junge Leute nicht mehr interessant oder gar abschreckend, sich politisch zu engagieren?

 Entspricht das Engagement in den Kurven   - gerade in der Auseinandersetzung mit der Repression - nicht teilweise einem politischen Engagement?

 Es findet zumindest eine Sensibilisierung statt, die über den Fussball hinausgeht. Im Vorfeld der Ausschaffungsinitiative habe ich an 350 Leute meiner Fussballklientel einen Brief verschickt, in dem ich darlegte, weshalb ich zweimal Nein stimme. Es war ein deutlicher Brief. Ich schrieb, wer hier aufwächst, wer hier lebt und wohnt, gehört zu uns, egal, ob er ein Mörder oder ein Fussballprofi ist. Und dass jemand, der zu uns gehört, auch hier bestraft werden soll. Ich habe auf diesen Brief keine einzige negative, aber erstaunlich viele positive Reaktionen bekommen, per Mail, per Post, per Telefon. Ein Hooligan sagte zu mir: "In meinem Bekanntenkreis stimmen die meisten Ja, ich kann das absolut nicht nachvollziehen. Ich glaube, ich muss das politische Lager wechseln." In den Fanforen des FC Basel und des FC Zürich fand eine sehr kontroverse, teilweise dumme, teilweise aber hochstehende Debatte zu diesem Thema statt. Ich behaupte, dass der Zweimal-Nein-Anteil in der Fanszene aufgrund negativer Erfahrungen mit der Staatsgewalt oder den Medien vergleichsweise hoch war. Die Leute merken, dass es nicht genügt, sich nur dann gegen Willkür oder Unverhältnismässigkeit zu wehren, wenn man persönlich davon betroffen ist.

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NLZ 20.12.10

"Chaoten nicht hart genug angefasst"

 FC Luzern

Interview Daniel Schriber

 Als im Juli 2009 eine Petarde neben seinem Ohr detonierte, veränderte sich das Leben von Christoph Erhard. Dabei hatte er sogar noch Glück im Unglück.

 Interview Daniel Schriber

 daniel.schriber@luzernerzeitung.ch

 Der Vorfall ereignete sich am 13. Juli 2009 auf der Luzerner Allmend: Beim entscheidenden Barrage-Spiel zwischen dem FC Luzern und der AC Lugano wirft ein Zuschauer eine Knallpetarde aufs Spielfeld. Dabei zieht sich Schiedsrichterassistent Christoph Erhard ein Gehörtrauma zu. In der Folge wird der FCL von der Swiss Football League mit einer Busse von 25 000 Franken bestraft. Die Polizei hat die Suche nach dem Petardenwerfer bis auf weiteres eingestellt (siehe Box). Was bisher nicht bekannt war: Der betroffene Linienrichter leidet bis heute unter den Folgen des Vorfalls.

 Christoph Erhard, wie gut ist Ihre Erinnerung an den 13. Juli 2009?

 Christoph Erhard: Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, und werde diesen Tag wohl nie vergessen. Immer wenn in Schweizer Stadien Petarden oder andere Knallkörper gezündet werden, denke ich daran. Es passierte in der 14. Minute, unmittelbar nach dem 1:0 von FCL-Spieler Renggli. Das Spiel war für einen Moment unterbrochen. Plötzlich waren da dieser gewaltige Knall und der wahnsinnige Schmerz in meinen Ohren.

 Und dann?

 Erhard: Nach der Detonation befand ich mich in einem tranceartigen Zustand. Ich fühlte mich wie in einem Film und realisierte gar nicht, was gerade passiert war.

 Trotz der Schmerzen machten Sie weiter.

 Erhard: Ich wollte nicht, dass das Spiel durch einen Abbruch entschieden wird, deshalb habe ich den Einsatz durchgezogen. (Bei einem Spielabbruch wäre der FCL in die Challenge League abgestiegen; Anm. d. Red.)

 Wie lautete die anschliessende Diagnose des Arztes?

 Erhard: Ich erlitt ein Gehörtrauma - und war damit noch gut bedient.

 Gut bedient?

 Erhard: Zum Zeitpunkt des Petardenknalls hatte ich das Schiedsrichter-Funksystem im Ohr. Laut den Ärzten war dies mein grosses Glück. Ohne diesen Schutz wäre mit grosser Wahrscheinlichkeit mein Trommelfell geplatzt.

 Seit dem Vorfall sind 18 Monate vergangen. Wie geht es Ihnen heute?

 Erhard: Den Umständen entsprechend gut. Ich leide jedoch noch immer unter dem Tinnitus.

 Wie äussert sich dies?

 Erhard: Es ist nicht so schlimm wie unmittelbar nach dem Unfall. Aufgrund des stetigen Pfeifens habe ich jedoch manchmal Mühe, mich zu konzentrieren.

 Werden Sie dieses Leiden je wieder los?

 Erhard: Die Aussagen der Ärzte sind hier ziemlich deutlich. Zu 99,9 Prozent bleibt der Tinnitus für immer.

 Sie sind immer noch als Schiedsrichter aktiv. Haben Sie nie über den Rücktritt nachgedacht?

 Erhard: Doch, das habe ich. Am Ende aber ist die Leidenschaft, Schiedsrichter zu sein, grösser. Ausserdem würde ich mit einem Rücktritt nur dem Chaoten Recht geben.

 Dieser wurde bis heute nicht gefasst.

 Erhard: Der Täter wird offenbar von der eigenen Fanszene geschützt - das stimmt mich sehr traurig. Gleichzeitig macht es mich auch wütend.

 Wie meinen Sie das?

 Erhard: Manchmal denke ich, die Behörden und die Vereine sind mitschuldig, dass es in den Schweizer Stadien immer wieder zu Zwischenfällen kommt. Die Chaoten werden einfach nicht hart genug angefasst. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis es erneut Verletzte gibt. Dabei zeigt der Blick ins benachbarte Ausland, dass es auch anders ginge.

 Haben Sie nach der Knallpetarde von Luzern etwas Vergleichbares erlebt?

 Erhard: Glücklicherweise nicht. Und die verbalen Angriffe, die wir Schiedsrichter Woche für Woche zu hören kriegen, prallen mittlerweile ungehört an mir ab.

 Hat sich der FC Luzern eigentlich an den Ärztekosten beteiligt?

 Erhard: Nein, das lief alles über die Unfallversicherung des Fussballverbandes.

 Standen Sie nach dem 13. Juli dennoch in Kontakt mit dem Verein?

 Erhard: Ja, ich hatte Kontakt mit FCL-Präsident Walter Stierli. Der Verein hat sich mir gegenüber immer sehr zuvorkommend verhalten. Noch heute erkundigen sich die Herren Stierli und Fringer nach meinem Befinden, wenn ich in Luzern im Einsatz stehe.

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 Feuerwerkprobleme verschärft

 Fussballverband

 ds. Der Matchbesucher, der im Juli 2009 die Knallpetarde in Richtung Spielfeld geworfen hat, wurde bis heute nicht ermittelt. Ulrich Pfister, Sicherheitsverantwortlicher des Schweizerischen Fussballverbandes, ist nicht überrascht: "Leider werden solche Chaoten in der Szene immer wieder gedeckt." Im Januar dieses Jahres teilte die Luzerner Polizei mit, dass die Untersuchung gegen den Petardenwerfer beim FCL-Spiel gegen Lugano "vorläufig eingestellt" wurde. Sie soll erst dann wieder aufgenommen werden, wenn neue Hinweise eingehen.

 Pyro- und Knallkörperaktionen sind laut Ulrich Pfister auch in Zukunft nicht auszuschliessen. Das Phänomen habe sich in den letzten fünf Jahren verschärft und gelte in der Szene als Ausdruck der Fankultur. "Wenn man die hohe Verletzungsgefahr betrachtet, die von den Pyroartikeln ausgehen, ist diese Entwicklung sehr bedenklich", so Pfister.

 Eine Feuerwerklegalisierung, wie sie etwa im Umkreis des FC Luzern die Fanorganisation United Supporters Luzern (Ausgabe vom 15. Dezember) oder die Stadtberner SP fordert, ist für Pfister keine Option.

 Kompliment für FCL

 Dem FC Luzern macht Pfister hingegen ein Kompliment. Der Club handle in Sicherheitsfragen vorbildlich. "Bei den Stadionverboten und der Identifikation von Chaoten leistet der FCL mit die beste Arbeit in der Schweiz."

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20 Minuten 20.12.10

Erfolg gegen Hooligans

 ZÜRICH. Schnellverfahren, Rayonverbote, Polizeigewahrsam: Die gegen Hooligans eingeführten Massnahmen wirken offenbar abschreckend. Rund um die Matches der jeweils höchsten zwei Fussball- und Hockeyligen gab es dieses Jahr massiv weniger Festnahmen und Verletzte als in der Vorrunde 2009/10. So sank die Zahl der Verhaftungen laut dem Bundesamt für Polizei von 203 auf 69 und die Zahl der Verletzten von 89 auf 28 - ein Minus von je rund zwei Dritteln. Zudem mussten die Kantone und Städte nur noch 67 Rayon- und Stadionverbote aussprechen oder ähnliche Massnahmen treffen. Im Jahr zuvor waren es noch 288.

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Sonntagszeitung 19.12.10

Der Kampf gegen Hooligans zeigt erste Erfolge

 Massiv weniger Verletzte bei Sportveranstaltungen - Zahl der Verhaftungen ist rückläufig

 Zürich Die Massnahmen der Kantone und Städte gegen die Gewalt an Sportveranstaltungen zeigen Wirkung: In der Vorrunde der beiden obersten Fussball- und Eishockeyligen sind bei Polizeieinsätzen gegen Hooligans erstmals Verhaftungen und die Zahl der Verletzten zurückgegangen. Rückläufig waren auch Massnahmen gegen Gewalttäter wie Rayon- und Stadionverbote, welche die Behörden aussprechen können. Die Abnahme fiel in diesen Kategorien markant aus (vgl. Tabelle). Zugenommen haben einzig die Verzeigungen. Diese sind Beleg für die härtere Gangart gegen Gewalttäter.

 Der Erfolg wurde mit eher weniger Polizisten erreicht. Marco Cortesi, Sprecher der Fachstelle für Hooliganismus, sagt: "Erste Erhebungen zeigen, dass die Aufgebote der Polizeien gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen sind." Bei der Bekämpfung von Ausschreitungen sei man auf dem richtigen Weg. Ähnlich argumentiert die Präsidentin der Polizeidirektorenkonferenz Karin Keller-Sutter: "Mit unseren Massnahmen konnten wir den Trend zu immer mehr Gewalttaten an Sportveranstaltungen brechen." Zur Verbesserung hätten neben den Schnellverfahren auch einheitliche Regelungen in den verschiedenen Kantonen und Städten beige- tragen.  

Matthias Halbeis

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NLZ 15.12.10

FCL setzt neu auf "Stadion-Experten"

 Sicherheit

Daniel Schriber

 Wenn der FCL ins neue Stadion einzieht, ändert auch das Sicherheitskonzept des Clubs. Neu sorgen Stewards für Ordnung.

 Nicht nur sportlich ist der FC Luzern erfolgreich unterwegs, auch punkto Sicherheit tut sich beim Zentralschweizer Referenzclub einiges. Gerade erst hat die Vereinsleitung eine Vereinbarung unterzeichnet, die den Club verpflichtet, jährlich 570 000 statt wie bislang 240 000 Franken an die Einsätze der Luzerner Polizei beizusteuern (Ausgabe von gestern). Polizeieinsätze laufen in der Regel vor dem Stadion ab. Aber auch im Innern der Swisspor-Arena wartet der FCL künftig mit neuem Sicherheitskonzept auf. Damit will FCL-Sicherheitschef Mike Hauser insbesondere verstärkt gegen das illegale Abfeuern von Pyro-Effekten vorgehen.

 Hauser plant die Anstellung von speziellen Stadion-Aufsehern - sogenannten Stewards. Grössere Vereine wie der FC Basel oder die Young Boys Bern setzen bereits auf dieses System.

 Stundenlohn statt Wurst und Brot

 Die "Stadion-Experten", wie Hauser die Aufseher nennt, sorgen für Ruhe und Ordnung rund um das Spielfeld, unterstützen die Eingangskontrolle, bewachen die Notausgänge oder helfen auch mal beim Plätze einweisen. All das sind Aufgaben, die im Gersag schon heute erledigt werden müssen. Der Hauptunterschied zu den Stewards liege laut Mike Hauser darin, dass die derzeitigen Helfer Freiwilligenarbeit leisten. "Heute arbeiten die Leute für einen Wurst-Bon, im neuen Stadion werden sie im Stundenlohn entschädigt." Wie viele Stewards künftig in der Swisspor-Arena für Ordnung sorgen und was dies den FC Luzern kosten wird, ist laut Mike Hauser noch nicht abschliessend geklärt. Kommt es im Stadion zu einem Zwischenfall, greifen die Stewards nicht aktiv ein, sie stehen jedoch im Kontakt mit dem anwesenden Sicherheitsdienst und alarmieren diesen im Ernstfall.

 In den vergangenen Jahren war dies jeweils die Securitas AG mit Hauptsitz in Zollikofen BE. Im Hinblick auf die kommende Saison hat der FCL diesen Auftrag neu ausgeschrieben. Hauser betont zwar, dass man mit der Arbeit der Securitas zufrieden sei, dennoch sollen nun auch andere Sicherheitsfirmen die Chance haben, sich um den Job zu bewerben. Der FCL-Sicherheitschef macht keinen Hehl daraus, dass die Ausschreibung aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte. Schliesslich sagte FCL-Präsident Walter Stierli bereits gestern gegenüber unserer Zeitung, dass der Verein punkto Sicherheit finanziell an seine Grenzen stosse. Welche Firma auch immer den Zuschlag kriegen wird - sie dürfte auch in der Swisspor-Arena einiges zu tun haben.

 Pyrofackeln in den Unterhosen

 Erst am Samstag hat sich beim Spiel zwischen Luzern und Zürich ein Fan Verbrennungen zweiten Grades zugezogen, nachdem im Fansektor des FC Zürich verbotene Pyrofackeln gezündet worden sind (siehe Box). Hauser weiss: "Ganz verbannen lassen sich solche Feuerwerke leider nie." Zu ausgefuchst seien die Taktiken einzelner Unruhestifter. So werden Pyros teilweise im Intimbereich ins Stadion geschmuggelt. "Um jede Fackel zu finden, müssten wir alle Zuschauer bis auf die Unterhosen filzen." Ein Ding der Unmöglichkeit.

 Dennoch ist Hauser aus verschiedenen Gründen davon überzeugt, dass der Verein das Problem im neuen Stadion besser unter Kontrolle haben wird. So bleibt die Swisspor-Arena im Gegensatz zum Stadion Gersag ausserhalb der Spielzeiten für die Öffentlichkeit geschlossen. Das vorzeitige Hineinschmuggeln von Feuerwerk wird damit praktisch verunmöglicht. Für die Swisspor-Arena spreche auch die moderne Infrastruktur und die fortschrittliche Videotechnologie im Stadion. Dies erleichtert den Sicherheitskräften die Identifikation der Chaoten, so Hauser.

 Daniel Schriber

 daniel.schriber@luzernerzeitung.ch

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 Fan-Präsident will Pyro legalisieren

 United Supporters ds. René Schwarzentruber, Präsident der Fanorganisation United Supporters Luzern (USL), bedauert, dass am Samstag im Gästesektor des Gersag ein Fan des FC Zürich durch eine Pyrofackel Verbrennungen erlitt. Dennoch sagt er: "Ich verteufle Feuerwerk an Fussballspielen nicht." Der Luzerner Fansektor beweise regelmässig, dass der Umgang mit Feuerwerk gefahrlos funktioniere. "Feuerwerkskörper sind im Schweizer Fussball seit Jahrzehnten Bestandteil der gelebten Fankultur."

 Pauschalverbot unvernünftig

 Ein Dorn im Auge ist Schwarzentruber das pauschale Verbot von Feuerwerk, das gegen jegliche Vernunft verstosse. "Je mehr Behörden und Clubs daran setzen, Pyro aus den Stadien zu verbannen, desto stärker wird dessen Symbolkraft." Für ihn ist klar: "Eine Lösung ist nur über eine Legalisierung zu erreichen, alles andere bleibt Symptombekämpfung." Trotz des anhaltenden Verbots bezeichnet er die Zusammenarbeit mit dem FCL als konstruktiv. "In Luzern läuft vieles besser als anderswo."

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NZZ 14.12.10

Nachspiel um Sicherheitskosten in Zürich und Neuenburg

 Auch der FC Luzern zahlt künftig mehr für die Polizeipräsenz ums Stadion

 Immer mehr grosse Sportklubs sind bereit, sich an den Sicherheitskosten zu beteiligen. Jüngstes Beispiel ist der FC Luzern, der eine Vereinbarung abgeschlossen hat. In Zürich und Neuenburg streiten die Behörden und die Klubs.

 Martin Merki, Luzern

 "Es war uns von Anfang an klar, dass wir uns an den Kosten beteiligen müssen", sagt Mike Hauser. Der Sicherheitschef des Fussballklubs Luzern nennt die Vereinbarung, die am Montagnachmittag von Justizdirektorin Yvonne Schärli und FCL-Präsident Walter Stierli unterschrieben worden ist, eine faire, transparente und verkraftbare Lösung. Vorgesehen ist, dass dem FCL vom Kanton für jedes Spiel 24 Polizisten zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus zahlt der Verein pauschal pro Kalenderjahr für 18 Meisterschaftsspiele zwischen 500 000 und 570 000 Franken. Das sind pro Zuschauer und Spiel rund 1 Franken 90.

 Auch in Basel und St. Gallen

 Luzern ist ein weiteres Beispiel dafür, dass sich Gemeinwesen und Klubs relativ eng an die Vorgaben halten, wie sie von der Schweizerischen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz (KKJPD) erarbeitet worden sind. Auch in St. Gallen und Basel sind nach zähen Verhandlungen solche Vereinbarungen unterschrieben worden, die sich an der Mustervereinbarung der Kantone orientieren. Auch diese Klubs werden von der öffentlichen Hand stärker zur Kasse gebeten. Der FCB hat sich zum Beispiel bereit erklärt, von der laufenden Saison an 1 Franken 80 pro Matchbesucher an die Sicherheit zu zahlen. Das ist im Vergleich zu andern Schweizer Fussballklubs überdurchschnittlich viel.

 Die Mustervereinbarung nimmt Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Klubs, sieht eine gewisse Grundversorgung durch die Polizei vor, regelt die Beteiligung der Sicherheitskosten und den Grad der Kooperation. So kann ein Klub, der den Behörden bei der Sicherheit entgegenkommt, von Reduktionen profitieren. Dieses Bonus-Malus-System ist Teil der Mustervereinbarung und betrifft noch mehrere Bereiche. Dazu gehören Massnahmen im Bereich Prävention und Fanarbeit sowie Fanbetreuung, Massnahmen zur Identifikation, Videoüberwachung, Informationsaustausch der Behörden oder die Bekämpfung von Pyrotechnik.

 Je mehr die Sportklubs zur Gewaltprävention beitragen, so die Absicht, desto weniger sollen sie sich an den Polizeikosten beteiligen. In Luzern zum Beispiel reduziert sich der Betrag, den der Klub an die Sicherheit zahlen muss, nach dem Bonus-Malus-System von 570 000 auf 500 000 Franken. Das ist immer noch viel Geld, findet FCL-Präsident Walter Stierli. "Wir kommen langsam an Grenzen", sagte er an der Medienorientierung. Er hat ausgerechnet, dass der Verein 15 Franken pro Matchbesucher an fixen Kosten aufbringen muss. Trotzdem sollen die Billettpreise bis auf weiteres nicht erhöht werden, auch nicht bei der Eröffnung des neuen Stadions, das derzeit gebaut wird. Auch Walter Stierli streicht die partnerschaftliche und gute Zusammenarbeit mit dem Kanton Luzern in Sachen Sicherheit hervor.

 Das Verhältnis ist nicht überall so gut wie in Luzern. In Zürich und Neuenburg wird es in Sachen Sicherheit ein Nachspiel geben. GC, FCZ, ZSC Lions und Xamax proben den Aufstand gegen die Vereinbarungen und die Kostenverrechnung bei der Sicherheit. Sie argumentieren, dass die Sicherheitskosten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Tätigkeit der Vereine beeinträchtigen würden. Sie sind mit den Behörden im Clinch, fechten die Rechnungen an und lassen sich auch nicht an den Verhandlungstisch bitten. Aussicht auf Erfolg dürfte eine solche Verweigerungshaltung langfristig wohl kaum haben. Sie befindet sich juristisch auf dünnem Eis, nachdem das Bundesgericht am Beispiel von Xamax Neuenburg entschieden hat, dass bei Hochrisikospielen bis zu 80 Prozent der Aufwendungen für die Sicherheit auf einen Klub überwälzt werden können.

 Schonfrist für YB

 Reto Casanova, Medienbeauftragter beim Stadtzürcher Polizeidepartement, bestätigt den rechtlichen Streit in Zürich. Das Geschäft liege beim Stadtrat. Es gebe keine aktuellen Ergebnisse, und es handle sich um ein laufendes Verfahren. Nachdem die ersten Rechnungen im Sommer angefochten worden seien, seien die Rechnungen sistiert worden. Die Absicht sei aber ganz klar, die Kosten für die Sicherheit zu verrechnen.

 Im Weiteren gibt es eine Gruppe von Klubs, wo die Verhandlungen mit den Kantonen oder Städten eingeleitet sind oder Vereinbarungen vorbereitet werden, wie in Bellinzona. Eine Schonfrist gibt es für YB. Da der Berner Verein 2009 eine neue Vereinbarung abschloss, bevor die Mustervereinbarung der Kantone als Richtschnur vorhanden war, gilt vorderhand diese Vereinbarung. Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause will im Frühling die Situation und die Frage der finanziellen Beteiligung an den Sicherheitskosten auf der Grundlage von neuen Zahlen beurteilen. Wenn das Polizeiaufgebot bis im Frühling 2011 nicht gesenkt werden könne, dann müssten auch die Stadtberner Klubs stärker in die Tasche greifen, hatte der Sicherheitsdirektor geäussert.

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NLZ 14.12.10

Sicherheit: So viel muss der FCL zahlen

 Fussball

Daniel Schriber

 Der FC Luzern beteiligt sich künftig stärker an den Polizeikosten. Damit stösst der Club laut Präsident Walter Stierli an seine Grenzen.

 Seit gestern ist klar, dass das Herz der Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektorin Yvonne Schärli "blau-weiss" schlägt. Sie besuche regelmässig Spiele des FCL und freue sich sehr, dass der Club an der Tabellenspitze überwintere. Doch es sind nicht die sportlichen Erfolge des Fussballclubs, weshalb die Regierungsrätin gestern Nachmittag im Lokal "Club 94" nahe der Swissporarena-Baustelle vor die Medien trat.

 FCL-Präsident Walter Stierli, FCL-Sicherheitschef Mike Hauser, der Luzerner Polizeikommandant Beat Hensler und Yvonne Schärli sind vielmehr zusammengekommen, um einen Vertrag zu unterzeichnen, der die Kostenverteilung und Massnahmen zur Sicherheit bei Fussballspielen regelt. Für den Verein bedeutet dies, dass er punkto Sicherheit künftig verstärkt zur Kasse gebeten wird. Ausserdem sollen Hooligans und andere Chaoten dank der intensivierten Zusammenarbeit zwischen Verein und Politik schneller gefasst und bestraft werden. Erst am Samstag haben FCL-Fans im Gersag-Stadion verbotene Pyroraketen gezündet, worauf sich ein Fan Verbrennungen zweiten Grades zuzog (siehe Box).

 570 000 Franken für 18 Spiele

 Die Vereinbarung sieht vor, dass die Luzerner Polizei in Zukunft maximal 24 Polizisten unentgeltlich zur Verfügung stellt - "als Service public", so Schärli. Für zusätzliches Personal bei den insgesamt 18 Meisterschaftsspielen bezahlt der FCL ab dem kommenden Jahr pauschal 570 000 Franken. Für weitere Spiele - sei es im Cup oder in europäischen Wettbewerben - erfolgt die Abrechnung nach Aufwand. Dabei werden dem Club jeweils 80 Prozent der errechneten Kosten übertragen.

 Bislang beteiligt sich der FCL mit 240 000 Franken an den Polizeikosten. Yvonne Schärli redet von einer "fairen und ausgewogenen" Vereinbarung, die im gegenseitigen Einvernehmen zu Stande gekommen sei. Fair auch deshalb, weil sich dem FCL die Möglichkeit einer Kostenreduktion von bis zu 70 000 Franken bietet, sofern er bestehende Richtlinien bezüglich Sicherheit und Prävention im Stadion umsetzt.

 Ärger über Sparmassnahmen

 Auch FCL-Präsident Stierli zeigte sich vordergründig "glücklich und zufrieden" über die erfolgreiche Partnerschaft mit der Politik. Die Sicherheit stehe ganz oben auf der Prioritätenliste des Vereins. "Uns ist klar, dass der FCL einen Beitrag an die Polizeieinsätze leisten muss."

 Dennoch betonte Stierli, dass der Fussballclub langsam an seine Grenzen stosse. Ein Dorn im Auge ist dem Präsidenten etwa die im Kanton Luzern gängige Billettsteuer, die den Club 800 000 Franken pro Saison kostet. Umso mehr ärgert sich Stierli darüber, dass die Stadt Luzern künftig nur noch einen kleinen Betrag an die Fanarbeit des FC Luzern leisten will. Während der FCL und der Kanton jährlich 65 000 Franken an das Projekt bezahlen, hat die Stadt ihren Beitrag im Rahmen des Sparpakets auf 20 000 Franken reduziert.

 Darüber regt sich auch Sicherheitsdirektorin Schärli auf. "Repression ist das eine, aber ich bin überzeugt, dass auch das Fanprojekt seinen Beitrag zur Sicherheit leistet." Es sei ihr ein grosses Anliegen, dass diese Projekte auch in Zukunft unterstützt werden. Der Vorstand der Fanarbeit Luzern hat auf die Ankündigung der Beitragsreduktion durch die Stadt reagiert und alle Zentralschweizer Kantone und Gemeinden um einen Beitrag für die künftige Finanzierung der Fanarbeit ersucht. Es gingen Spenden von total 4500 Franken ein.

 Fans sollen nicht mehr zahlen

 Am Ende der Medienorientierung betonte Walter Stierli, dass die Fans des FC Luzern nicht unter den Mehrkosten leiden sollen. Primäres Ziel sei es, das Stadion zu füllen. "Jeder soll es sich leisten können, ein FCL-Spiel zu besuchen." Deshalb sollen die Billettpreise "plus-minus" gleich bleiben wie im Gersag. Über die neuen Eintrittspreise will der FCL im Januar informieren.

 Daniel Schriber

 daniel.schriber@luzernerzeitung.ch

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Kommentar

 Clubs stehen in der Pflicht

Daniel Schriber

 Was für eine Schande! Gerade haben wir noch gejubelt, weil der FC Luzern an der Tabellenspitze überwintern wird, da erfahren wir, dass ein Matchbesucher am Samstag im Stadion Gersag von einer Pyrofackel getroffen worden ist und dadurch Verbrennungen zweiten Grades erlitten hat. Einmal mehr wird ein sportlicher Erfolg von der Idiotie eines Chaoten überschattet.

 Randalierer scheinen sich einen Sport daraus zu machen, die Sicherheitskräfte Woche für Woche an der Nase herumzuführen. Der Luzerner Polizeikommandant Beat Hensler spricht von einem regelrechten Machtkampf in den Stadien. Das kann und darf nicht sein.

 Die neue Vereinbarung zwischen dem Kanton und dem FC Luzern ist ein positives Zeichen. Politik und Sport werden im Kampf gegen Chaoten künftig verstärkt zusammenarbeiten und gehen einen Schritt in die richtige Richtung.

 Richtig ist auch, dass der FCL künftig einen grösseren Beitrag an die Sicherheitsleistung der Polizei leisten muss. Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler dafür büssen müssen, wenn es während oder nach einem Fussballspiel zu Krawallen kommt.

 Hoffnung schafft zudem das nationale Hooligan-Konkordat, das es ermöglicht, Chaoten hart zu bestrafen. Wer zum Beispiel Pyros abfeuert, muss mit einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen rechnen.

 Trotzdem wird es auch künftig - ob im Gersag oder in der Zuger Bossard-Arena - negative Zwischenfälle geben. Umso wichtiger ist es, dass die Sportvereine alle möglichen Massnahmen zu Gunsten der Sicherheit treffen. Die Politik kann bei diesem Auftrag zwar helfen - in der Pflicht stehen aber primär die Clubs.

 Daniel Schriber

 daniel.schriber@luzernerzeitung.ch

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20 Minuten 14.12.10

Swisspor-Arena: Chaoten werden härter angepackt

 LUZERN. Krawallmacher werden es im neuen FCL-Stadion schwer haben: Gestern haben der Klub und die Behörden harte Massnahmen angekündigt.

 Der FCL und der Kanton haben gestern eine Vereinbarung mit neuen Sicherheitsmassnahmen unterzeichnet. Diese wird Fussballfans hart treffen - vor allem trinkfreudige: "Im Gästesektor wird ein grundsätzliches Alkoholverbot herrschen", so FCL-Sicherheitschef Mike Hauser. Das Verbot könne bei Risikospielen aufs gesamte Stadion ausgeweitet werden.

 Der geschäftsleitende Staatsanwalt Daniel Burri verspricht ein härteres Durchgreifen gegen Chaoten. "Künftig werden höhere Geldstrafen und Bussen verteilt." So müsse etwa beim Zünden von pyrotechnischem Material mit einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen gerechnet werden. Bei einem Scharmützel mit der Polizei setzt es gar mindestens 120 Tagessätze. Zudem wird wie bis anhin bei Risikospielen ein Schnellrichter im Stadion anwesend sein.

 Neu stehen dem FC Luzern als Grundversorgung 24 Polizeieinheiten pro Spiel gratis zur Verfügung. Der restliche Aufwand für die 18 Meisterschaftsspiele wird mit einem Pauschalbetrag von 570 000 Franken verrechnet - mehr als das Doppelte des bisherigen Betrags. "Damit stossen wir an unsere Grenzen", sagt FCL-Präsident Walter Stierli. Doch letztlich könne eben nicht alles der Steuerzahler berappen.  Martin Erdmann

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 Fanarbeit: Stadt soll mehr zahlen

 LUZERN. Regierungsrätin Yvonne Schärli-Gerig hat sich gestern für die Fanarbeit Luzern ausgesprochen. "Es ist wichtig, dass neben Repression auch präventive Wege gesucht werden", sagte sie gestern bei der Unterzeichnung der Vereinbarung zur Sicherheit bei Fussballspielen. Daher versuche sie die Stadt Luzern zu überzeugen, doch noch den bisherigen Beitrag von 65 000 Franken zu zahlen. Die Stadt will diesen auf 20 000 Franken reduzieren.

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Willisauer Bote 14.12.10

FCL beteiligt sich an Sicherheitskosten

 Abgeltung | Kanton Luzern und FCL unterzeichnen eine Vereinbarung

 Ab dem Juli 2011 ist klar, wer für die Einsätze der Polizei bei Fussballspielen des FC Luzern (FCL) zahlen muss. Der Kanton Luzern und der FCL haben am Montag eine Vereinbarung zur Sicherheit bei Fussballspielen unterzeichnet.

 Die Vereinbarung sieht vor, dass die Luzerner Polizei 24 Mitarbeitende als unentgeltliche Grundversorgung zur Verfügung stellt, wie der Kanton Luzern mitteilte. Diese Grundversorgung besteht aus einem Einsatzleiter und 22 Polizei-Mitarbeiter.

 Zudem ist ein polizeilicher Szenekenner mit von der Partie. Auf diese Grundversorgung kann der FCL bei allen Spielen in der Meisterschaft, in internationalen Wettbewerben, im Cup und bei Freundschaftsspielen zählen.

 Sicherheitsarbeit wird mit Bonus belohnt

 Für die weiteren Einsatzkräfte für die 18 Heimspiele werden dem FCL pro Jahr pauschal 570 000 Franken in Rechnung gestellt. Der Kanton hat dabei allerdings Spielraum.

 Der Fussballklub wird nämlich bei Massnahmen zur Sicherheit und Prävention in die Pflicht genommen. Erfüllt er diese vollumfänglich, erhält er eine Reduktion von 70 000 Franken pro Kalenderjahr.

 Als Sicherheitsvorkehrung gilt beispielsweise ein Alkoholverbot im gesamten Stadion bei Hochrisikospielen. Sind die Bestimmungen mehrheitlich umgesetzt, ist eine Kostenreduktion von 35 000 Franken vorgesehen.

 Alle weiteren Partien wie internationale Wettbewerbe oder Freundschaftsspiele werden wie bisher nach Aufwand zu 80 Prozent in Rechnung gestellt. Auch hier kann sich der FCL einen Bonus von 60 Prozent Kostenbeteiligung holen.

 An Mustervereinbarung orientiert

 Man habe sich bei der Ausarbeitung an der Mustervereinbarung der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) orientiert, sagte Regierungsrätin Yvonne Schärli-Gerig gestern Montag auf Anfrage. Diese werde im Kanton Luzern konsequent umgesetzt.

 Polizeikommandant Beat Hensler erhofft sich, dass er dank der Vereinbarung in Zukunft weniger Polizeikräfte einsetzen muss. FCL-Verwaltungsratspräsident Walter Stierli betonte, dass mit dem Vertrag die Zuständigkeiten und Kosten klar geregelt seien.

 Die Vereinbarung tritt mit der Eröffnung des neuen, bis zu 17 000 Zuschauer fassenden Stadions des FC Luzern im Juli 2011 in Kraft. Man habe die Überbrückungszeit im Gersag abwarten wollen, sagte Regierungsrätin Yvonne Schärli-Gerig.sda/WB

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presseportal.ch 13.12.10

Kanton Luzern und FCL unterzeichnen eine Vereinbarung zur Sicherheit bei Fussballspielen

 Luzern (ots) - Der Kanton Luzern hat unter der Federführung von Regierungsrätin Yvonne Schärli-Gerig mit den Verantwortlichen der FC Luzern-Innerschweiz AG eine Vereinbarung erarbeitet. Dank der guten Zusammenarbeit zwischen der Luzerner Polizei und dem FC Luzern wurde in konstruktiven Verhandlungen eine faire Lösung für die Kostenübernahme und für Massnahmen zur Sicherheit bei Fussballspielen gefunden. Die Empfehlungen der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz, KSBS, betreffend der Gewalt an Sportveranstaltungen werden im Kanton Luzern konsequent umgesetzt.

 Die involvierten Partner zeigten sich erfreut über die Vereinbarung, welche die Übernahme der Sicherheitskosten und Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit bei Fussballspielen regelt. Bei den Gesprächen waren verschiedene Punkte wie der politische Auftrag mit Berücksichtigung der Budgetvorgaben, der hohe Stellenwert der Sicherheit bei Fussballspielen und die angemessene Beteiligung an den Sicherheitskosten massgebend. Weiter wurden auch die Verantwortlichkeiten sowie Form und Umfang der Zusammenarbeit geregelt. Festgelegt wurden auch Massnahmen zur Prävention, Fanarbeit und Betreuung, zur Identifizierung von Personen, die gegen die Stadionordnung oder das Gesetz verstossen, zum Informationsaustausch sowie zur Gewährung der Sicherheit in der swisspoarena und auf den Reisewegen der Supporter des FC Luzern.

 Übernahme von Sicherheitskosten

 Die Vereinbarung sieht vor, dass die Luzerner Polizei eine maximale, unentgeltliche Grundversorgung von 24 Mitarbeitenden zur Verfügung stellt. Diese Grundversorgung durch die Polizei bei Fussballspielen des FC Luzern (in den Kategorien Meisterschaft, internationale Spiele, Cup und Freundschaftsspiele) setzt sich wie folgt zusammen: ein polizeilicher Einsatzleiter, ein polizeilicher Szenenkenner und 22 Mitarbeitende der Polizei

 Die weiterführenden Aufwendungen für 18 Meisterschaftsspiele werden dem FC Luzern pro Kalenderjahr pauschal mit 570'000 Franken in Rechnung gestellt. Für weitere Spiele, wie oben genannt, erfolgt die Abrechnung nach Aufwand. Die anfallenden Kosten werden zu 80 Prozent in Rechnung gestellt.

 Gute Sicherheits- und Präventionsarbeit wird mit Bonus belohnt

 Den Verantwortlichen der FC Luzern-Innerschweiz AG ist die Sicherheit bei Spielen ein wichtiges Anliegen. Verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und zur Prävention wurden in den letzten Jahren vorgenommen und werden weitergeführt. Können die bestehenden Reglemente und Richtlinien bezüglich Sicherheit und Prävention durch die FC Luzern-Innerschweiz AG vollumfänglich umgesetzt werden, besteht die Möglichkeit einer Kostenreduktion von maximal 70'000 Franken pro Kalenderjahr. Können die Bestimmungen mehrheitlich umgesetzt werden, ist eine Kostenreduktion von 35'000 Franken vorgesehen.

 Stimmen zur Vereinbarung

 Der Justiz- und Sicherheitsdirektorin des Kantons Luzern, Regierungsrätin Yvonne Schärli-Gerig, ist die Sicherheit bei Sportveranstaltungen sehr wichtig. Sie ist überzeugt, dass hier eine faire und ausgewogene Vereinbarung ist zu Zustande gekommen ist, in der auch die politischen Aspekte einbezogen wurden.

 Beat Hensler als Kommandant der Luzerner Polizei ist sehr zufrieden: "Die Polizei ist massgeblich für die Gewährung der Sicherheit an Fussballspielen verantwortlich. Die Vereinbarung zeigt klare Verhältnisse auf. Mit diesen Massnahmen sollte es in Zukunft möglich sein, für die Spiele es FC Luzern weniger Polizeikräfte einzusetzen."

 Mike Hauser, Sicherheitsverantwortlicher und Verwaltungsrat der FC Luzern-Innerschweiz AG, zeigt sich erfreut: "Dank den sehr konstruktiven Verhandlungen und der vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen der Polizei und dem FC Luzern ist eine faire Lösung erarbeitet worden."

 Walter Stierli, Verwaltungsratspräsident der FC Luzern-Innerschweiz AG betonte: "Die Sicherheit ist für den FC Luzern ein Hauptanliegen! Mit der jetzt unterzeichneten Vereinbarung sind die Zuständigkeiten und die Kosten klar geregelt."

 Daniel Burri, geschäftsleitender Staatsanwalt des Kantons Luzern machte an der Medienkonferenz klar: "Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz KSBS hat Empfehlungen betreffend Gewalt an Sportveranstaltungen erarbeitet. Die Luzerner Strafverfolgungsbehörden werden diese umsetzen."

 ots Originaltext: Staatskanzlei Luzern Internet: www.presseportal.ch

 Kontakt: Für weitere Auskünfte stehen Ihnen folgende Personen im nachgenannten Zeitfenster: Montag, 13. Dezember 2010, 15.30 - 16.30 Uhr, zur Verfügung.

 Regierungsrätin Yvonne Schärli-Gerig Tel.: +41/41/228'59'18

 Beat Hensler, Kommandant Luzerner Polizei Tel.: +41/41/248'80'11 (Medienstelle)

 Walter Stierli, Verwaltungsrats-Präsident FC Luzern-Innerschweiz AG

 Mike Hauser, Verwaltungsrat FC Luzern-Innerschweiz AG, Sicherheitsverantwortlicher (beide erreichbar über den Medienverantwortlichen Stefan Bucher +41/79/439'14'87)

 Daniel Burri, geschäftslteitender Staatsanwalt des Kantons Luzern Tel.: +41/41/228'58'42

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BIG BROTHER
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24 Heures 23.12.10

Jean-Michel Dolivo fiché pour sa participation à une manifestation

Christian Aebi

 Suite à une manifestation anti-Blocher, à Lausanne en 2007, le député vaudois a été fiché dans la banque de données sur la sécurité intérieure de la Confédération

 Le député vaudois Jean-Michel Dolivo a été fiché suite à la manifestation contre Christoph Blocher au Comptoir Suisse en septembre 2007. Après le défilé, qui s'était déroulé dans le calme, des casseurs avaient incendié des poubelles et affronté la police. L'élu d'A Gauche toute!, avocat actif dans la défense des sans papiers, s'indigne de cette "criminalisation du droit de manifester", a-t-il dit hier à l'ATS confirmant un article duCourrier. Il rappelle que la manifestation était autorisée et qu'il avait tenté en vain de calmer les jeunes casseurs.

 "On m'attribue l'organisation d'une manifestation violente alors que la police met en évidence que ce n'est pas le cas", a-t-il ajouté. Dans son rapport, la police reconnaît en outre qu'elle a "l'habitude" d'envoyer des agents pour infiltrer les manifestations de la gauche. "Une surveillance inacceptable", estime M.   Dolivo.

 Le nom de l'élu figurait dans la banque de données sur la sécurité intérieure (ISIS). L'été dernier, la Délégation des commissions de gestion des Chambres fédérales avait révélé que, durant des années, un service secret de la Confédération avait fiché près de 200 000 personnes. Le député a écrit au préposé fédéral à la protection des données. "Après plusieurs courriers, j'ai finalement obtenu cette fiche", a-t-il ajouté. Le document a été détruit du fichier fédéral. ATS

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La Liberté 22.12.10

big brother Le député vaudois Jean-Michel Dolivo a été fiché, suite à une manifestation anti-Blocher en 2007. Un cas d'école de la criminalisation du militantisme politique.

 Fiché pour avoir organisé une manif

 Michaël Rodriguez

 Lausanne, le 18 septembre 2007. Deux mille personnes défilent aux abords du Comptoir suisse pour protester contre la venue du conseiller fédéral Christoph Blocher. La manifestation, autorisée, se déroule sans faire de vagues. Ce n'est qu'au moment où la foule se disperse qu'un groupe de 100 à 200 jeunes se déchaîne, arrachant des affiches de l'UDC et boutant le feu à des containers. Au mégaphone, Jean-Michel Dolivo, l'un des organisateurs de la manifestation, lance un appel au calme.

 Fiché dans ISIS

 Trois ans plus tard, Jean-Michel Dolivo apprend qu'il a été fiché comme organisateur d'une manifestation violente. L'avocat et député de SolidaritéS au Grand Conseil vaudois est entré bien malgré lui dans la base de données informatique ISIS, qui recense des personnes soupçonnées de menacer la sécurité de la Confédération. Il fait partie des 200 000 personnes et institutions dont le fichage, souvent illégal, avait été révélé l'été dernier par la Délégation des commissions de gestion des Chambres fédérales.

 C'est d'ailleurs suite à cette affaire des fiches "bis" que le député a entrepris des démarches auprès du Préposé fédéral à la protection des données. Chose plutôt rare, il a obtenu une copie de sa fiche, dont nous publions des extraits (voir ci-contre). Elle illustre la criminalisation du militantisme politique qui s'est poursuivie bien au-delà du scandale des fiches de 1990.

 Manifestations infiltrées

 Dès janvier 2008, Jean-Michel Dolivo est fiché comme "Organisator" d'une "Demo" (manifestation) qualifiée de "gewalttätig" (violente). Il est inscrit dans ISIS en tant que "tiers", c'est-à-dire comme personne proche de milieux présentant un danger pour la sécurité de l'Etat - en l'occurrence le "black block". La durée prévue de conservation de ces données n'est pas claire. Est-elle fixée à 15 ans conformément à la loi, comme le suggère une partie de la fiche? Ou à 90 ans, comme le laisse penser une date figurant dans une autre rubrique: le 24 janvier 2098? Le Service de renseignement de la Confédération (SRC) tombe des nues et affirme que cette dernière date provient d'une "faute dans le système", qui dépasse le cas d'espèce.

 La fiche, élaborée par le Service d'analyse et de prévention (l'actuel SRC), se base sur un rapport de la Police de sûreté vaudoise. Dans ce document, on apprend que la police a pour pratique systématique d'infiltrer les manifestations organisées par la gauche. "Notre (...) (le nom de l'agent ou de l'informateur est caviardé, ndlr.) en faisait partie, comme à son habitude lors des manifestations de la gauche", note le caporal de police auteur du rapport.

 Le rapport mentionne par ailleurs que le dénommé "Me Dolivo" a "tenté, en vain, de calmer les casseurs". Cela aurait déjà dû dissuader les renseignements fédéraux de ficher le militant de SolidaritéS. L'illégalité de l'inscription dans ISIS n'en est que plus patente. Suite à la démarche de l'avocat, le Service de renseignement de la Confédération a décidé d'effacer sa fiche. Affaire classée? Pas vraiment. Car de nombreux militants politiques ou syndicaux sont probablement toujours fichés à leur insu.

 A l'ère informatique

 Dans son rapport, la Délégation des commissions de gestion relevait que les renseignements fédéraux ont systématiquement répertorié les noms fournis par les polices cantonales, "même des personnes qui étaient explicitement désignées comme inoffensives ou plus du tout actives". C'est le cas notamment de "personnes à l'origine d'une manifestation autorisée et pacifique". Dans la plupart des cas, il n'y a aucun moyen de savoir si elles sont fichées (lire ci-contre). Les fichiers séparés constitués par certaines polices cantonales, notamment dans le canton de Vaud, échappent encore parfois à tout contrôle.

 Autre problème: la transmission de données à des tiers, considérablement facilitée par l'informatisation. Dans l'Union européenne, ces échanges se font par le Système d'information Schengen, auquel la Suisse participe. Dans le cas de Jean-Michel Dolivo, le SRC affirme que les informations le concernant n'ont pas été transmises au-delà des autorités de police fédérales et cantonales.

 Mais cela est arrivé à d'autres. La police fédérale n'avait ainsi pas hésité à transmettre à un service de renseignement européen des informations sur un député d'origine kurde au Grand Conseil bâlois. De prétendus liens avec un comité de soutien à un groupe extrémiste étaient mentionnés, sans aucune information étayant ce soupçon.

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 Un droit d'accès qui n'en est pas un

 Le rapport de la Délégation des commissions de gestion a provoqué une avalanche de demandes. Depuis l'été dernier, le préposé fédéral à la protection des données a enregistré quelque 400 requêtes de personnes s'inquiétant d'un éventuel fichage.

 Le droit actuel ne permet généralement pas aux personnes d'accéder à leur fiche. La plupart du temps, il ne leur est même pas possible de savoir si elles font l'objet ou non d'une inscription dans ISIS. En cas d'existence d'une fiche, le préposé à la protection des données doit vérifier que les informations ont été traitées dans le respect de la loi. Si tel n'est pas le cas, il recommande au Service des renseignements de corriger le tir.

 La plupart du temps, la personne concernée n'en saura rien. Pour obtenir des informations, elle doit prouver qu'elle risque d'être lésée "gravement et de manière irréparable" si elle n'y a pas accès, stipule la loi fédérale sur le maintien de la sûreté intérieure (LMSI). La communication de ces renseignements ne doit en outre pas constituer "une menace pour la sécurité intérieure ou extérieure". En cas de refus, il n'existe pas de voie de recours.

 Jugée contraire à la Convention européenne des droits de l'homme, la procédure sera revue. Le Conseil fédéral a adopté en novembre dernier un projet de modification de la LMSI. Il prévoit d'aménager une voie d'accès directe à ces données, selon des conditions beaucoup plus larges qu'aujourd'hui. Le projet doit encore être approuvé par les Chambres fédérales. La LMSI interdit de traiter des informations relatives à l'engagement politique ou à l'exercice de droits fondamentaux comme la liberté d'association et de réunion. La seule exception concerne des personnes ou des organisations qui se serviraient de ces droits "pour dissimuler la préparation ou l'exécution d'actes relevant du terrorisme, du service de renseignements ou de l'extrémisme violent". MR

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Le Courrier 22.12.10

La machine à produire des suspects

MICHAEL RODRIGUEZ

 Vingt ans après le scandale des fiches, la criminalisation des mouvements de gauche est bien plus qu'un vieux souvenir de la guerre froide. Jean-Michel Dolivo, député de Solidarités au Grand Conseil vaudois, a été fiché par les Renseignements fédéraux pour avoir organisé une manifestation de protestation contre la venue de Christoph Blocher au Comptoir suisse en 2007. Pour la seule raison que des débordements avaient eu lieu après la dispersion du cortège, le militant s'est vu estampiller "organisateur de manifestation violente". Il fait ainsi partie des 200000 personnes et institutions dont le fichage a été révélé l'été dernier par la Délégation des commissions de gestion des Chambres fédérales.

 Ce nouveau symptòme d'une pathologie apparemment chronique — la paranoia helvétique — pourrait faire rire. Au rayon du ridicule, la base de données informatique ISIS, qui recense les personnes soupçonnées de présenter une menace pour la sécurité de l'Etat, n'a rien à envier aux anciennes fiches. Certaines personnes sont restées répertoriées dans ISIS dix ans après leur mort, relevait par exemple la Délégation des commissions de gestion.

 Mais le fichage politique a, aujourd'hui comme alors, surtout quelque chose d'inquiétant. Car la paranoTa helvétique n'est rien à còté de I'hystérie sécuritaire mondiale. Les fiches version postmoderne s'inscrivent dans une époque où les possibilités de transmission de données personnelles sont décuplées.
 L'évolution est à la fois technologique, avec l'informatisation et le développement d'internet, et politico-juridique, à travers la création de réseaux d'échange de données comme ceux nés des conventions de Schengen et de Dublin.

 Aujourd'hui, l'extension de I'Etat policier n'est plus alimentée parla hantise du communisme, mais par la "guerre contre le terrorisme" déclenchée au lendemain des attentats du 11 septembre 2001. EIIe prend également appui sur la criminalisation des migrants et la constitution de l'Europe comme forteresse. Il faut rappeler que l'immense majorité des personnes fichées dans ISIS sont de nationalité étrangère. Elles y ont souvent été répertoriées à la suite d'un contròle de photographies d'identité à la frontière, au dépòt d'une demande d'asile ou de naturalisation.

 Cette incroyable capacité de l'Etat policier à produire des suspects peut avoir des conséquences graves. Lorsque la machine sé-curitaire s emballe le pouvoir ne s embarrasse plus de la nécessité d'avoir des preuves pour porter atteinte à la Iiberté de potentiels ennemis publics. On l'a vu notamment avec l'affaire Coupat en 2008. Soupçonné d'avoir organisé le sabotage de Iignes TGV, Julien Coupat a été mis en examen comme "dirigeant d'une structure à vocation terroriste" et emprisonné sans preuve durant plus de six mois. Plus récemment, la mise au pilori du fondateur du site WikiLeaks Julian Assange et la fermeture de ses comptes bancaires, sans aucun ordre de justice, ont jeté une lumière inquiétante sur la capacité du système à faire ti de l'Etat de droit.

 Les fiches du XXIe siècle pourraient réserver encore de bien mauvaises surprises.

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admin.ch 22.12.10

Finger- und Handflächenabdrücke: Bundesrat stimmt der Erneuerung des Identifikationssystems zu

Bern, 22.12.2010 - Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung der Beschaffung eines neuen automatisierten Fingerabdruck-Identifikationssystems (AFIS) zugestimmt. Das ,AFIS New Generation" wird das bestehende System voraussichtlich 2013 ablösen. Es ist ein zukunftsorientiertes Instrument für die biometrisch-forensische Tatortspurenaufklärung und Personenidentifikation.

Das automatisierte Fingerabdruck-Identifikationssystem AFIS unterstützt die Identifikation von Personen und Tatortspuren aufgrund von Finger- und Handflächenabdrücken. Das zentrale, nationale AFIS wird vom Bundesamt für Polizei fedpol seit 1984 betrieben und ist aus der heutigen Sicherheitslandschaft Schweiz nicht mehr wegzudenken. 2009 wurden mit AFIS rund 128'000 Überprüfungen durchgeführt, was zu 52'000 Personenidentifizierungen geführt hat. Gleichzeitig konnten über Analyse und Vergleich von Finger- und Handflächenabdrücken, die an Tatorten gesichert wurden, rund 2'300 Personen identifiziert werden. Dabei handelt es sich grösstenteils um Täterspuren.

Dringliche Ablösung

Seit der letzten Erneuerung des Systems im Jahre 2002 hat sich das Auftragsvolumen massiv erhöht. Die technischen Leistungsgrenzen in allen Bereichen des Gesamtsystems sind erreicht. Eine Weiterführung des bestehenden Systems könnte mittelfristig zu einem Totalausfall des gesamt-schweizerischen Fingerabdrucksystems führen. Das Bundesamt für Polizei könnte dann seinen Leistungsauftrag gegenüber seinen Partnern (Kantonspolizeien, Grenzwachtkorps, Bundesamt für Migration, Botschaften, Interpol-Partnerstaaten) die das System rund um die Uhr nutzen, nicht mehr wahrnehmen.

Neben den technischen Gesichtspunkten gilt es auch den zunehmenden internationalen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Der Datenaustausch geschieht heute über die Schnittstelle zu Eurodac, der europäischen Asyldatenbank, sowie mit den Interpol-Partnerstaaten. Damit die technischen und qualitativen Anforderungen auch in Zukunft erfüllt werden können, muss das bestehende AFIS durch das neue System ,AFIS New Generation" abgelöst werden. Die Investitionskosten für das neue System belaufen sich auf rund 18,5 Millionen Franken, die durch den Bund getragen werden.

Klare gesetzliche Grundlagen

Die Arbeiten mit dem AFIS unterliegen klaren gesetzlichen Grundlagen. Das Informationssystem stützt sich einerseits auf Artikel 354 Absatz 1 und Absatz 4 des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0). Die Einzelheiten regelt der Bundesrat auf Verordnungsstufe. Bezüglich Ausländerinnen und Ausländer stützt sich das AFIS anderseits auch auf Artikel 102 Absatz 2 des Ausländergesetzes (AuG; SR 142.20).

Die Verordnung vom 21. November 2001 über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten (SR 361.3) schränkt die biometrischen erkennungsdienstlichen Daten auf Finger- und Handballenabdrücke, Tatortspuren, Fotografien und Signalemente ein und regelt den Einsatz des AFIS. Die Grundlagen für den internationalen Datenaustausch finden sich für Eurodac im Asylgesetz (SR  142.31; Art. 102a bis 102e) sowie für Interpol im StGB (Art. 350 bis 352).

Adresse für Rückfragen:
Axel Glaeser, Bundesamt für Polizei, Tel. +41 31 325 96 22

Herausgeber:
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Internet: http://www.ejpd.admin.ch

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Ausländergesetz (SR 142.20)
http://www.admin.ch/ch/d/sr/c142_20.html
Asylgesetz (SR 142.31)
http://www.admin.ch/ch/d/sr/c142_31.html
Strafgesetzbuch (SR 311.0)
http://www.admin.ch/ch/d/sr/c311_0.html
Verordnung über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten (SR 361.3)
http://www.admin.ch/ch/d/sr/c361_3.html

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WoZ 16.12.10

Datenmissbrauch bei der swisscom?

Ein Phantom versendet Drohungen

 Von einem Handy aus, das auf eine junge jüdische Frau ­registriert ist, werden Zürcher Neonazis, Szeneaussteiger und Hooligans massiv bedroht. Die vermeintliche ­Handybesitzerin lebt in den USA und weiss von nichts. Wer steckt hinter den Drohungen? Die Swisscom schweigt.

 Von Daniel Ryser (Text) und Patric Sandri (Illustration)

 Es ist ein Freitag im November 2010. In Zürich steht ein Schlägerkommando bereit, ein Drohkommando von Bedrohten. Sie wollen eine jüdische Familie "besuchen" und bedrängen   - das Eskalationspotenzial ist hoch, auch wenn der Auftrag des Kommandos offenbar darin besteht, zuerst einmal herauszufinden, was genau Sache ist. Doch wenn Rechtsextreme eine jüdisch-orthodoxe Familie aufgebracht zur Rede stellen, dann ist das nicht die beste Voraussetzung für ein sachliches, klärendes Gespräch.

 Die Vorgeschichte: In den Wochen zuvor hatten Rechtsextreme, Szeneaussteiger, Hooligans, Ex-Hooligans, insgesamt über dreissig Personen, von einem Handy aus massive Drohungen erhalten, von Beschimpfungen bis hin zur angedeuteten schweren Drohung gegen Leib und Leben. Mit einem einfachen Trick in einem Swisscom-Shop in Zürich hatte dann einer der Betroffenen die offiziell registrierte Inhaberin der Nummer herausgefunden: die jüdisch-orthodoxe Familie im Kreis 4 beziehungsweise deren Tochter. Seither kursierten deren Name und Adresse in der Szene, und als die Drohungen nicht aufhörten, organisierte einer der Bedrohten nun also ein Drohkommando.

 Verletzte die Swisscom die Sorgfaltspflicht?

 Einer, der einen der Bedrohten kennt, sah das Eskalationspotenzial dieses Aufeinandertreffens - und vor allem zweifelte er daran, dass jene Familie mit der Sache zu tun hat. Er könne seine Zweifel nicht erklären, sagte er, "aber die Person, welche die Drohungen verschickt, verfügt über ein extremes Wissen über die Zürcher Hooliganszene, Wissen, das eigentlich nur ein Insider oder ein Szenekenner haben kann". Die WOZ bekam also einen Tipp, Namen und Adresse der Familie, und klingelte, als das Drohkommando schon im Besitz der Adresse war, an der Wohnungstür. Die anwesenden Familienmitglieder hatten keine Ahnung, wovon der Reporter redete. Die betreffende Tochter lebe seit längerem in den USA, sei dort verheiratet. Vor allem aber habe sie in der Schweiz gar nie ein Handy besessen. Ein Anruf bei der Swisscom aber bestätigte alles: Auf die Tochter, nennen wir sie nach der US-Schauspielerin Lisa Edelstein, ist seit drei Jahren eine Nummer bei der Swisscom registriert - ein Natel Easy. Funktion: prepaid. Das heisst: Keine Rechnungen, keine Bestätigungen nach Hause. Und dann stutzte die Dame am Telefon: Für die Nummer fehle das nötige Registrierungsformular, das Formular, auf dem unter anderem eingetragen wird, von welchem offiziellen Dokument die Personendaten stammen. Eigentlich hätte der Account so niemals eröffnet werden dürfen, sagte die Swisscom-Frau am Telefon. Wie konnte das trotzdem passieren? Wurde intern geschummelt? Eine Antwort liefert die Frau nicht, dafür schickt sie - wohl kaum legal - eine Liste aller Anrufe, die in den letzten dreissig Tagen mit dem Handy von Lisa Edelstein getätigt wurden.

 Die Liste zeigt: Das Handy wurde im Oktober und Anfang November 2010 als reines Drohhandy benutzt. Nur per SMS wurde kommuniziert. Beim Durchtelefonieren der über dreissig Nummern ergibt sich ein Muster: Betroffen sind in erster Linie Leute aus dem Zürcher Hooliganumfeld, ehemalige Mitglieder der Hardturm-Front, Anhänger des Rekordmeisters Grasshopper Club, die vor Jahren ausstiegen oder aussteigen mussten, weil es innerhalb der Gruppe zu Differenzen gekommen war, und von denen fast alle eine rechtsextreme Vergangenheit haben. Es finden sich aber ebenfalls einzelne Leute auf der Liste, die beteuern, weder mit Hooliganismus noch mit extremistischer Politik etwas zu tun zu haben, die aber auch angeben, von dieser Nummer aus massiv beschimpft worden zu sein. Einer sagt: "Ich schrieb zurück: Was soll das? Es kam eine Antwort. Offenbar muss das Handy früher einem Mitglied der Zürcher Hooligangruppe City Boys gehört haben. Ich habe die Nummer seit zwei Jahren. Ich schrieb, man solle mich in Ruhe lassen, ich hätte nichts mit der Person zu tun."

 Zudem erhielt der Vater eines Ex-Neonazis per SMS das Bild seines Autos zugeschickt, das vor seinem Haus parkte, darunter der Text: "Gruss an deinen Sohn. Jetzt läuft es." Bedroht wurde zudem auch ein bekanntes Mitglied der Neonaziorganisation Blood and Honour Vorarl berg.

 Eine Abrechnung in der Hooliganszene?

 Und das alles also vom Handy einer jungen jüdischen Frau aus. Die Familie kam so in erhebliche Gefahr. Und nicht nur sie: "Ich wurde kürzlich von alten Bekannten im Zürcher Niederdorf zusammengeschlagen, weil sie glaubten, ich stehe hinter den Attacken", sagt einer der Angerufenen, ein Ex-Hooligan. Gleichzeitig mit den telefonischen Drohungen sei in seinem Namen ein Facebook-Profil eröffnet worden, sagt der Mann. In seinem Namen seien auch Hooligans in Zürich und in Basel massiv bedroht worden. Zudem sei auch Folgendes passiert, sagen mehrere der bedrohten Ex-Hooligans: Vom Grab des vor einigen Jahren verstorbenen Zürcher Hooligans K. S. sei dessen Foto gestohlen worden, es sei eingescannt worden. Dann sei unter dem Namen des Toten und mit der Fotografie des Grabes ein Profil eröffnet worden, mit dem Leuten aus seinem alten Umfeld gedroht wurde: Man sehe sich bald.

 Handelt es sich bei dieser Geschichte um eine Vendetta unter alten Bekannten? Eine Abrechnung in der Hooliganszene? Kam ein jüdisch klingender Name gerade recht? Oder steckt hinter den Drohungen, wie einige meinen, eine linksextreme Gruppe aus Zürich? Oder ist es, wie ein betroffener Rechtsextremer nach wie vor vermutet, "eine Verschwörung extremistischer jüdischer, antizionistischer Kreise"? Eine gut informierte Person aus der Antifa-Szene kann sich aufgrund der "absurden Qualität der Drohungen" organisierte Antifaschisten als Urheber der Drohungen nicht vorstellen, "schon auch deshalb, weil solch wilde, unkontrollierte Drohungen früher oder später zu Gewalt führen, und wir wollen unsere Energien auf sinnvolle Aktionen fokussieren und nicht irgendwelche Einzelmasken oder gar deren Verwandte bedrohen".

 Fakt ist: Wer auch immer hinter den Drohungen steckt, hat mehrere Leute, die der Urheberschaft verdächtigt wurden, in erhebliche Gefahr gebracht. Darunter Familie Edelstein: Vater, Mutter, Sohn, eine zweite, junge Tochter. Die Familie ist in erster Linie froh, dass niemand ihre Wohnung gestürmt hat. Sie liess dann, "nachdem wir uns einen Tag lang nicht mehr vor die Tür getraut haben", bei der Swiss com die Nummer sperren. Die Frage, welche die Familie beschäftigt und bisher unbeantwortet bleibt: Wurde die Tochter zufällig oder bewusst ausgewählt? Kommt es, wie ein Swiss com-In si der behauptet, bei der Swisscom öfter zu derartigem Datenmissbrauch, der mitunter Dritte gefährden kann? Indem auf fremde Namen Prepaidkonten erstellt werden (um keinen Verdacht zu erwecken, werden existierende Personen genommen), die dann von irgendwelchen Leuten für Umtriebe benutzt werden, die Anonymität erfordern?

 Weil Prepaidkonten keine Korrespondenzen und keine Rechnungen erfordern, ist es technisch tatsächlich so, dass eine Person nie erfahren muss, dass auf sie ein Natel-Easy-Abonnement läuft.

 "Wenden Sie sich an den Kundendienst"

 Ob es bei der Swisscom bereits nachweislich zu solchen Missbräuchen gekommen ist, will die Pressestelle nicht beantworten. Zum vorliegenden Fall schweigt die Swisscom-Pressestelle ebenfalls - "aus Datenschutzgründen"   - und empfiehlt allen Betroffenen, "sich an den Kundendienst zu wenden, dort erhalten sie Informationen für das weitere Vorgehen. Bei Drohungen sollten sich Kunden an die Polizei wenden."

 Die Geschichte könnte trotzdem noch aufgeklärt werden: Einer der Bedrohten sagt, er sei von verschiedenen Nummern aus bedroht worden und habe deswegen Anzeige erstattet.

 Aus verschiedenen Quellen war zu erfahren, dass in Zusammenhang mit den Drohungen vor zwei Wochen eine Person vorübergehend verhaftet wurde, die früher Kontakte zu rechtsextremen Hooligans pflegte, während sie im gleichen Zeitraum auch an linken Demos anzutreffen war. Computer seien ebenfalls beschlagnahmt worden. Die betreffende Person streite aber vehement ab, mit den Drohungen zu tun zu haben. Die Geschichte behält Brisanz: Nachdem der Verdacht gegen die jüdische Familie ausgeräumt ist, kursiert nun offenbar der Name der vorübergehend verhafteten Person unter den Bedrohten. Schon macht das Gerücht von einem neuen Drohkommando die Runde.

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 ProWOZ Förderverein

 Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den Recherchierfonds des Förder vereins ProWOZ. Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-Leser Innen.

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20 Minuten 15.12.10

Trailer zum Fichen-Film

 ZÜRICH. "Manipulation" ist der erste Spielfilm über die Schweizer Fichenaffäre. Mit Klaus Maria Brandauer (66) konnten die Produzenten einen Golden-Globe-Gewinner für die Hauptrolle des Spezialagenten Urs Rapold gewinnen. Am 20. Januar eröffnet der Polit-Thriller die Solothurner Filmtage. Ab dem 3. Februar läuft er in den Kinos. Den Trailer sehen Sie heute schon exklusiv auf 20 Minuten Online.

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20min.ch 15.12.10

"Manipulation": Der Film zur Fichenaffäre

 Exklusiv auf 20 Minuten Online: Der Trailer zum starbesetzen Film über die skandalträchtigen Machenschaften des Schweizer Staatsschutzes.

 1956. Die Zeit des Kalten Krieges. Der Schweizer Staatsschutz überwacht zehn Prozent der eigenen Bevölkerung. Als ein kompromittierendes Foto den Starreporter Werner Eiselin als sowjetischen Spion entlarvt, ist dieser dem Druck nicht gewachsen und nimmt sich im Verhörraum des Leben. Spezialagent Urs Rapold von der Antispionage-Abteilung plagen Zweifel: Waren die Fotos wirklich echt? Und warum hat der einflussreiche PR-Berater Dr. Harry Wind die Fotos überhaupt machen lassen?

 In der Rolle des Spezialagenten Urs Rapold brilliert Schauspielstar Klaus Maria Brandauer, der bereits einen Golden Globe für die beste Nebenrolle in "Jenseits von Afrika" erhielt. Für seine Leistung in Sydney Pollacks Spielfilm war der 66-jährige Österreicher ausserdem für einen Oscar nominiert.

 Am 20. Januar 2011 feiert "Manipulation" als Eröffnungsfilm der 46. Solothurner Filmtage Weltpremiere. Am 3. Februar läuft der Polit-Thriller in den Schweizer Kinos an. (sei)

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POLICE CH
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NZZ am Sonntag 19.12.10

Ausstellung

 Ohne Angst vor Kontrollverlust

 Alexandra Maurer - Contremouvements. Kunstmuseum St. Gallen, bis 23. 1., www.kunstmuseumsg.ch, Katalog: Verlag für moderne Kunst.

 Gegen Demonstranten ist die Polizei in Genf nicht zimperlich. Mit voller Wucht treffen die Wasserwerfer auf die Körper. Alexandra Maurer hat diese Gewalt vor allem über den Ton eingefangen. Dieser schwillt zu donnerndem Getöse an, verklingt dann ins Unbestimmte, sobald die Strassen leer sind. Was so lebensecht daherkommt, ist das Resultat einer künstlerischen Fiktion. Die in Genf lebende und gerade mit dem Manor-Kunstpreis St. Gallen ausgezeichnete Künstlerin hat für ihre Videoinstallation im Depot der Genfer Verkehrsbetriebe typische Demo-Szenen nachgestellt und gefilmt. Einzelne Stills wurden übermalt und mit den bewegten Bildern zusammengeführt. Maurer spricht von einer "peinture animée". Die bunten, lebhaften Bewegungen sind mit Dok-Filmen aus dem Internet über Demonstrationen von 1968 und gegen den G-8-Gipfel in Genua ergänzt. Die Körnigkeit der Bilder rückt sie an Video-Malerei heran. Die inszenierte und die reale Gewalt verbinden sich zu einer merkwürdigen Mischung aus Kampf, Performance und Tanz. Die Erotik und Hässlichkeit, die der Körper bei extremen Bewegungen ausstrahlt, faszinieren die St. Gallerin auch in den weiteren ausgestellten Videos, Fotos und Malereien. Vor Kontrollverlust und knalligen Farben hat sie keine Angst. (gm.)

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NZZ 18.12.10

"Ohne Schengen war es besser"

 Zöllner und Grenzpolizisten in Zeiten offener Grenzen - ein Besuch bei den Grenzwächtern in Chiasso

 Der Beitritt zum Schengener Abkommen hat für Reisende Annehmlichkeiten gebracht. In Chiasso allerdings führen die offenen Grenzen zu Unbehagen. Ein Augenschein vor Ort - zwei Jahre nach dem Verschwinden der Grenzkontrollen.

 Michael Schoenenberger, Chiasso

 Mussolinis Grenzzaun rostet vor sich hin. Da und dort klaffen Löcher. Einst errichtet gegen Schmuggel und Fluchtgeld, steht er in Zeiten offener Grenzen nunmehr anachronistisch zwischen der Schweiz und Italien. Man möchte ihn niederreissen, wäre da nicht das deutliche Gefühl, die Menschen hier in Chiasso seien ganz froh um so etwas wie ein letztes Hindernis, das es von Süden her zu überwinden gilt.

 "Auf dem Waldboden liegen sie, dort drüben, die Pässe und Dokumente", sagt Wachtmeister Christian Galli und zeigt über das tiefe Tobel auf die italienische Seite. Weggeworfen von Migranten auf ihren letzten Schritten in die Schweiz, verunmöglichen sie eine rasche Identifizierung. Auf Schweizer Boden zeugen verrottende Kleider von menschlichen Schicksalen. Die grüne Grenze beklemmt noch immer.

 Hochmoderne Kameras überwachen den fast zwei Kilometer langen Grenzabschnitt in Chiasso und Umgebung. Ihren Dienst verrichten die elektronischen Augen auch auf dem Bahnhof. Seit mit dem Abkommen von Schengen die systematischen Personenkontrollen an der Grenze aufgehoben worden sind, kommen die meisten illegalen Zuwanderer ganz normal mit dem Zug an. 40 bis 50 Migranten sind es an Spitzentagen. Es sind Männer, eigentlich nur Männer, und sie kommen mehrheitlich aus Nigeria. Vom Bahnhof sind es nur ein paar Schritte bis zum Auffangzentrum. Dort stellen sie ein Asylgesuch. Viele von ihnen, sagt Galli, hielten sich schon längere Zeit illegal in Italien auf. "In der Schweiz werden sie besser behandelt als in Italien. Dort schlafen viele unter Brücken, haben kaum zu essen." Hier in Chiasso gibt es ein Dach über dem Kopf, warmes Essen, Kleider, Hygienemittel und drei Franken pro Tag. "Das ist für manchen schon fast ein Paradies."

 "You understand?"

 "Ich möchte arbeiten in der Schweiz", sagt der junge, gedrungene Mann in gebrochenem Englisch und fuchtelt mit seinen grossen Händen, was das Zeug hält. In Nigeria habe er Probleme, er könne nicht zurück. Die Italiener seien chaotisch, hier sei es besser. Nein, mit Drogen wolle er nicht handeln, aber, so meint er auch, von etwas müsse man leben - und ja, das Leben liege in Gottes Händen. "You understand?" Die Gittertür des Auffangzentrums geht auf und zu, junge schwarze Männer gehen ein und aus. Das Zentrum ist gut besetzt. In Chiasso gibt es mittlerweile so etwas wie ein "nigerianisches Viertel".

 Die Grenzwächter wollen nicht klagen, hinter vorgehaltener Hand reden sie aber Klartext. "Mit der Personenfreizügigkeit und mit Schengen ist das Handwerk der Kriminellen einfacher geworden", sagt ein Grenzwächter, der nicht namentlich genannt sein will. "Ohne Schengen war es besser." Ein anderer Grenzwächter meint, in der täglichen Arbeit an der Grenze in Chiasso bringe das Schengener Informationssystem eigentlich wenig bis nichts.

 Neben der illegalen Migration gibt die grenzüberschreitende Kriminalität zu reden. Das Tessin, sagt Galli, gehöre heute zu Mailands Agglomeration. Von dort und von Turin aus treiben kriminelle Banden ihr Unwesen. Häufig sind es minderjährige Roma-Mädchen, die auf Einbruchs- oder Diebestour geschickt werden. Kürzlich erst haben die Grenzwächter zwei Mädchen, kaum 15 Jahre alt, dingfest gemacht. Sie waren dabei, in ihrem Koffer einen Tresor nach Italien zu schaffen. "Die Zigeuner sind Profis", sagt Galli. "Sie wissen sogar, wo wir Grenzwächter wohnen." Die nächtlichen Routen werden entsprechend festgelegt.

 Chiasso Brogeda, Autobahnzoll. Zu dritt stehen die Grenzwächter im dichten Autoverkehr und lassen ihre geschulten Blicke schweifen. Es ist eine Knochenarbeit. Im Sekundentakt hämmern die Motoren vorbei. In der ermüdenden Monotonie des Verkehrs ist es schwierig, wachsam zu bleiben. Geschehen kann alles, und zwar jederzeit. Auffallend viele Luxuskarossen passieren. Maseratis, Bentleys. Die Grenzwächter schnappen sich einen jungen Franzosen. Sie verdächtigen ihn des Haschischschmuggels, durchsuchen seinen kleinen Peugeot, gute fünf Minuten lang. Derweil passieren Dutzende Autos und Kleinlaster die Grenze, ohne jede Kontrolle. "Mit mehr Personal könnten wir natürlich besser kontrollieren", bemerkt ein Grenzwächter trocken.

 Wenn alles Touristen sind

 Jetzt ist ein serbischer Audi an der Reihe. Wieder falscher Alarm. Stolz erzählen die Grenzwächter nach diesen Fehlgriffen von ihren Erfolgen, etwa von jenem 67-jährigen Holländer, der 12 Kilogramm Kokain und 7 Kilogramm Heroin durch die Schweiz schmuggeln wollte. Oder von jener 60-jährigen Belgierin mit 17 Kilogramm Drogen im Gepäck. Zwei äusserlich völlig unverdächtige Erscheinungen seien das gewesen. Vorurteile blieben immer wieder unbestätigt. "Die Erfahrung zählt", sagt Galli, "heute mit Schengen noch mehr als früher." Ein erfolgreicher Grenzwächter habe den besonderen Riecher und beurteile Situationen intuitiv.

 Ein Kleinbus mit osteuropäischem Kennzeichen und Anhänger fährt durch. Er ist voll besetzt mit bärtigen Männern. Die drei Grenzwächter, beschäftigt mit einer anderen Kontrolle, können den Bus nicht filzen. Ein kurzer Seitenblick, und einer meint: "Verdächtig, sie könnten Diebesgut geladen haben." Ironisch erwidert Galli: "Vielleicht waren es Touristen." Viele geben sich bei einer Kontrolle als Touristen aus. Besonders Osteuropäer, die kein Visum mehr brauchen. Frauen in den Fängen der Menschenhändler kommen so in die Schweiz. Sie tauchen dann auf dem Strassenstrich in Zürich wieder auf.

 "Prostituierte und Schwarzarbeiter reisen als Touristen völlig legal ein", sagt ein Grenzwächter. "Wir können nichts machen." Er erzählt von den vermeintlichen Skitouristen, die in ihren Koffern keine Skidresses, wohl aber Maurerwerkzeuge verstaut hatten. Schwarzarbeiter. Oder vom 15-jährigen Mädchen, das einen Zettel bei sich hatte. Darauf stand detailliert geschrieben, wie viel Geld es für welche sexuellen Handlungen zu verlangen habe.

 Wer sich in Chiasso umhört, bekommt immer wieder dasselbe zu hören. Man fühle sich nicht mehr sicher, nicht einmal mehr zu Hause. Wegziehen sei aber keine Option. Eine Frau meint, die Leute in Chiasso seien stolz auf ihren Ort. Nicht einmal gegen Bezahlung gingen sie fort. Die Tessiner, sagt ein Passant, haben Angst. Angst vor italienischen Zuständen in ihrem Kanton. Deshalb stimmten sie Nein zu Schengen, Nein zum freien Personenverkehr. "Offene Grenzen sind etwas Wunderbares", sagt der Chef des Zigarrengeschäfts. "Besonders für jene, die in die Ferien fahren oder am Flughafen nicht mehr in der Schlange stehen müssen." Hier aber, in Chiasso, seien sie exponiert. Er wäre froh, es gäbe wieder stärkere Grenzkontrollen.

 Langsam dunkelt es. Mit dem Zug aus Mailand kommen an diesem Abend nur wenige Illegale in die Schweiz. Grenzwächter stehen ohnehin keine auf dem Bahnsteig. Die zur Verfügung stehende Patrouille ist unterwegs, irgendwo bei Bellinzona.

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 Migrationsdruck an der Südgrenze nimmt zu

 msc. · 2009 hat das Grenzwachtkorps schweizweit bei rund 3500 Personen einen illegalen Aufenthalt festgestellt. An der Südgrenze waren es 1600 oder gut 40 Prozent. Der Migrationsdruck im Süden hat 2010 zugenommen: Bis Ende November wurden 2460 Personen aufgegriffen. Wie Davide Bassi, Sprecher der Grenzwachtregion IV, weiter sagt, stellen die meisten Illegalen ein Asylgesuch. In Chiasso haben die Gesuche entsprechend zugenommen, bestätigt das Bundesamt für Migration. Im Januar 2009 baten 196 Personen in Chiasso um Asyl, im November 2010 ist mit 457 Gesuchen der Spitzenwert erreicht worden.

 Die Grenzwachtregion IV beschäftigt derzeit 318 Mitarbeiter. 2007 waren es noch 340 . Auf dem Posten in Chiasso sinkt die Zahl nächstes Jahr von 64 auf 61 Grenzwächter. Wie Bassi sagt, bestehen derzeit keine Pläne, den Bestand wegen des Migrationsdrucks zu ergänzen. Eine allfällige Verstärkung sei möglich, aber lageabhängig, heisst es vonseiten der Eidgenössischen Zollverwaltung. Wöchentlich wird die Lage neu beurteilt.

 Die Tessiner Kantonspolizei kann aufgrund der zur Verfügung stehenden statistischen Daten nicht bestätigen, dass der Kriminaltourismus mit Schengen zugenommen hätte. Einbrüche und Diebstähle seien rückläufig. Wie Bassi sagt, sinken die Zahlen aufgrund des guten Filters an der Grenze. Die Zahl der vom Grenzwachtkorps an die Polizei übergebenen Personen steige an: 2008 habe man pro Tag fünf Personen übergeben, 2010 seien es bereits neun. Eine massive Zunahme ist bei den Delikten gegen Leib und Leben zu verzeichnen (2001: 234; 2008: 765). 2010 waren es 1148 Strafdelikte, die allerdings aufgrund einer neuen Erhebungsmethode nicht mit den Zahlen von 2008 vergleichbar seien, wie die Kantonspolizei betont.

 Laut dem Bundesamt für Migration ist das Schengener Informationssystem (SIS) ein unentbehrliches Instrument zur grenzüberschreitenden Kriminalitätsbekämpfung. Das SIS sei die Voraussetzung für die Fahndungen nach Personen und Sachen. Von Januar bis Ende September 2010 seien im rückwärtigen Raum 4640 Personen ermittelt worden, welche im SIS ausgeschrieben waren. Auf den Kanton Tessin entfielen hiervon 471 Personen. Unter den in der ganzen Schweiz aufgegriffenen Personen waren 156 zur Verhaftung ausgeschrieben.

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Bund 15.12.10

Nachts stehen nur 10 Mann an 110 Kilometern Grenze

 In Genf werfen Überfälle ausländischer Banden ein Schlaglicht auf den Unterbestand der Grenzwacht. Ihr Kommandant fordert zusätzlich 100 Mann.

 Richard Diethelm, Lausanne

 Vier Bewaffnete überfielen am Dienstagmorgen eine Bijouterie im Waadtländer Vallée de Joux und nahmen vorübergehend eine Frau als Geisel. Letzte Woche versuchte eine bewaffnete Bande eine Bankfiliale im Genfer Vorort Gollonge-Bellerive zu stürmen. Ende November überfielen in Thonex bei Genf bewaffnete Männer eine Wechselstube und eröffneten das Feuer auf die anrückende Polizei. Ein verletzter Bankräuber wurde verhaftet, die andern flohen ohne Beute.

 Die jüngsten Raubüberfälle fachten in der Region Genf Diskussionen wieder an, wonach Kriminaltouristen wegen der dank Schengen offenen Grenze zu leichtes Spiel hätten. Gemäss der Polizeistatistik 2009 hält Genf unter den 26 Kantonen mit 110,2 Straftaten pro 1000 Einwohner den Rekord. In der Städtestatistik liefert Genf mit 190,7 Straftaten pro 1000 Einwohner ebenfalls den höchsten Wert. Allerdings gehen nicht alle registrierten Verbrechen auf das Konto von Kriminaltouristen. Die "Tribune de Genève" listete gestern Vorschläge der Grenzwacht und der Polizei auf, wie man Kriminaltouristen besser das Handwerk legen könnte.

 Überwachung mit Kameras

 Das Grenzwachtkorps prüft, an neuralgischen Stellen entlang der Grenze "intelligente" Überwachungskameras einzusetzen. Diese können Kontrollschilder von Autos erkennen und schlagen bei gestohlen gemeldeten Fahrzeugen sofort Alarm. Ein gemeinsamer Funkkanal soll die Kommunikation zwischen schweizerischen und französischen Ordnungskräften beschleunigen. Auf der Wunschliste stehen eine grenzüberschreitende Einsatzzentrale sowie ein Polizeihelikopter, der Verbrecher auf der Flucht über die Landesgrenze hinaus verfolgen dürfte.

 Der Kommandant der Grenzwacht Genf, Claude Meylan, übte in der "Tribune" keine Kritik am Schengen-System. Aber er schilderte die Folgen des Unterbestandes im Korps. Seitdem dieses vor zwei Jahren mit rund 140 Mann die Passkontrolle im Internationalen Flughafen übernehmen musste, fehlen Leute für die mobilen Patrouillen zur Überwachung der 110 Kilometer langen Grenze zu Frankreich. Tagsüber stünden 130 Grenzwächter im Einsatz, aber nachts "manchmal nicht mehr als etwa 10 Personen".

 Das Phänomen der grenzüberschreitenden Kriminalität, die wellenartig auftritt, kennt man auch in Basel. Laut Patrick Gantenbein vom Grenzwachtkorps Basel verüben vor allem junge Personen aus Drittstaaten, die ohne festen Wohnsitz im Elsass leben, Einbrüche auf Basler Boden. Die Frage, ob das Basler Korps mehr Grenzwächter benötigt, beantwortet der Informationsbeauftragte diplomatisch: "Wir machen das Beste mit den verfügbaren personellen Mitteln."

 Widmer-Schlumpf spart

 In Genf dagegen reicht der Bestand des Korps von 307 Personen trotz der momentanen Verstärkung durch 30 Deutschschweizer Grenzwächter nicht aus, um der Bevölkerung den gewünschten Schutz zu bieten. Im Idealfall müssten rund um die Uhr sechs bis acht Patrouillen im Einsatz sein, sagt der Sprecher des Korps, Michel Bachar. Sein Kommandant bezifferte das Soll auf 400 Stellen. Wegen Budgetrestriktionen bewilligte Bern dem Genfer Korps für nächstes Jahr lediglich 24 zusätzliche Aspirantenstellen.

 "Das reicht nicht", sagt André Eicher, der Zentralsekretär der Gewerkschaft des Zoll- und Grenzwachtpersonals Garanto. Je 40 zusätzliche Stellen in den nächsten zwei Jahren hatte Garanto für Genf gefordert, für die übrige Schweiz 200 Grenzwächter und 200 zivile Zollbeamte. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat für solche auch im Nationalrat erhobenen Forderungen wenig Gehör. Anfang Woche sagte sie in der Fragestunde, das Grenzwachtkorps könne von den Sparvorgaben des Parlaments "nicht völlig ausgenommen" werden. Und eine schlüssige Aussage zum nötigen Personal sei erst möglich, nachdem die Aufgabenstellung des Korps überprüft worden sei.

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ANTI-FEMINISMUS
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Blick am Abend 21.12.10

Kuhn lässt nicht locker

 WAHLEN

 Die IG Antifeminismus will für Zürich in den Nationalrat. Mit wem, ist noch unklar.

 Frauenlästerer René Kuhn will im Oktober 2011 mit seiner IG Antifeminismus bei den Nationalratswahlen für Zürich antreten. "Wir prüfen noch, ob es möglich ist. Aber der Grundsatzentscheid ist gefällt", sagt Kuhn zu Blick am Abend. Von allen Kantonen sei Zürich am attraktivsten, weil die IG Antifeminismus hier am meisten Mitglieder habe. "Wir wollen zwar keine politische Partei sein", so Kuhn, "doch nur wenn wir mitspielen, können wir auch etwas erreichen." Die Ziele sind klar: Im Scheidungs-, Unterhalts- und Sorgerecht sollen Männer bessergestellt werden. Wer bei den Wahlen antreten wird und ob er selber kandidiert, weiss Kuhn noch nicht. Er wurde am vergangenen Wochenende aus der Luzerner SVP geworfen. Die Chancen für seine IG sieht Kuhn gut: "Die Hälfte der Männer hat eine Scheidung hinter sich. In der Bevölkerung herrscht eine grosse Wut." as

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NLZ 20.12.10

"Der Rauswurf ist rechtlich nicht haltbar"

 Politik

Silvia Weigel

 Der SVP-Ausschluss bremst ihn nicht. René Kuhn will mit seinen Antifeministen in den Nationalrat einziehen.

 Silvia Weigel

 silvia.weigel@luzernerzeitung.ch

 René Kuhn, die SVP hat Sie aus der Partei geworfen (Ausgabe vom Samstag). Ist das Ihr politisches Ende, oder treten Sie jetzt mit einer eigenen Liste an?

 René Kuhn: Sicher ist, dass die Interessengemeinschaft Antifeminismus (Igaf, siehe Kasten) in zahlreichen Kantonen bei den Nationalratswahlen antreten wird. In welchen Kantonen - und ob Luzern dabei sein wird - ist noch offen.

 Sollte die Igaf in Luzern zu den Nationalratswahlen antreten, werden Sie aber schon auf der Liste stehen?

 Kuhn: Vermutlich schon, wenn dies der Vorstand und Mitglieder der Igaf so wollen.

 Und wie sieht es mit den Kantonsratswahlen im April aus? Treten Sie dort mit einer Liste der Igaf an?

 Kuhn: Wenn die Igaf mit einer Liste antritt, werde ich wahrscheinlich darauf stehen, sollte ich nominiert werden. Die Frage ist, ob es für die Igaf überhaupt sinnvoll ist, in einem Kantonsrat vertreten zu sein. Unser Ziel, die Rechte der Männer und Väter zu stärken, können wir nur über Gesetzesänderungen auf Bundesebene erreichen. Ob die Igaf bei den Wahlen antritt, entscheidet ausserdem nicht der Kuhn allein, sondern der Vorstand und die Mitgliederversammlung der Igaf. Für diesen Entscheid haben wir noch bis Februar Zeit.

 Beschränken sich Ihre politischen Ziele heute nur noch auf den Antifeminismus?

 Kuhn: Nein. Ich stehe nach wie vor hinter dem SVP-Programm, und das wird auch immer so bleiben. Aber die Igaf ist eine Interessengemeinschaft, die sich wegen konkreter Ziele zusammengeschlossen hat.

 Verstehen Sie, dass die SVP Sie unter diesen Umständen aus der Partei ausgeschlossen hat?

 Kuhn: Nein, das verstehe ich nicht. Ich habe die SVP sechs Jahre lang als Präsident und sechs Jahre im Parlament vertreten. Da habe ich mir etwas mehr Kollegialität erhofft. Zumindest, dass ich angehört und über den Entschluss informiert werde. Mir eine Nachricht auf der Combox zu hinterlassen, ist nicht die feine Art. Zu meiner Zeit hätte es das nicht gegeben, dass man jemanden rauswirft, ohne ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Art und Weise ärgert mich, und dieses Vorgehen ist auch nicht rechtens.

 Nicht rechtens?

 Kuhn: Wir haben Grundrechte in der Schweiz. Wenn man jemanden aus einem Verein oder einer Partei ausschliessen will, muss man ihm zuerst rechtliches Gehör verschaffen. Das ist in meinem Fall nicht passiert. Der Rauswurf ist also rechtlich nicht haltbar.

 Werden Sie den Entscheid anfechten?

 Kuhn: Ich weiss noch nicht, ob ich so ein Theater will. Möglich ist es. Vielleicht trete ich auch in eine andere SVP-Sektion ein. Ob ich nun SVP-Mitglied bin oder nicht, ist aber eigentlich Nebensache.

 Sie denken darüber nach, in eine andere SVP-Sektion einzutreten?

 Kuhn: Ich habe am Samstag und Sonntag mehr als 600 Mails und Anrufe aus der ganzen Schweiz bekommen - überwiegend positive. Darunter waren auch Präsidenten anderer SVP-Ortsparteien, die gesagt haben: Komm doch zu uns. Viele haben auch geschrieben, dass die SVP nach meinem Rauswurf nicht mehr wählbar sei. Die SVP Stadt Luzern hat der Gesamtpartei jedenfalls keinen Gefallen getan.

 Verschafft Ihnen das nicht auch eine gewisse Genugtuung?

 Kuhn: Wie gesagt: Ich stehe immer noch hinter dem SVP-Programm. Von daher freue ich mich nicht darüber, dass sich die Partei ins eigene Fleisch schneidet. Aber die vielen positiven Rückmeldungen bestärken mich natürlich.

 René Kuhn wird in jedem Fall auf die eine oder andere Weise auf die Politbühne zurückkehren, oder?

 Kuhn: Das wird die Zeit zeigen. Momentan stehen alle Optionen offen.

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 SVP rechtfertigt Kuhns Rausschmiss

 Reaktion

 sy. Sein Rausschmiss aus der SVP sei nicht rechtens, sagt René Kuhn. Der Präsident der SVP Stadt Luzern, Pirmin Müller, widerspricht: "Unsere Statuten besagen, dass die Parteileitung ein Mitglied ohne Angabe von Gründen ausschliessen kann." Zudem habe er Kuhn schon abgemahnt, als er den SVP-Fraktionschef im Grossen Stadtrat, Werner Schmid, öffentlich angegriffen hatte. "Er ist für uns einfach untragbar geworden", sagt Müller. Dass Kuhn nun vielleicht mit seiner Interessengemeinschaft Antifeminismus (Igaf) bei den Kantons- und Nationalratswahlen antreten will, sieht Müller gelassen: "Ich wünsche ihm viel Glück. Dann wird sich zeigen, wie viel Rückhalt René Kuhn hat."

 Kuhn hat die Igaf im April mitgegründet und Ende Oktober einen Antifeminismus-Kongress in Zürich mitveranstaltet. Die Igaf hat laut Kuhn fast 2300 Mitglieder, davon rund 400 im Kanton Luzern. "Viele sind auch SVP-Mitglieder oder zumindest SVP-Wähler", sagt Kuhn.

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20 Minuten 20.12.10

Nach Rauswurf: René Kuhn will politisch weiterkämpfen

 LUZERN. Nach dem Rauswurf aus der städtischen SVP schlägt "Frauenlästerer" René Kuhn zurück: Er peilt mit seinen Antifeministen Sitze im Kantonsrat und im Nationalrat an.

 "Dem Vorstand der Stadtluzerner SVP fehlt es offensichtlich an Anstand und Charakter", sagt Kuhn. Der als "Frauenlästerer" bekannt gewordene Ex-Präsident der städtischen SVP wurde am Wochenende aus der Partei geworfen. Präsident Pirmin Müller teilte ihm den Entscheid in einer Nachricht auf der Combox mit. 90 Minuten später wurden die Medien informiert. Laut Parteileitung lässt sich Kuhns Engagement nicht mehr mit den Zielen und Ausrichtungen der Stadtpartei vereinbaren. "Er wurde für die Partei immer mehr zu einer Hypothek", so Müller. Den Vorwurf des fehlenden Anstands weist er zurück: "Wir haben Kuhn in der Vergangenheit schon einmal dazu ermahnt, sich zurückzunehmen."

 Kuhn, der mit seinen Äusserungen über "linke, ungepflegte, verfilzte Weiber" und einem Buch für Aufsehen gesorgt hat, nimmt den Rausschmiss locker: "Wir prüfen derzeit, ob wir mit der IG Antifeminismus im April in Luzern und Zürich bei den kantonalen Wahlen antreten." Klar ist dagegen jetzt schon, dass die IG in den Nationalrat will. Kuhn: "Wir treten im nächsten Herbst in verschiedenen Kantonen zur Wahl an." Ob er selber für ein Amt kandidieren wird, sei noch offen.  

Markus Fehlmann

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Basler Zeitung 18.12.10

Geschlechter von der Rolle

 Markus Theunert, Präsident männer.ch, im Streitgespräch mit René Kuhn, Gründer der IG Antifeminismus, über den benachteiligten Mann und sein Selbstverständnis

 Interview: Alexander Marzahn, Zürich

 Sind die Männer in der Krise? Ist die Männlichkeit in der Krise? Mit provokativen Angriffen hat die IG Antifeminismus die Debatte angeheizt. Was ist (noch) dran am viel gescholtenen Mann?

 Bei gleichen Delikten werden Männer tendenziell härter bestraft als Frauen. Im Scheidungsfall sind sie auf den Goodwill der Ex-Partnerin angewiesen, wollen sie ihr Kind weiterhin sehen. Schulpsychologen schlagen Alarm, weil Buben am Verhalten der Mädchen gemessen werden. Dafür gibt es bei Volljährigkeit den Militärdienst exklusiv fürs starke Geschlecht, das nicht mehr (nur) stark sein darf. Es gibt Risse im Contrat social zwischen den Geschlechtern. Der Zulauf von frustrierten Vätern, den die IG Antifeminismus nach ihrem medial hochgekochten Gründungstreffen Ende Oktober verzeichnete, schreckte manche auf und öffnete einigen die Augen. Man kann die Radikalisierung verurteilen oder fürchten. Doch fest steht: Nach 40 Jahren Emanzipationsbewegung ist in der Männerwelt manches aus den Fugen geraten.

 Mit Markus Theunert, Fachmann für Männerpolitik und Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, sowie René Kuhn, bis gestern SVP-Mitglied und Gründer der IG Antifeminismus, haben wir zwei führende Exponenten an einen Tisch gebeten. Beide setzen sich ein für die Rechte des Mannes - mit höchst unterschiedlichen Mitteln und Argumenten.

 BaZ: Männer fühlen sich vermehrt an den Rand gedrängt in der Gesellschaft. Wo genau liegt das Problem?

 Markus Theunert: Es herrscht eine grosse Rollenunsicherheit, ausgelöst durch wachsende Ansprüche, die an die Männer gestellt werden. Da hat sich ein grosser Druck aufgebaut, der den Mann in eine permanente Stresssituation versetzt, im privaten wie im beruflichen Leben. Das schlägt auch auf die Gesundheit: Vor hundert Jahren war die Lebenserwartung noch ausgeglichen. Heute sterben Männer fünf Jahre früher als Frauen.

 René Kuhn: Ein Mann hat insbesondere viele Benachteiligungen vor der Justiz. Wir haben in der Schweiz unzählige Väter, die ihr Kind nur sehen dürfen, wenn es die Mutter erlaubt. Bei Scheidungen haben die Frauen wenig zu verlieren und profitieren sogar finanziell. Eine solche Diskriminierung in einem Rechtsstaat ist sehr bedenklich.

 Theunert: Es gibt tatsächlich einige Rechtsungleichheiten, man denke nur an die Wehrpflicht. Aber es nützt nichts, in die Opferrolle zu flüchten. Die Frauen haben nach 40 Jahren Emanzipation rechtlich und ökonomisch aufgeholt. Diskriminierungen gibt es aber auf beiden Seiten. Die entscheidende Frage ist deshalb vielmehr: Wie können Männer und Frauen gemeinsam an einer geschlechtergerechten Gesellschaft bauen?

 Hand in Hand zur Gerechtigkeit - ist das nicht etwas blauäugig angesichts der Konflikte, die sich abzeichnen?

 Theunert: Dieser Prozess kann durchaus konflikthaft sein. Aber wenn beide Seiten in Selbstmitleid versinken, bringt das niemandem etwas. Beim Einkommen haben die Frauen, bei der Gesundheit die Männer Nachteile - das kann man nicht gegeneinander ausspielen.

 Für Sie, Herr Kuhn, hat sich die Emanzipation der Frau verwirklicht. Die Diskriminierung bei den Löhnen sei eine Erfindung der Feministinnen.

 Kuhn: Das ist die viel gehörte Lohnlüge, die von Gleichstellungsbüros und Frauenförderungsorganisationen systematisch verbreitet wird. Doch in diesen Studien werden Äpfel mit Birnen verglichen. Man könnte die Lohnungleichheit unter Männern oder unter Frauen untersuchen und würde zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Volle Gerechtigkeit kann und wird es ohnehin nie geben. Solange nicht neutrale Zahlen vorliegen, glauben wir nicht an eine Benachteiligung der Frau bei den Löhnen.

 Theunert: Das vorhandene Datenmaterial infrage zu stellen, erscheint mir reichlich kühn. Frauen verdienen erwiesenermassen nach wie vor weniger. Das ist teilweise erklärbar. Doch unter Berücksichtigung aller Faktoren wie Ausbildung, Berufserfahrung oder Babypause bleiben immer noch acht Prozent Lohnunterschied, die man als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bezeichnen muss.

 Sind Sie wirklich der Meinung, die Frage der Gleichstellung der Frau habe sich erledigt, Herr Kuhn?

 Kuhn: Wir müssen unterscheiden zwischen Gleichstellung und Gleichberechtigung. Letztere ist in der Bundesverfassung festgeschrieben, und es steht ausser Frage, dass Mann und Frau die gleichen Rechte haben müssen. Was wir bemängeln, ist die Doktrin der Gleichstellung. Das wird nie funktionieren. Man müsste Quoten einführen und den Frauen gegen ihren Willen vorschreiben, Karriere zu machen. Mann und Frau sind verschieden, das kann man einfach nicht wegdiskutieren. Jede Frau hat einen Kinderwunsch und will eine gute Ehe führen, das traditionelle Familienbild ist auf dem Vormarsch. Es ist doch sekundär, wer das Geld nach Hause bringt. Dieses Gender-Mainstreaming ist ein totaler Blödsinn.

 Als Präsident von männer.ch und Mitglied vieler Kommissionen sind Sie, Herr Theunert, aktiv in solche Prozesse involviert. Sind diese Bemühungen im Sinn der Betroffenen?

 Theunert: Herr Kuhn konstruiert hier eine "Natur", die ausser Acht lässt, dass das Geschlecht zwar ein biologisches Fundament hat, aber hochgradig sozial bestimmt und beeinflusst wird. Gleichstellung heisst nicht Gleichmacherei. Es ist richtig: Männer und Frauen sind nicht identisch. Aber sie sollen gleich sein im Sinn von gleichwertig.

 Kuhn: Absolut Ihrer Meinung, niemand darf wegen seines Geschlechts diskriminiert werden.

 Theunert: Aber mit Ihrer Aussage werten Sie bereits. Ich kenne Frauen, die keine Kinder wollen. Wenn Sie mit der Biologie argumentieren, konstruieren Sie eine Norm von einer "richtigen" Frau. Damit verhindern Sie genau diese Vielfalt von Männlichkeiten und Weiblichkeiten, die jedem einzelnen erlaubt, seine Geschlechterrolle nach seiner Fasson zu leben.

 Kuhn: Nein, der Staat verhindert dies. Der grösste Teil der Frauen hat ein traditionelles Rollenverständnis. Dieser Mehrheit darf man doch nicht vorschreiben, dass sie jetzt aus Gründen der Gleichstellung Karriere machen soll. Der Staat soll sich in diesen Fragen heraushalten.

 Soll er das, Herr Theunert?

 Theunert: Der Staat betreibt immer Geschlechterpolitik, auch wenn er nichts tut, denn so zementiert er traditionelle Geschlechterrollen. So gibt es in der Schweiz keinen Vaterschaftsurlaub, obwohl man weiss, dass die enge Beziehung von Vätern zu ihren Babys die Beziehung lebenslang stärkt. Die Folge ist, dass Männer nach der Geburt eher mehr arbeiten. Indem der Staat hier nicht aktiv wird, festigt er traditionelle Rollen und nimmt die Folgen in Kauf.

 Kuhn: Wenn sich ein Paar für ein Kind entscheidet, bedeutet das Einschränkungen. Wer arbeitet, soll jede Familie für sich entscheiden. Zugleich aber muss man die Verantwortung übernehmen und darf die Kinder nicht gleich wieder in staatlich finanzierte Krippen oder Tagesschulen abgeben.

 Theunert: Was wäre denn die Konsequenz, wenn der Staat dieses Angebot nicht bereitstellen würde? Die Frauen wären noch mehr zu Hause, die Männer würden noch mehr arbeiten. Nicht weil sie das wollen, sondern weil sie nicht anders können, da der Mann oft mehr verdient.

 Unbestritten ist, dass im Trennungsfall Männer oft unter die Räder kommen - weil sie ihre Vaterpflichten zu wenig wahrgenommen haben?

 Kuhn: Warum kommen denn 80 Prozent der Scheidungen von Frauen? Weil sie davon finanziell profitieren. Heute ist die Praxis so, dass Unterhaltsbeiträge festgelegt werden, ein Teil fürs Kind, ein Teil für die Frau. Und es entzieht sich jeder Kontrolle, ob der Beitrag ans Kind tatsächlich diesem zugutekommt oder von der Frau "verjubelt" wird. Ich habe nichts gegen einen Ausgleich, wenn eine Frau 20 Jahre lang daheim war, während der Mann Karriere machte. Doch eine Frau hat vor dem Scheidungsrichter viel weniger zu verlieren.

 Theunert: Frauen sind heute ökonomisch weniger gebunden. Damit ist die Bereitschaft gewachsen, lieber alleine durchs Leben zu gehen, als in einer unbefriedigenden Partnerschaft zu verharren. Doch die Diskussion krankt daran, dass es immer um einen Verteilkampf geht: Einkommen, Arbeitszeit, Betreuungszeit, alles wird verteilt. Das ist der falsche Ansatz. Viele begreifen nicht, dass man sich als Liebespaar trennen kann, doch als Elternpaar nicht. Diese Verantwortung müssen und sollen beide weiterhin wahrnehmen. Die Frage ist: Wie kann man das familiäre System derart neu organisieren, dass die Rechnung für alle stimmt?

 Männer, die kaum über die Runden kommen, während ihre Ex-Ehefrau dreimal im Jahr Ferien macht - ist das antifeministische Propaganda?

 Theunert: Nein. Um es klipp und klar zu sagen: Das neue Scheidungsrecht und die Umsetzung durch die traditionell geprägten Gerichte produzieren zerrüttete Familien und wütende Männer. Wir haben in der Schweiz eine tickende Zeitbombe.

 Stehen wir vor einem Clash der Geschlechter, wie das der Soziologe Walter Hollstein prophezeit?

 Theunert: Mädchen machen Karriere, Buben machen Probleme - das ist die aktuelle Entwicklung. In den höheren Schulen sind die Frauen in der Überzahl, in den Gefängnissen und Suchtkliniken die Männer. Seit Frauen ihren Weg zur autonomen Lebensgestaltung konsequent einfordern, sind die Männer verunsichert. Da liegen grosse Konfliktlinien.

 Dass Buben sich prügeln und Männer gern aufs Gas drücken, ist nichts Neues.

 Theunert: Aber heute fehlen die Modelle, wie Mannsein gelingen kann, ohne in Rollenbilder à la John Wayne zurückzufallen. Solange ungeklärt ist, wie Männer neue Qualitäten wie Fürsorglichkeit oder Einfühlungsvermögen mit traditionellen Qualitäten wie Aggressivität oder Durchsetzungsvermögen unter einen Hut bringen können, befürchte ich grössere sozialpolitische Verwerfungen.

 Kuhn: Dem kann ich zustimmen. Es ist uns jahrzehntelang von Politikern und Medien weisgemacht worden, der Mann sei der Täter, die Frau das Opfer. Das hat zum Glück heute gedreht, etwa im Bereich der häuslichen Gewalt, wo man weiss, dass ein beträchtlicher Anteil von Frauen ausgeht. Auch das gemeinsame Sorgerecht ist sicher ein guter Ansatz. Doch es gibt genug ungelöste Probleme.

 Ist das gemeinsame Sorgerecht, das den Männern mehr Rechte und Pflichten zuerkennt, ein Weg aus der Sackgasse?

 Theunert: Es ist ein notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt. Das Kernproblem bleibt, dass die gesellschaftlichen Bedingungen einem Geschlechterdialog auf Augenhöhe im Weg stehen. Damit wären einige Folgeprobleme vom Tisch. Das will die antifeministische Bewegung mit ihrer Feindbildpolitik nicht wahrhaben.

 Kuhn: Das sind alles schöne Worte, doch in der Praxis umsetzen lässt sich das nicht. Bei einer Scheidung sind Kampf und Hass im Spiel, manchmal auch andere niedere Instinkte, ich denke an Anschuldigungen wie sexuelle Übergriffe. Es ist traurig, aber wahr, dass der Mann heute auf Gedeih und Verderb der Frau ausgeliefert ist, wenn es ums Kind geht. Auch das gemeinsame Sorgerecht wird das nicht lösen, da Dinge wie die Betreuungszeit zwischen den Partnern trotzdem ausgehandelt werden müssen.

 Theunert: Sie verteilen erst das Recht, dann die Verantwortung. Umgekehrt wäre es viel einfacher. Das ist doch die Wurzel des Problems. Denn die Frauen sagen: Wir hatten 100 Prozent der Verantwortung, und jetzt, im Fall der Scheidung, sollen wir 50 Prozent des Rechts abgeben, notabene ohne Gegenleistung.

 Kuhn: Wenn ein Vater, der sich nicht kümmert, plötzlich seinen Anspruch anmeldet, wäre ich auch skeptisch. Aber Sie glauben ja gar nicht, wie viele unserer Mitglieder aus finanziellen Gründen im Ausland wohnen und monatlich Geld überweisen, ohne ihr Kind sehen zu dürfen, obwohl sie sich als Vater engagiert haben. Wer seinem Partner eins auswischen will, hat beim Gericht gute Chancen.

 Theunert: Ich stelle keineswegs in Abrede, dass Väter ihr Bestes geben und das Beste wollen für ihre Kinder. Aber im Normalfall ist immer noch die Frau die primäre Ansprechperson. Die Folge sind die bekannten Konflikte bei der Scheidung. Aber daran sind nicht die bösen Frauen schuld. Ihre Forderung ist, beide sollen gleich lange Spiesse haben. Unser Vorschlag lautet: Beide sollen den Spiess auf den Boden legen und verhandeln.

 Kuhn: Das funktioniert nicht. Mit Feministinnen kann man nicht an einen Tisch sitzen. Das ist verlorene Zeit.

 Warum finden Männeranliegen in einer von Männern geprägten Gesellschaft so wenig Gehör?

 Kuhn: Vor lauter Frauenpolitik sind die Männeranliegen in Vergessenheit geraten. Wenn ich mit Politikern spreche, merke ich aber, dass das Bewusstsein durchaus vorhanden ist. Aber es ist ein Tabu, darüber zu sprechen, besonders auf bürgerlicher Seite: Niemand will es sich mit den weiblichen Wählern verscherzen.

 Theunert: Die grosse Mehrheit der Entscheide wird zwar von Männern gefällt, aber eben von "geschlechtsblinden" Männern. Es gibt eine Frauenpolitik, doch eine Männerpolitik ist bei Parlamentariern kein Thema - man mache Politik für alle Menschen. Man könnte auch sagen: Männer haben sich bis jetzt geweigert zu formulieren, wie sie sich eine Gesellschaft vorstellen, in der Frauen und Männer gleichwertig und gleichberechtigt sind.

 Weil sie sich in der traditionellen Rolle nicht unwohlfühlen?

 Theunert: Sie ignorieren die Zeichen der Zeit. Sie tun so, als gingen sie die Veränderungen, die Frauen durchgemacht haben, nichts an. Sie schlucken die bittere Pille, dabei müssten sie Konzepte entwickeln, wie für sie eine geschlechtergerechte Gesellschaft aussehen könnte.

 Auch Männerorganisationen werden nicht gerade überlaufen. Es scheint, Männer müssten Ungerechtigkeit am eigenen Leib erfahren haben, um sich zu engagieren.

 Theunert: Das trifft zu. Doch die Zustimmung in unseren Anliegen ist gross. So wissen wir, dass 80 Prozent der Männer gern Teilzeit arbeiten würden. De facto pendeln wir seit Jahren bei etwa zehn, zwölf Prozent. In fortschrittlichen Betrieben wird der Vaterschaftsurlaub nicht mal ausgeschöpft, weil die Angst vor dem schiefen Blick vom Arbeitskollegen einfach zu gross ist. Kein Mann soll dazu verpflichtet werden. Doch er soll die Freiheit haben, sich auch für das Familienleben entscheiden zu können. Diese Freiheit hat er nicht, weil die Familienpolitik des Staats traditionellen Grundsätzen folgt.

 Herr Kuhn, Ihre IG Antifeminismus hatte nach den Medienberichten um das Treffen Ende Oktober einen riesigen Zulauf - offenbar haben Sie es geschafft, die Männer zu mobilisieren.

 Kuhn: Ohne einen Franken Werbung haben wir innert weniger Monate über 2000 Mitglieder gewonnen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Diskussion in die Öffentlichkeit zu tragen, auch um die Politiker dazu zu bringen, endlich Farbe zu bekennen. Wir haben da in ein Wespennest gestochen, die Resonanz ist gewaltig. Die Zeit ist reif, dass endlich etwas bewegt werden kann. Auch viele Frauen unterstützen unsere Anliegen. Unter den Frauen unter 30 fühlt sich doch kaum mehr jemand von den bösen Männern unterdrückt.

 Theunert: Bis nach der Geburt des ersten Kindes die Traditionsfalle zuschnappt … Herr Kuhn hat einen geschickten Weg gefunden, die Diskussion anzuheizen. Mit dem Schönheitsfehler, dass man gar keine inhaltliche Diskussion geführt hat, sondern nur die Aufregung bewirtschaftet und mit dem Feminismus einen imaginären Feind konstruiert. Das ist eine gefährliche Brandstifterpolitik.

 Dient es Ihnen nicht, wenn Herr Kuhn Probleme aufs Tapet bringt, die offenbar vielen unter den Nägeln brennen?

 Theunert: Doch. Weil auch vonseiten der Gleichstellungsinstitutionen erkannt wird, dass es wichtig ist, in uns einen Partner zu haben, der nicht polemisiert. Die Wut der Männer ist real, das muss man ernst nehmen.

 Herr Kuhn, Sie halten diese Gremien für überflüssig. Warum?

 Kuhn: Wir brauchen weder Massnahmen zur Männerförderung noch zur Frauenförderung. All die Büros und Kommissionen kann man dichtmachen. Da werden Millionen zum Fenster hinausgeworfen, primär für Frauenförderung. Wenn nun die Männer auch so viel wollen, bläht das den Staat nur weiter auf.

 All die besprochenen Probleme werden sich ohne staatliche Interventionen in Luft auflösen?

 Kuhn: Wir haben einen Gleichberechtigungsartikel in der Bundesverfassung! Der muss einfach umgesetzt werden. Wir brauchen keine neuen Gesetze, sondern Richter, die das umsetzen, was festgeschrieben ist.

 Den Artikel gibt es schon seit 1981 - offenbar ist das mit der Umsetzung nicht so einfach.

 Kuhn: Ja, weil die Schweiz feministisch durchseucht ist! Eine Frau, die vor Gericht steht, hat doch von vornherein einen Bonus und wird viel weniger hart angefasst als ein Mann. Heute stellen Firmen lieber eine Frau ein, aus Angst, an den Pranger gestellt zu werden, auch wenn ein männlicher Mitbewerber besser qualifiziert gewesen wäre.

 Theunert: Diese Debatte ist ganz heikel. Einerseits glaube ich auch, dass das Männliche tendenziell abgewertet wird, denken wir an die Buben, die ruhiggestellt werden, wenn sie ihrem Bewegungsdrang folgen. Zugleich ist daran nicht der viel gescholtene Feminismus schuld, der die Gesellschaft sehr wohl weitergebracht hat.

 Kuhn: Die Frage ist, was man unter Feminismus versteht. Gemeint sind nicht die 98 Prozent der gleichberechtigten, emanzipierten Frauen in der Schweiz. Wir bekämpfen einen Feminismus, der für die Frauen mehr Rechte beansprucht zu Ungunsten der Männer. Eine radikale Minderheit, die vorwiegend in politischen Ämtern zu finden ist.

 Theunert: Natürlich gibt es solche Strömungen. Doch der Sprachgebrauch ist anders. Herr Kuhn deutet den Begriff Feminismus um, um damit aufs politische Schlachtfeld zu ziehen.

 Als Sie kürzlich die Kommission für Frauenfragen in eine Kommission für Gleichstellungsfragen umbenennen wollten, bissen Sie auf Granit. Sitzen dort just die zwei Prozent Feministinnen in der Definition von Herrn Kuhn?

 Theunert: Dass Männer selbstbewusst ihre Anliegen in den Geschlechterdialog einbringen, ist neu. Und kann auf feministischer Seite Irritationen auslösen. Ich kann das verstehen, obwohl ich die Haltung für kurzsichtig und ängstlich halte. Gleichstellungspolitik ist zweifellos von einer starken Frauenförderungslogik bestimmt, da braucht es Korrekturen.

 Kuhn: Da sitzen 18 Frauen in dieser Kommission und drei Männer - wenn man schon von Gleichstellung reden will, dann müsste das Verhältnis 50 zu 50 sein. Andernfalls ist das eine völlig einseitig ausgerichtete Organisation.

 Theunert: Man muss diese Institutionen so verändern, dass beide Geschlechter angemessen vertreten sind. Laut Gesetz müssen in eidgenössischen Kommissionen mindestens 30 Prozent Frauen oder Männer vertreten sein. Dass ausgerechnet diese Kommission nur 14 Prozent Männeranteil hat, ist für mich schon sehr unverständlich.

 Zum Schluss möchte ich um ein kurzes Statement zu einigen Stichwörter bitten. Wehrpflicht für Frauen?

 Theunert: Keine Wehrpflicht für Frauen. Eine Dienstpflicht für alle oder niemanden.

 Kuhn: Wehrpflicht oder eine Abgabe.

 Einheitliches Rentenalter.

 Theunert: Vom Grundsatz her ja. Doch das gesparte Geld muss für eine Flexibilisierung des Rentenalters beider Geschlechter eingesetzt werden.

 Kuhn: Absolut, das ist im Sinne der Gleichbehandlung.

 Quoten in politischen Gremien.

 Theunert: Nicht tabu, aber für die Gleichstellung nicht wirklich hilfreich.

 Kuhn: Nein.

 Jörg Kachelmann.

 Kuhn: Eine Schweinerei, dass jemand in den Medien vorverurteilt wird, ohne dass Beweise vorliegen. Unter diesen Umständen kann ein Gericht nicht mehr neutral urteilen. Und für tatsächlich betroffene Frauen kontraproduktiv.

 Theunert: Ein exemplarischer Fall zum Stand der aktuellen Debatte. Er zeigt, wie leicht sich der Generalverdacht, Männer neigen zum sexuellen Übergriff, festsetzt. Aber auch, wie gross heute die Sensibilität ist, dass mit dem Missbrauch auch Missbrauch getrieben werden kann.

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Bund 18.12.10

SVP schliesst Antifeminist René Kuhn aus

 René Kuhn, der sich den Kampf gegen emanzipierte Frauen aufs Banner geschrieben hat, ist aus der SVP der Stadt Luzern ausgeschlossen worden. Sein Engagement habe sich in eine Richtung entwickelt, das sich nicht mit den Parteizielen vereinbaren lasse. Kuhn war früher Präsident der SVP der Stadt Luzern, sass für diese im Stadtparlament und gehörte der Geschäftsleitung der SVP des Kantons Luzern und dem Zentralvorstand der SVP Schweiz an.(sda)

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sf.tv 17.12.10

SVP gibt Antifeministen René Kuhn den Laufpass

 Der Antifeminist René Kuhn ist aus der SVP der Stadt Luzern ausgeschlossen worden. Das Engagement von Kuhn lasse sich nicht mit den Zielen der Partei vereinbaren, so die Stadtpartei.

sda/haus

 René Kuhn kann emanzipierte Frauen nicht ausstehen. Dazu steht er auch öffentlich: Im Sommer 2009 hat er sich abschätzig über Frauen in der Schweiz geäussert. Die Öffentlichkeit reagierte auf die frauenfeindlichen Aussagen mit Druck. Kuhn wurde zum Rücktritt von verschiedenen Ämtern gezwungen.

 Im April dieses Jahres gründete der SVP-Mann die IG Antifeminismus. Er organisierte darüber hinaus ein "internationales Antifeminismus-Treffen" an einem geheimen Ort, wegen eingegangener Drohungen.

 Ausschluss im Interesse der Partei

 Nun ist Kuhn auch aus der eigenen Partei geflogen. Der Ausschluss sei nach langer und sorgfältiger Abwägung aller Argumente beschlossen worden, heisst es in einer Mitteilung der SVP.

 Kuhn war früher selbst Präsident der SVP der Stadt Luzern und politisierte für diese ebenfalls im Stadtparlament. Zudem gehörte er der Geschäftsleitung der SVP des Kantons Luzern und dem Zentralvorstand der SVP Schweiz an.

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HOMOPHOBIA
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Blick am Abend 14.12.10

Kein Sex für Schwule an der WM 2022

 FUSSBALL

 Probleme für homosexuelle Fans an der WM 2022 in Katar? Nicht mit Sepp Blatter.

 wladimir.steimer@ringier.ch

 Sepp Blatter (74), Fifa-Präsident und Oberhaupt des Weltfussballs, muss lachen, als er die Frage einer Journalistin an einer Pressekonferenz in Südafrika hört. Es gäbe Ängste bei homosexuellen Fussballfans, in ein Land zu reisen, in dem Schwulsein illegal ist. Die Reporterin spricht damit das islamische Katar an, wo 2022 die WM stattfindet.

 Die Ängste sind berechtigt. Denn in Katar herrscht die Scharia, und die Strafen für homosexuelle Handlungen - egal welchen Geschlechts - reichen von fünf Jahren Gefängnis bis zu 90 Peitschenhieben! Auch Schwule und Lesben aus dem Ausland unterliegen dem Strafgesetzbuch. "Ich denke, dann sollten diese jegliche sexuelle Aktivität unterlassen", so Sepp Blatters Antwort, die für grosses Gelächter im Pressesaal sorgt. Mit anderen Worten: Kein Sex für Schwule an der WM in Katar! Dann aber wird der Walliser doch noch ernst uns sagt: "Wir leben in einer freien Welt, und ich bin sicher, dass es 2022 in Katar keine Probleme geben wird. Wir sind offen für alles und jeden, ob rechts, links oder was auch immer. Sicherlich werden Homosexuelle, die 2022 dort ein Spiel schauen wollen, reingelassen."

 Die WM-Vergabe vor zwölf Tagen an den arabischen Staat Katar löste nicht nur bei vielen Fussball-Fans Kritik aus. Alkohol in der Öffentlichkeit ist bei den jetzigen Gesetzen verboten, Bars und Klubs gibts praktisch keine im Ein-Millionen-Land. Dabei betonte Blatter nochmals, dass die Entscheidungen für Russland als WM-Austragungsort 2018 und Katar 2022 überhaupt nichts mit Geld zu tun hatten.

 "Das ist die Entwicklung des Fussballs. Das hat nichts mit Geld zu tun. Wir müssen den Fussball in Länder bringen, wo er soziale und kulturelle Auswirkungen haben kann", so der 74-jährige Fifa-Präsident.

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Blick am Abend 13.12.10

Bagger-Pauli mit dem Zweihänder

 POLITIK

 Chef-Provokateur: Ex-Skiprofi Paul Accola wettert gegen Linke und Schwule beim SF.

 fabian.zuercher@ringier.ch

 Der frühere Skirennfahrer Paul Accola ist im Schuss: "Im Schweizer Fernsehen gibt es nur Linke und Schwule. Kein Wunder, berichten die nicht ausgewogen", wetterte der Davoser im SonntagsBlick. Der Spruch kam Accola letzten Mittwoch über die Lippen, anlässlich eines Treffens mit SVP-Präsident Toni Brunner im Bundeshaus. Medienpionier und Radio-1-Gründer Roger Schawinski meint dazu: "Ich finde die Aussagen von Paul Accola beleidigend und grotesk. Sie sagen mehr über ihn als über das Schweizer Fernsehen aus."

 Und Satiriker Frank Baumann fragt sich: "Hat Paul Accolas Menzi-Muck-Bagger überhaupt einen Blinker, so dass er rechts und links unterscheiden kann?" Beim Schweizer Fernsehen will man sich zum Thema links und schwul gar nicht erst äussern. "Das brauchen wir nicht zu kommentieren", so SF-Sprecher Marco Meroni. Gegenüber Blick am Abend erläutert Bagger-Pauli seine Aussage: "Vor Abstimmungen ist die Berichterstattung einfach immer links. Wieso, weiss ich auch nicht." SVP-Ständerat Maximilian Reimann unterstützt diese Aussage: "Ich musste gerade beim Ombudsmann eine Beanstandung wegen Manipulation durch Unterlassung einreichen, weil die Krawalle vor der SVP-Geschäftsstelle in Lausanne bewusst verschwiegen wurden. Man will beim SF die grosse Rechtspartei ausgrenzen."

 Roger Schawinski widerspricht: "Wenn man sieht, wie oft Toni Brunner oder Christoph Blocher in der Arena zu Gast waren, sind die Vorwürfe absurd." Doch Accola lässt sich nicht beirren: "Es gibt zu viel Partei- statt Sachpolitik. Das geht mir auf den Sack. Die SP hat immer eine grosse Klappe, wenns ums Geld verteilen geht. Ich als Büezer arbeite mich bucklig. Nur, um Steuern zu zahlen?" Beim Thema Schwule beim SF stellt Accola klar: "Ich bin froh, bin ich nicht schwul.

 Aber gegen die habe ich nichts, die müssen auch leben. Sollte ich jemandem auf die Füsse getreten sein, tuts mir leid."

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Spiegel 13.12.10

TSCHECHIEN

 Nackte Männer

 Tschechien: Behörden erniedrigen schwule Asylbewerber

Puhl, Jan

 Prager Behörden führten schwulen Asylbewerbern Pornofilme vor und vermaßen ihren Penis - nur so sei nachzuweisen, dass sie in ihrer Heimat verfolgt werden.

 Maskierte Polizisten schubsen den Verurteilten unter den Baukran, am Haken hängt eine Galgenschlinge. "Gott ist groß!", ruft die Menge, als der Kranführer die Hydraulik hochfährt. Das Verbrechen des Todgeweihten? Er ist schwul.

 Lesben und Schwulen droht in Iran der Tod durch den Strang. Annähernd 4000 von ihnen hat das Mullah-Regime seit 1979 hinrichten lassen, meist wegen angeblicher Vergewaltigungsdelikte.

 Das war auch der Grund, warum Rahim und Karim(*) im Frühjahr 2008 nach Europa flohen - sie wollten so schnell wie möglich raus aus dem Reich der Mullahs und ihrer Sittenpolizei. Der erste Flug, den sie bekamen, ging nach Prag; noch auf dem Flughafen Ruzyné beantragten sie Asyl. In ihrer Heimatstadt Sahedan war die Polizei hinter ihnen her gewesen und hatte sie bereits wegen "unmoralischen Verhaltens" vorgeladen. Das Schreiben hatten sie dabei.

 Doch der Brief aus dem Orient reichte den tschechischen Beamten nicht als Beweis dafür, dass Rahim und Karim wirklich schwul und in Gefahr sind. Hatten sich in kommunistischen Zeiten nicht Tausende Tschechen um den Militärdienst gedrückt, indem sie vorgaben, homosexuell zu sein?

 Also schickte das Innenministerium Rahim und Karim zum Arzt. Dr. Ondrej Trojan, Mediziner und Sexualtherapeut mit Praxis in der Prager Altstadt, sollte das Paar untersuchen.

 Trojan stellte viele Fragen und kam zum Schluss: Harte Beweise bringt nur ein Test am Phallometrie-Gerät. Die beiden Iraner willigten ein, was hätten sie auch tun sollen? Erektionsmessung oder Abschiebung, das war die Alternative.

 So wurden sie einer Methode unterzogen, die der Prager Psychiater Kurt Freund seit den fünfziger Jahren entwickelt hatte - in der Absicht übrigens,

Schwule und Lesben von ihrer Neigung "zu heilen". Erst nach Jahren der Forschung hatte Freund eingesehen: Homosexualität ist keine Krankheit. 1961 wurde, auch auf Grundlage von Freunds Arbeiten, der Schwulenparagraf in der Tschechoslowakei aufgehoben.

 Was blieb, war Freunds Erfindung: der "Penis-Plethysmograf", eine Art erotischer Lügendetektor, der die Blutzufuhr im Penis misst. Mit neuen Geräten lassen sich sogar die Reaktionen weiblicher Geschlechtsorgane testen. Eine Frau aus Kamerun, die ebenfalls in Prag Asyl beantragt hatte, weil sie in ihrer Heimat wegen Homosexualität verfolgt wird, musste diese Prozedur über sich ergehen lassen.

 Rahim und Karim nahmen also nacheinander auf einem Sofa im Behandlungszimmer des Dr. Trojan Platz. Der Mediziner wies sie an, sich eine Metallmanschette anzulegen. Die Elektrode ist über ein Kabel mit einem Computer verbunden, der die Dehnung anzeigen und auswerten kann. Bei Frauen wird ein tampongroßes Messgerät verwendet.

 Trojan zeigte den beiden Iranern Filme, schöne mit nackten Männern und - wie Rahim und Karim fanden - langweilige mit nackten Frauen. Dann stand das Ergebnis fest: Rahims und Karims Penisse hatten zur Zufriedenheit des Doktors reagiert. Die beiden wurden für schwul erklärt und dürfen in Tschechien bleiben. Hätte die Natur sie im falschen Moment im Stich gelassen, wären sie möglicherweise abgeschoben worden.

 In acht bis zehn Fällen, so das Innenministerium, habe es die Erektionsvermessung angeordnet, um die Vortäuschung eines Asylgrunds zu verhindern. Seit Anfang 2010 jedoch werde niemand mehr an den Phallografen geschnallt, beeilte sich die Behörde hinzuzufügen: In der vergangenen Woche waren die tschechischen Penis-Vermesser europaweit zum Gespött geworden. Die EU-Agentur für Grundrechte in Wien hatte von der Methode gehört und die Regierung in Prag angeprangert.

 Ein weiterer iranischer Asylbewerber war nämlich von Tschechien nach Deutschland geflohen, nachdem er an der Moldau zu der hochnotpeinlichen Untersuchung gebeten worden war. Auch in Deutschland scheiterte er mit seinem Asylantrag und stand schließlich in Schleswig vor Gericht. Ihm drohte die Abschiebung nach Prag, Tschechien gilt im Asylverfahren schließlich als "sicheres Drittland". Doch als die Richter am Verwaltungsgericht vom Phallustest hörten, setzten sie die Rückführung aus. Es drohe ihm dort "unmenschliche Behandlung".

 Auch in Deutschland und den USA wird die Erektionsmessung mit dem Phallografen eingesetzt, etwa um Pädophilen ihre Neigung nachzuweisen. Doch gegen diese Praxis gibt es nicht nur wissenschaftliche, sondern auch schwere juristische Bedenken. Die Methode offenbare unter Umständen "verborgene Wünsche und innere Vorgänge" und verletze damit die Freiheit der Willensentscheidung, hatte das Oberlandesgericht Köln 2004 festgestellt. Dieses Urteil fiel im Prozess gegen einen der Vergewaltigung Beschuldigten. Der Mann war gegen die Untersuchung sogar vor das Bundesverfassungsgericht gezogen - und hatte Erfolg mit seiner Klage.

 Der Prager Mediziner Ondrej Trojan ist unterdessen bereits in einen weiteren Skandal verwickelt. Eine ehemalige Patientin behauptet, er habe ihr während einer Behandlung angeboten, vor ihr zu masturbieren. Sie will Videoaufnahmen als Beleg vorführen. Trojan sagt, es habe sich um eine - wie er zugebe - "kontroverse" Methode gehandelt: "die Vorführ-Therapie". Strafbar ist diese Methode nicht, die Ärztekammer verhängte trotzdem eine Geldstrafe von 20 000 Kronen.

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ROTE FLORA
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Radio Z (Nürnberg) 13.12.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20101213-quotichw-37918.mp3
http://www.freie-radios.net/portal/streaming.php?id=37918

Ich würd's so lassen" - Hamburger Festwoche zum Erhalt der Roten Flora

In Hamburg steht das soziokulturelle Zentrum Rote Flora vor einer unsicheren Zukunft. Das Gebäude, das 1989 von der Stadt an den Immobilienhändler Klausmartin Kretschmer verkauft wurde, ist seitdem besetzt und einer der wichtigsten Orte für politische Aktion und nichtkommerzielle Kultur in der Hansestadt. Nach jahrelangen Debatten und einem nicht zuletzt auf der Straße geführten Kampf um den Erhalt der Flora gab es vor knapp 10 Jahren eine Vereinbarung zwischen der Stadt und Kretschmer, die den Fortbestand erstmal sicherte. Doch bald könnte sich die Situation ändern. Um ihre Solidarität mit der Roten Flora zu demonstrieren, haben Künstlerinnen und Künstler ab kommenden Mittwoch eine Festspielwoche organisiert. Der Titel: ich würd's so lassen. Katharina Köhler vom Netzwerk "Not in our Name, Marke Hamburg" berichtet im Interview über die Hintergründe und die geplanten Veranstaltungen.

Link zur Aktion: http://www.rechtaufstadt.de/iwsl

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UNDERCOVER
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Tagesanzeiger 16.12.10

Spionin aus Österreich war bei Tierschützern in Luzern

 Eine verdeckte Ermittlerin, die in Österreich militante Tierschützer ausspionierte, kam auch zu einem Treffen in die Schweiz. Die Kantonspolizei Luzern war informiert.

 Von Bernhard Odehnal, Wien

 Aus der Sicht der Aktivisten aus dem östlichen Nachbarland war die Schweizer Tierrechtsbewegung ein Problemfall: zu wenige Aktivisten und Kampagnen, keine "einheitliche Bewegung". Also beschlossen die Österreicher, Entwicklungshilfe zu leisten und luden im Sommer 2007 zu einem zweitägigen "Animal Liberation Workshop" im Café Parterre in Luzern.

 Etwa 80 Teilnehmer, auch aus dem Tessin und Genf, bekamen Kampagnenstrategie, Methoden zur Tierbefreiung und Rechtslage erklärt. Unter den Österreichern waren der führende Aktivist Martin Balluch und eine junge Frau namens Danielle Durand, die sich erst kurz zuvor den Tierschützern angeschlossen hatte.

 Was damals niemand im Luzerner Workshop wusste: Durand war eine verdeckte Ermittlerin der österreichischen Polizei, die herausfinden sollte, welche Tierschützer wo und wann gewalttätige Aktionen planten. Die Frau war in Luzern überraschend aufgetaucht. "Sie sagte, dass sie hier gerade Ferien mache", erinnert sich Balluch. Der Einsatz der österreichischen Polizistin war mit der Luzerner Polizei abgesprochen.

 Die Luzerner hatten mit der Auflage eingewilligt, dass die Ermittlerin keine Waffe tragen und sich nicht an strafbaren Handlungen beteiligen dürfe. Die Österreicher garantierten, dass Durands Erkenntnisse aus Luzern niemals in einem "strafprozessualen Verfahren verwendet werden". Doch genau das ist jetzt der Fall.

 In Wiener Neustadt, 50 Kilometer südlich von Wien, wird seit einem halben Jahr gegen 13 österreichische Tierschützer verhandelt. Sie sollen unter anderem einen Brandanschlag verübt und Pelzbekleidung zerstört haben. Der Sachschaden beträgt eine halbe Million Euro.

 Nur mündliches Protokoll

 Die elf Männer (darunter Martin Balluch) und zwei Frauen sind nicht nur wegen Sachbeschädigung, sondern auch wegen der Bildung einer terroristischen Organisation angeklagt.

 Im Zeugenstand berichtete gestern der Führungsoffizier von "Danielle Durand" über die Auslandseinsätze in der Schweiz und den Niederlanden. Er war auf diesen Reisen ständiger Begleiter der Ermittlerin und hielt auch den Kontakt zur Luzerner Polizei.

 Das von ihnen verlangte schriftliche Protokoll über den Einsatz bekamen die Luzerner jedoch nie zu Gesicht. Sie mussten sich mit einem mündlichen Bericht des österreichischen Polizisten zufrieden geben. Der damals zuständige Beamte war gestern nicht zu erreichen.

 Bei der Veranstaltung in Luzern trat neben den Österreichern auch der britische Aktivist Keith Mann auf, der wegen Brandanschlägen 1994 zu elf Jahren verurteilt wurde. Er wird auch in Verbindung mit der Gruppe SHAC (Stop Huntingdon Animal Cruelty) gebracht, die Anschläge auf Einrichtungen von Novartis und CEO Daniel Vasella verübten. Sechs Mitglieder von SHAC wurden im November in London zu Haftstrafen verurteilt.

 Protest gegen Circus Knie

 In Luzern richtete sich der Protest vor allem gegen die Tierhaltung im Circus Knie. An einer Demonstration in der Altstadt nahmen rund 300 Personen teil.

 Über die Planung oder konkrete Vorbereitung von strafbaren Handlungen konnte "Danielle Durand" jedoch nichts berichten. Genauso wenig wie in den folgenden Monaten ihres Einsatzes. Sie gilt deshalb heute als Entlastungszeugin der Verteidigung.

 Weil die sichtlich überforderte Richterin sie nicht öffentlich vernehmen wollte, kam es gestern zu lautstarken Protesten der Angeklagten und tumultartigen Szenen. Einige Zuschauer wurden von der Polizei aus dem Saal getragen. Die Befragung der geheimnisvollen Ermittlerin soll heute fortgesetzt werden.
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Indymedia 14.12.10

Österreich: Spitzel enttarnt ::

AutorIn : Anna und Arthur: http://tierschutzprozess.at     

Seit Monaten läuft in Österreich ein umstrittenes Gerichtsverfahren gegen 13 TierschützerInnen. Nun wurde bekannt, dass die Polizei unter dem Pseudonym "Danielle Durand" eine verdeckte Ermittlerin in die Szene eingeschleust hat.     
    
In einem unglaublich seichten Artikel veröffentlicht das Wochenmagazin News in seiner neusten Ausgabe die Enttarnung einer verdeckten Ermittlerin (VE) die im Rahmen der Ermittlung der SOKO im aktuell verhandelten §278a Großverfahren in die Tierrechtsbewegung eingeschleust wurde. Abgesehen von den sexistischen Untertönen des Autors wird in dem Artikel mit dem Namen "Erst Hasenstall, dann Hosenstall” (!) die Aktivität der unter dem falschen Namen "Danielle Durand” auftretenden Polizistin innerhalb des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) beschrieben. Den Großteil des Artikels nehmen allerdings Andeutungen über eine intime Beziehung mit einem der Angeklagten sowie die Beschreibung ihres Aussehens und Vergleiche mit dem anderer Frauen ein. Die politische und die rechtliche Dimension dieses Skandals wird dabei konsequent ausgeklammert.

Etwa 15 Monate war sie undercover beim VGT aktiv und dabei in alle Aktivitäten des Vereins involviert. Seien es Kleider Bauer- und andere Demos, Jagdstörungen, Vorträge oder auch Planungstreffen - überall war "Dani” hochmotiviert dabei. Hochmotiviert, vermutlich nicht nur wegen ihres beachtlichen Einkommens als "Top-Agentin”, sondern auch in der Hoffnung belastende Details aus den heute Angeklagten und ihrem Umfeld raus zu bekommen. Dazu suchte sie engen Kontakt zu einzelnen Aktivist_innen. Informationen über das privat- und Beziehungsleben wurden von ihr offenbar gesammelt und später von der SOKO bei Verhören als Druckmittel eingesetzt.

Im Zuge ihrer Ermittlungen war "Dani” auch auf einem offenen Treffen der Basisgruppe Tierrechte (BAT) um sich ein "eigenes Bild” der Gruppe machen zu können wie sie dort sagte.

Da es bei all den Aktivitäten keine Hinweise auf eine Kriminelle Organisation oder sonstige Straftaten gab, wurde die Verdeckte Ermittlerin von der SOKO Bekleidung einfach unter den Tisch fallen gelassen. Zwar wurde laut Bettina Bogner, der Soko-Leiterin,versucht eine VE, wie Verdeckte Ermittler_innen in der Amtssprache heißen, einzuschleusen, doch sei dies nicht gelungen, da die betroffenen Gruppen "zu konspirativ organisiert" seien. Das zumindest gab Bogner am 14. Prozesstag, am 08. April 2010 zu Protokoll. Heute wissen wir, dass es sich etwas anders darstellt. Der oftmals vorgebrachte Einwand der Verteidigung, dass durch die nicht vollständige Akteneinsicht den Angeklagten wesentliche entlastende Fakten nicht zugänglich seien wird dadurch einmal mehr eindrucksvoll untermauert. Obwohl die SOKO bereits mehrfach wegen der vorenthaltenen Akten verurteilt wurde sind diese bis heute nicht zugänglich! (sh.  http://antirep2008.org/?p=3385)

Ein Großteil der bis jetzt im Verhandlungssaal behandelten Aktivitäten, etwa Demonstrationen, Jagdsabotagen oder Vorträge der vermeintlichen "Kriminellen Organisation", fanden offenbar unter Beteiligung besagter "Danielle Durand" statt.

Enttarnt wurde "Dani” schließlich durch einen Observationsbericht, in dem sie bei einer beobachteten Jagdstörung schlicht als "VE” im Akt vermerkt wurde. Ein weiterer Hinweis auf ihr sicher nicht unentgeltliches Engagement bei der Polizei ist die Tatsache, dass ihr Zweitwohnsitz an der Adresse des "VE-Führers” des LKA Wien Stefan Wappel war, der für die Betreuung von verdeckten Ermittler_innen zuständig ist (sh.  http://www.bmi.gv.at/cms/BK/wir_ueber_uns/abteilung_5/Buero_5_3.aspx).

Wenige Monate nach den Verhaftungen und Hausdurchsuchungen im Mai 2008 gab "Dani” vor nach Frankreich zu übersiedeln und verschwand damit wieder von der Bildfläche.

Dieser Fall ist das erste Mal, dass in Österreich ein derartiger Fall öffentlich wird. In anderen Ländern wurden immer wieder Spitzel enttarnt die teilweise jahrelang in verschiedenen Szenen oder Bewegungen aktiv waren. Teilweise hatten diese auch Beziehungen mit Aktivist_innen. Einer der jüngsten Fälle ist die Enttarnung eines Spitzels der jahrelang in England in progressiven Zusammenhängen wie Antifa-, Öko- oder Tierrechtsgruppen aktiv war (sh.  http://at.indymedia.org/node/19287)

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Bund 14.12.10

Polizei spitzelt Tierschützer aus

 Weil Proteste gegen Pelzhändler und Jagden in Österreich als Terror galten, wurde eine verdeckte Ermittlerin in die Szene eingeschleust.

 Bernhard Odehnal, Wien

 Die grosse blonde Frau galt als besonders aktive Tierschützerin. Einmal pro Woche protestierte sie vor einem Wiener Geschäft, das Pelzmäntel verkaufte; sie wollte mit ihrem Regenschirm Wildschweine vor einer Treibjagd schützen und fotografierte Bauernhöfe mit Massentierhaltung. Eines Tages aber verschwand sie - und ihre Freunde aus der Szene der Tierschützer wissen erst heute, warum: Die Frau, die sie als Dani kannten, war eine verdeckte Ermittlerin der österreichischen Polizei. Im Auftrag der Sonderkommission "Tierschutz" sollte sie Beweise für kriminelle Aktivitäten der Tierschützer sowie DNA-Proben sammeln. Ob ihr Einsatz notwendig und rechtlich gedeckt war, ist jedoch selbst unter Rechtsexperten umstritten.

 Morgen Mittwoch muss die Ermittlerin mit dem Pseudonym Danielle Durand in einem der grössten und umstrittensten Gerichtsverfahren in Österreich aussagen. Seit acht Monaten wird gegen 13 Tierschützer prozessiert. Ihnen wird schwere Sachbeschädigung vorgeworfen. Unter anderem sollen sie hinter dem Brandanschlag auf die Tiroler Jagdhütte von Daniel Vasella im August 2008 stehen. Angeklagt sind sie nach dem sogenannten Terror-Paragrafen, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ins österreichische Strafrecht aufgenommen wurde. Für Staatsanwalt und Polizei sind die Tierschützer also Terroristen und wurden entsprechend behandelt: Erst stürmten Sonderkommandos in den Morgenstunden ihre Wohnungen, dann mussten sie über hundert Tage in Untersuchungshaft sitzen.

 Durch Zufall aufgedeckt

 Dass die Polizei auch eine verdeckte Ermittlerin gegen die Tierschützer einsetzte, sollte geheim bleiben. Die Angeklagten erfuhren davon nur durch Zufall, die Verteidigung beantragte daraufhin ihre Vorladung als Zeugin. Die Frau, die "Danielle" war, galt unter den Tierschützern als verlässliche und gute Freundin, der man auch private Probleme anvertrauen konnte. Sogar von sexuellen Kontakten zu einem Hauptangeklagten ist die Rede. Nach der Razzia besuchte sie die Angeklagten noch im Gefängnis, bevor sie aus der Szene verschwand.

 Ihr Einsatz könnte Polizei und Justiz jetzt noch Probleme bereiten. Nicht nur fehlte die richterliche Genehmigung für die Spitzeltätigkeit, Frau "Durand" konnte vermutlich auch keinen Beweis für die terroristische Gesinnung der Tierschützer bringen. Prozessbeobachter fragen nun, ob die geheime Ermittlerin die Tierschützer vielleicht sogar zu Straftaten ermuntern wollte, um damit Beweismaterial gegen sie zu bekommen. Ihr Führungsoffizier verneinte das gestern im Zeugenstand energisch: Ziel der Ermittlung sei vielmehr "die Abwehr gefährlicher Angriffe" gewesen.

 In Deutschland scheiterte ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD, weil der Einsatz eines verdeckten Ermittlers bekannt geworden war. In Österreich hingegen wird der Prozess gegen die Tierschützer auch nach der Aussage von "Danielle" weitergehen.

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news.at 18.11.10

James-Bond lässt grüßen: Sex-Agentin
der Polizei spionierte Tierschützer aus

* Informantin zeigte teilweise vollen Körpereinsatz
* Prozess gegen 13 Tierrechtsaktivisten läuft noch

Sie ist die österreichische Variante des russischen Spionage-Girls Anna Chapman: Die Polizeiinformantin "Danielle Durand" spionierte monatelang die Aktivisten des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) aus und das mit vollem Körpereinsatz, wie NEWS in seiner aktuellen Ausgabe berichtete.

Mit fingierten Dokumenten und falscher Meldeadresse trat sie im April 2007 der Organisation bei. Im Zuge ihrer Undercover-Ermittlungen war sie nicht nur bei zahlreichen Demos und Aktionen der Tierschützer dabei, sondern ging auch mit einem der Tierrechtsaktivisten auf Tuchfühlung.

Spionin trat Organisation 2007 bei

Seit Mai 2007 begleitete die Ermittlerin die Aktivisten auf Veranstaltungen, war bei Blockaden dabei, bei Jagdstörungen sowie bei nächtlichen Plakatierungen, erzählte VgT-Obmann Martin Balluch. Als der Umweltschützer in Haft genommen wurde, habe die die Frau sogar "gegen die Polizeiwillkür" mitdemonstriert. Seit 10. September 2008 war sie auf einmal verschwunden. "Sie hat behauptet, sie geht nach Frankreich."

Ein vom VgT engagierter Detektiv fand heraus, dass eine Frau unter diesem Namen nicht existiere, sagte Balluch. "Die Existenz war ausgelöscht. Diese Person hat es nie gegeben." Gewissheit brachte ein vor zwei Wochen dem VgT zugespieltes Observationsprotokoll, indem die Frau als "verdeckte Ermittlerin" bezeichnet wird.

Obmann: "Sie hat alles mitgemacht"

"Sie hat 16 Monate alles mitgemacht hat, aber die Polizei verheimlicht das", sagte Balluch. Das sei ein Zeichen dafür, das die Organisation nichts Kriminelles gemacht habe. Dem widersprach Gerichtssprecher Hans Barwitzius: Es habe sich um keine verdeckte Ermittlung im Sinne der Strafprozessordnung (StPO) gehandelt, also keine, die von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben wurde. Bei der Beobachtung habe es sich vielmehr um eine von der Polizei beauftragte Ermittlung zur Gefahrenabwehr gehandelt, sagte der Gerichtssprecher.

Seit Juni 2010 sitzen die 13 Tierschützer bereits auf der Anklagebank. Sie müssen sich vor Gericht wegen Bildung einer "kriminellen Organisation" (§ 278 a StGB) verantworten.

Noch mehr Infos zum Thema finden Sie in NEWS 46/2010!

(apa/red)

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BOMBEN ROM
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sf.tv 27.12.10

Griechische Botschaft in Rom entgeht Anschlag nur knapp

sf/dapd/hues

 In Rom sind in acht diplomatischen Vertretungen verdächtige Pakete entdeckt worden. Ausser in der griechischen Botschaft handelte es sich jedoch um Fehlalarme. Laut "La Repubblica" wird der neuerliche Anschlag ebenfalls Anarchisten zugeschrieben. Die Gruppe "Federazione Anarchica Informale" (FAI) hatte bereits am Donnerstag Paketbomben-Anschläge auf die schweizerische und chilenische Botschaft verübt.

 Gemäss der Onlineausgabe der italienischen Zeitung "La Repubblica" sind die Botschaften von Griechenland, Venezuela, Marokko, Schweden, Dänemark, Irland, der Ukraine und des Fürstentums Monaco betroffen. Alle verfügbaren Sicherheitskräfte seien im Einsatz.

 Die Polizei schliesse nicht aus, dass im Verlauf des Tages noch weitere Pakete in Botschaften entdeckt werden. Wegen der Weihnachtstage habe sich die Zustellung durch die Post zum Teil verzögert. Die Polizei vermutet deshalb, dass die heutige Paket-Bombe zu der Anschlagsserie vom letzten Donnerstag zu rechnen ist, wie die Zeitung berichtet.

 Das Paket in der griechischen Botschaft wurde von einem Büroangestellten geöffnet und explodierte wie durch ein Wunder nicht, wie "La Repubblica" schreibt. Man habe einen CD-Hülle mit einer Zündvorrichtung entdeckt. "Das Paket ist bereits am Freitag eingetroffen, aber niemand hat es geöffnet, wegen des Weihnachtsfests", sagte der griechische Botschafter Michalis Cambanis. Erst heute habe man das sehr verdächtige Paket entdeckt und sofort die Polizei informiert.

 Die verdächtigen Pakete in den anderen Vertretungen haben sich mittlerweile laut "La Repubblica" als Fehlalarm herausgestellt. Schon am Morgen war in der monegassischen Vertretung ein verdächtiges Paket aufgetaucht. Der Inhalt war harmlos - es handelte sich um eine Agenda. In der venezuelanischen Botschaft entpuppte sich die Bombe als Grusskarten-Paket - in der schwedischen Vertretung als normale Korrespondenz.

 Am vergangenen Donnerstag waren bei Paketbomben-Anschlägen auf die schweizerische und chilenische Botschaft in Rom zwei Menschen schwer verletzt worden. Zu den Taten bekannte sich eine anarchistische Gruppe.

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NLZ 27.12.10

Polizei filzt die Anarchisten

 Rom

sda.

 Nach dem Anschlag auf die Schweizer Botschaft laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Verhaftet wurde bislang aber noch niemand.

 sda. Nach den Paketbombenanschlägen in Rom fahndet die Polizei im anarchistischen Milieu Italiens nach den Tätern. Die Ermittler gehen dabei vor allem auch Hinweisen auf Verbindungen zu einer Attentatsserie im November in Griechenland nach. Damals gehörte die Schweizer Botschaft in Athen zu den Adressaten von Paketbomben - wie am Donnerstag die Schweizer Vertretung in Rom. "Bei der anarchistischen Spur gibt es Verbindungen nach Griechenland und Spanien", sagte Italiens Aussenminister Franco Frattini.

 Die griechische Polizei teilte jedoch mit, es gebe keinen Hinweis auf die Beteiligung von Griechen an den Anschlägen in Italien. Die Ermittlungen sind schwierig, weil die Anarchisten oftmals in unabhängigen Zellen arbeiten, wobei eine Zelle nichts von den Plänen der anderen weiss.

 Erwartet werden in den kommenden Tagen eine Reihe von Durchsuchungen und Kontrollen im bekannten Umfeld der radikalen italienischen Anarchisten. Diese Ermittlungen dürften sich auf Gruppen in der Toskana, im Piemont und rund um Rom konzentrieren.

 Ziele bewusst ausgewählt

 Die verstärkten Postkontrollen bei den Botschaften in Rom wurden fortgesetzt. Die Paketbomben waren am Donnerstag vor Weihnachten beim Öffnen in den Botschaften der Schweiz und Chiles explodiert, wobei zwei Menschen, darunter der Postverantwortliche der Schweizer Botschaft, verletzt wurden. Dieser wurde über die Feiertage bereits zweimal vom Schweizer Botschafter besucht.

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St. Galler Tagblatt 27.10.10

Anschläge in Rom: Anarchisten wollten die Schweiz treffen

 Nach den Paketbombenanschlägen in Rom fahndet die Polizei im anarchistischen Milieu Italiens nach den Tätern. Bisher ohne Erfolg.

 ROM. Die Ermittler gehen Hinweisen auf Verbindungen zu einer Attentatsserie im November in Griechenland nach. Damals gehörte die Schweizer Botschaft in Athen zu den Adressaten von Paketbomben - wie am Donnerstag die Vertretung in Rom. "Bei der anarchistischen Spur gibt es Verbindungen nach Griechenland und Spanien", sagte Italiens Aussenminister Franco Frattini. Die Ermittlungen sind schwierig, weil die Anarchisten oft in unabhängigen Zellen arbeiten, wobei eine Zelle nichts von den Plänen der anderen weiss.

 Ziele bewusst ausgewählt

 Die Paketbomben waren am Donnerstag beim Öffnen in den Botschaften der Schweiz und Chiles explodiert, wobei zwei Menschen verletzt wurden. Zu den Anschlägen bekannte sich die in Italien aktive "Federazione Anarchica Informale" (FAI). Die FAI hat schon Dutzende Anschläge verübt.

 Die betroffenen Botschaften seien nicht zufällig Ziel der Attentate gewesen, sagte der Unterstaatssekretär im römischen Innenministerium, Alfredo Mantovano. Bereits im Oktober wurde vor der Schweizer Botschaft in Rom ein Sprengsatz gefunden. In einem Schreiben wurde die Freilassung von "Costa, Silvia und Billy" gefordert - drei Anarchisten, die im April in der Schweiz wegen des Verdachts auf Anschlagsvorbereitungen gegen einen internationalen Grosskonzern festgenommen worden waren.

 Wegen Verhaftungen

 Auch der Schweizer Botschafter in Rom, Bernardino Regazzoni, sieht einen Zusammenhang des Anschlags mit Inhaftierungen von Mitgliedern des "Netzwerks von Anarcho-Terroristen". (sda)

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Indymedia 26.12.10

Keine Solidarität mit den "anarchistischen" BriefbomberInnen ::

AutorIn : Libertäre Aktion Winterthur LAW: http://www.libertaere-aktion.ch

Die Frage der Gewalt spielte im anarchistischen Diskurs schon immer eine grosse Rolle. Wie sollte der urtümlichste und rohste Ausdruck von Macht mit der Lehre der Herrschaftslosigkeit in Einklang gebracht werden? Kann eine anarchistische, revolutionäre Strategie Gewalt beinhalten?     
    
[Anmerkung: Dieses Communiqué bezieht sich bewusst nicht auf die letzten Anschläge vom 23. Dezember in Rom. Für uns scheint die anarchistische Urheberschaft fraglich, da sich wie bereits bei einer Anschlagsserie 2003 die ominöse "Federazione Anarchica Informale" (FAI) dazu bekannte. Wohl kaum zufällig trägt diese dasselbe Kürzel wie die Federazione Anarchica Italiana, die sich bereits von den Ereignissen im Jahr 2003 schärfstens distanziert und den Verdacht geäussert hatte, dass es sich bei der anderen "FAI" um eine staatliche Phantomorganisation handeln könnte. Tatsächlich lassen sich in der jüngeren italienischen Geschichte mehrere Beispiele finden, bei denen Attentate dieser Art unter falscher Flagge durchgeführt wurden. Erinnert sei nur an den durch den Staat in Auftrag gegebenen Bombenanschlag auf die Piazza Fontana in Mailand 1969, der den örtlichen AnarchistInnen in die Schuhe geschoben wurde. Auch lässt das Bekennerschreiben der "FAI" zu den Anschlägen am 23.12. aufhorchen, in der es in für eine angeblich "informelle" Organisation völlig untypischen Worten heisst: "Lang lebe FAI, lang lebe die Anarchie!"]

Die Frage der Gewalt spielte im anarchistischen Diskurs schon immer eine grosse Rolle. Wie sollte der urtümlichste und rohste Ausdruck von Macht mit der Lehre der Herrschaftslosigkeit in Einklang gebracht werden? Kann eine anarchistische, revolutionäre Strategie Gewalt beinhalten? Es ist davon auszugehen, dass der libertäre Weg, der immerhin die Enteignung der Besitzenden und die Überwindung materieller Privilegien beinhaltet, auf brutalen Widerstand derjenigen stossen wird, die sich diesen Gütern beraubt sehen. Ein Herrschaftsverhältnis beruht immer auf (unscheinbarem oder offensichtlichem) Zwang. Und dieser schliesst immer auch Gewalt ein, der wir nur als starke revolutionäre Massenbewegung entgegentreten können.

Doch sollten wir uns als bewusste Anarchistinnen und Anarchisten davor hüten, das Mittel der Gewalt zum Zweck werden zu lassen. "Die wahre anarchistische Gewalt hört auf, wo die Notwendigkeit der Verteidigung und der Befreiung aufhört. Sie wird durch das Bewusstsein getragen, dass die Individuen, einzeln betrachtet, wenig oder überhaupt nicht verantwortlich sind für die Position, die Erbe und Umwelt ihnen verschafft haben." Diese Worte vom italienischen Anarchisten Errico Malatesta haben auch fast Hundert Jahre nach ihrer Niederschrift nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Sie verbieten es, im Rahmen einer libertären Praxis FunktionsträgerInnen im Kapitalismus ihrer blossen Funktion Willen zu verletzen oder gar zu töten. Wie wir meinen, sollte das für jede Person mit einer anarchistischen Auffassung eine Selbstverständlichkeit sein.

In den letzten Monaten haben sich allerdings auch im Zusammenhang mit der Schweiz Ereignisse gehäuft, die dieses libertäre Prinzip im Namen des Anarchismus in Frage stellen. Die Rede ist hier nicht von den rhetorisch durchaus gelungenen, doch inhaltlich oft verworrenen Aufrufen im Stile von "Schlagt die Polizisten, wo ihr sie trefft", die von irgendwelchen windigen Revoltierenden als Akt des individuellen Widerstandes auf Mauern geklebt und auf Websites veröffentlicht werden. Auch nicht gemeint sind die zahlreichen, aber in ihrer Form sich treu bleibenden Schweizer Solidaritätsaktionen für Billy, Costantino und Silvia, deren antizivilisatorischen Ergüsse wir höchstens mit Belustigung zur Kenntnis nehmen. Doch werden wohl auch aus eben diesen Zusammenhängen diejenigen Aktionen beklatscht, die in ihren Folgen weit über das Mass von Farbanschlägen und dem Aufschlitzen von Autoreifen hinausgehen.

Wir denken an die Briefbomben, die in den vergangenen Monaten an diverse staatliche Einrichtungen, insbesondere Botschaften, versandt wurden. Darauf hoffend, dass dabei einE wichtigeR BeamteR beim Öffnen des Briefs versehrt wird, sollte die Inhaftierung der drei Genannten symbolisch "gerächt" werden. Eine solche Praxis zeugt nicht nur von politischer Dummheit, sondern auch von grosser Feigheit und Inhumanität. Im besten Falle aus Naivität, im schlimmsten aus Berechnung wurde ebenso in Kauf genommen, dass auch eine einfache Zuträgerin oder ein subalterner Sekretär verletzt wird. Damit reihen sich die AbsenderInnen ein in die lange Reihe von skrupellosen VerbrecherInnen, die im Dienste des Kapitals Angehörige der ArbeiterInnenklasse verfolgt und getötet haben. Diese Taten sind mitnichten revolutionär, sondern Ausdruck der politischen Reaktion. Uns bleibt angesichts der Infamie solcher Aktionen nur das Eine: Keine Solidarität mit den "anarchistischen" BriefbomberInnen - niemals, nie!

Es ist tragisch, dass der europäischen KapitalistInnenklasse, die sich noch vor wenigen Jahren linksradikale Gruppierungen schaffen musste, um die Bevölkerung auf einen repressiven Kurs einzustimmen, das Spiel heute so einfach gemacht wird.

Für uns alle ist es schwierig, adäquat auf ein politisches und soziales Klima zu reagieren, dass uns als ausgebeutete und mitfühlende Menschen in die Verzweiflung treiben muss. Dies sollte aber nicht Anlass sein, uns in die alten Illusionen der "Propaganda der Tat" zu retten, und durch individuelle Gewaltakte die Gesellschaft ändern zu wollen. Deren Folgen werden Repression, Eskapismus und eine noch grössere Hoffnungslosigkeit sein, und nicht der Aufstand der Massen. Ebenso falsch ist es, die Unstrukturiertheit zum allgemeinen Handlungsprinzip von Anarchistinnen und Anarchisten zu erheben, wie es von unseren "aufständischen" Genossinnen und Genossen gefordert wird. Ist jedeR nur sich selber verantwortlich, leistet das individuellen unberechenbaren Aktionen Vorschub, anstatt einer solidarischen Praxis, die stetig auf die soziale Revolution hinarbeitet, zur Entfaltung zu verhelfen.

Nur gemeinsam, durch organisierten und zielgerichteten Klassenkampf können wir dem kapitalistischen System die Stirn bieten. Einigkeit in der Theorie und Stringenz in der Praxis, föderalistische Strukturen und individuelle Disziplin sind die Qualitäten von solidarisch kämpfenden Anarchistinnen und Anarchisten, die tatsächlich die soziale Revolution - und nicht die totale Repression - wollen. Der Arbeitsplatz und die Schule, die Nachbarschaft und das Begegnungszentrum, die Strasse und das Flüchtlingsheim: Dies sind die Plätze unserer libertären Agitation, der Organisierung und des Kampfes - nicht die Spalten der bürgerlichen Medien, die nur darauf warten, mit reisserischen Schlagzeilen über den letzten Anschlag von Revoltierenden zu berichten.


Ende Dezember 2010
Libertäre Aktion Winterthur

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Newsnetz 26.12.10

Anschlagserie in Rom: Razzien erwartet

sda / jak

 Nach den Paketbombenanschlag auf die Schweizer Botschaft fahndet die Polizei im anarchistischen Milieu Italiens nach den Tätern. Die Behörden sprechen von Terrorzellen, die unabhängig voneinander operieren.

 Die Ermittler gehen dabei vor allem auch Hinweisen auf Verbindungen zu einer Attentatsserie im November in Griechenland nach. Damals gehörte die Schweizer Botschaft in Athen zu den Adressaten von Paketbomben - wie am Donnerstag die Schweizer Vertretung in Rom. "Bei der anarchistischen Spur gibt es Verbindungen nach Griechenland und Spanien", sagte Aussenminister Franco Frattini.

 Die griechische Polizei teilte jedoch mit, es gebe keinen Hinweis auf die Beteiligung von Griechen an den Anschlägen in Italien. Die Ermittlungen sind schwierig, weil die Anarchisten oftmals in unabhängigen Zellen arbeiten, wobei eine Zelle nichts von den Plänen der anderen weiss. Erwartet werden in den kommenden Tagen eine Reihe von Durchsuchungen und Kontrollen im bekannten Umfeld der radikalen italienischen Anarchisten. Diese Ermittlungen dürften sich auf Gruppen in der Toskana, im Piemont und rund um Rom konzentrieren.

 Ziele bewusst ausgewählt

 Die verstärkten Postkontrollen bei den Botschaften in Rom wurden fortgesetzt. Die Paketbomben waren am Donnerstag vor Weihnachten beim Öffnen in den Botschaften der Schweiz und Chiles explodiert, wobei zwei Menschen, darunter der Postverantwortliche der Schweizer Botschaft, verletzt wurden.

 Zu den beiden Anschlägen bekannte sich die in Italien aktive "Federazione Anarchica Informale" (Fai). In ihrem Bekennerschreiben nennen sich die Anarchisten "revolutionäre Zelle Lambros Fountas". Sie erinnern damit an einen griechischen Anarchisten, der im März bei einem Feuergefecht mit der Polizei ums Leben gekommen war.

 Die italienische Fai hat schon Dutzende Anschläge verübt. Die betroffenen Botschaften seien nicht zufällig das Ziel der Sprengstoffattentate gewesen, sagte der Unterstaatssekretär im römischen Innenministerium, Alfredo Mantovano.

 Sprengsatz im Oktober

 Chiles Botschaft könnte das Ziel gewesen sein, weil dort 2009 der Anarchist Mauricio Morales umgekommen war, als sein mit Sprengstoff gefüllter Rucksack vorzeitig explodierte. Mantovano sagte in einem Interview mit der Zeitung "Il Giornale" zudem, dass eine "intensive Zusammenarbeit" zwischen italienischen und Schweizer Ermittlern im Frühling zu der Verhaftung mehrerer Anarchisten geführt habe. Bereits im Oktober wurde vor der Schweizer Botschaft in Rom ein Sprengsatz gefunden.

 In einem beiliegenden Schreiben wurde die Freilassung von "Costa, Silvia und Billy" gefordert - drei Anarchisten, die im April in der Schweiz wegen des Verdachts von Anschlagsvorbereitungen gegen einen internationalen Grosskonzern festgenommen worden waren.

 Zusammenhang mit Camenisch

 Auch der Schweizer Botschafter in Rom, Bernardino Regazzoni, sieht einen Zusammenhang des Anschlags mit Inhaftierungen von Mitgliedern des "Netzwerks von Anarcho-Terroristen". Dies sagte Regazzoni am Freitag gegenüber dem Zürcher Privatradio "Radio 1". Auf die Frage, ob der Anschlag auch eine Antwort auf die Inhaftierung von Marco Camenisch sei, sagte Regazzoni, "so sieht es aus". Camenisch war 2002 nach Verbüssung einer mehrjährigen Haftstrafe von Italien an die Schweiz ausgeliefert worden.

 Er muss einerseits eine frühere Strafe von 1981 wegen Anschlägen auf Einrichtungen der Stromindustrie noch absitzen. Andererseits wurde der auch als "Öko-Terrorist" bezeichnete Camenisch wegen Mordes an einem Grenzwächter verurteilt.

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Sonntagszeitung 26.12.10

Schweizer Geld für Anarchisten

 Zürich Nach dem Bombenanschlag auf die Schweizer Botschaft in Rom werden die Sicherheitsmassnahmen in Absprache mit den italienischen Behörden verstärkt. Das bestätigt Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Auch der Nachrichtendienst des Bundes ist in die Untersuchung involviert. Ermittler vermuten hinter dem Anschlag eine Vergeltung für die Inhaftierung dreier Aktivisten aus der italienischen Anarchistenszene in der Schweiz. Für diese sammeln auch militante Schweizer Gruppen Geld. Seite 2

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Schweizer Sympathisanten

 Botschaftsbombe in Rom war Vergeltung für in der Schweiz inhaftierte Anarchisten - für diese sammelten hiesige Linksextremisten Geld

 Von Matthias Halbeis

 Zürich Die mutmasslichen Drahtzieher hinter dem Bombenattentat auf die Schweizer Botschaft in Rom am 23. Dezember haben Sympathisanten in der Schweiz. Gemäss dem Unterstaatssekretär im italienischen Innenministerium, Alfredo Mantovano, war die Bombe eine Vergeltungsaktion für die Inhaftierung dreier Anarchisten in der Schweiz.

 Für die Freilassung ebendieser mutmasslichen Terroristen sammeln bekannte Schweizer Linksextreme Geld. In einer Solidaritätserklärung hatten schon im April mehrere Schweizer Organisationen zu Spenden zugunsten der drei inhaftierten Anarchisten aufgerufen, darunter der Revolutionäre Aufbau Schweiz, der schon länger im Visier der Bundesbehörden ist.

 "Diese Bedrohung ist keine generelle Tendenz"

 Die Verbindungen zwischen gewaltbereiten Extremisten in der Schweiz, Italien und Griechenland sind seit längerem eng. Mitglieder des Revolutionären Aufbaus Zürich (RAZ) waren mehrfach im Visier der Behörden wegen Kontakten zu Linksextremisten in Italien. Der RAZ pflegt auch Kontakte zu griechischen Linksaktivisten. Diese stehen bei griechischen Strafverfolgern im Verdacht, die Urheber von Paketbombenanschlägen im November zu sein. Bereits damals gab es einen Anschlagsversuch auf die Schweizer Botschaft in Athen. Die Verfasser des Bekennerschreibens für den Anschlag in Rom bezogen sich ebenfalls auf Griechenland.

 Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) will über mögliche Verbindungen der italienischen Anarchisten in die Schweiz keine Angaben machen. "Zusammen mit unseren Partnern in der Bundesverwaltung analysieren wir die Entwicklung aber sehr genau und haben spezielle Lageanalysen erstellt", sagt Sprecher Simon Johner. Er bestätigt erstmals, dass neben dem Justiz- und Polizeidepartement der NDB in die Abklärungen rund um den Anschlag in Rom einbezogen worden ist.

 Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sieht jedoch keine Verschlechterung der Sicherheitslage. "Diese Bedrohung kommt von einer ganz bestimmten Gruppe und ist keine generelle Tendenz", so Calmy-Rey. Die Sicherheitsmassnahmen für die Schweizer Botschaft in Rom würden in Absprache mit den italienischen Behörden verstärkt.

 Dem verletzten Portier der Schweizer Botschaft gehe es "den Umständen entsprechend gut". Sein Chef besuchte ihn am Heiligabend im Spital.

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Zentralschweiz am Sonntag 26.12.10

Schweizer Botschaft in Rom

 Anschlag könnte ein Racheakt gewesen sein

 Die Behörden fahnden intensiv nach den Verantwortlichen für den Anschlag auf die Schweizer Botschaft in Rom. Derweil gibt es Vermutungen über das Motiv.

 sda. In Rom laufen die Ermittlungen nach den Anschlägen auf die Schweizer und die chilenische Botschaft weiter. Die Terror-Ermittler gingen Hinweisen auf eine Verbindung zwischen den Paketbomben an die beiden Botschaften mit einer Attentatsserie im November in Griechenland nach. Die griechische Polizei teilte am Freitag aber mit, es gebe keinen Hinweis auf die Beteiligung von Griechen an den Anschlägen in Rom.

 Bekenntnis der Anarchisten

 Die Päckchen waren am Donnerstag beim Öffnen in den diplomatischen Vertretungen explodiert, wobei sich je ein Angehöriger der Schweizer Botschaft schwer an den Händen verletzt hatte. Zu den beiden Anschlägen bekannte sich die seit längerem in Italien aktive Federazione Anarchica Informale (Fai).

 Die Auswahl der Anschlagsziele sei bewusst erfolgt, sagte Alfredo Mantovano, Unterstaatssekretär im Innenministerium, in einem am Freitag erschienenen Interview der Tageszeitung "Il Giornale". Chiles Botschaft könnte das Ziel gewesen sein, weil dort 2009 der Anarchist Mauricio Morales umgekommen war, als sein mit Sprengstoff gefüllter Rucksack vorzeitig explodierte. Die chilenischen Behörden werden von Anarchistenkreisen für seinen Tod verantwortlich gemacht. Morales sei mit seinem Tod in die Ruhmeshalle der Anarchistenbewegung eingetreten, sagte Mantovano.

 Auch der Schweizer Botschafter in Rom, Bernardino Regazzoni, sieht einen Zusammenhang des Anschlags mit Inhaftierungen von Mitgliedern des "Netzwerks von Anarcho-Terroristen". Dies sagte Regazzoni am Freitag gegenüber dem Zürcher Privatradio Radio 1 unter Berufung auf Angaben der italienischen Polizei.

 Zusammenhang mit Camenisch

 Auf die Frage, ob der Anschlag auch eine Antwort auf die Inhaftierung von Marco Camenisch sei, sagte Regazzoni: "So sieht es aus." Camenisch war 2002 nach Verbüssung einer mehrjährigen Haftstrafe von Italien an die Schweiz ausgeliefert worden. Er muss einerseits eine frühere Strafe von 1981 wegen Anschlägen auf Einrichtungen der Stromindustrie noch absitzen. Andererseits wurde der auch als "Öko-Terrorist" bezeichnete Camenisch wegen Mordes an einem Grenzwächter verurteilt.

 In der Schweiz waren ferner am 15. April 2009 eine Italienerin, ein Italiener und ein Schweizer unter dem Verdacht festgenommen worden, einen Anschlag auf das im Bau befindliche IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon ZH vorbereitet zu haben. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft.

 Erhöhte Alarmbereitschaft

 Die italienischen Sicherheitskräfte waren weiter in erhöhter Alarmbereitschaft. Botschaftsgebäude, Ministerien, Postämter und das Parlament wurden am Freitag verstärkt bewacht. Auch an der Christmette im Vatikan, die am 24. Dezember stattfand, wurden die Sicherheitsmassnahmen erhöht.

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Sonntagsblick 26.12.10

Strategie-Experte warnt die Schweiz

 Es wird weitere Anschläge geben

 VON  JOHANNES VON DOHNÁNYI

 In Europa wächst der Druck: Die Finanzkrise verschafft extremistischen Bewegungen Zulauf - die Bombenpakete in Rom waren erst der Anfang.

 Grösser hätte das Weihnachtsgeschenk für den 53-jährigen Walliser wohl nicht sein können. Nach der Explosion einer Paketbombe drohte dem Mitarbeiter der Schweizer Botschaft in Rom eine Amputation der linken Hand. Doch er wird, so Chefchirurg Nicolo Scuderi vom römischen Poliklinikum Umberto I., "keine bleibenden Schäden davontragen".

 Auch die Verletzungen des chilenischen Botschaftsangestellten, in dessen Händen - ebenfalls am Donnerstag, ebenfalls in Rom - eine Bombe explodierte, scheinen weniger schwer als befürchtet.

 Doch damit sind die positiven Nachrichten auch schon erschöpft.

 Die Sprengsätze der Informellen Anarchistischen Föderation (FAI), die vor allem in Griechenland, Italien und Spanien operiert, belegen nach Auffassung des Zürcher Strategie- und Terrorexperten Albert Stahel: "Auch wenn die Schweiz nicht zur Europäischen Union gehört, zählt sie mit ihrem Wohlstand doch zum Feindbild des linksextremen und anarchistischen Untergrunds. Zugleich dient unser Land, wie schon in den 80er-Jahren, immer wieder auch als Ruhe- und Rückzugsraum." Zwei Tage nach dem Attentat von Rom warnt Stahel: "Es wird weitere Anschläge geben."

 Seitdem am 15. April der Tessiner Luca "Billy" Bernasconi und die beiden italienischen Öko-Extremisten Silvia Guerini und Costantino Ragusa im Zürcher Sihltal verhaftet wurden, ging es Schlag auf Schlag: Das Trio wird verdächtigt, einen Anschlag auf das nanotechnische Labor von IBM in Rüschlikon ZH geplant zu haben (SonntagsBlick berichtete).

 Bald darauf wies ein fünfzackiger Stern mit den Buchstaben BR an der Wand des italienischen Konsulats auf die Präsenz von Anhängern der italienischen Terrorgruppe Brigate Rosse in Zürich hin. Briefbomben gingen an die Schweizer Botschaften in Athen und Rom, und am Tag vor Heiligabend folgte der bisher blutigste Anschlag, wiederum in der Schweizer Vertretung in der italienischen Hauptstadt.

 Zwar verfügt das lose Netzwerk der FAI, das vor allem per Internet kommuniziert, laut Stahel "weder über die Ressourcen noch das Menschenmaterial des islamistischen Terrorismus". Mit anderen Worten: Selbstmord-Attentate sind von der FAI nicht zu erwarten.

 Doch die sozialen Spannungen in Europa wachsen - eine direkte Folge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise sowie des Spardrucks wegen gigantischer Staatsschulden im Euro-Raum: Wasser auf die Mühlen des linken Untergrunds.

 Die FAI betrachtet gewerkschaftlich organisierte Massenproteste in Griechenland, Italien, Irland oder Portugal als Berechtigungsnachweis für eine Radikalisierung der eigenen Aktionen.

 "Wir zerstören das Herrschaftssystem", hiess es in ihrem Bekennerbrief nach den jüngsten Anschlägen in Rom.

 Europas Regierungen antworten auf den wachsenden Zorn - vor allem unter den Studenten - bislang vor allem mit Schlagstöcken und Wasserwerfern.

 Aber der römische Polizeichef Antonio Manganelli warnt bereits: "Repression war noch nie ein Mittel gegen die Folgen politischer Fehlentwicklungen." Wie Manganelli sehen Experten überall in Europa die Gefahr eines Rückfalls in den linken Terrorismus der 70er- und 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

 "Ohne das Korsett einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftsund Finanzpolitik ist der Euro-Raum nichts als ein grosses Spielkasino", warnt Stahel: "Die akute Gefahr einer Reaktivierung längst vergessener extremistischer Gruppierungen ist von den europäischen Politikern noch nicht verstanden worden."

 Die Bombe von Rom beweist: Einem europaweiten Trend zur politischen Radikalisierung kann sich auch die Schweiz nicht entziehen - und sei es als dessen Opfer.

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Le Matin Dimanche 26.12.10

La mouvance anarchiste passe-t-elle par la Suisse?

Ivan Radja

 TERRORISME L'Office fédéral de la police enquête sur les liens éventuels entre la Suisse et les anarchistes auteurs des attentats contre les ambassades suisse et chilienne à Rome jeudi.

 Les réseaux anarchistes italiens auteurs des attentats au colis piégé dans les ambassades de Suisse et du Chili jeudi ont-ils d'une manière ou d'une autre des ramifications en Suisse? L'arrestation en avril dernier à Zurich de trois écoterroristes anarchisants - deux Italiens et un Tessinois - serait l'un des mobiles expliquant le fait que la Confédération soit prise pour cible, ont estimé vendredi les enquêteurs italiens. Le mobile des terroristes demeure flou. Le lien avec l'attentat à l'ambassade du Chili, ainsi que les fausses alertes devant celles d'Ukraine et d'Irlande, n'est pas aisé à établir.

 "Pas une tendance générale"

 La ministre des Affaires étrangères, Micheline Calmy-Rey, estime pour sa part que "la menace émane d'un petit groupe bien défini et ne reflète pas une tendance générale" (lire encadré). De son côté, le Service de renseignement de la Confédération affiche une extrême discrétion: "Nous suivons de près les développements avec nos partenaires des services fédéraux et avons établi une analyse détaillée de la situation", explique le porte-parole Simon Johner. Quant à l'Office fédéral de la police, sa porte-parole Danièle Bersier rappelle qu'il "travaille sur les liens de ces attentats avec la Suisse, mais ne communique pas sur une enquête en cours". Et de nous renvoyer, faute de mieux, au rapport annuel de FedPol, paru en juin de cette année. Au chapitre "Groupes criminels d'Italie", ledit rapport relève un "enchevêtrement international" entre la Ndranghetta, la Camorra et la Cosa Nostra, mentionne leurs prolongements au Tessin et en Valais, mais ne souffle mot d'aucune autre organisation autre que mafieuse.

 Plus loin, à la rubrique "Terrorisme et protection de l'Etat", il est surtout question de groupements islamistes, d'actions violentes du PKK et des Tigres Tamouls, et des attentats d'extrémistes de la cause animale. L'"extrémisme de gauche" n'est mentionné qu'une seule fois, à propos de la surveillance dont est l'objet la Reconstruction révolutionnaire suisse (RAS, pour Revolutionäre Aufbau Schweiz).

 La Fédération anarchiste informelle (FAI), qui a revendiqué les attentats de jeudi, n'était manifestement pas au centre des préoccupations de Berne. Ni de Bruxelles. Inscrite sur la liste des organisations terroristes du Conseil de l'Union européenne, elle en a été retirée en 2009, de même que la "Brigata XX Luglio", la "Cellula contro Capitale" et "Solidarieta Internazionale", autant de groupuscules liés à, ou constituant tout ou partie de cette mystérieuse fédération informelle.

 Attentats en augmentation

 La galaxie de micro-astéroïdes qui compose le terrorisme de l'extrême gauche européenne, allant de l'écoterrorisme à l'anarchie, souvent mêlant l'un et l'autre, est en revanche surveillée de près par Europol. Le nombre d'actes terroristes est en effet en nette augmentation depuis deux ans, avec "un total de 40 attaques terroristes lancées par l'extrême gauche et les groupes anarchistes en 2009, soit une augmentation de 43% par rapport 2008", note l'office de police criminelle intergouvernemental dans un état des lieux du terrorisme publié cette année. Les armes utilisées sont soit l'incendie criminel, soit la bombe artisanale. Les objectifs, des institutions identifiées comme des cibles par les extrémistes anarchistes. "Leurs thèmes idéologiques, souligne le rapport, sont l'anticapitalisme, l'antimilitarisme, l'antifascisme et l'abolition des frontières. "

 Les groupes les plus actifs sont recensés en Grèce, où a été abattu par la police en avril dernier le terroriste Lambros Fountas, dont le nom a été repris par la cellule active de la FAI pour signer l'attentat contre l'ambassade de Suisse à Rome. En ce qui concerne l'Italie, le rapport ne mentionne pas la FAI, mais fait état d'une nouvelle mouvance d'inspiration marxiste-léniniste implantée à Rome, Milan et Gênes, dont le but est de relancer la lutte armée dans l'esprit des Brigades rouges.

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 "UN PETIT GROUPE", SELON MICHELINE CALMY-REY

 CONDAMNATION "La menace émane d'un petit groupe bien défini et ne reflète pas une tendance générale": c'est ce qu'a répondu la future présidente de la Confédération, Micheline Calmy-Rey, à nos confrères de laSonntagsZeitung. "Je condamne sévèrement cette attaque insidieuse et souhaite un prompt rétablissement à nos employés blessés", ajoute-t-elle. Concernant les mesures de sécurité autour des ambassades, Micheline Calmy-Rey rappelle qu'elles sont "accordées en fonction des conditions locales et de l'évaluation du risque", mais assure qu'elles "seront renforcées par l'ambassade suisse en collaboration avec les autorités italiennes", sans "entrer dans les détails pour d'évidentes raisons de sécurité". x

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Le Matin 25.12.10

"La suisse a été punie"

 RomeL'attentat contre l'ambassade helvétique aurait été commis pour venger les arrestations d'anarchistes à Zurich.

 Les cibles des attentats contre les ambassades de Suisse et du Chili jeudi à Rome "n'ont pas été choisies par hasard", a estimé hier le sous-secrétaire italien à l'Intérieur, Alfredo Mantovano. Selon lui, les activistes de la Fédération anarchiste informelle (FAI), qui ont revendiqué ces actions, ont voulu punir la Suisse pour sa collaboration avec l'Italie, qui a permis l'arrestation d'anarchistes.

 Deux Italiens, Costantino Raguse et Silvia Guerini, et un Tessinois, Luca Bernasconi, sont incarcérés en Suisse. Ils ont été arrêtés le 15   avril à Zurich pour avoir préparé une attaque à l'explosif contre le siège suisse d'IBM. La presse italienne pense que la FAI voulait aussi venger la détention de l'"écoterroriste" suisse Marco Camenisch, condamné pour l'assassinat d'un douanier en 1991.

 Une nébuleuse

 Les anarchistes liés à des mouvements insurrectionnels sont plusieurs centaines en Italie, regroupés dans une vingtaine de groupuscules. La Fédération anarchiste informelle a, pour sa part, même été recensée comme une organisation terroriste par l'Union européenne. Et pour cause: son premier attentat, le 21   décembre 2003, était dirigé contre Romano Prodi, à l'époque président de la Commission européenne. Et les suivantes, en janvier 2004, contre des dirigeants du Parlement européen. L'Agence de presse associative, qui fait partie de la mouvance alternative, signale sur son site que la FAI fédère différents groupes, notamment la Brigata 20 luglio, les Cellule contro il capitale, Insorgenti metropolitane, etc. , qui s'étaient déjà signalés auparavant par des actions explosives.

 Détruire les banques

 On ignorait toutefois hier si les anarchistes détenus en Suisse - qui militaient pour le groupuscule Il Silvestre et se disaient opposés aux développements de certaines sciences, notamment la nanotechnologie - ont des liens avec les mouvements proches de la FAI. En revanche, Silvia Guerini observait une grève de la faim dans la prison de Bienne en octobre dernier pour la libération de Marco Camenisch. Pourtant ce dernier, qui est devenu un "détenu modèle", déplore être devenu le leader malgré lui de mouvements (qui n'existaient pas avant son arrestation), selon Antony Brovarone, porte-parole du pénitencier des plaines de l'Orbe.

 La FAI se veut une organisation anticapitaliste, avec des consonances écolos. En 2003, elle écrivait: "Nous continuerons à manifester notre haine irréductible contre l'Etat et le capital et notre amour inconditionnel pour un monde libéré de la domination de l'homme sur l'homme et de l'homme sur la nature. " Ou encore: "Attaquer et détruire les responsables de la répression et de l'exploitation! Attaquer et détruire les prisons, les banques, les tribunaux et les casernes! (…)" sont les principaux buts de cette organisation.

 Les bombes de la FAI n'ont toutefois jamais tué. Pourtant, après les attaques contre des personnalités européennes, la FAI a organisé une série d'attentats contre les membres des forces de l'ordre. Ensuite, en décembre 2009, elle a revendiqué l'explosion d'une bombe dans une université de Milan et contre un centre de rétention d'immigrés, avant d'envoyer un colis piégé l'été dernier à Roberto Maroni, l'actuel ministre italien de l'Intérieur. Un colis qui n'a réussi qu'à blesser une postière. Or la FAI avait écrit en 2003: "Les actions effectuées aujourd'hui, comme celles qui suivront, utilisent des techniques qui visent à exclure la possibilité de blesser des innocents. "

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 Rome en état d'alerte

 Rome était en état d'alerte à la veille de Noël, après l'explosion jeudi de colis piégés dans les ambassades de Suisse et du Chili, revendiquée par une fédération anarchiste, proche de groupes extrémistes grecs.

 Sièges du gouvernement et du Parlement, ministères et services postaux ont été placés sous haute surveillance après les explosions qui ont fait deux blessés. Ces derniers ont été opérés dans la soirée de jeudi. Le Suisse, un homme de 53 ans, risque l'amputation d'une main. L'employé chilien a perdu deux doigts dans l'attentat et a été blessé à la poitrine et à l'œil.

 Les enquêteurs italiens ont estimé hier "crédible" la revendication faite par la FAI en raison de l'utilisation pour les colis piégés de cassettes vidéo remplies d'explosif et des fragments de métaux, typiques pour les groupes violents d'anarchistes. Dans un message retrouvé sur le lieu de l'attentat à l'ambassade du Chili, le groupe exprime sa solidarité avec "des camarades en prison" et d'autres groupes anarchistes en Argentine, au Chili, en Grèce, au Mexique et en Espagne. éafp

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Tagesschau 24.12.10

Anarchistische Gruppe hinter Bombenanschlägen

Die Gruppe "Informeller Anarchistischer Bund" hat sich öffentlich zu den Paket-Bombenanschlägen in der schweizerischen und chilenischen Botschaft in Rom bekannt. Die Polizei fahndet weiter nach den Tätern.
http://videoportal.sf.tv/video?id=7e8048ec-a27b-4d4c-96ff-a28bc6ed6586

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sf.tv 24.12.10

Anschlag auf Schweizer Botschaft war "Strafaktion"

sda/sf/frua

 Eine italienische Anarchistengruppe hat sich zu den beiden Briefbombenanschlägen in Rom bekannt. Der Grund für die Anschläge ist noch unklar. Doch es gibt Spekulationen über eine Verbindung zum in der Schweiz inhaftierten Öko-Anarchisten Marco Camenisch. Sicher ist: Bereits im Oktober wurde ein Sprengsatz bei der Schweizer Botschaft gefunden.

 Das Bekennerschreiben der Gruppe "Federazione Anarchica Informale" befand sich in einer kleinen Schachtel. Diese habe neben dem chilenischen Botschaftsmitarbeiter gelegen, der bei der Explosion an Händen, Augen und am Brustkorb verletzt worden war. "Wir zerstören das Herrschaftssystem", heisst es in dem Schreiben.

 Schweiz kein zufälliges Ziel

 Auf der Website der Anarchisten liessen sich keine weiteren Informationen finden. Die Gruppe setzt sich auf ihrer Website für eine Ende der Ausbeutung des Menschen durch seine Mitmenschen ein.

 Spekulationen gehen von einem weitergehenden Zusammenhang zum Öko-Anarchisten Marco Camenisch aus. Auch ist eine Beziehung zu drei in der Schweiz festgenommenen italienischen Gesinnungsgenossen möglich. Alle vier sind in der Schweiz in Haft.

 Dies bestätigt nun das italienische Innenministerium. Die Bombe an die Schweizer Vertretung sei eine Strafaktion gewesen für die Festnahme von drei Anarchisten in der Schweiz, erklärte Alfredo Mantovano, Unterstaatssekretär im Innenministerium, in einem Interview mit der Zeitung "Il Giornale".

 Anschlag auf IBM-Zentrum geplant

 In der Schweiz waren am 15. April 2009 eine Italienerin, ein Italiener und ein Schweizer unter dem Verdacht festgenommen worden, einen Anschlag auf das im Bau befindliche IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon (ZH) vorbereitet zu haben. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft.

 Bereits am 5. Oktober wurde bei der Schweizer Botschaft ein ungefährlicher Sprengsatz gefunden. Einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Begebenheiten wollte der Schweizer Botschafter in Rom, Bernardino Regazzoni, nicht ziehen.

 Regazzoni sei im Vorfeld bekannt gewesen, dass Anarchistengruppen im Internet eine Solidaritätskampagne gestartet hätten. Dort sei von "Aktionen" die Rede gewesen.

 Verbindungen mit Anschlägen in Athen?

 Ob die Anschläge eventuell auch in einem grösseren Zusammenhang mit anderen europäischen Anarchisten-Gruppen stehen, ist noch nicht klar. Laut SF-Korrespondent Phillip Zahn sind solche Verstrickungen jedoch ziemlich glaubhaft.

 Gemäss Zahn seien die anarchistischen Gruppen international gut miteinander vernetzt.

 Nach Medienberichten arbeitet auch die griechische Polizei mit den Fahndern in Rom zusammen. Die Sprengkörper wiesen Ähnlichkeiten mit den Paketbomben auf, zu welchen sich vor einigen Wochen griechische Linksextremisten bekannt hatten.

 Die insgesamt vierzehn Paketbomben waren damals unter anderem an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, an Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy und Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi verschickt worden. Auch mehrere Botschaften in Athen erhielten Sprengsätze zugeschickt, darunter diejenige der Schweiz.

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Newsnetz 24.12.10

Wer sind die Anarchisten von der FAI?

AFP / oku

 Die Gruppe, die für das Attentat auf die Schweizer Botschaft verantwortlich ist, hat schon mehrere Male Bomben gezündet - und sie schlägt besonders gern in der Weihnachtszeit zu.

 Italienische Anarchisten haben sich zu den Anschlägen auf die Botschaften der Schweiz und Chiles in Rom bekannt. Die Informelle Anarchistische Föderation (FAI) übernahm in den vergangenen Jahren schon mehrfach die Verantwortung für Attentate auf Politiker und Polizei - und immer wieder wurde die Gruppe dabei in der Weihnachtszeit aktiv. Italienische Ermittler halten die Anarchisten nicht für eine straff organisierte Organisation, sondern für ein Sammelbecken verschiedener Teilgruppen.

 Erstmals wurde die FAI am 21. Dezember 2003 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Da explodierten im italienischen Bologna zwei Bomben in Müllcontainern, die unweit des Hauses des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi standen.

 Sechs Tage später erhielt Prodi ein Paket, das beim Öffnen durch den Politiker in Flammen aufging, ihn aber nicht verletzte. Darauf gingen mehrere Pakete an Vertreter des Europaparlaments und anderer EU-Institutionen wie die Europäische Zentralbank (EZB) und die Polizeiorganisation Europol. In einem einigen Päckchen beigelegten Traktat wurde unter dem Aktionsnamen "Operation Weihnachtsmann" der Kapitalismus kritisiert und mehr internationale Solidarität eingefordert.

 Weitere Anschläge in Italien

 In den folgenden drei Jahren setzte die FAI ihre Anschlagsserie in Italien fort, ohne dass es Opfer gibt. Ziele waren unter anderem Polizeikommissariate, Carabinieri-Kasernen und Auffangzentren für Einwanderer. Ab Mitte Juni 2006 passierte für mehr als zwei Jahre nichts mehr. Im Dezember 2009 tauchte die FAI mit einem Anschlag gegen eine Universität in Mailand wieder auf. Im März 2010 explodierte dann ein Paket in einer Postverteilungsstelle in Mailand.

 Im Oktober wurde vor der Schweizer Botschaft in Rom bereits ein Sprengsatz gefunden. In einem beiliegenden Schreiben wurde die Freilassung von "Costa, Silvia und Billy" gefordert - drei Anarchisten, die im April in der Schweiz wegen des Verdachts von Anschlagsvorbereitungen gegen einen internationalen Grosskonzern festgenommen worden waren.

 Die Zahl der Mitglieder der Gruppe würden auf "nur einige Dutzend" geschätzt, sagten italienische Ermittler der Zeitung "La Repubblica". Die FAI sei "ein Auffangbecken ohne wirklichen Chef". Die Organisation funktioniere eher wie eine "Marke", die wie bei Franchise-Unternehmen für verschiedene Teilgruppen verwendet werde.

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NZZ 24.12.10

Hinter dem Anschlag stehen Anarchisten

 Paketbombe in der Schweizer Botschaft in Rom verletzt einen Mitarbeiter schwer

 In der Schweizer Botschaft in Rom ist am Donnerstag eine Paketbombe explodiert. Ein Mitarbeiter erlitt schwere Verletzungen. Anarchisten haben sich zu dem Attentat bekannt.

 Romina Spina, Rom

 Laut einer Medienmitteilung der Schweizer Botschaft explodierte die Paketbombe um 12 Uhr. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Ermittler berichtete, erlitt ein 53-jähriger Schweizer beim Öffnen eines gelben Umschlages, welcher die Grösse einer Videokassette hatte, schwere Verletzungen an beiden Händen. Der Angestellte wurde umgehend in die Römer Poliklinik Umberto I gebracht, wo er sich einer Operation unterziehen musste. Laut Medienberichten befindet sich der Mann nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand. Seine linke Hand wurde bei der Explosion jedoch so schwer verletzt, dass die Chirurgen eine Amputation nicht ausschliessen können.

 Bekennerschreiben gefunden

 Nach dem Vorfall wurde der Zugang zum Gebäude der Vertretung im Römer Stadtteil Parioli abgesperrt. Auch das Schweizer Konsulat in Mailand wurde laut Medienberichten abgeriegelt. Nur drei Stunden nach der Detonation wurde in der Hauptstadt auch die diplomatische Vertretung Chiles Ziel eines Anschlags.

 Zu den Anschlägen bekannte sich eine italienische Anarchistengruppe. Ihr Bekennerschreiben befand sich laut der italienischen Nachrichtenagentur Ansa in einer kleinen Schachtel, die neben einem der beiden verletzten Botschaftsmitarbeiter gefunden wurde. Bei der Anarchistengruppe handle es sich um die "Federazione Anarchica Informale".

 Die Ermittler hatten bereits am Nachmittag die Täter in anarchistischen Kreisen vermutet. Nach Medienberichten arbeitet auch die griechische Polizei mit den Fahndern in Rom zusammen. Die Sprengkörper wiesen Ähnlichkeiten mit den Paketbomben auf, zu welchen sich vor einigen Wochen griechische Linksextremisten bekannt hatten.

 Bereits im vergangenen Oktober war vor der Schweizer Vertretung in Rom ein kleiner Umschlag mit Sprengstoff gefunden worden, der jedoch nicht explodierte, wie Agenturen meldeten. Die Täter hinterliessen damals einen separaten Brief mit den Worten "Costa, Silvia e Billy liberi", womit sie die Freilassung von drei Anarchisten forderten, die in der Schweiz in Haft sitzen. Dabei handelt es sich um eine Italienerin, einen Italiener und einen Tessiner, die unter Verdacht stehen, im letzten Frühling einen Anschlag auf die Anlage des IBM-Forschungszentrums in Rüschlikon im Kanton Zürich geplant zu haben.

 Fehlalarm in Bern

 EDA-Vorsteherin Micheline Calmy-Rey verurteilte das Attentat auf die Schweizer Botschaft scharf und sprach dem Opfer ihr Beileid aus. Auch der italienische Aussenminister Franco Frattini verurteilte den Anschlag und drückte dem Opfer seine Solidarität aus.

 Als Reaktion auf die Anschläge in Rom verstärkten diplomatische Vertretungen in aller Welt ihre Sicherheitsmassnahmen. Dabei löste (unter anderem) die EU-Botschaft in Bern einen Fehlalarm aus. Das verdächtige Paket, das dort am Donnerstag gefunden wurde, war nicht etwa eine Bombe, sondern ein Weihnachtsgeschenk. Weil die Herkunft des Pakets unklar war, wurde das Botschaftsgebäude aber teilweise evakuiert.

 Spezialisten untersuchten in der Folge das an EU-Botschafter Michael Reiterer adressierte Paket. Bald stellte sich heraus, dass es nichts Gefährliches enthielt. Ganz im Gegenteil: Im Paket war eine Büchersendung samt Glückwünschen zum neuen Jahr, wie das zuständige Regierungsstatthalteramt und die Kantonspolizei Bern am frühen Abend mitteilten.

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Bund 24.12.10

Paketbombe in Schweizer Botschaft in Rom

 Die Schweizer Botschaft in Rom ist gestern Ziel eines Anschlags geworden. Bei der Explosion einer Paketbombe wurde ein Angestellter schwer an den Händen verletzt. Die Bombe explodierte am Mittag, als der Postverantwortliche das Paket öffnen wollte. Der Verletzte wurde in die römische Poliklinik Umberto I. gebracht und notfallmässig operiert.Drei Stunden nach der Explosion in der Schweizer Botschaft detonierte in der chilenischen Vertretung in Rom ebenfalls eine Paketbombe. Eine Person wurde an Händen, Augen und am Brustkorb verletzt. Sicherheitskräfte durchsuchten daraufhin alle Botschaften der Hauptstadt. In der ukrainischen Botschaft wurde verdächtige Post gefunden. Diese stellte sich aber als harmlose Karte in einem Couvert heraus.

 Der italienische Aussenminister Franco Frattini verurteilte die Anschläge und erklärte seine Solidarität mit der Schweiz. Roms Bürgermeister Gianni Alemanno sprach von einer "Welle des Terrorismus gegen die Botschaften". Am Abend wurde bekannt gegeben, dass sich eine italienische Anarchistengruppe zu den beiden Anschlägen bekennt.(aus/sda) — Seite 3

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Paketbombe verletzt Schweizer in Rom

 Italienische Anarchisten bekennen sich zu den Anschlägen auf die Botschaften der Schweiz und Chiles.

 René Lenzin und Fabian Renz

 Bombenterror in Rom. Bei zwei Anschlägen auf die Botschaften der Schweiz und Chiles hat es gestern zwei Verletzte gegeben. Ein 53-jähriger Angestellter der Schweizer Vertretung zog sich schwere Verletzungen an den Händen zu, als er um die Mittagszeit ein Paket öffnete, in dem ein Sprengsatz verpackt war. Drei Stunden später ereignete sich ein identischer Vorgang in der chilenischen Botschaft. Die Person, die das dort eingegangene Bombenpaket öffnete, erlitt Verletzungen an Händen, Augen und am Brustkorb. Auch in der Vertretung der Ukraine wurde kurz darauf ein verdächtiges Paket vorgefunden, das sich jedoch als harmlos erwies.

 Am Abend wurde klar, dass sich eine italienische Anarchistengruppe zu den Anschlägen auf die Schweizer und die chilenische Botschaft bekennt. Ihr Bekennerschreiben habe sich in einer kleinen Schachtel befunden, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Bei der Anarchistengruppe handle es sich um die "Federazione Anarchica Informale" (Informelle anarchistische Föderation FAI).

 Zwischenfall schon im Oktober

 Zuvor kamen Spekulationen über eine Schweizer Spur auf. Bereits am 5. Oktober war auf der Mauer der Botschaft in Rom ein Behälter mit einer entzündbaren Flüssigkeit entdeckt worden. In der Nähe lag damals ein Brief mit Parolen für die Freilassung von drei in der Schweiz verhafteten Ökoanarchisten (eine Italienerin, ein Italiener und ein Schweizer). Diese sollen im April einen Anschlag auf das IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon vorbereitet haben. Mitglieder einer anarchistischen Splittergruppe warfen am 14. Dezember Farbbeutel gegen die Schweizer Botschaft in Lissabon, um gegen die Verhaftung ihrer Gesinnungsgenossen zu protestieren.

 Als Reaktion auf den gestrigen Anschlag in Rom wurden bei der Schweizer Botschaft die Sicherheitsmassnahmen erhöht, wie das Eidgenössische Aussendepartement (EDA) mitteilte. Details wollte das EDA keine nennen. Auch für andere schweizerische Institutionen in Italien wurde der Schutz verstärkt: Sie erhielten Weisung, Post ohne oder mit unklarem Absender nicht zu öffnen. Später dehnte die italienische Polizei die Massnahmen auf sämtliche ausländischen Vertretungen in Rom sowie auf die italienischen Vertretungen im Ausland aus.Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey verurteilte die Anschläge in ihrer schriftlichen Stellungnahme "aufs Schärfste". Laut Angaben des EDA sind die Verletzungen ihres betroffenen 53-jährigen Botschaftsangestellten "ernst, aber nicht lebensbedrohlich". Der Mann befinde sich in Spitalpflege.

 Auch bei der Botschaft der Europäischen Union in Bern löste ein verdächtiges Paket gestern Bombenalarm aus. Die Berner Kantonspolizei liess als Vorsichtsmassnahme Teile der Liegenschaft evakuieren und das Gelände absperren. Am Abend folgte dann aber die Entwarnung: Beim Inhalt des Pakets, so teilte die Kantonspolizei mit, handle es sich lediglich um "eine Buchsendung samt Glückwünschen zum neuen Jahr".

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20 Minuten 24.12.10

Attentate in Rom schüren in Europa Angst vor Terror

 ROM. Nach der Explosion von zwei Bomben in den Botschaften der Schweiz und Chiles in Rom steigt die Angst vor weiteren Anschlägen. Anarchisten bekannten sich zur Tat.

 Die erste Paketbombe explodierte gestern gegen Mittag in den Händen eines Mitarbeiters der Schweizer Botschaft. Der Deutschschweizer wurde dabei schwer verletzt. Die Ärzte konnten die Hände des 53-Jährigen jedoch retten. Drei Stunden nach dem ersten Anschlag ging eine weitere Paketbombe in der chilenischen Botschaft hoch. Dabei erlitt ebenfalls ein Mann schwere Verletzungen.

 Eine italienische Anarchistengruppe namens Federazione Anarchica Informale ("informelle anarchistische Föderation") bekannte sich zur Tat. Schon im November hatten Anarchisten eine ähnliche Anschlagsserie in Athen durchgeführt. Damals wurden Briefbomben an verschiedene Botschaften geschickt - auch an die der Schweiz. "Das sind sehr gewalttätige Gruppen, die in Spanien und Griechenland ansässig sind, und sie sind sehr gut untereinander vernetzt", so der italienische Innenminister Roberto Maroni. Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey bezeichnete die Anschläge als "heimtückische und unverzeihliche Tat".

 Aus Angst vor Terroranschlägen waren in den letzten Wochen fast in ganz Europa die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden. Nun steigt die Terror-Angst noch einmal: Die römische Polizei durchsuchte gestern alle Botschaften nach weiteren Sprengsätzen. In der ukrainischen Vertretung wurde wegen eines harmlosen Pakets Alarm geschlagen. Dasselbe passierte in Bern (siehe Box). Schon am Morgen hatte in Deutschland ein Paket mit Wein vor dem Haus von Angela Merkel für grosse Aufregung gesorgt.  Hal

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 EU-Botschaft abgeriegelt - wegen Weihnachtsgeschenk

 BERN. Nach den Anschlägen in Rom stieg auch in der Schweiz die Nervosität: Die EU-Vertretung in unmittelbarer Nähe zum Bundeshaus wurde kurz nach 16 Uhr wegen eines verdächtigen Pakets abgeriegelt und teilweise evakuiert. Das an EU-Botschafter Michael Reiterer adressierte Päckchen war ohne Absender bei der Botschaft abgegeben worden. Die Polizei bot Spezialisten auf, um es zu öffnen. Sie konnten Entwarnung geben: Statt einer Bombe befand sich im verdächtigen Paket ein Weihnachtsgeschenk - eine Büchersendung samt Glückwünschen zum neuen Jahr.

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BZ 24.12.10

Bombe explodiert in Schweizer Botschaft

 paketbombenDie Schweizer Botschaft in Rom ist Ziel eines Anschlages geworden. Auch in der chilenischen Botschaft in Rom ist eine Paketbombe hochgegangen. Zur Tat bekannten sich Anarchisten.

 Bei der Explosion einer Paketbombe in der Schweizer Botschaft in Rom ist ein Angestellter schwer an den Händen verletzt worden. Die Bombe detonierte gestern Mittag, als der 53-jährige Postverantwortliche das Paket öffnen wollte. Er wurde schwer an den Händen verletzt, in die römische Poliklinik Umberto I. gebracht und kurz darauf notfallmässig operiert.

 Laut dem zuständigen Arzt wird der Mann längerfristig keine gravierenden Schäden davontragen. Eine Amputation der Hand sei nicht nötig, zitierte die italienische Nachrichtenagentur Adnkronos Niccolò Scuderi, den Direktor der Abteilung für Plastische Chirurgie der Poliklinik. Die grössten Probleme habe es bei der linken Hand, insbesondere am Ringfinger, gegeben, sagte der Arzt. Die meisten Funktionen könnten wahrscheinlich aber gerettet werden. Zudem habe der Mann Knochenbrüche erlitten.

 Rund drei Stunden nach der Explosion in der Schweizer Botschaft ging am Nachmittag auch in der chilenischen Vertretung in Rom eine Paketbombe hoch. Eine Person wurde an Händen, Augen und am Brustkorb verletzt. Sicherheitskräfte durchsuchten daraufhin alle Botschaften der italienischen Hauptstadt auf Sprengsätze. In der ukrainischen Botschaft wurde verdächtige Post gefunden. Diese stellte sich aber als harmlos heraus.

 Bei den echten Bomben handelte es sich um gelbe Umschläge in der Grösse einer Videokassette, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Ermittler berichtete. Die Polizei teilte mit, dass eines der Pakete bei der Explosion völlig zerstört worden sei. Es werde daher schwierig, daraus Erkenntnisse zu gewinnen.

 Bekennerschreiben gefunden

 Zu den Anschlägen bekannte sich eine italienische Anarchistengruppe. Ihr Bekennerschreiben habe sich in einer kleinen Schachtel befunden, berichtete Ansa. Die Schachtel habe neben einem der beiden Botschaftsmitarbeiter gelegen, die bei den Explosionen verletzt worden waren. Bei der Anarchistengruppe handle es sich um die "Federazione Anarchica Informale" (Informelle anarchistische Föderation FAI). "Wir haben uns entschlossen, von Neuem unsere Stimme zu Gehör zu bringen, mit den Worten und den Taten", heisst es in dem Schreiben. "Wir zerstören das Herrschaftssystem."

 Die Ermittler hatten bereits am Nachmittag die Täter in anarchistischen Kreisen vermutet. Nach italienischen Medienberichten arbeitet auch die griechische Polizei mit den Fahndern in Rom zusammen. Die Sprengkörper wiesen Ähnlichkeiten mit den Paketbomben auf, zu welchen sich vor einigen Wochen griechische Linksextremisten bekannt hatten. Die insgesamt vierzehn Paketbomben wurden damals unter anderem an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, an Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy und Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi verschickt. Auch mehrere Botschaften in Athen erhielten Sprengsätze zugeschickt, darunter diejenige der Schweiz.

 Aussenministerin Micheline Calmy-Rey verurteilte den Anschlag von gestern aufs Schärfste und sprach dem Opfer ihr Beileid aus. Die Explosion sei eine "heimtückische und unverzeihliche Tat". Auch der italienische Aussenminister Franco Frattini verurteilte den Anschlag und drückte den Opfern seine Solidarität aus. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren, versicherte der Stadtpräsident von Rom, Gianni Alemanno. Kurz nach der Explosion besuchte er die Schweizer Botschaft im Stadtteil Parioli.

 Verdächtiges Paket in Bern

 Wegen eines verdächtigen Pakets ohne Absender wurde gestern Nachmittag auch die EU-Botschaft in Bern teilweise evakuiert. Spezialisten untersuchten das Paket, das sich aber laut der Berner Polizei als ein harmloses Weihnachtsgeschenk an den EU-Botschafter Michael Reiterer entpuppte.
 sda

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Landbote 24.12.10

Anarchisten sind im Visier der Ermittler

 Dominik Straub

 Bei der Explosion einer Briefbombe ist ein Angestellter der Schweizer Botschaft in Rom gestern an den Händen schwer verletzt worden. Die Römer Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines "terroristischen Attentats".

 ROM - "Wir sind geschockt und besorgt über den Vorfall und haben grosses Mitgefühl für unseren Mitarbeiter, der schwer an den Händen verletzt wurde", erklärte der Schweizer Botschafter in Rom, Bernardo Regazzoni, gestern. Bei dem Verletzten handelt es sich um den Kurierverantwortlichen, der die Postverteilung in der Schweizer Vertretung betreut.

 Der Mitarbeiter sei alleine in seinem Büro gewesen, als kurz vor Mittag die Bombe explodiert sei; man wisse noch nicht, ob es sich um einen Brief oder um ein Paket gehandelt habe, sagte Regazzoni weiter. Der 53-jährige Schweizer ist laut dem Botschafter ausser Lebensgefahr. Nach gesicherten Informationen handelt es sich beim Opfer um ein ehemaliges Mitglied der Schweizer Garde.

 Der italienische Aussenminister Franco Frattini verurteilte den "beklagenswerten Akt der Gewalt" und sprach dem Opfer und dem Botschaftspersonal die Solidarität seines Landes aus. Roms Bürgermeister Gianni Alemanno begab sich persönlich in die Botschaft, um den Mitarbeitern sein Mitgefühl auszudrücken. Einen Zusammenhang mit einer ebenfalls gestern gegen den Sitz der Römer Stadtregierung auf dem Kapitol gerichteten Bombendrohung und mit der Attrappe, die am Dienstag in der U-Bahn gefunden worden war, schloss er aus.

 Camenisch, oder doch nicht?

 In der Botschaft kümmerten sich gestern Spezialisten der Antiterroreinheiten um die Spurensicherung; die Römer Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen eines "terroristischen Attentats" eingeleitet.

 Innenminister Roberto Maroni erklärte am Abend, dass die Täterschaft vorab in anarchistischen Kreisen gesucht werde. Am späteren Abend wurden dann ein entsprechendes Bekennerschreiben gefunden. Es habe sich in einer Schachtel am Tatort befunden, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Bei der Anarchistengruppe handle es sich um die "Federazione Anarchica Informale".

 Zunächst hatte die Römer Polizei insbesondere die italienischen Freunde des Schweizer "Öko-Terroristen" Marco Camenisch im Visier. Bereits am 5. Oktober war an der Mauer der Schweizer Botschaft ein rudimentärer Sprengsatz deponiert worden. In einschlägigen Internet-Foren bedauerten Sympathisanten, dass die Benzinbehälter nicht hochgegangen waren und forderten die Freilassung von "Billy, Silvia, Costa und Marco". Bei den ersten drei Namen vermutet die italienische Polizei, dass es sich um italienische Kumpane von Camenisch handelt, die wie ihr Idol in der Schweiz im Gefängnis sitzen. Camenisch selber hatte Jahre in italienischen Gefängnissen gesessen, ehe er 2002 an die Schweiz ausgeliefert worden war.

 Die "Camenisch-Piste" verlor bereits an Dringlichkeit, als wenige Stunden nach dem Anschlag gegen die Schweizer Botschaft auch in der chilenischen Vertretung eine Postsendung hochging. Auch in diesem Fall wurde der für die Postverteilung zuständige Mitarbeiter verletzt, allerdings deutlich weniger schwer als sein Schweizer Kollege. Praktisch gleichzeitig wurde auch in der ukrainischen Botschaft Bombenalarm ausgelöst; dieser erwies sich später als unbegründet. In der Folge untersuchten die Spezialkräfte der Polizei laut der Nachrichtenagentur Ansa alle Botschaften der Hauptstadt auf Sprengsätze. Laut Frattini wurden auch die italienischen Vertretungen im Ausland alarmiert.

 Bezüglich der Sicherheit der Schweizer Vertretung in Rom erklärte Botschafter Regazzoni, dass die Sicherheitsstufe bereits nach dem Auffinden des Brandsatzes im Oktober erhöht worden sei. Nach dem neuen Anschlag werde nun sowohl intern als auch extern in Zusammenarbeit mit den italienischen Sicherheitskräften eine neue Lagebeurteilung vorgenommen und danach die entsprechenden Massnahmen ergriffen.

 Erinnerungen an Athen

 Der gestrige Anschlag gegen die Römer Botschaft ist nicht der erste dieser Art: Vor knapp einem Monat ist die Schweizer Vertretung in Athen zum Ziel einer Paketbombe geworden. Der Sprengsatz explodierte allerdings nicht; vielmehr hatte sich der Inhalt eines Pakets beim Öffnen in einer Stichflamme entzündet, wie das EDA damals bekannt gab. Auch in diesem Fall vermutete man einen anarchistisch-terroristischen Hintergrund. Die Paketbombe von Athen war Teil einer Anschlagswelle. Ein Sprengsatz explodierte damals in der Botschaft Russlands. Insgesamt wurden fünf Paketbomben entdeckt, die an Botschaften adressiert waren. DOMINIK STRAUB/(sda)

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 Die Bombe war ein Weihnachtsgeschenk für Reiterer

 Aufatmen in Bern: Das verdächtige Paket, das gestern in der Berner EU-Botschaft gefunden wurde, war nicht etwa eine Bombe, sondern ein Weihnachtsgeschenk. Weil die Herkunft des Pakets unklar war, war das Botschaftsgebäude zuvor aus Sicherheitsgründen teilweise evakuiert worden. Spezialisten untersuchten in der Folge das an EU-Botschafter Michael Reiterer adressierte Paket. Bald stellte sich heraus, dass es nichts Gefährliches enthielt. Ganz im Gegenteil: Im Paket war eine Büchersendung samt Glückwünschen zum neuen Jahr, wie das zuständige Regierungsstatthalteramt und die Kantonspolizei Bern mitteilten.

 Wenige Stunden zuvor herrschte an der Bundesgasse Aufregung. Die EU-Botschaft wurde abgeriegelt und Teile der Liegenschaft, die sich in der Nähe des Paketes befanden, geräumt. Auch Feuerwehr und Sanität waren vor Ort. Die Vorsichtsmassnahmen wurden laut der Polizei wegen der Vorfälle in Rom ergriffen. (sda)

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Blick 24.12.10

Paket-Bombe in Schweizer Botschaft. Portier in Rom schwer verletzt

 Führt die Spur nach Zürich?

 Von  Thomas Ley  und  Henry Habegger

 Bombenterror im Römer Botschaftsviertel. Wer schickte der Schweiz dieses böse Geschenk?

 Es geht gegen Mittag, als der Portier und Hausmeister der Schweizer Botschaft in Rom gestern die Post abholt. Wie immer öffnet der 53-jährige Walliser Pakete und Briefe. Da passiert es.

 Ein Paket explodiert. "Direkt in seinen Händen", sagt Maurizio Mezzavilla, Roms Polizeikommandant. Die Hände werden schwer verletzt, am schlimmsten die linke. Befürchtungen, sie müsse amputiert werden, bewahrheiteten sich nicht.

 Ambulanz, Feuerwehr und Polizei finden eine Botschaft vor, die unter Schock steht. Verzweifelt steht Botschaftergattin Maria Regazzoni am Tor. In ihren Händen hält sie zwei Packungen Vita-Merfen. Die Schweiz, Adressatin von Paketbombern - warum nur?

 Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (65) sagt dazu noch nichts. "Ich verurteile solche heimtückischen und unverzeihlichen Taten aufs Schärfste", betont sie. Sie drückt dem Portier ihr Mitgefühl aus: "Ich hoffe von ganzem Herzen, dass wir rasch gute Neuigkeiten über seinen Gesundheitszustand erhalten."

 Doch die italienischen Medien nehmen schnell eine Spur auf, die nach Zürich führt. Bereits am 5. Oktober, so erinnert "La Repubblica", sei in der Nähe der Botschaft ein Sprengsatz entdeckt worden. Ein Zettel dabei verlangte "Freiheit für Costa, Silvia und Billy".

 Gemeint sind die Italiener Constantino R. und Silvia G. sowie der Schweizer Luca B. Sie wurden am 15. April in Langnau am Albis ZH verhaftet. Das Trio wollte in Rüschlikon ZH das Nanotechnologie-Labor von IBM sprengen. Die Ermittlungen laufen noch, bestätigt die Schweizer Bundesanwaltschaft: "Die drei Personen befinden sich nach wie vor in Untersuchungshaft."

 "Il Silvestre" nennt sich die Organisation dieser Öko-Terroristen. Und sie setzt sich auch für Marco Camenisch (58) ein. Der Bündner sprengte in den 70ern Hochspannungsmasten. Er kam in den Knast, konnte fliehen. Doch dabei starb ein Aufseher und während seiner jahrelangen Flucht ein Schweizer Grenzwächter. Heute sitzt er wieder in der Schweiz im Gefängnis.

 Am Abend sickerte durch, dass Bekennerschreiben der Federazione Anarchica Informale (FAI) gefunden worden sind. Über deren Inhalt war bis Redaktionsschluss nichts bekannt. Die EU führt die FAI seit längerem auf ihrer Terrorliste.

 Eine Frage bleibt vorläufig offen: Wie hängt die Spur der Öko-Terroristen zusammen mit dem zweiten Bombenanschlag von gestern? Denn eine Stunde später explodiert ein zweites Paket - bei der chilenischen Botschaft! Und auch die Ukrainer untersuchen ein verdächtiges Paket, das sich aber als harmlos entpuppt. Und um 16 Uhr erhält auch die EU-Botschaft in Bern ein Päckchen ohne Absender. Doch dieses stellte sich zum Glück bloss als Geschenkpaket heraus.

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10vor10 23.12.10

Bombe in Schweizer Botschaft

Eine öko-anarchistische Gruppierung hat sich zur Bombe bekannt, die in der Schweizer Botschaft in Rom explodiert ist. Der Sprengsatz war als Paket getarnt und verletzte einen Mitarbeiter schwer. "10vor10" schaltet live nach Rom und informiert über die Hintergründe des Attentats.
http://videoportal.sf.tv/video?id=2f612c4b-30a7-4303-9a7b-c521c97f49bc

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Tagesschau sf.tv 23.12.10

Anschlag auf Schweizer Botschaft in Rom

Am Mittag ist eine Paketbombe in der Schweizer Botschaft in Rom explodiert. Ein Angestellter wurde schwer an den Händen verletzt. Nur wenige Stunden später detonierte auch in der chilenischen Botschaft eine Bombe. Einschätzungen von Philipp Zahn, SF-Korrespondent in Rom.
http://videoportal.sf.tv/video?id=3c4077aa-72a1-4234-89b9-b56a23c4487e

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Strategie der Spannung
http://de.wikipedia.org/wiki/Strategie_der_Spannung
http://de.wikipedia.org/wiki/Strategie_der_Spannung_(Italien)

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KOPENHAGEN 2009
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NZZ 17.12.10

Festnahmen an Kopenhagener Uno-Konferenz illegal

 Die Polizei muss Schadenersatz zahlen

 Laut einem Entscheid des Bezirksgerichts in Kopenhagen muss die Polizei Schadenersatz zahlen. Es kam zum Schluss, dass die Massenverhaftungen an der Uno-Klimaschutzkonferenz vor einem Jahr illegal gewesen waren.

 I. M. Stockholm · Die Massenverhaftungen an der Uno-Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen vor einem Jahr waren illegal. Dies hat das Bezirksgericht Kopenhagen am Donnerstag beschlossen. Laut dem Urteil hatte die Polizei keine gesetzliche Grundlage, um insgesamt 250 Demonstranten während Stunden festzuhalten. Die drei Richter meinen, dass die "administrativen Freiheitsberaubungen" vom 11., 12., 13., 14., 15. und 16. Dezember 2009 nicht gesetzeskonform gewesen seien, da sich die Demonstranten nichts hätten zuschulden kommen lassen.

 178 Personen, die während Stunden auf dem kalten Asphalt ausharren mussten, sollen Schadenersatz von je 9000 dänischen Kronen (1550 Franken) erhalten, die übrigen Kläger je 5000 Kronen. Insgesamt hatte die Polizei 1900 Protestierende festgenommen, von denen aber nur 250 Klage einreichten. Die Kopenhagener Polizei legt gegen das Urteil Berufung ein. Der Einsatz der Polizei während des Grossanlasses weckte damals wie heute harsche Kritik.

 Laut Tonaufnahmen soll ein Vorgesetzter die Polizisten aufgefordert haben, die "Schlagstöcke zu schwingen, bis sie rot glühen", und keinen Unterschied zu machen zwischen Medienleuten und Demonstranten. Die Reporter an vorderster Front seien "in einer Gefahrenzone", täten dies aber auf eigene Verantwortung. Justizminister Barfoed verlangt nun von der Polizei eine Erklärung der Vorfälle, der dänische Journalistenverband ist schockiert und verurteilt die "total inakzeptable Machtausübung" der Gesetzeshüter.

 Der bürgerliche Think-Tank Cepos sieht im Urteil des Bezirksgerichts auch einen Nasenstüber für das dänische Parlament und die Regierung. Das Folketing hatte im Vorfeld des Uno-Klimagipfels eine Gesetzesverschärfung beschlossen, die es erlauben sollte, Personen, welche die Polizeiarbeit behindern, bis zu 40 Tage lang festzuhalten. Die Polizei, die während des Grossanlasses mit Schlagstöcken und Tränengas gegen Demonstranten vorging, hatte den Vorwurf der Überreaktion stets zurückgewiesen und ihren Einsatz als notwendig bezeichnet, um eine Eskalation der Gewalt zu verhindern.

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SCHOKOLADE
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Zentralschweiz am Sonntag 19.12.10

Schoggi

 Hersteller bekämpfen Kinderarbeit

Stefan Kyora

 Die Schokoladenindustrie entdeckt das Thema Fairtrade. Eine Schwyzer Firma tut sich dabei besonders hervor.

 Knapp 12 Kilo Schokolade geniessen Herr und Frau Schweizer jedes Jahr. Weltrekord. Doch der Genuss hat einen bitteren Beigeschmack. Längst nicht bei allen Produkten kann man absolut sicher sein, dass sie vollständig ohne Kinderarbeit hergestellt wurden.

 Ausgerechnet in Westafrika, aus dem rund 70 Prozent des Kakaos stammen, stellt Kinderarbeit ein Problem dar. Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren müssen zum Teil gefährliche Arbeiten ausführen, etwa die Ernte mit der Machete oder das Sprühen von Pestiziden. Hinzu kommt ein eigentlicher Menschenhandel, bei dem Kinder aus den Nachbarländern regelrecht verkauft werden, um auf den Kakaofarmen etwa in der Elfenbeinküste zu arbeiten.

 Coop-Produzent will nur Fairtrade

 In letzter Zeit hat sich der Umgang der Industrie mit dem Problem gewandelt. Heute bestreitet niemand mehr, dass in Westafrika problematische Formen der Kinderarbeit existieren und nicht einfach zu bekämpfen sind. Chocolat Halba, der Produktionsbetrieb von Coop, ist sogar schon einen Schritt weiter. "Wir werden bis 2012 nur noch Fairtrade-Kakaobohnen verarbeiten", sagt Christoph Inauen, Leiter Nachhaltigkeit bei Chocolat Halba. Das Fairtrade-Zertifikat bestätigt nicht nur den Verzicht auf Kinderarbeit, sondern auch höhere und verlässliche Einkünfte für die Kakaobauern. Ein höheres Einkommen wirkt sich indirekt ebenfalls auf die Kinderarbeit aus. "Je weniger der Bauer verdient, desto grösser ist der Druck, Kinder arbeiten zu lassen", erklärt Inauen.

 Industrie bangt um Nachhaltigkeit

 Niedrige Preise verschlechtern zudem Qualität und Ausbeute der Kakaoplantagen. Fehlt den Bauern das Geld für den Kauf neuer Pflanzen, liefern die alten Plantagen immer weniger und immer schlechteren Kakao. Dadurch wird der Anbau immer unattraktiver. "Derzeit gibt es in Westafrika kaum Erben, welche die Kakaoplantage ihres Vaters übernehmen wollen", sagt Christoph Inauen.

 Gleichzeitig steigt aber weltweit die Nachfrage nach Schokolade. Deswegen ist es im ureigensten Interesse der Industrie, den Bauern einen fairen Preis zu zahlen und sie bei Massnahmen zur Verbesserung der Qualität und damit auch ihres Einkommens zu unterstützen. Dies ist der Grund, warum auch die grossen Konzerne erste Projekte mit diesen Zielen gestartet haben.

 Schwyzer Firma als Vorreiter

 Nichts Neues ist dieser Zusammenhang für die Schwyzer Max Felchlin AG. Das Unternehmen hat sich vor fünfzehn Jahren auf die Herstellung von Schokoladeprodukten von bester Qualität fokussiert, die von Confiserien oder der Gastronomie weiterverarbeitet werden. Seitdem hat die Firma Beziehungen direkt zu den Kakaobauern aufgebaut, Preise gezahlt, die noch über dem Fairtrade-Niveau liegen, und langfristige Verträge abgeschlossen. Der langjährige Geschäftsführer Christian Aschwanden erklärt: "Nur so ist sichergestellt, dass wir an den hochwertigen Kakao kommen, den wir benötigen."

 Die vergleichsweise kleine Firma mit 120 Mitarbeitern verfolgt ihre Strategie konsequent weiter. Die Schwyzer sind der erste Kunde eines neuen Unternehmens aus Ghana, das die Verhältnisse in einer ganzen Region ändern will. Gegründet wurde es vom Ghanaer Yayra Glover, der in der Schweiz studiert hat. Glover will in der Provinz Suhum die Ausbildung der Bauern verbessern, die Qualität steigern und den Bio-Anbau flächendeckend einführen. Felchlin bezieht nicht nur Kakao von Glover, sondern hat das Projekt auch mit 200 000 Franken à fonds perdu unterstützt.

 "Industrie erst am Anfang"

 Bevor Konsumenten aber völlig ohne Bedenken zu Schoggi greifen können, ist es noch ein langer Weg. "Die Industrie steht erst am Anfang. Solange die grossen Konzerne nicht bereit sind, durchgehend faire Preise für Kakao zu bezahlen, wird eine nachhaltige Kakaoproduktion schwierig bleiben", sagt Andrea Hüsser von der Erklärung von Bern (EvB).

 Die EvB hat die Schoggi-Hersteller zu ihren Rohstoffen befragt. Auf www.luzernerzeitung.ch/bonus finden Sie den Link zu den Resultaten.

 wirtschaft@luzernerzeitung.ch

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http://www.evb.ch/schoggi

In Schweizer Schoggi steckt Kinderarbeit

Obwohl die Schweiz als Schokoladenland gilt, ist bei uns kaum bekannt, dass in vielen Schokoladesorten Kinderarbeit steckt.

60 Prozent des weltweit gehandelten Kakaos kommt aus Westafrika. Kinderarbeit und Kindersklaverei sind auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste und Ghana gängig und werden von den Schokoladeherstellern seit Jahren bewusst in Kauf genommen. Auch Schweizer Schoggifirmen gehören dazu. Eine im Oktober 2010 publizierte Studie der Tulane University zeigt, dass das Problem weiterhin besteht.
http://www.evb.ch/p17929.html

Nachgehakt bei den Firmen

Die EvB hat im Rahmen der Schoggikampagne im Jahr 2009 die 18 grossen Schweizer Schoggifirmen gefragt, wie ihre Preis- und Beschaffungspolitik für Kakao strukturiert ist und was sie gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen unternehmen.

Im Mai 2010 haben wir die Befragung wiederholt. 10 von 18 Unternehmen haben unseren neuen Fragebogen beantwortet - im Gegensatz zu nur einer 2009 - und weitere vier haben zur Problematik Stellung genommen. Einige Firmen bemühen sich um soziale Verbesserungen und eine gerechtere Preisgestaltung. Andere Firmen verhalten sich seit jeher ignorant. Intransparente Beschaffungsketten für Kakao bleiben das grösste Hindernis, um die üblen Arbeitsbedingungen auf den Kakaoplantagen zu bekämpfen.

Die EvB fordert deswegen

* Transparente Lieferketten von der Kakaobohne zur Schokolade.
* Kakaopreise zu zahlen, die den Bauern erlauben, faire Löhne an erwachsene Beschäftigte zu zahlen.
* Mit nachhaltiger Partnerschaft finanzielle Sicherheit für die Bauernfamilien schaffen.

Die Firmenprofile 2010 der schweizerischen Schokoladehersteller sollen den Konsumierenden helfen, zwischen seriösem Engagement und Feigenblatt-Projekten zu unterscheiden.
http://www.evb.ch/p15218.html

Nestlés "Cocoa-Plan": Eine fragwürdige Form der Nachhaltigkeit
http://www.evb.ch/p16872.html
Resultate der Schoggi-Kampagne
http://www.evb.ch/p16872.html

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DROGEN
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20min.ch 27.12.10

Hanfdiebe: "Die brauchen unseren Hanf zum Strecken"

 Sind Hanfdiebe zu dumm, um den Unterschied zwischen Cannabis und Industriehanf zu kennen? "Die wissen genau, was sie tun und verdienen damit gutes Geld", widerspricht ein Hanfbauer.

Annette Hirschberg

 "Das musste ja so kommen", sagen die Mitglieder des Vereins Schweizer Hanffreunde. Jede Woche zwei bis drei Mal sei der Bauer Alfred E. in Schwarzenburg BE von Hanfdieben angegriffen worden, bis er in der Nacht auf Dienstag einen Dieb erschoss. "Der Angriff in jener Nacht war der 37. dieses Jahr", sagt Vereinssprecher Peter Brunner, der in engem Kontakt mit dem schiesswütigen Bauern stand.

 Für Brunner ist klar, wer hinter den Angriffen steht. Es seien ausschliesslich Ausländer aus dem Balkan, die es auf Hanfbauern abgesehen hätten. "Jeder Schweizer weiss, dass auf unseren Feldern Industriehanf wächst, der sich nicht rauchen lässt", so Brunner.

 "Eine richtige Belagerung"

 Die Berner Polizei wollte noch nicht bestätigen, ob es sich beim Hanf des Bauern in Schwarzenburg tatsächlich um legalen Industriehanf handelt. "Das ist alles Teil der laufenden Ermittlungen", sagt Mediensprecherin Ursula Stauffer. Auch über mögliche Täter äussert sich die Kapo Bern nicht.

 Für Hanffreund Brunner ist aber klar: In Schwarzenburg wuchs nur Industriehanf, und die Angriffe auf den Bauern überstiegen jedes bisher gekannte Mass. "Das war eine richtige Belagerung", sagt er und ergänzt: "Die glauben offenbar, dass sich mit unserem Hanf das dicke Geschäft machen lässt."

 Diebesbande schlug zu

 Gerade das ist vermutlich der Fall. Der Toggenburger Hanfbauer Roman R. ist überzeugt, dass die Hanfdiebe sehr genau wissen, was sie tun . "Die verwenden unsere Blüten, um ihr Marihuana zu strecken und machen damit viel Geld", sagt er.

 Auch ihm wurden diesen Herbst 30 Kilo Hanfblüten gestohlen. "Die Pflanzen waren bereits geerntet und die Blüten zu einem Teil von den Stauden getrennt", erzählt der Hanfbauer. Sie hätten bald an eine Kosmetikfirma geliefert werden sollen, die Hanfblüten zu Tee, Salben und Ruhekissen verarbeitet. Roman R. ist überzeugt, Opfer einer Diebesbande geworden zu sein. "Die kamen mit dem Lieferwagen, haben meine Scheune aufgebrochen und alles mitgenommen."

 "Die Diebe sind frech und rücksichtslos"

 Optisch und vom Geruch her seien die Blüten des Industriehanfs für den Laien kaum von Marihuana zu unterscheiden. "Der THC-Gehalt von Marihuana ist aber zehnmal höher." Roman R. weiss, dass viele Bauern, die Industriehanf anbauen, von Banden heimgesucht werden. "Nicht alle sind gleich betroffen, aber es ist ein zunehmendes Problem." Heute sei kein Hanfbauer mehr vor solchen Dieben sicher. "Sie sind saumässig frech und rücksichtslos."

 Dass gerade der Schwarzenburger Bauer Alfred E. so belagert wurde, erstaunt P. nicht. "Er baut schon seit Jahren Hanf an und ist deshalb weitherum bekannt. Ausserdem ist sein Hof abgelegen und eignet sich darum besonders für Überfälle."

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BZ 27.12.10

bernerzeitung.ch 27.12.10

Erbitterter Kampf um den Hanf

 Schwarzenburg. Der Hanfbauer sitzt weiterhin in Haft: Am Dienstag hatte er einen Kosovaren erschossen, der bei ihm Hanf stehlen wollte. Immer wieder wird mit roher Gewalt um die Hanfpflanzen gekämpft.

 Die Diebestour von drei Kosovaren endete am frühen Dienstagmorgen vergangener Woche in Schwarzenburg tödlich. Ein 32-jähriger Mann starb, weil ein Landwirt mit seinem Gewehr auf die Diebe schoss. Die drei Kosovaren hatten es auf den Hanf des Bauern abgesehen. Wie die Kantonspolizei mitteilte, soll der Bauer bereits früher in ähnlichen Situation zum Gewehr gegriffen und geschossen haben.

 Das schnelle Geld lockt

 Der Mann sei wegen harmlosen Industriehanfs gestorben, teilt der Verein Schweizer HanfFreunde und -Freundinnen (VSHF) mit Sitz in St. Gallen in einem Communiqué mit. "Viele Ausländer glauben, an teures Marihuana zu kommen und schnell reich zu werden", ist der Mitteilung weiter zu entnehmen. Beim Überfall vom Dienstagmorgen soll es sich bereits um den 37. "Nachtangriff" auf das Hab und Gut des Landwirts gehandelt haben. Laut Mitteilung der Hanffreunde sollen die Diebe dabei auch einmal die Tochter des Bauern verletzt haben.

 Die Informationen des Vereins sind unbestätigt. Zwar meldete sich am Stephanstag unter dem Telefonanschluss des Hanfbauern eine Frau, doch wollte diese keine näheren Auskünfte erteilen. Auch die Kantonspolizei Bern machte mit dem Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine weiteren Angaben.

 Mit Pistolen bedroht

 Bei Diebstählen von Hanf geht es oft unzimperlich zu und her. 2007 drangen mehrere Bewaffnete in ein Hanffeld bei Murten ein, obwohl das Feld von Wächtern beschützt wurde. Im Oktober desselben Jahres fesselte ein knappes Dutzend Männer die Bewacher eines Hanffeldes bei Frieswil im Seeland, bedrohte sie angeblich mit Pistolen und entkam mit gut 60 Hanfstauden. In der nächsten Nacht kamen die Diebe wieder, wurden aber vom aufgerüsteten Wachdienst vertrieben. Einer der Hanfdiebe soll gar mit einem Beil bewaffnet gewesen sein. Im beschaulichen Weiler wurde damals von "Szenen wie im Krieg" gesprochen. Der bestohlene Hanfbauer gab zu Protokoll, das "Gras" werde vollumfänglich für die Produktion von Lebensmitteln, wie zum Beispiel für Eistee, verwendet.

 2004 fuhr ein Hanfbauer im freiburgischen Vuarmarens mit seinem Jeep auf mutmassliche Hanfdiebe los.

 Beschlagnahmtes gestohlen

 Auch beschlagnahmter Hanf ist begehrtes Diebesgut. Im März 2009 verschwanden 100 Hanfpflanzen, welche die Polizei im Werkhof Grenchen deponiert hatte. 2002 brachen Diebe in Jegenstorf in eine Scheune ein, die die Untersuchungsbehörden nach einer Razzia versiegelt hatten. In der Scheune lagerten mehrere hundert Kilogramm beschlagnahmte Hanfstängel und -blüten. Hanf ist eine der ältesten Nutz- und Zierpflanzen. Aus ihr wird nicht nur die Droge Marihuana, sondern auch Fasern für Stoffe und für Seile sowie Öle hergestellt.
 wrs/cho

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Newsnetz 26.12.10

Eine Anti-Drogenbehörde mutiert zum globalen Geheimdienst

AFP / jak

 Mit Niederlassungen in 63 Ländern übernimmt die US-Anti-Drogenbehörde DEA zunehmend Aufgaben eines Geheimdienstes. Ihre Fühler reichen nach Lateinamerika und Afrika.

 Das Betätigungsfeld der DEA gehe heute weit über das Vorgehen gegen den internationalen Drogenhandel hinaus, berichtete die "New York Times" am Wochenende unter Berufung auf Depeschen aus US-Botschaften, die von der Enthüllungswebsite Wikileaks veröffentlicht wurden.

 Die Kompetenzen der Behörde seien inzwischen so umfangreich, dass sich die DEA sogar mit Forderungen ausländischer Regierungen konfrontiert sehe, sie beim Vorgehen gegen politische Gegner zu unterstützen.

 Von Paraguay bis Mexiko

 So habe Panamas Staatschef Ricardo Martinelli im August 2009 dem US-Botschafter eine dringende Nachricht über sein Mobiltelefon geschickt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf ein Botschaftstelegramm. "Ich brauche Hilfe, um Telefone anzuzapfen", habe der Staatschef geschrieben und die DEA um Unterstützung beim Vorgehen gegen seine politischen Rivalen gebeten.

 Eine ähnliche Forderung sei Anfang des Jahres von Paraguays Regierung gekommen, berichtete die "New York Times". Ziel der Abhöraktion sollten Mitglieder der bewaffneten Guerilla-Organisation Paraguayische Volksarmee (EPP) sein. In beiden Fällen wurde die Unterstützung der Zeitung zufolge abgelehnt.

 In Mexiko wiederum hält das Militär offenbar grössere Stücke auf die DEA als auf die eigene Polizei. Nach einem Botschaftstelegramm vom Oktober 2009 baten Armeevertreter in privaten Gesprächen die Drogenbehörde um eine engere Zusammenarbeit, weil sie der mexikanischen Polizei nicht trauten.

 Zu einem Geheimdienst mutiert

 Die "New York Times" betonte, grosse Enthüllungen enthielten die Depeschen zu den DEA-Aktivitäten nicht. Sie zeigten aber, dass sich die DEA durch die internationalen Verflechtungen des Drogenhandels längst aus dem Schatten der Bundespolizei FBI gelöst habe und über den Drogenhandel hinaus Informationen aus dem Ausland liefere. Demnach berichteten etwa DEA-Informanten in Burma nicht nur, wie sich die dortige Militärregierung mit Drogengeldern bereichert, sondern auch wie sie gegen die Opposition vorgeht. Mit inzwischen 87 Büros in 63 Ländern unterhalte die DEA auch enge Partnerschaften mit Regierungen, die den US-Auslandsgeheimdienst CIA auf Distanz halten wollten.

 Mehrere von der DEA berichtete Episoden beschreiben derweil die enge Verquickung von Politik und Drogenhandel in vielen Ländern, wie es in dem Bericht weiter heisst. In Guinea stellte sich beispielsweise nach einer Depesche vom Mai 2008 heraus, dass der grösste Drogenbaron des Landes gleichzeitig der Sohn des damaligen Präsidenten war und beschlagnahmte Drogen vor der Zerstörung durch Mehl ersetzt wurden. Aus Sierra Leone berichtete die DEA laut einer Depesche vom März 2009, dass der Justizminister des Landes 2,5 Millionen Dollar Schmiergeld von Angeklagten in einem Drogenhandelsverfahren gefordert habe.

 Westafrika als Stützpunkt für Drogenkartelle

 Die spanische Zeitung "El Pais" berichtete ihrerseits unter Berufung auf Wikileaks-Depeschen, dass Teile Westafrikas inzwischen zu einem zentralen Stützpunkt südamerikanischer Drogenkartelle geworden sind. Der Kampf südamerikanischer Regierungen gegen den Drogenhandel habe die Kartelle gezwungen, sich bei den Schmuggelrouten nach Europa und in die USA nach Umschlagplätzen mit weniger Fahndungsdruck umzusehen, berichtete die Zeitung am Sonntag. Länder wie Guinea-Bissau befänden sich regelrecht "in den Händen krimineller Organisationen".

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Sonntag 26.12.10

Kostspielige Kokain-Prozesse

 Die Verfahren gegen die "Holderbank-Connection" kosteten bis jetzt rund eine halbe Million Franken

von Michael Spillmann

 Kokainhändlerbanden beschäftigen Polizei und Justiz. Allein in Lenzburg standen 2010 elf Schwarzafrikaner vor Gericht. Verfahrenskosten: rund 500000 Franken. Doch es kommt noch mehr.

 Es ist ein aufwändiger Kleinkrieg, den die Ermittler und die Justiz seit Jahren gegen den meist von Nigerianern organisierten Kokainhandel führen. Die Netzwerke, so etwa die so genannte "Holderbank-Connection" um die dort domizilierte Asylunterkunft, waren und sind äusserst flexibel. Die Händler wechseln ständig ihre Handys, reden am Telefon in der Igbo-Sprache und gebrauchen zusätzlich ein kompliziertes Code-System für die Kokaingeschäfte.

 Die Verfahren sind aber nicht nur sehr langwierig, sie sind auch äusserst kostspielig. So belaufen sich die Gesamtkosten im Fall der "Holderbank-Connection" bislang auf rund eine halbe Million Franken. "Die Zahl könnte sogar noch nach oben korrigiert werden", sagt der Lenzburger Bezirksgerichtspräsident Daniel Aeschbach. Im zu Ende gehenden Jahr mussten sich in Lenzburg insgesamt elf Schwarzafrikaner - darunter auch zwei Frauen - aus dem Kern oder dem Dunstkreis der "Holderbank-Connec-tion" vor den Richtern verantworten.

 Das Bezirksgericht tagte beinahe im Akkord: Sogar am Donnerstag, kurz vor Weihnachten, sassen zwei junge Nigerianer und ein 35-jähriger Mann von der Elfenbeinküste auf der Anklagebank. Gleich zwei Staatsanwälte traten auf. Die zur Last gelegten Kokainverkäufe und -abgaben bewegten sich im Kilobereich, in einem Fall ging es um fast 14 Kilogramm Kokain.

 Die drei Männer wurden allesamt zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Allein die Untersuchungs- und Gerichtskosten für diese drei Männer beliefen sich auf über 120000 Franken. Die Gerichtsakten für die elf verurteilten Mitglieder der "Holderbank-Connection" füllen mittlerweile Dutzende Bundesordner.

 Es geht noch weiter: Für 2011 hat das Bezirksgericht Lenzburg bereits die nächsten Gerichtstermine auf der Traktandenliste. "Es stehen derzeit noch vier Fälle an", so Gerichtspräsident Daniel Aeschbach.

 Für 2011 noch keine weiteren Kokainhändlerfälle traktandiert hat das Bezirksgericht Aarau. Doch hat es 2010 nicht weniger als sieben Schwarzafrikaner verurteilt: darunter ein 36-jähriger Schweizer nigerianischer Herkunft, der eine Schweizerin geheiratet und jahrelang ein Doppelleben geführt hatte. Wie der Anklage im Fall des 36-Jährigen zu entnehmen war, war er als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen, daneben mischte er aber im grossen Stil im Drogengeschäft mit. Die Telefonate mit seinen Landsmännern rechtfertigte er gegenüber seiner Frau stets mit seiner Tätigkeit im Autoexport.

 Die Verfahrenskosten würden sich in der gleichen Dimension wie im Fall der "Holderbank-Connection" bewegen, war beim Bezirksgericht Aarau auf Anfrage zu erfahren. Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Nur: Allein die Gerichtskosten (Honorare für die Dolmetscher und die Richterentschädigungen) betragen 2010 insgesamt 84000 Franken.

 Wie der Lenzburger Gerichtspräsident Daniel Aeschbach erläutert, beinhalten die Verfahrenskosten die Ausgaben für die Gefangenen, welche dem Gericht mit 80 Franken pro Tag verrechnet werden. Das werde insofern teuer, da die Angeschuldigten wegen der komplexen Ermittlungsarbeit in der Regel lange Zeit in Untersuchungshaft sitzen, bis er vor den Richtern steht. Hinzu kommen die diversen Kosten für die Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren: die Ausgaben für die Telefonkontrollen inklusive Übersetzung, die Gerichtskosten oder die Kosten für die amtliche Verteidigung. Die Dolmetscherkosten übernimmt per Gesetz der Staat. Können die restlichen Verfahrenskosten nach einer Verurteilung nicht abbezahlt werden, wovon in den vorliegenden Fällen auszugehen ist, so bleibt der Staat und damit der Steuerzahler belastet.

 Wie Teuer die überwachung der Telefone ist, hat im vergangenen September die Medienkonferenz der Bundeskriminalpolizei zum Kampf gegen die Kokainhändler, der Operation "Cola", gezeigt. So liess der Aargauer Kripo-Chef Urs Winzenried verlauten, dass die Telefonüberwachungen (inklusive der Dolmetscherkosten) für insgesamt 33 Personen, die die Polizei 2008 und 2009 dingfest gemacht hatte, mit satten 1,25 Millionen Franken zu Buche standen.

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20 Minuten 23.12.10

Rauschtrinker und Junkies gibt es auch im Tierreich

 LONDON. Fliegenpilze, vergorene Früchte, Opium: Tiere fahren auf Drogen genauso ab wie Menschen. Ein Forscher erklärt nun, wieso Rentiere angeblich fliegen können.

 Die Winter in Europas Norden sind lang und kalt. Nicht nur die Menschen berauschen sich in dieser Zeit mehr als sonst. Wie der Forscher Andrew Haynes im "Pharmaceutical Journal" schreibt, wollen auch Rentiere der Monotonie entfliehen - und gehen deshalb kilometerweit, um Fliegenpilze zu finden und zu fressen. Danach torkeln sie völlig zugedröhnt umher, zucken wild mit dem Kopf und geben komische Geräusche von sich. "Sie haben ein Bedürfnis danach, andere Bewusstseinszustände zu erleben", so Haynes.

 Rentiere sind aber bei weitem keine Ausnahme im Tierreich. Haynes schreibt von Vögeln, die vergorene Beeren essen und an Leberschäden sterben, oder von Schafen, die ihre Zähne beim Ausgraben und Fressen von giftigen Flechten bis aufs Zahnfleisch abnützen. In Indien sollen Elefanten sogar Alkoholläden geplündert und dann stockbesoffen in Dörfern randaliert haben. Denn die Wirkung der Rauschmittel ist bei Mensch und Tier ähnlich (siehe Box). Dasselbe gilt für das Suchtpotenzial: Aus Ostasien wird von opiumsüchtigen Wasserbüffeln berichtet, die nach der Mohnernte an Entzugserscheinungen leiden.

 Einige Anthropologen glauben, dass der Mensch erst durch die Beobachtung der zugedröhnten Tiere selbst Drogen entdeckte. Rentierhirten trinken etwa seit Hunderten von Jahren den Urin ihrer Tiere, um high zu werden. Haynes: "Beim Menschen gehört das Gefühl zu fliegen zu den Nebenwirkungen der Pilze. Es ist interessant, dass die Legende besagt, dass die Rentiere von Santa Claus fliegen können."  

Lorenz Hanselmann

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NLZ 22.12.10

In Zug kommt man gut an Kokain
 
Sucht

Wolfgang Holz

 Weisse Weihnachten gibt es für gewisse Zuger ganz sicher. Die Zahl von Kokainkonsumenten ist kontinuierlich gestiegen. Kein Wunder.

 Wolfgang Holz

 wolfgang.holz@zugerzeitung.ch

 500 Franken täglich gibt der gut verdienende Versicherungsfachmann für Kokain aus. Finanziell ist das für ihn kein Problem. Seine Sucht dagegen immer mehr. Irgendwann erleidet er einen psychischen Zusammenbruch, landet im Entzug und schliesslich in der Suchtberatung des Kantons. "Für viele beginnt der Erstkontakt mit der harten Droge im Ausgang", erklärt Suchtberaterin Judith Halter. Man fühle sich grenzenlos gut drauf an Partys - die jetzt an Weihnachten und zum Jahreswechsel auch wieder zahlreich in Zug stattfinden. "So mancher Kokainkonsument fällt dann am Montag in ein Loch, und irgendwann beginnt man dann auch unter der Woche, eine Linie Koks nach der anderen zu schnupfen. Und schon hat der Teufelskreis begonnen, aus dem so mancher nicht mehr herausfindet."

 Vater plagten Gewissensbisse

 Sie spricht aus Erfahrung. Seit August bietet die Suchtberatung des Kantons eine Sprechstunde für Kokainkonsumenten an. Bislang ist die Resonanz eher verhalten: Erst zwei haben sich gemeldet. Ein 22-Jähriger, der wegen seiner Sucht irgendwann Geld gestohlen und seinen Arbeitsplatz verloren hat. Und ein 35-Jähriger, der seit kurzem Vater einer Tochter ist. "Der ist zu uns gekommen, weil er einfach nicht mehr tolerieren wollte, dass er wegen seiner Sucht nicht mehr das Gefühl hatte, seiner Verantwortung als Vater gerecht werden zu können", erzählt Max Stutz, diplomierter Psychologe und ebenfalls Suchtberater. Der Familienvater sei inzwischen seit drei, vier Monaten abstinent.

 Die Suchtberatung versucht, solchen Menschen in Not zu helfen - allerdings nicht mit der Nulltoleranzmethode. "Das Wichtigste ist, mit den Betroffenen erst einmal ein Ziel zu formulieren, um dieses dann auf einem Weg der kleinen Schritte realistisch umzusetzen", so Stutz. Solche Ziele könnten unter anderem sein, dass jemand keinen Totalabsturz mehr durch seine Sucht erlebe.

 Dass Kokain in Zug längst keine Seltenheit mehr ist, können die Suchtberater bestätigen. Die Zahl der Kokskonsumenten in Zug nimmt offenbar zu. 2008 sind 34 Süchtige in die Beratungsstelle gekommen, im letzten Jahr 24. "Zuvor ist die Zahl langsam, aber stetig Jahr für Jahr angestiegen", versichert Stutz. Das ist kein Wunder. Zwar ist laut Aussagen der Suchtberater Zug kein derartiger Kokainumschlagplatz wie Zürich und Luzern. "Aber auch in Zug kommt man gut an die Lifestyledroge ran", berichtet Halter. In Party-Lokalen etwa sei der "Schnee" zu erhalten. "Meist läuft der Deal aber über Handytelefonnummern und in Privatwohnungen." Das Gramm Kokain koste in Zug so um die 80 bis 100 Franken. "Wer 5 Gramm kauft, kriegt einen Rabatt."

 Auch Businesspeople schnupfen

 Aber nicht nur auf Partys fahren Zuger auf die aufputschende Droge ab. In der Zuger Suchtberatung sind auch schon Banker und andere Businessmen aufgetaucht, die ihre Abhängigkeit nicht mehr im Griff hatten. "Ein Verkäufer im Aussendienst etwa fühlte sich super gut drauf durch die Droge - er sei bei den Kunden erfolgreich angekommen", so Stutz. Bis er dann irgendwann völlig abgestürzt sei. "Manche konsumieren Koks über Jahre, bis es plötzlich zu viel wird."

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 "Gratis, anonym und kompetent"

 Kokainsprechstunde

 wh. Das Angebot der neuen Kokainberatung im Kanton Zug wird auf je- den Fall bis nächsten Sommer weitergeführt. Die nächsten Termine sind am Montag, 27. Dezember, und am Montag, 3. Januar 2011, jeweils von 16 bis 18 Uhr, in Zug in der Ägeristrasse 56. "Dort erhält man gratis, schnell, anonym und kompetent Hilfe", so Suchtberater Max von Stutz. Man könne unangemeldet erscheinen.

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 "Tiere werden high wie Menschen"

 ZÜRICH. "Alle Tiere haben ähnliche Rezeptoren im Gehirn. Deshalb kann etwa ein Elefant genauso high werden wie ein Mensch - und genauso süchtig", so Hanspeter Nägeli vom Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie der Uni Zürich. Bei uns gebe es aber keine solchen Fälle: "Es gibt zwar Hunde, die Frostschutzmittel trinken oder Traubentrester fressen. Dies machen sie aber nicht wegen des Rauschs, sondern einfach, weil die Stoffe gut schmecken."

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Spiegel 20.12.10

MEXIKO

 Unter Narcos

 Mexiko: Der aussichtslose Kampf gegen die Drogenkartelle

 Seit vier Jahren versucht die Regierung, die Macht der Drogenkartelle zu brechen, die Armee geht systematisch gegen deren Bosse vor. Doch das Land versinkt in Gewalt.

Von Mathieu von Rohr

 Ivana García floh nicht, als zwei Geköpfte vor dem Rathaus lagen, und sie blieb auch, als eine Leiche ohne Arme und Beine auf dem Platz im Stadtzentrum hing.

 Aber als der Krieg ausbrach auf der Straße vor ihrem Haus, als Söldner der Drogenkartelle mit Kalaschnikows aus gepanzerten Wagen feuerten, sich stundenlange Scharmützel um Häuser lieferten, als läge Ciudad Mier nicht an der Grenze zu den USA, sondern in Afghanistan, da blieb ihr nur die Flucht. Fast alle, die hier gelebt hatten, verließen die Stadt, rund 6000 Menschen. Sie packten ihre Habseligkeiten, ließen ihre Häuser zurück, es war ja niemand da, der sie hätte beschützen können, kein Staat, keine Armee.

 Ciudad Mier war ein unauffälliges mexikanisches Nest gewesen, ein paar rechtwinklig angelegte Straßenzüge, ein koloniales Stadtzentrum, gelegen am Rio Grande, an der Grenze zu den USA. Nun ist es im ganzen Land bekannt als Geisterstadt, als einer dieser symbolischen Orte, von denen es so viele gibt in Mexiko. Alle erzählen sie auf ihre Weise die Geschichte eines Staates, der in Gewalt versinkt.

 Da ist Ciudad Juárez, mit mehr als 3000 Morden in diesem Jahr die gewalttätigste Stadt der Welt. In Acapulco, dem Touristenort, bekriegen Banden sich auf offener Straße. Im Dorf Praxedis wurde eine 20-Jährige Polizeichefin, niemand anderer traute sich. Und auf einer Ranch im Norden schoss ein 77-jähriger Mann vier der Killer nieder, die nach ihm geschickt worden waren, bevor die restlichen ihn töteten. Er wurde als Held gefeiert.

 Mexiko ist ein Land der Schreckensnachrichten. In den vergangenen vier Jahren starben 29 000 Menschen im Drogenkrieg, im vorigen Jahr verdoppelte sich die Zahl der Auftragsmorde auf knapp 12 000. Ungeheuerliche 98 Prozent aller Verbrechen bleiben ungesühnt.

 Es ist vier Jahre her, dass Präsident Felipe Calderón ins Amt kam und versprach, die Drogenkartelle zu besiegen, diese Multimilliarden-Unternehmen, die die USA beliefern, den größten Drogenmarkt der Welt, mit Kokain, Crystal Meth, Heroin, Marihuana.

 Calderón mobilisierte für seinen Kampf 45 000 Soldaten und Bundespolizisten. Er konnte auf niemanden sonst vertrauen, nicht auf die Polizei, die Gouverneure. Die Armee ist alles, was er hat.

 Und ja, es gab spektakuläre Festnahmen seither, berühmte Bosse wurden festgenommen oder niedergeschossen, vergangene Woche starb der Anführer des Kartells "La Familia". Aber sind die Drogenkartelle dadurch schwächer geworden? Es gibt wenig, was dafürspricht.

 Viele Bürger sahen die Exzesse der Gewalt zu Beginn als notwendiges Übel. Doch seit kurzem lehnt in Umfragen eine Mehrheit die Strategie der Regierung ab. Die Zeitungen sind voller Berichte über Entführungen, Erpressungen und Enthauptungen. Es gibt Blogs, die sich auf Handy-Fotos von abgetrennten Gliedmaßen spezialisiert haben.

 Es ist leicht, sich ein Bild zu verschaffen von der Grausamkeit, mit der dieser Krieg ausgetragen wird. Aber es ist schwer zu verstehen, warum die Gewalt nicht aufhört, was ihre Ursachen sind und wie ihr begegnet werden könnte.

 Mit einer Legalisierung der Drogen, wie manche Experten fordern, mit mehr Grenzkontrollen? Mit einer neuen Polizei, einer Reform des Staates? Soll man die Kartelle einfach wieder in Ruhe lassen?

 Das sind die Fragen, die Mexiko sich im Jahr 2010 stellt, im 200. Jahr nach dem Beginn des Unabhängigkeitskriegs. Der Filmemacher Luis Estrada hat seiner Heimat zum Jubiläum einen bitteren Film geschenkt: "El Infierno", die Hölle. Das Porträt einer Welt, in der es nur Narcos, Huren und Korruption gibt.

 "Wir haben ein nationales Problem, und das heißt Straflosigkeit", sagt Estrada, sanfte Stimme, Brille, grauer Vollbart. "Wer das Gesetz bricht, büßt nicht. Deswegen glauben viele, der ehrliche Weg bringe nichts. Wir Mexikaner sind in der Hölle, das ist sicher, ich weiß nur nicht, in welchem Höllenkreis wir gerade sind."

 An einem heißen Tag im Spätnovember hat sich Ivana García zurückgewagt nach Ciudad Mier, das erste Mal seit ihrer Flucht. Sie geht durch die menschenleeren Straßen der Stadt, die einmal die ihre war, eine Frau in Jeans, 34, sie trägt goldene Ohrringe und eine Handtasche aus Plastik. Die Armee hat ihr den Auftrag erteilt zu zählen, wer hier noch wohnt, aber es gibt nicht viel zu zählen.

 Sie haben ihr 700 Pesos geboten pro Woche, 42 Euro, und weil sie die Wuchermiete für die Wohnung im Nachbarort zahlen muss, hat sie ja gesagt, obwohl sie Angst hat.

 Sie sind drei junge Frauen, sie gehen von Haus zu Haus und klopfen an Türen, die niemand öffnet. Die wenigen Menschen, die sie antreffen, konnten sich die Flucht nicht leisten oder sind sehr alt. In Klarsichtmappen tragen die Frauen Formulare mit sich: "Durchschnittliches Einkommen?" - "Ihre Meinung zur Unsicherheit?" Es ist der unbeholfene Versuch des Staates zu zeigen, dass es ihn noch gibt.

 Zwei Dutzend Soldaten folgen ihnen, zu Fuß, auf Pick-ups mit Maschinengewehren, sie sichern die Straßen. An kaum einem Haus gehen sie vorbei, das ohne Einschusslöcher ist. Verhungernde Hunde schleichen über die Schotterpisten.

 Im Nachbarort leben immer noch 400 Menschen in einem Flüchtlingslager, seit mehr als vier Wochen, und die meisten wollen nicht zurückkehren. Sie sagen, die Armee werde abziehen, in ein paar Wochen, in ein paar Monaten. Dann werde alles wieder von vorn beginnen.

 Ciudad Mier liegt im Bundesstaat Tamaulipas, der hier nur ein schmaler Grenzstreifen zu Texas ist. Es ist eine jener Gegenden, die manche Experten mit einem "failed state" vergleichen.

 Einer von ihnen, Edgardo Buscaglia, Fachmann für Drogenkriminalität, arbeitet gerade in Kandahar, am Telefon sagt er, er wolle nicht länger von der "Kolumbianisierung" Mexikos reden, denn "es gibt inzwischen Gegenden in einigen Bundesstaaten, die mich eher an das erinnern, was ich hier in Afghanistan sehe". Rund zwölf Prozent des mexikanischen Territoriums werden von Narcos, Drogenhändlern, kontrolliert.

 In weiten Teilen von Tamaulipas und dem südlichen Nuevo León, zwei Bundesstaaten im Nordosten, gibt es keine Polizisten und keine Bürgermeister mehr, sie sind geflohen oder tot, auf den Straßen stehen Checkpoints der Narcos.

 Die beiden Drogenkartelle, die sich in Tamaulipas bekämpfen, waren bis vor einem Jahr Verbündete: das Golfkartell und sein paramilitärischer Arm, die Zetas. Das Wort Drogenkrieg ist hier nicht nur eine Metapher für eine Serie von Bandenmorden wie in Ciudad Juárez. Es steht für fast militärische Gewalt zwischen Kartellen, die Heere von jugendlichen "Sicarios", von Killern, ins Feld schicken, oft besser ausgerüstet als die Armee.

 Im Rathaus von Ciudad Mier, der Geisterstadt, steht der Bürgermeister, ein parfümierter Mann mit offenem Hemd. Er könne kein Interview geben, sagt er, sonst - er zieht einen Finger über den Hals seines Gegenübers, um zu veranschaulichen, was ihm drohe.

 Seine Bürger wollen reden, aber ihren Namen nicht nennen. Drogenschmuggel gab es immer hier, sagen sie, die Zetas hatten seit je die Macht. In einem Ort, in dem es für junge Männer kaum Arbeit gab, lockten sie mit schnellem Geld, Koks und den schönsten Mädchen.

 Noch immer stehen hier die Villen im ornamentalen Narco-Stil, mit vergoldeten Gittern und gezwirbelten Säulen. Ihre Besitzer ergriffen die Flucht, als es zum Bruch mit dem Golfkartell kam. Sie leben heute in den USA oder in Mexiko-City.

 Es war ein Triumphzug, als das Golfkartell am 22. Februar die Stadt einnahm. Eine Kolonne von 60 SUVs und Pick-ups fuhr in Ciudad Mier ein, auf den Ladeflächen schwerbewaffnete Kämpfer.

 Sie töteten fünf Polizisten, die für die Zetas gearbeitet hatten, köpften einen Polizeichef und eine Dealerin und legten die Überreste auf dem Dorfplatz aus. Danach, sagen die Bewohner, seien die Neuen aber nett gewesen. Sie hätten auf der Straße gegrüßt, anders als die Zetas.

 Doch es war nicht vorbei. Mitte Oktober fand Ivana García einen toten Zeta-Kämpfer auf der Straße. Sie hatte ihn noch nie gesehen, es musste ein Söldner von außerhalb sein, ein junger Mann in einer kakaobraunen Hose, mit muskulösem Oberkörper. Er lag in einer Blutlache.

 Am 2. November kehrten die Zetas zurück, in 40 schwergepanzerten Geländewagen, aus denen Gewehrläufe ragten. Es begann eine Schlacht, die Tage und Nächte dauerte, zum Auszug der Bewohner führte und zur Ankunft der Armee.

 Die Soldaten, die hinter Ivana García durch Ciudad Mier pirschen, halten ihre Waffen bereit, als könne jeden Augenblick jemand auf sie schießen. Sie stürmen Häuser, die verdächtig scheinen. Der vermummte Kommandant sagt, er wisse nicht, ob alle Banditen vertrieben wurden. Die Regierung von Tamaulipas hat die Bevölkerung aufgerufen, zurückzukehren in ihre Häuser, die Stadt sei sicher. Am Ende ihres ersten Arbeitstages hat Ivana García sechs bewohnte Häuser gezählt.

 Es gibt kaum ein Geschäft in der Welt, das so viel Geld einbringt wie der Drogenhandel. 72 Milliarden Dollar werden jährlich damit umgesetzt, schätzt die Uno. Von allen Drogen ist Kokain die profitabelste. In Kolumbien kostet Kokainpaste 800 Dollar pro Kilo, in Chicago zahlt ein Käufer 100 Dollar pro Gramm - das heißt, der Preis steigt auf der Reise um 12 400 Prozent. Schätzungsweise 192 Tonnen schmuggeln die mexikanischen Kartelle jedes Jahr in die USA.

 Sieben Drogenkartelle gibt es in Mexiko, und sie betreiben ihre Geschäfte in wechselnden Allianzen. Aber fast alle haben ihren Ursprung im Bundesstaat Sinaloa an der Westküste des Landes, der Wiege der Narcos. Es ist die Heimat von Joaquín Guzmán, genannt El Chapo, Anführer des Sinaloa-Kartells. Er ist der schillerndste Drogenboss der Welt, was man auch daran sieht, dass das Magazin "Forbes" ihn auf seiner Liste der reichsten Menschen der Welt führt, obwohl keiner seinen Kontostand kennt.

 Culiacán, die Hauptstadt von Sinaloa, ist das Rotterdam des Kokainhandels, der Ort, an dem die Preise festgelegt werden. Es liegt zwischen dem Pazifischen Ozean und den grünen Hügelzügen der Sierra, in denen die Bauern Marihuana und Mohn anbauen. Es ist eine freundliche Stadt mit weiß getünchten Häusern, 600 000 Einwohner, doch Culiacán steht in der Liste der Städte mit den meisten Morden hinter Ciudad Juárez auf dem zweiten Platz.

 Seit zwei Jahren kämpft der Drogenboss El Chapo hier gegen seine früheren Verbündeten, die Brüder Beltrán Leyva. Es ist ein Krieg der Könige, und wenn Elmer Mendoza, der Schriftsteller, diese Geschichte erzählt, klingt sie wie eine griechische Tragödie. Elmer Mendoza, 61, ist ein bärtiger Mann mit weicher Stimme, geboren in Culiacán, wo seine Kriminalromane spielen. Er schildert diese Welt so nah, dass manche ihm vorwerfen, ein Narco-Schriftsteller zu sein.

 "Seit ich Kind war, habe ich ihre Legenden gehört", sagt er. "Diese Leute hatten größere Häuser, die schönsten Mädchen, manche gar ein Lied zu ihren Ehren." Es gibt in Sinaloa einen Heiligen der Narcos, Jesús Malverde, einen Robin Hood, der von den Reichen nahm und den Armen gab. Für viele Leute ist der Chapo sein Wiedergänger, ein Volksheld.

 Elmer Mendoza sagt, er finde schlimm, was mit seinem Land geschehe. "Doch als Autor bewundere ich Leute, die Außergewöhnliches leisten. Hat es nicht etwas Episches, eine Ladung Kokain von Medellín nach Los Angeles zu bringen?"

 Der Familienkrieg, der von Culiacán ausging und aufs halbe Land übergriff, begann am 21. Januar 2008, als der Drogenboss Alfredo Beltrán Leyva, genannt Mochomo, von der Armee verhaftet wurde, in einem Haus im Viertel Tierra Blanca.

 Hatte der Chapo ihn verraten? Das glaubten die Beltrán Leyva. Sie holten Söldner in die Stadt, Zetas, und begannen alle zu töten, die für ihn arbeiteten, Polizisten, Richter, Politiker, Journalisten.

 Die Menschen hätten geglaubt, der Chapo werde sie retten, doch dann erschossen die Zetas einen seiner Söhne, auf dem Parkplatz eines Shopping-Centers. "Die Leute begannen an ihrem Helden zu zweifeln. Sie spürten Angst", sagt er. "Ist das nicht schön, rein literarisch? "

 Elmer Mendoza steht auf dem Friedhof von Culiacán, der letzten Ruhestätte der Narcos. Es ist eine Totenstadt aus Marmor und runden Kuppeln, genannt Jardines del Humaya, so groß wie mehrere Fußballfelder, und sie wächst immer weiter, überall wird gebaut und begraben.

 Hier liegen sie alle wieder beieinander, die Bosse und ihre Gegner, ihre Kinder und die 18-jährigen Killer, die sich am Ende ihres zu kurzen Lebens wenigstens etwas Prunk leisten konnten. Die überlebensgroßen Porträts von jungen Männern mit harten Gesichtszügen hängen in zehn Meter hohen Mausoleen, daneben Bilder ihrer Freundinnen und ihrer Waffen.

 Nirgends in Culiacán ist die Macht der Drogenkartelle so spürbar wie hier. Dies ist ihre Tempelstadt, und wer ihre Totenruhe stört, muss nicht lange warten, bis er selbst Todesdrohungen bekommt von den Spähern und den Wachen.

 Warum sitzt El Chapo, der mächtigste aller Bosse, nicht im Gefängnis, sondern seit Jahren in seinem Versteck? Weil der Staat unfähig ist? Oder weil er ein Kartell protegiert?

 Es gibt viele ernstzunehmende Leute, die sich sicher sind, dass die Regierung mit dem Drogenboss ein Abkommen habe. Manche glauben, sie wolle das Problem der Gewalt lösen, indem sie den Drogenhandel einem Kartell überlasse.

 In einem neu erschienenen Buch schreibt die investigative Journalistin Anabel Hernandez, Präsident Vicente Fox habe dem Chapo 2001 gegen 20 Millionen Dollar die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis gestattet. Die Regierung Calderón kenne seinen Aufenthaltsort, doch statt ihn zu verhaften, schalte sie seine Feinde aus.

 Es gibt viele Gerüchte in Mexiko und viele Verschwörungstheorien, und vielleicht ist das Bemerkenswerteste daran, was die Menschen ihrem Staat alles zutrauen. Das Vertrauen in die Institutionen ist gering, und sie sind schwach. Erst seit 10 Jahren ist Mexiko eine wirkliche Demokratie, 70 Jahre lang herrschte eine Staatspartei, die Partei der Institutionalisierten Revolution. Sie protegierte das organisierte Verbrechen und hielt es zugleich in Schranken.

 Präsident Calderón sagte den Kartellen zwar den Kampf an, doch ihm fehlten die Mittel. Die Polizei ist auf fast allen Ebenen korrupt, in Gemeinden sogar oft identisch mit dem herrschenden Kartell, deswegen werden auch so viele Beamte ermordet. Das Justizsystem gilt als genauso korrupt, die Staatsanwälte sind abhängig von der Politik, die meisten Fälle gelangen nie zur Anklage, weil sie verschlampt werden oder Angeklagte sich freikaufen.

 Die Armee ist die einzige Institution, der Calderón vertrauen kann. Aber die Geschichte von Ciudad Mier zeigt, wie wenig sie auszurichten vermag. Soldaten können ein Territorium besetzen. Sie können aber nicht ermitteln, nicht die Strukturen eines Kartells durchdringen. Man müsse sich ein Kartell vorstellen wie ein Logistikunternehmen mit einem militärischen Arm, sagt der Sicherheitsberater Alberto Islas. Anstatt die Strukturen unter die Lupe zu nehmen, liefere sich der Staat Scharmützel mit 18-jährigen Fußsoldaten.

 Der Staat hat kaum funktionierende Ermittlungsbehörden. Die entscheidenden Informationen erhält Mexiko von US-Diensten, etwa der Drogenermittlungsbehörde DEA. Die USA informieren die Armee über den Aufenthaltsort von Drogenbossen, die mexikanischen Soldaten nehmen sie gefangen oder töten sie. Diese "Enthauptungsstrategie" führt zwar zu Erfolgsmeldungen, doch nicht zum Erfolg. Die Kartelle ersetzen ihre Anführer rasch.

 Der massive Einsatz der Armee ist auch eine Gefahr für die Gesellschaft: Im ganzen Land werden den Soldaten Hunderte Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Folter vorgeworfen, sogar Morde. Kritiker sagen, die große Zahl von Militäroperationen sei überhaupt erst für die Gewalt verantwortlich, weil sie Verteilungskämpfe auslösten.

 Die eigentlichen Probleme Mexikos kann die Armee nicht lösen: die Armut, die fehlende Bildung, die Schwäche des Staates. Die meisten Experten sind sich einig, was Mexiko machen müsste, um sich zu befreien. Die Frage ist nur, ob jemand die politische Kraft hat, es zu tun.

 Das Land sei weit davon entfernt, eine demokratisch gefestigte Gesellschaft zu sein, sagt Luís Astorga, Sozialwissenschaftler in Mexiko-City, und die große Aufgabe sei, einen Rechtsstaat zu schaffen, der so stark ist, dass er der Macht und dem Geld der Kartelle widerstehen kann. Dafür brauche es einen politischen Willen über alle Parteien hinweg. Aber Vertreter jeder der drei großen Parteien hätten ihre Hände im Drogengeschäft.

 Solange es keine unabhängigen Richter gebe, sagt Astorga, werde man nie etwas mit Sicherheit wissen - etwa ob der Staat mit einem Kartell kooperiere oder nicht.

 Es gibt viele Leute, die sich nach einfachen Lösungen sehnen. Die glauben, man könne zurückkehren zu den Zeiten, als man die Kartelle gewähren ließ. Selbst Politiker sagen in Hintergrundgesprächen, das Problem sei der Konsum in den USA, man müsse einfach nur Marihuana legalisieren. Dabei sind die Kartelle in bis zu 22 Typen von Verbrechen verwickelt - darunter Filmpiraterie, Menschenhandel, Erpressung.

 Vanda Felbab-Brown vom Think-Tank "Brookings Institution" in Washington sagt, es sei zwar unvermeidbar gewesen, die Armee zu involvieren, doch wichtig sei es nun, endlich eine funktionierende Polizei aufzubauen. Es gibt zwar Pläne für eine nationale Polizeireform, aber sie kommen nur langsam voran.

 Edgardo Buscaglia, der Fachmann für Drogenkriminalität, hat mit einem Team 17 Länder untersucht, die erfolgreich das organisierte Verbrechen bekämpft haben. Er sagt, alle hätten die gleichen vier wichtigen Schritte unternommen.

 Es brauche erstens eine Reform des Justizwesens. Zweitens: Gesetze gegen die Korruption in der Politik, denn 70 Prozent aller Wahlkämpfe im Land würden teilweise mit Drogengeldern finanziert.

 Drittens müsse Mexiko die Gelder untersuchen, die vom Drogengeschäft in die Wirtschaft fließen - 78 Prozent der mexikanischen Wirtschaft hätten Verbindungen zu den Drogenkartellen.

 Und viertens: Sozialprogramme für die Jugend, wie es in Kolumbien Medellín vorgemacht hat. Sie sollen andere Perspektiven aufzeigen als ein Leben bei den Kartellen, das schnell zu Ende sein kann.

 Es gibt viele Ideen, aber wer soll sie umsetzen?

 Javier Treviño, der Vizegouverneur von Nuevo León, hat einen Plan, der aus vielen Powerpoint-Folien besteht. Er soll Monterrey, seine Stadt, und seinen Bundesstaat befreien von der Gewalt.

 Treviño, ein kleiner Mann mit Schnurrbart und Brille, spricht Englisch mit amerikanischem Akzent, er hat in Harvard studiert, war Diplomat und danach in der Privatwirtschaft, bis er in die Politik zurückkehrte. Er ist einer der wenigen Menschen in Mexiko, die den Glauben an die Gestaltungsmacht der Politik noch nicht verloren haben.

 Vielleicht ist es auch eine Frage der Ehre für Monterrey, die reichste Stadt Mexikos. Sie liegt im Nordosten des Landes, 140 Kilometer südlich der US-Grenze, zu drei Seiten umgeben von Bergen, eine amerikanisch wirkende Stadt mit neuen Türmen aus Glas und Marmor. Sie beherbergt viele der wichtigsten Unternehmen des Landes.

 Es war ein Schock für ihre wohlhabenden Bürger, als zu Beginn dieses Jahres plötzlich Kämpfer der Zetas und des Golfkartells auf ihren Straßen aufeinander schossen. Der Kampf, der auch in Ciudad Mier ausgetragen wurde, fand nun mitten in der Wirtschaftsmetropole statt, die immer immun war gegen die Unordnung im Rest Mexikos. Viele der Reichen verließen Monterrey oder gar das Land, der Verleger der wichtigsten mexikanischen Zeitung floh nach Dallas.

 Javier Treviño ist stolz auf die 29 Folien seiner Präsentation, er führt sie jedem Besucher vor. Sein Plan sieht all die Dinge vor, die die Think-Tanks fordern: Sozialprogramme, eine Justiz- und Strafrechtsreform. Der Staat Nuevo León hat außerdem eine Einheitspolizei gegründet, die endlich sauber und effektiv sein soll. Die Polizisten sollen regelmäßig Lügendetektortests absolvieren, sie sollen so gut bezahlt werden, dass sie nicht mehr auf Bestechungsgelder angewiesen sind, und Stipendien für ihre Kinder bekommen.

 Nuevo León soll ein Vorbild werden für ganz Mexiko, sagt Treviño. Es ist ein gut klingender Plan. Es könnte sogar klappen, man weiß es nicht. Es gäbe dann immerhin einen Bundesstaat in Mexiko mit einer funktionierenden Polizei.

 Javier Treviño will den Anfang machen, er will die Institutionen stärken und damit die Gesellschaft. Und von wo aus sollte das gelingen, wenn nicht von Monterrey, der modernsten Stadt des Landes?

 Er klickt weiter, die nächste Folie zeigt das Straßennetz des Staates, zwei der fünf Hauptverkehrsachsen in den Norden sind dunkelrot markiert, das heißt, sie sind sicher befahrbar. Das Ziel für 2011 sei, sagt er, auch die drei anderen sicher zu machen. ◆

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Sonntag 19.12.10

Online-Therapie für Kokainschnupfer

 Mit snowcontrol.ch wird die weltweit erste Selbsthilfeplattform getestet

Von Gabriele Spiller

 Das Therapieangebot im Internet soll die Hemmschwelle herabsetzen, über den problematischen Kokainkonsum zu sprechen. In wöchentlichen Lektionen wird der verantwortungsvolle Umgang mit der Droge vermittelt.

 Die Praxis des medizinischen Zentrums Gesundheitsangebot und Information, kurz GAIN, liegt unauffällig zentral. Vom unterirdischen Ausgang des Hauptbahnhofs kann man die Räume quasi ungesehen betreten. Kokainkonsumenten wollen in der Regel auch nicht bemerkt werden. Sie leben unter uns, 95Prozent von ihnen sind sozial inte-griert, gehen einer geregelten Arbeit nach oder haben eine Familie. Dennoch finden rund 200 Menschen pro Jahr den Weg zu den Fachleuten im GAIN. Sie wollen einen kontrollierten und risikoarmen Umgang mit ihrer Droge erlernen. Die wenigsten können sich ein Leben ohne Kokain vorstellen.

 Die Beratung und Behandlung bei Problemen mit Substanzkonsum ist eine Leistung der Grundversicherung. Wie bei einem Arztbesuch kann man einen Termin mit den Experten von GAIN vereinbaren und wird in den ruhigen, gepflegten Praxisräumen empfangen. "Der Kokainkonsum ist häufig eine Begleit-erscheinung einer psychischen Erkrankung" erklärt Lars Stark, Psychotherapeut und ärztlicher Leiter von GAIN. Depressionen, Angstgefühle, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und eine Aufmerksamkeitsdefizit- oder Hyperaktivitätsstörung (ADHS) können die Affinität zu dieser Droge und anderen Stimulanzien fördern. Ist der Druck hoch, greifen die Konsumenten zum Kokain, das durch die kurzfristige Erhöhung des Dopaminspiegels für euphorische Gefühle, Antriebssteigerung, Kontaktfreudigkeit, aber auch Allmachtsfantasien sorgt. Drei Viertel von Starks Klienten sind Männer.

 Drei Minuten dauert es ungefähr, bis die Wirkung nach dem Schnupfen auftritt. Beim selteneren Rauchen und Spritzen tritt der Kick bereits nach wenigen Sekunden ein. Was als Partydroge und Freizeitkonsum beginnt, kann sich schnell zu einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit entwickeln. Den Ausstieg suchen die Betroffenen meist, wenn das Leben ihnen mehr Verantwortung abverlangt: beim Wechsel vom Angestellten zur Selbstständigkeit, nach dem zweiten Kind, erzählt Stark. Irgendwann merkt man, dass man sein Leben nicht mehr im Griff hat, und möchte dem Drang entkommen.

 Es sind ganz subtile Auslöser, die dafür sorgen, dass man auf einmal wieder ein Säckchen Kokain in der Hand hat. Vielleicht ist man gerade mit dem Tram am Limmatplatz vorbeigefahren, und wie automatisch ausgestiegen, um am Bancomaten Geld zu beziehen. Von den 100 Franken ist man wieder für eine Weile versorgt, zwanzig Portionen liegen drin. "Kokain ist keine Luxusdroge mehr", beschreibt Stark die Problematik, entsprechend kommen seine Klienten aus allen sozialen Schichten. Von Studenten über Handwerker bis zu Managern aller Kaderstufen berät er die Personen, "die Verbreitung in Zürich ist gegeben".

 Die Scham ist gross und wird von den Therapeuten im GAIN mit viel Respekt und Verständnis gegenüber den Betroffenen entgegengenommen. Angehörige stellen manchmal den Erstkontakt her, um sich selbst zu informieren und den Betroffenen gegebenenfalls zu einer Konsultation zu bewegen. Druck führe aber häufig zu einer Gegenreaktion, besser sei, sich darauf zu stützen, was man beobachtet habe und was einem Sorgen bereite. "Mir fällt auf, dass du dich in der letzten Zeit verändert hast." Oder: "Ich mache mir Sorgen, weil ich weiss, dass Kokain eine Droge ist, die schnell und stark abhängig macht." Solche Aussagen empfiehlt die Sucht Info Schweiz alsangemessene Formulierungen in ihrem Info-Flyer im Internet.

 Als weiteren Zugang mit niedriger Hemmschwelle bietet GAIN ein internetbasiertes Programm an, das anonym, ortsunabhängig und zeitlich flexibel dabei helfen kann, problematischen Konsum in den Griff zu bekommen. DerBenutzer richtet sich ein passwort-geschütztes Konto ein und kann, ohne persönliche Angaben hinterlegen zu müssen, an einem achtwöchigen Therapieprogramm teilnehmen. Ihm werden jede Woche neue Module zugespielt, mit denen er nicht nur Wissen über die Substanz und ihre Wirkung erwirbt, er kann auch ein Konsumtagebuch führen und bekommt wichtige Verhaltenstipps.

 "Welches sind die Orte, die Situationen, die Personen, die mich zum Kokainkonsum animieren? Wie kann ich mich dem entziehen?" sind einige der Fragen, mit denen der Teilnehmer sensibilisiert werden soll. Es ist ein längerer Prozess, der nicht gleichmässig verläuft, sondern meistens mehrere Anläufe braucht, weiss Stark aus der Praxis.Habe man diesen Prozess aber einmal begonnen, so gebe es schon nach sehr kurzer Zeit deutlich weniger Konsum, und der komplette Verzicht könne nach einigen Monaten in greifbare Nähe rücken.

 Lars Stark

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 Gesundheit und Information (GAIN)

 GAIN ist ein medizinisches Zentrum der Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen (ARUD) in Zürich. Seit fast 20 Jahren berät und behandelt die ARUD in ihren Suchthilfestellen und drei Polikliniken Drogen konsumierende Menschen und deren Angehörige. Ausserdem unterhält sie ein Gesundheitsangebot für Männer, die Sex mit Männern haben. GAIN setzt auf ein umfassendes Angebot aus einer Hand: Information, psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung sowie sozialarbeiterische Unterstützung werden verknüpft. Auch bei Fragen zu Partydrogen, Cannabis, Tabak-, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch stehen die Fachleute zur Verfügung. (az)

 GAIN - Gesundheitsangebot und Information, Telefon 044 444 14 20. http://www.gain-zh.ch, http://www.snowcontrol.ch

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Tagblatt der Stadt Zürich 15.12.10

"Risikobewusstsein nimmt oft ab"

 Interview zum Thema Partydrogen

 von Jan Strobel

 Letzte Woche wurde eine junge Frau in einem Klub am Albisriederplatz Opfer von K.-O.-Tropfen. Tina Schmitter von der Organisation Eve & Rave kennt die Klubszene und fordert einen risikobewussten Umgang mit Drogen.

 Tagblatt der Stadt Zürich: Frau Schmitter, kann ich als Partygast überhaupt merken, wenn sich in meinem Drink K.-O.-Tropfen wie GHB oder GBL befinden?

 Tina Schmitter: GHB ist fast geschmacksneutral, es schmeckt höchstens leicht salzig. In einem alkoholischen Getränk kann die Substanz nur schwer nachgewiesen werden. GBL dagegen ist stärker im Geschmack, leichter erhältlich und wird daher in den Klubs häufiger im Umlauf sein. Der Rausch macht sich zu Beginn mit einem Schwebegefühl und einer Gelöstheit bemerkbar, kann aber schnell zu Übelkeit, Benommenheit bis hin zu Bewusstlosigkeit führen.

 Wenn Partygänger die Kontrolle verlieren, behaupten sie oft, jemand habe ihnen K.-O.-Tropfen in den Drink geschüttet.

 Schmitter: Tatsächlich gibt es Klubbesucher, die sich selbst überdosieren. Man sollte sich aber immer bewusst sein, dass der Alkoholrausch ebenfalls zu einem Filmriss führen kann. Es gibt sicher Personen, die sich lieber als GHB-Opfer darstellen, als zuzugeben, dass sie zu viel getrunken haben. Dieses Verhalten schadet den wirklichen GHB-Opfern, deren Glaubwürdigkeit deswegen angezweifelt wird.

 Welche Drogen sind in den Zürcher Klubs gerade im Umlauf?

 Schmitter: Alkohol, Kokain, Amphetamine wie Speed oder MDMA-Pillen. Da hat sich in letzter Zeit wenig geändert.

 Gibt es neue Substanzen, die bisher in der hiesigen Partyszene völlig unbekannt waren?

 Schmitter: Es gibt immer wieder neue Designer-Drogen, sogenannte Research Chemicals wie zum Beispiel Mephedron oder Spice. Sie wirken ähnlich wie bereits bekannte Substanzen, sind aber am Anfang legal erhältlich. Oft gibt es einen kurzen Hype, doch danach verschwinden sie wieder oder werden kaum mehr konsumiert.

 Ihre Organisation plädiert für einen risikobewussten Umgang mit Drogen. Wie stellen Sie sich das vor?

 Schmitter: Ein risikobewusster Umgang beginnt mit guten Kenntnissen über die Substanz, das heisst über Wirkung, Dosierung, Wirkdauer und Wechselwirkungen. Nur wenn man weiss, was genau man konsumiert, ist das Risiko überhaupt abschätzbar. Leider ist es so, dass das Risikobewusstsein mit zunehmendem Konsum oft abnimmt.

 Was sagen Sie jemandem, der Drogen radikal verbieten will?

 Schmitter: Bewusstseinsverändernde Substanzen sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Einige Drogen sind gesellschaftlich akzeptiert: Alkohol ist unserer Ansicht nach die Droge, die am meisten Schäden anrichtet. Der Kaffee am Morgen, leistungssteigernde Mittel im Sport, Energy-Drinks - das sind im weitesten Sinne Drogen. Nicht zu vergessen die sogenannten Neuro-Enhancer wie Ritalin, Modafinil und dergleichen. Die einen nehmen Drogen, um die geforderte Leistung erbringen zu können; andere konsumieren Drogen für den Ausgleich. Grenzen werden ständig überschritten. Weitere Verbote bringen nichts. Stattdessen sollte die Selbstverantwortung gefördert werden, und man sollte toleranter sein.

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Le Matin 14.12.10

Cannabis swiss made

 Chanvre indoor. La culture individuelle de cannabis continue sa progression en Suisse. Mais gare à ceux qui voient trop grand.

 A fin novembre, la police vaudoise a découvert une culture de chanvre "indoor" au Mont-sur-Lausanne. La semaine dernière, elle annonçait avoir arrêté un artisan de Lausanne, reconverti dans la culture hors sol en pleine ville et trahi par des cambrioleurs. Dimanche dernier, lors de l'incendie d'une ferme en Appenzell, les policiers ont découvert une autre entreprise du même genre. A chaque fois ce sont des centaines de plants qui ont été saisis et détruits, ainsi que le matériel usuel: lampes à sodium, ventilateurs et système d'irrigation. Depuis 2001, les dénonciations annuelles pour culture illégale du chanvre ont doublé en Suisse, passant d'environ 350 à 800.

 Porte-parole de la police vaudoise, Jean-Christophe Sauterel estime que ces prises ne sont pas le fruit du hasard: "Pour des cultures d'une certaine dimension, il est difficile de rester discret. Il faut des locaux, de l'énergie, de l'eau, il y a l'odeur. On vit dans un petit pays, tout se sait, tout se voit. Par contre, pour les cultures dans la sphère privée avec quelques plants, les risques sont moins grands. "

 Patron d'un shop dans la région fribourgeoise, P. constate dans ce contexte que la production individuelle est en hausse constante: "Pour beaucoup de gens, qui travaillent dans le tertiaire notamment, il est devenu de plus en plus problématique de se fournir en produits finis dans la rue. De plus, la qualité n'est pas garantie. Celui qui produit sait ce qu'il fume. Et avec cinq ou six plants, cela suffit à sa consommation annuelle. " Mais il y a aussi ceux qui se lancent pour faire de l'argent facile avec quelques centaines de plants: "Ce n'est pas si facile que cela, prévient P. Il faut pas mal d'heures de travail et de connaissances pour éviter les maladies. Beaucoup abandonnent assez vite. " Ou se font prendre.

 Dans une récente intervention au Conseil national, la radicale bernoise Christa Markwalder, favorable à la dépénalisation du cannabis, estimait qu'aujourd'hui "8,7% des consommateurs cultivent eux-mêmes". Ce qui représenterait, sur une population estimée de 200 000 fumeurs réguliers, 17 500 plantations personnelles… En 2008, avec environ 800 dénonciations, moins de 5% des contrevenants se sont fait attraper.

 Le phénomène n'est de loin pas réservé à la Suisse. En France, l'Observatoire national de la délinquance a rendu à fin novembre dernier un rapport alarmant sur le phénomène de la culture indoor "made in France": "La production nationale de cannabis a décuplé en trente ans. " Il signale aussi que 80% des producteurs le font aujourd'hui pour leur propre consommation. "La France est très bien organisée, relève un membre romand des Amis du chanvre, les producteurs ont plein de trucs et d'astuces. Avec une demi-armoire, ils arrivent déjà à bricoler quelque chose. Les Suisses, même dans l'illégalité, font les choses d'une manière plus réglementaire…"

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MARAS
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linksunten.indymedia.org 27.12.10

Maras (Jugendbanden) - Leben und Tod der Jugend Zentralamerikas

Verfasst von: cine rebelde

Zehntausende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von El Salvador bis Los Angeles gelten als aktive Mitglieder in Jugendbanden, den so genannten Maras. Es vergeht kein Tag, an dem die Gangmitglieder in der Presse nicht mit Überfällen, räuberischen Erpressungen, Morden, Waffen, und Drogen in Verbindung gebracht werden. Medien und Politik verbreiten das Bild von amoralischen Wesen ohne Respekt für das Leben, die mit Null Toleranz militärisch bekämpft werden müssen.

Doch wer sind sie? Woher kommen sie? Was denken sie und welches Ziel verfolgen sie? An diesem Abend wollen wir die soziale Realität der Maras besser kennenlernen und über die Hintergründe informieren. Kurzfilme und Vortrag. Anschließend nettes Café Latino Ambiente.

Kurzfilme und Vortrag von Kathrin Zeiske, Journalistin und Lateinamerika-Expertin

SUSI Treff, Haus A, Vaubanallee 2
Freitag 28.1, 20:30h
    

Nach dem Ende der militär-politischen Konflikte der 80er Jahre in Zentralamerika wird das Vakuum, dass vom subversiven Aufständigen hinterlassen wurde mit dem Bild des Verbrechers gefüllt - amoralisch und pathologisch, mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität und zum Drogenhandel. In diesem Kontext erscheinen die Jugendbanden, sogenannte Maras, als ideale Ziele um Repression auszuüben und zu rechtfertigen.

Die Massenmedien und die politische Klasse verbreiten das Bild des mareros (Gangmitglied), als ein Wesen ohne Respekt für das Leben, moralisch und körperlich degradiert, ein Macho, hierarchisch und erbarmungslos. Sie sehen in ihm den Verantwortlichen für die Unsicherheit und die Gewalt, die in den zentralamerikanischen Städten, Gefängnissen und Migrationsnetzwerken herrscht. Die Kriminalisierung trifft nicht nur die Mitglieder der Jugendbanden und deren Aktivitäten, sondern auch ein breites Spektrum sozialer Akteure und Bewegungen.

Doch sind diese Jugendliche einzig für diese Gewalt verantwortlich? Welche Beziehungen haben sie tatsächlich mit dem Drogenhandel? Wie sind die Maras entstanden? Was denken sie und welche Ziele verfolgen sie? Liegt in der Ausübung krimineller Handlungen der eigentliche Beweggrund für die Jugendlichen sich zu Maras zusammenzuschließen? Mit welchen anderen sozialen Realitäten stehen sie in Verbindung?

Während diese Fragen oft unbeantwortet bleiben, üben die Regierungen nacheinander ihre Politik der Null Toleranz aus. In El Salvador und Honduras ist Mord die häufigste Todesursache für Jugendliche. Sie sterben durch Schüsse, die von der Polizei oder von ihren Rivalen und Feinden abgefeuert werden. Sie sterben auch als Opfer ihrer eigenen Gewalt.

Mit dem Ziel diese Realität näher kennenzulernen und darüber zu diskutieren, laden wir euch zu einem Reflexionsabend ein, an dem Kurzfilme, Berichte und Erfahrungen zum Thema gezeigt werden. Anschließend nettes Café Latino Ambiente.

Kurzfilme und Vortrag von Kathrin Zeiske, Journalistin und Lateinamerika-Expertin

SUSI Treff, Haus A, Vaubanallee 2

Freitag 28.1, 20:30h

Veranstalter: Redaktionsgruppe poder latino beim Radio Dreyeckland, cine rebelde

Siehe auch:

* Hintergründe zu den Maras (Jugendbanden) im Brennpunt Lateinamerika
http://www.giga-hamburg.de/dl/download.php?d=/content/ilas/archiv/brennpunkt_la/bpk0405.pdf
* Artikel von Kathrin Zeiske "Krieg der Banden"
http://jungle-world.com/artikel/2009/19/34442.html
* Radio-Interview "sin nombres" unterwegs von Mittelamerika gen USA
http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=34587

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ANTI-ATOM
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Bund 27.12.10

Meinungen

 Tribüne Das Ersatzkernkraftwerk Mühleberg ist wichtig für den Kanton Bern.

 Es wird noch viel diskutiert werden

Thomas Staffelbach

 Der Verbrauch an elektrischer Energie ist in der Schweiz in den letzten Jahren, mit wenigen Ausnahmen, kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig nähern sich die ersten schweizerischen Kernkraftwerke in absehbarer Zeit dem Ende ihrer Betriebsdauer. Höherer Verbrauch auf der einen Seite und Rückgang der Produktion auf der anderen Seite - die Schere, die sich öffnet, muss geschlossen werden. Der Bundesrat hat hierzu eine Strategie verabschiedet, die auf 4 Säulen basiert. Energieeffizienz, neue erneuerbare Energien, internationale Kooperationen und Grosskraftwerke (wobei Kernkraftwerke explizit aufgeführt sind) sollen die Versorgung des Landes mit Strom sicherstellen.

 Bei der Resun, der Planungsgesellschaft der BKW und der Axpo für die Ersatzkernkraftwerke, setzt sich das ganze Team dafür ein, diese 4. Säule aufzubauen und dem Stimmvolk gut ausgearbeitete und sichere Projekte zur Abstimmung voraussichtlich im 2013 vorzulegen.

 Sicheres bauen und betreiben

 Die Energiefrage ist eine der wichtigsten Fragen, die unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beschäftigen wird. Elektrische Energie, die bei uns rund 20 Prozent des gesamten Schweizer Energiebedarfs ausmacht, wird zusätzlich an Bedeutung gewinnen. So trägt jede Wärmepumpe zwar zur Reduktion des gesamten Energiebedarfs bei, der Bedarf an elektrischer Energie wird jedoch gleichzeitig erhöht, denn die Wärmepumpe läuft mit Strom.

 Ich bin davon überzeugt, dass neue Kernkraftwerke sicher gebaut und betrieben werden können. Die Nuklearbranche hat die Erfahrung von über 10 000 Betriebsjahren weltweit genutzt und die bestehenden und neuen Anlagen ständig weiterentwickelt. Diese Entwicklung ist auch in die neusten Generationen von Reaktoren eingeflossen, die wir für Mühleberg und Beznau in Erwägung ziehen. Für mich spricht auch für die Projekte in Mühleberg und Beznau, dass sie platzschonend gebaut werden können. Auf rund 20 Hektaren können jeweils rund 1500 Megawatt elektrische Energie produziert werden. Diese Energiedichte weist keine andere Produktionsart, die dabei ähnlich wenig CO2 produziert, auf.

 Wichtiger politischer Prozess

 Wir werden oft auf die Entsorgung nuklearer Abfälle angesprochen. Aus meiner Sicht müssen wir die Frage der Entsorgung nuklearer Abfälle lösen, unabhängig davon, ob wir neue Werke bauen werden oder nicht. Der Bundesrat hat die Machbarkeit für ein geologisches Tiefenlager attestiert. Der Sachplan für ein geologisches Tiefenlager ist ein aufwendiger demokratischer Prozess, der zu einem demokratisch legitimierten Standort führen wird. Ich bin überzeugt, dass die Bevölkerung der Schweiz sich ihrer Verantwortung bewusst ist und den Abfall aus den bestehenden Kraftwerken, von denen wir über 40 Jahre zuverlässig und sicher Strom bezogen haben, aber auch jenen aus Industrie und Medizin im eigenen Land entsorgen wird. Die Lager werden wir bauen - mit Weitsicht, auch im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen.

 Die Ersatzkernkraftwerke Mühleberg und Beznau befinden sich in einem wichtigen politischen Prozess, dem Rahmenbewilligungsverfahren. Dieser Prozess schliesst neben den nuklearen Sicherheitsbehörden auch die Fachstellen des Bundes sowie die Kantone und schliesslich jede Schweizerin und jeden Schweizer ein. Mit einem fakultativen Referendum wird dieser Prozess abgeschlossen werden. Wir sind froh, dass über die neuen Kernkraftwerke abgestimmt wird, das gibt uns bei einem Ja den notwendigen politischen Rückhalt, um die Werke zu realisieren. Ich gehe davon aus, dass das Stimmvolk in der Energiefrage neben allem Enthusiasmus und Engagement für neue erneuerbare Energien nicht auf eine so tragende und bewährte Energieform wie die Kernkraft verzichten wird.

 Ein erster wichtiger Schritt im Rahmenbewilligungsverfahren ist bereits erfolgt, das Ensi hat die Gutachten zu den Rahmenbewilligungsgesuchen der neuen Werke erstellt und das BFE hat diese veröffentlicht. Die Auflagenvorschläge des Ensi stossen bei Resun offene Türen ein. Wir sind bereits an der Umsetzung der Auflagenvorschläge. Für Mühleberg gab die Auflage bezüglich einer möglichen Gefährdung durch Hangrutschungen zu reden. Wir nehmen das ernst und werden zeigen, dass ein Kraftwerk, welches einem Erdbeben standhält, das statistisch nur alle 10 000 Jahre auftreten kann, gegen die viel geringere Gefährdung durch eventuelle Hangrutsche mehr als genügend gesichert ist.

 Bei Resun arbeiten wir nun an der Erstellung der Unterlagen für das Baubewilligungsgesuch. Wir wollen diese nach dem für unser Projekt positiven Ausgang des entsprechenden Referendums einreichen. Zu diesem Zweck hat die Resun jüngst mit der Ausschreibung für zwei Anlagen den Beschaffungsprozess für die neuen Werke initiiert. Mit der öffentlichen Ausschreibung im selektiven Vergabeverfahren wird allen auf dem Markt tätigen Anbietern die Möglichkeit gegeben, sich zu bewerben. Bei der Einreichung des Baubewilligungsgesuchs wird der Kraftwerkstyp festgelegt sein.

 Dialog mit der Bevölkerung

 Das Ersatzkernkraftwerk Mühleberg ist wichtig für den Kanton Bern. Hier finden direkt und indirekt rund 1300 Personen eine Stelle. Die Wertschöpfung wird jährlich 500 Millionen Franken betragen. Der Kanton Bern soll meiner Meinung nach nicht auf hoch qualifizierte Arbeitskräfte verzichten.

 Ein derartig grosses Projekt - die Baustelle wird eine mit der Westside-Baustelle vergleichbare Dimension haben - hat natürlich auch unerfreuliche Auswirkungen. Es ist nicht möglich, ein Projekt von dieser Grösse zu errichten, ohne dass es Betroffene gibt. Ich kann diese sehr gut verstehen, auch ich hätte keine Freude an den Belastungen während der Bauphase. Dass die Betroffenen sich einbringen, unterstützen wir. Die BKW hat über die letzten zwei Jahre mit den direkt Betroffenen, der Gemeinde Mühleberg und auch der Region einen intensiven Dialog geführt. Es war uns wichtig, eine Lösung für die Bauphase zu finden, die Rücksicht auf die Betroffenen nimmt. Wir haben über 44 Varianten ausgearbeitet für die zusätzlichen Infrastrukturanlagen, die es für den Bau braucht. Die Betroffenen haben dann unter Federführung der Begleitgruppe der Gemeinde Mühleberg dem Gemeinderat aus den vielen möglichen Varianten drei vorgeschlagen. Der Gemeinderat hat der BKW die aus seiner Sicht beste zur Weiterverfolgung vorgeschlagen. Wir sind überzeugt, dass wir die bestmögliche Variante ermittelt haben. Mit den Betroffenen bleiben wir weiterhin im Dialog bei der weiteren Ausarbeitung des Projekts. Dadurch können alle Interessen optimal aufeinander abgestimmt werden.

 Bis die Werke dereinst ans Netz gehen wird noch viel diskutiert werden. Wir setzen uns bei Resun tagtäglich dafür ein, dass die Ersatzkernkraftwerke zu einer zuverlässigen und tragfähigen Säule der schweizerischen Stromversorgung werden.

 Thomas Staffelbach

 Der Autor, geboren 1961, hat an der Universität Bern und in den USA Umweltphysik studiert. Er ist Standortprojektleiter für EKKM bei Resun und Mitglied der Geschäftsleitung von Resun.

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NZZ 27.12.10

Ein wichtiges Jahr im Kampf um neue AKW
 
 Der Kanton Bern stimmt über den Neubau des AKW Mühleberg ab - ein Urnengang im nationalen Blickfeld

 Der Kanton Bern stimmt im Februar über den Neubau des AKW Mühleberg ab. Rechtlich geht es dabei nur um eine Stellungnahme zum Projekt, doch politisch kommt dem Urnengang Symbolkraft über die Kantonsgrenzen hinaus zu.

 Daniel Gerny, Bern

 Von der Abstimmung unmittelbar betroffen ist nur ein einziger Kanton - und selbst dort hat das Ergebnis nur beschränkte Folgen. Dennoch entwickelt sich der Urnengang vom 13. Februar, bei dem sich die Stimmbürger des Kantons Bern zum Neubau des Kernkraftwerks Mühleberg äussern, zu einer der höchstbeachteten Abstimmungen des neuen Jahres mit Ausstrahlung in die ganze Schweiz. Es ist das erste - und vorerst einzige - Mal, dass sich Bürger zu einem neuen AKW äussern, bevor das Schweizervolk zum Abschluss des Rahmenbewilligungsverfahrens zum Bau eines neuen Kraftwerkes Stellung nehmen kann.

 Regierung contra Parlament

 Rein juristisch gesehen haben die Berner wenig zu entscheiden, denn zur Debatte steht nur die Frage, ob sich der Kanton in seiner Stellungnahme zum Rahmenbewilligungsgesuch für einen Neubau positiv oder negativ äussert. Auch die Kantone Solothurn und Aargau, in denen sich die Standorte Gösgen und Beznau befinden, müssen dem Bund bis zum März solche Stellungnahmen abliefern. Der Kanton Bern ruft nun zu diesem Zweck die Stimmbürger an die Urne. Der Grund dafür ist, dass Regierung und Parlament in Bezug auf den Mühleberg-Neubau diametral unterschiedlicher Meinung sind.

 Denn Berns Regierung verfügt über eine rot-grüne Mehrheit, während das Parlament klar bürgerlich geprägt ist. Im Frühling machte die Regierung klar, dass sie gegen einen AKW-Neubau in Mühleberg ist: Ein Ersatz stünde im Widerspruch zu den Zielen der kantonalen Energiestrategie, die einen mittelfristigen Ausstieg aus der Kernenergie vorsehe, erklärte er.

 Der Grosse Rat verpflichtete den Regierungsrat indessen zu einer positiven Stellungnahme und unterstützte im November ausdrücklich den Ersatz des AKW Mühleberg. Der Entscheid für die positive Stellungnahme zuhanden des Bundes wurde aber dem Referendum unterstellt.

 Die erste Abstimmung

 Geplant ist in Mühleberg ein Kraftwerk mit einem sogenannten Hybridkühlturm und einer Leistung von 1600 Megawatt, was rund dem Vierfachen der heutigen Leistung entspricht. Sprechen sich die Berner im Februar gegen das Projekt aus, wird es für den Stromkonzern BKW, der das heutige AKW Mühleberg betreibt und das Gesuch um eine Rahmenbewilligung eingereicht hat, politisch praktisch unmöglich, dem Neubau doch noch zum Durchbruch verhelfen. Das allein schon rechtfertigt den sich abzeichnenden Grosseinsatz auf beiden Seiten: Bereits im November, kurz nachdem sich die Stadt Bern in einer Volksabstimmung für den Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Jahre 2039 ausgesprochen hatte, waren Abstimmungsinserate erschienen.

 Doch die Abstimmung ist darüber hinaus ein Stimmungstest mit Blick auf den nationalen Urnengang, mit dem im Jahre 2013 oder 2014 gerechnet wird. Im Unterschied zu den bestehenden Kraftwerken, zu denen das Volk noch nicht befragt werden musste, ist für den Bau der künftigen AKW die Zustimmung der Stimmbürger erforderlich. Voraussichtlich übernächstes Jahr entscheiden Bundesrat und Parlament über die Rahmenbewilligungen, die dann dem fakultativen Referendum unterliegen. Der Berner Urnengang ist aber nicht nur eine landesweite Premiere, sondern bis anhin auch die einzige Abstimmung. In den Kantonen Aargau und Solothurn, wo die Kraftwerke Beznau und Gösgen stehen, wird die Stellungnahme von der Regierung, gestützt auf ein Richtplanverfahren, verfasst.

 Stadt linker als das Land

 Wie die Abstimmung ausgeht, ist schwer vorauszusagen. Dass die Stadtberner mit über 60 Prozent Zustimmung eindeutig für den Atomausstieg bis 2039 votierten, darf nur beschränkt als Hinweis auf das Resultat gedeutet werden. Denn einerseits ging es bei dieser Vorlage um eine strategische Ausrichtung der Energie Wasser Bern als Lieferant für kernkraftfreie Elektrizität im oberen Segment - eine Positionierung, der auch Teile der bürgerlichen Parteien zustimmen konnten. Und andererseits stimmen die Städte im Kanton Bern deutlich linker als die nach wie vor konservativ geprägten ländlichen Gebiete. Für Konfliktstoff ist gesorgt, das Klima wird gehässiger.

 Bereits liegen sich die Regierung und die BKW über die Investitionskosten für das neue Kraftwerk in den Haaren, wobei die Regierung - entsprechend ihrer Haltung zur Kernkraft - von deutlich höheren Kosten ausgeht. Und auf die Frage, ob sie sich im Abstimmungskampf an den Grossratsbeschluss halten werde, der eine positive Stellungnahme verlangt, antwortete die Berner Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer (sp.), sie werde die Position des Parlamentes wohl darlegen - ohne aber mit der Meinung der Regierung hinter dem Berg zu halten.

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 Der Weg zu einem neuen AKW

 dgy. · 2008 haben drei Stromkonzerne Gesuche für eine Rahmenbewilligung für ein neues AKW eingereicht: die Alpiq im solothurnischen Gösgen, die Axpo im aargauischen Beznau und die BKW im bernischen Mühleberg. Im nächsten Jahr nehmen die Kantone Stellung zu den Plänen, bevor der Bundesrat 2012 über die Rahmenbewilligungen und allfällige Einsprachen entscheidet. Danach folgen die Genehmigung durch das Parlament und die Referendumsabstimmung, voraussichtlich im Jahre 2013 oder 2014. Es folgen weitere Bewilligungsschritte, die angefochten werden können. Es ist nicht damit zu rechnen, dass ein neues AKW vor 2022 ans Netz geht.

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Oltner Tagblatt 27.12.10

Anhörung zum geologischen Sachplan zum Tiefenlager

 Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK führte vom 1. September bis 30. November 2010 eine Anhörung zum "Sachplan geologische Tiefenlager" durch.

 Dabei ist vorderhand der Hinweis erlaubt, dass der Sachplan zum geologischen Tiefenlager in keiner Art und Weise mit dem Bau eines neuen Kernkraftwerkes und den damit verbundenen Richtlinienanpassungen in einer Verbindung steht. Diese beiden Geschäfte sind rechtlich vollständig zu unterscheiden, entfalten aber in tatsächlicher Weise eine grosse Wirkung, insbesondere wenn beide realisiert werden würden. Hinzu tritt der Umstand, dass es sich beim Sachplan zum geologischen Tiefenlager um eine derart komplexe Materie handelt, die aus Sicht des Regionalvereins OGG in der kurzen Frist nur schwer vollständig verstanden und bearbeitet werden konnte. Aus diesen Gründen hat der Regionalverein OGG entschieden, eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Stellungnahme ins Leben zu rufen. Das entsprechende Resultat soll es den Gemeinden erleichtern, einen Überblick zu gewinnen und eine entsprechende Stellungnahme vorzubereiten und zu versenden.

 Das Verfahren zur Erhebung der entsprechenden Grundlagen wurde vom Bund in drei Etappen gegliedert. In der ersten Etappe sollte ursprünglich der geeignetste Standort eruiert werden. Dies war gleich gesetzt mit dem sichersten Standort. Die bisherigen Abklärungen haben aber ergeben, dass der sicherste Standort im Zürcher Weinland liegt, wo ein erheblicher Widerstand gegen ein Tiefenlager aufgebaut worden ist. Danach hat sich der Bund entschieden, nicht mehr vom sichersten Standort, sondern von der sogenannten relativen Sicherheit zu sprechen, welche als Minimalstandard gelten soll. Damit waren auf einmal auch die anderen potenziellen Standorte, darunter auch der Jura-Südfuss, wieder interessant und das ursprünglich zentralste Kriterium (Sicherheit) für die Standortwahl wurde vom Bund aufgegeben bzw. relativiert. Damit liegt die Vermutung nahe, dass der Bund das ganze Auswahlverfahren dergestalt aufbauen wird, dass schliesslich der Standort ausgewählt wird, welcher am wenigsten Widerstand bieten kann.

 Weiter sollte in der Etappe 1 eine Partizipation aufgebaut werden, damit sich sämtliche betroffenen Gemeinden und Institutionen genügend vernehmen lassen können. Der Bund geht mutmasslich davon aus, dass sich Gemeinden nur ungenügend zusammenschliessen und daher im Anhörungsverfahren nur Einzelinteressen verfolgen können. Hier soll im Gebiet des Jura-Südfusses der Regionalverein OGG die Stimme der Gemeinden übernehmen können, ohne dass die Gemeindeautonomie verletzt würde. Dabei bietet die Plattform Jura-Südfuss eine zentrale Unterstützung. Dementsprechend arbeitete der Regionalverein OGG einen Entwurf für eine mögliche Stellungnahme aus, damit sämtliche Gemeinden, nebst den eigenen Anliegen, auch die zentralsten Punkte gegenüber dem Bund thematisieren können, um eine grossflächige Wirkung zu erzielen. Zusammenfassend war der Gemeinderat mit dem Entwurf der Stellungnahme des Regionalvereins OGG einverstanden. Zusammenfassend hat der Ergebnisbericht gezeigt, dass der Jura-Südfuss auch in tektonisch-geologischer Hinsicht nicht geeignet und damit nicht der sicherste Standort ist. Demnach lehnt auch der Gemeinderat von Wangen einhellig ein geologisches Tiefenlager auf diesem Standort ab.

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Bund 24.12.10

Drei Stromkonzerne wollen gemeinsam zwei AKW bauen

 Axpo, Alpiq und BKW einigten sich im Prinzip auf zwei AKW - die Standortfrage bleibt aber offen.

 Simon Thönen

 Eine gemeinsame Planungsgesellschaft der Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW soll die Projekte für zwei neue Kernkraftwerke vorantreiben. Dies gaben die drei Konzerne gestern bekannt - und bezeichneten die Einigung als "Meilenstein" und "wichtigen Durchbruch". Jahrelang hatten sie vergeblich versucht, sich auf zwei neue AKW zu einigen, weil jeder Konzern auf seinem eigenen Projekt beharrte. "Es ist ein guter Schritt für die Stromversorgung", sagte BKW-Chef Kurt Rohrbach gestern auf Anfrage, "er bringt Vereinfachungen im Bewilligungsverfahren und ermöglicht Synergien."

 Nicht einigen konnten sich die Stromkonzerne jedoch auf die Standorte für die zwei neuen AKW. Dies soll 2012 entschieden werden. Falls die Behörden alle drei Projekte als gleichwertig erachten, sollen Beznau und Mühleberg den Vorrang erhalten. Aufgeteilt wurde die Stromproduktion der künftigen AKW: Die Axpo Holding erhielte 59, die Alpiq 24 und die BKW 17 Prozent des Stroms der zwei Werke.

 AKW-Gegner: "Pseudo-Einigung"

 Die Konzerne hätten sich "nur vermeintlich geeinigt", kommentierte die "Allianz Nein zu neuen AKW" in einer Mitteilung. Der Standortentscheid werde faktisch den Bundesbehörden überlassen. Die "Stromproduktion aus Uran" bezeichnete die Allianz als ein "Auslaufmodell und eine Fehlinvestition". Auch die Grüne Partei der Schweiz bezeichnete die Übereinkunft als "Pseudo-Einigung". — Kommentar rechts, Seite 13

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Stromkonzerne einigen sich im Grundsatz auf zwei AKW-Projekte

 Der grösste Teil der Stromproduktion eines AKW Mühleberg II ginge an die ausserkantonale Axpo.

 Simon Thönen

 Die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW wollen eine gemeinsame Planungsgesellschaft für den Bau von zwei neuen Kernkraftwerken gründen, wie sie gestern mitteilten. Vereinbart wurde auch, dass man für die zwei AKW-Projekte denselben Reaktortyp wählen wird. "Die nun erreichte Einigung ist ein wichtiger Durchbruch", betonte Axpo-Chef Heinz Karrer.

 Bisher sind Gesuche für drei AKW bei den Bundesbehörden hängig. Die Axpo und die BKW möchten in Beznau und Mühleberg je ein neues Werk bauen, die Alpiq eines in Gösgen. Auch nach Ansicht der Elektrizitätswirtschaft sind jedoch bloss zwei AKW nötig. Jahrelang hatten die Konzerne erfolglos um eine Einigung auf zwei Projekte gerungen.

 Auch mit der Übereinkunft bleibt jedoch die Standortfrage offen: Wo die zwei neuen AKW stehen sollen, wollen die Konzerne entscheiden, bevor sich der Bundesrat 2012 zu den Gesuchen äussert. Stimmt die Landesregierung zu, wird das eidgenössische Parlament und aller Voraussicht nach 2013 oder 2014 letztlich das Schweizer Volk in einer Volksabstimmung entscheiden, ob neue AKW gebaut werden.

 Favoriten Beznau und Mühleberg?

 Vorerst bleiben alle drei AKW-Projekte im Rennen. Geeinigt haben sich die Konzerne erst auf das weitere Vorgehen: Falls die zuständigen Bundesämter und die Nuklearaufsicht die drei Projekte als gleichwertig beurteilen sollten, "werden die Standorte in der Reihenfolge der Ausserbetriebnahme der bestehenden Anlagen berücksichtigt", teilte die BKW mit. Das heisst: Am Standort der älteren AKW in Beznau und Mühleberg würden die zwei neuen Werke gebaut - Gösgen würde ausscheiden.

 Allerdings steht demnächst ein weiterer Vorentscheid an: Am 13. Februar stimmt das Volk im Kanton Bern über Mühleberg II ab. Sollte das Berner Volk Nein sagen, dann wäre Mühleberg als Standort für ein neues AKW erledigt. Zudem hätte ein Nein im Kanton Bern wohl eine erhebliche Signalwirkung für eine spätere nationale Volksabstimmung. Sollte das Berner Volk hingegen zustimmen, dann macht die Übereinkunft der Stromkonzerne es nun wahrscheinlicher, dass in Mühleberg tatsächlich ein neues AKW gebaut wird.

 Dies jedenfalls dann, wenn die Projekte in der Beurteilung der Bundesbehörden wirklich gleich gut abschneiden sollten. In einer ersten Beurteilung hatte die Nuklearaufsicht ENSI bei den Gesuchen für Mühleberg und Beznau mehr Nachbesserungen gefordert als bei jenem für Gösgen. Bei Mühleberg bemängelte das ENSI etwa, dass die Gefahr von Felsstürzen und Erdrutschen beim nahen Hang zu wenig abgeklärt sei. Die BKW hatte dies erst im Baubewilligungsverfahren klären wollen. "Nun werden wir diesen Punkt einfach ein bisschen früher vertiefen müssen", sagte BKW-Chef Kurt Rohrbach auf Anfrage.

 Axpo erhielte den meisten Strom

 Obwohl die Übereinkunft der Stromkonzerne ihr Projekt Gösgen benachteiligt, stellt die Alpiq diese nicht in Frage. "Entscheidend ist, dass wir an allen neuen Kernkraftwerken gleichermassen beteiligt sein werden, unabhängig vom Standort", sagte Alpiq-Sprecher Martin Bahnmüller der Agentur SDA. Denn die Konzerne legten auch fest, wie die Kosten und die Stromproduktion aufgeteilt würden: Beim zweiten Werk, also voraussichtlich Mühleberg II, erhielte die Axpo Holding 59 Prozent des Stroms, die Alpiq 25,5 und die BKW 15,5 Prozent. Beim ersten neuen AKW wäre der Anteil der BKW leicht höher, jener der Alpiq entsprechend tiefer.

 Macht dies die bernische BKW ausgerechnet bei Mühleberg II zum Juniorpartner? Rohrbach verneint: "Wir sind beim Ersatzkernkraftwerk Mühleberg der Partner mit der Betriebsführung." Obwohl die BKW den kleinsten Teil der Investitionskosten tragen würde, strebt sie eine Aktienmehrheit bei der Betriebsgesellschaft an. Dies sei nicht unüblich, meinte Rohrbach. So habe die BKW bei französischen AKW Investitionskosten übernommen und dafür Strombezugsrechte erhalten, ohne am Aktienkapital beteiligt zu sein. Klar ist aber: Den Strom aus Mühleberg II würde in erster Linie die ausserkantonale Axpo erhalten.

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 Berner Volk stimmt auch über Atomzwischenlager ab

 Am 13. Februar stimmt das Volk im Kanton Bern über ein neues AKW in Mühleberg ab - aber nicht nur. Gemäss der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "Beobachter" ist mit dem neuen AKW auch ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle eingeplant. Dasselbe gelte für die Projekte für neue AKW in Beznau und Gösgen.

 In den eingeplanten Zwischenlagern hätten laut "Beobachter" auch Brennelemente aus den an diesen Standorten bereits bestehenden Atomkraftwerken Platz sowie verstrahlte Anlageteile, die anfallen, wenn die alten AKW dereinst abgerissen werden. "In Mühleberg könnte die Halle bis 200 Meter lang und 80 Meter breit sein", schreibt die Zeitschrift.

 "Bei einem neuen Kernkraftwerk müssen die Brennelemente bis zum Abtransport gelagert werden", sagte dazu BKW-Chef Kurt Rohrbach auf Anfrage. "Dieses Lager könnte man für beide Werke gemeinsam nutzen." Zum Beispiel könnte das bestehende Kernkraftwerk Mühleberg nach Betriebsende rascher zurückgebaut werden, wenn das Lager auf dem Gelände ausreichend gross wäre.

 Für die kantonale SP bedeutet ein neues Zwischenlager hingegen "ein zusätzliches grosses Risiko für den ganzen Kanton, am stärksten für die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Gemeinden", wie sie in einer Mitteilung schreibt. Zwar habe die Partei Verständnis dafür, dass es wegen des Widerstands gegen Endlager vorerst Zwischenlager brauche. Die Bevölkerung müsse aber vor der Volksabstimmung zu Mühleberg II über die Risiken informiert werden.(st)

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Kommentar

 Mühleberg II würde kein Berner Projekt

Simon Thönen

 Jahrelang hatten die Anhänger der Atomenergie die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW ermahnt, sich auf zwei Projekte für neue Kernkraftwerke zu einigen. Doch keiner der Konzerne wollte auf sein eigenes neues Atomkraftwerk verzichten, obwohl die Branche selber nur zwei AKW als nötig erachtet. Die Befürchtung der AKW-Befürworter war: Das Schweizervolk wird neuen AKW nicht zustimmen, falls die Branche mit drei AKW - einem zu viel - zur nationalen Volksabstimmung antreten würde, die 2013 oder 2014 stattfinden wird.

 Gestern verkündeten die Stromkonzerne den "Durchbruch": Die drei Konzerne wollen gemeinsam zwei AKW bauen. Nicht einigen konnte man sich aber in der Standortfrage - dem eigentlichen Streitpunkt. Hier legte man lediglich ein Vorgehen fest, das den Standorten Beznau und Mühleberg einen Vorteil vor Gösgen verschafft. Entscheiden will man 2012.

 Doch der Entscheid über einen der Standorte wird bereits in weniger als zwei Monaten fallen: Am 13. Februar stimmt das Volk im Kanton Bern über ein neues AKW in Mühleberg ab. Zwar handelt es sich bloss um eine konsultative Volksabstimmung. Dennoch ist klar: Mühleberg wäre als Standort für ein neues AKW erledigt, falls das bernische Volk Nein sagen sollte. Resultiert ein Ja, dann ist mit der Übereinkunft der Konzerne die Wahrscheinlichkeit grösser geworden, dass Mühleberg II eines der zwei AKW sein wird, das dem Schweizervolk zum Entscheid vorgelegt wird.

 Dies ist der eine Punkt, der im gestern verkündeten Übereinkommen der Stromkonzerne für die bernischen Stimmberechtigten relevant ist. Von möglicherweise grösserer Bedeutung ist ein zweiter Punkt: Die bernische BKW wird nur rund ein Sechstel der Investitionskosten von Mühleberg II tragen - und nur rund ein Sechstel des Stroms erhalten. Dies mindert das finanzielle Risiko für die BKW, es macht Mühleberg II aber zu einem hauptsächlich ausserkantonalen Projekt. Zwar läge das AKW mit seinen Arbeitsplätzen - aber auch mit dem zwar kleinen, aber vorhandenen Risiko eines atomaren Super-GAU - in der Region Bern. Den Hauptnutzen eines AKW, die grosse Strommenge, hätte aber grösstenteils der ausserkantonale Konzern Axpo.

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BZ 24.12.10

BKW muss die Macht teilen

 AtomkraftwerkeWird in Mühleberg ein neues AKW gebaut, wird die BKW daran nur eine Minderheitsbeteiligung halten.

 Die drei Stromkonzerne Alpiq, Axpo und BKW haben sich darüber geeinigt, wer welchen Anteil an den geplanten neuen Atomkraftwerken halten würde. Die Axpo erhält mit 59 Prozent pro AKW den grössten Anteil, gefolgt von der Alpiq mit 25,5 und der BKW mit 15,5 Prozent. Diese Verteilung widerspiegelt eins zu eins die heutigen Anteile an der Atomstromproduktion.

 Das bedeutet auch: Die BKW, die das heutige AKW Mühleberg alleine besitzt und betreibt, müsste sich nach der Realisierung eines neuen AKW in Mühleberg mit der Rolle der Minderheitsaktionärin zufriedengeben. Damit kann der Berner Stromkonzern aber offenbar gut leben: "Wir sind zufrieden, dass wir eine Einigung gefunden haben", sagt Mediensprecher Antonio Sommavilla.

 Die BKW hätte aber, sollte Mühleberg 2 den Zuschlag erhalten, den Vorteil, dass das Know-how im Unternehmen gehalten werden könnte. Zudem könnte die BKW dank dem neuen Werk tausend Arbeitsplätze anbieten. Das sind rund siebenhundert Angestellte mehr, als in der heutigen Anlage beschäftigt sind.

 Was die Strommenge betrifft, so hat der neue Verteilschlüssel laut BKW keine negativen Konsequenzen. Mit der garantierten Stromleistung von 500 Megawatt könne die BKW die Stromversorgung in ihrem Einzugsgebiet nach wie vor sicherstellen.

 Positive Auswirkungen hat der neue Schlüssel auf das finanzielle Risiko der BKW. Die geschätzten rund 9 Milliarden Franken, welche ein neues AKW kostet, müsste sie ebenfalls nur anteilsmässig tragen.

 Auch nach der Einigung der drei Stromkonzerne bleibt eine der wichtigsten Fragen nach wie vor offen: Alpiq, Axpo und BKW haben es noch nicht geschafft, sich auf zwei AKW-Standorte zu einigen. Weil maximal zwei neue AKW gebaut werden und drei Orte im Rennen sind, ist einer überflüssig. Bis 2012 wollen sie diese Frage klären.phmSeite 13

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Mühleberg: BKW regiert nicht alleine

 AtomkraftwerkeWird in Mühleberg ein neues AKW gebaut, so wird die BKW daran nur mit 15,5 Prozent beteiligt sein. Die grösseren Anteile stehen den Stromkonzernen Axpo und Alpiq zu. Auch den Gewinn aus dem Stromverkauf müsste die BKW teilen.

 Das heutige Atomkraftwerk Mühleberg ist vollständig in Besitz des Berner Stromkonzerns BKW. Demzufolge fliessen auch alle Gewinne, die das AKW abwirft, zu vollen Teilen in die BKW-Kasse.

 Mit dem neuen AKW-Zeitalter wird sich nun auch die Besitzstruktur ändern. Bekanntlich wollen die drei Stromunternehmen Axpo, Alpiq und BKW die beiden neuen Atomkraftwerke der Schweiz - sollte das Volk denn überhaupt Ja zu neuen Werken sagen - als Partnerwerke führen. Gestern haben die drei Konzerne den Verteilschlüssel bekannt gegeben, auf den sie sich nach auffallend langen Verhandlungen einigen konnten.

 BKW mit kleinstem Anteil

 Der Schlüssel widerspiegelt exakt die heutigen Anteile an der Atomstromproduktion in der Schweiz. Demnach wird die Axpo mit jeweils 59 Prozent an den neuen AKW beteiligt sein. Der Anteil von Alpiq liegt bei 25,5 Prozent, jener der BKW bei 15,5 Prozent. Für das erste AKW, das ersetzt wird, wird dieser Verteilschlüssel jedoch zugunsten der BKW und zulasten von Alpiq um 3 Prozent verschoben (siehe Tabelle). Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass Alpiq "ihr" AKW in Gösgen erst 2040 und damit deutlich später abschalten muss als die BKW jenes in Mühleberg (zirka 2022).

 Obwohl die BKW den kleinsten Anteil an den neuen AKW halten wird, kann sie offenbar gut damit leben: "Wir sind zufrieden, dass wir eine Einigung gefunden haben", sagt Mediensprecher Antonio Sommavilla. Er weist darauf hin, dass die BKW mit diesen Anteilsverhältnissen die Stromversorgung in ihrem Einzugsgebiet nach wie vor werde sicherstellen können. Tatsächlich bleibt die Atomstrommenge für die BKW in etwa gleich: Das heutige AKW Mühleberg hat eine installierte Leistung von 372 Megawatt, zusätzlich besteht ein Strombezugsvertrag über 88 Megawatt mit dem AKW im französischen Kessenheim. Der neue Verteilschlüssel garantiert der BKW Kraftwerksanteile im Umfang von 500 Megawatt.

 Wird in Mühleberg ein Atomkraftwerk der neusten Generation gebaut, müsste die BKW zwar auch dort die Minderheitsbeteiligung in Kauf nehmen, sie hätte aber einen grossen Vorteil: Sie dürfte das Werk betreiben und könnte das Know-how innerhalb des Unternehmens halten. Zudem würde die neue Anlage rund tausend Personen Arbeit geben.

 Geringeres Risiko

 Der Minderheitsanteil der BKW wird sich auch auf die Finanzierung der neuen AKW auswirken, weil die Baukosten nach dem gleichen Verteilschlüssel aufgesplittet werden. Ausgehend von einer mittleren Schätzung, dass ein neues AKW rund 9 Milliarden Franken kostet, würde die BKW an das eine Werk 1,7 Milliarden (18,5%) und an das zweite 1,4 Milliarden (15,5%) beisteuern. Das bedeutet, dass die Investition für die BKW tiefer ausfallen wird als angenommen. Zweite Konsequenz: Das finanzielle Risiko, das der Kanton Bern als Hauptaktionärin der BKW trägt, sinkt im selben Mass.

 Auch wenn die drei Stromkonzerne die Einigung auf den Verteilschlüssel als "Meilenstein" bezeichnen: In der entscheidenden Frage haben sie sich noch immer nicht angenähert. So bleibt nach wie vor offen, an welchen zwei Standorten sie neue AKW bauen wollen (siehe Kasten). Der Standortpoker geht also weiter.

 Philippe Müller

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 Standortpoker

 Keine Einigung Seit Herbst 2009 verhandeln die drei Stromkonzerne Alpiq, Axpo und BKW über die Standorte allfälliger neuer Atomkraftwerke. Weil alle drei Konzerne je ein neues AKW bauen wollen, es in der Schweiz aber höchstens deren zwei braucht, müsste ein Konzern auf sein Projekt verzichten.

 Dazu ist aber niemand freiwillig bereit. Gestern liessen die Stromriesen verlauten, sie wollten sich bis 2012 auf zwei Standorte einigen. Dafür sollen sämtliche Erkenntnisse, die bis dahin vorliegen, berücksichtigt werden. Sollten dann immer noch alle Projekte gleichwertig sein, soll die natürliche Reihenfolge zum Zug kommen. Das heisst: Die beiden Werke, die als erste vom Netz müssen, sollen zuerst ersetzt werden. Das wären Beznau und Mühleberg. Sagt aber beispielsweise das Berner Stimmvolk am 13. Februar Nein zu Mühleberg, hätte die BKW schlechte Karten.phm

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BZ Kommentar

 Gespielte Einigkeit

 Redaktor  Philippe Müller  zur AKW-Debatte

 Drei Stromkonzerne kämpfen seit mehr als einem Jahr dafür, dass in ihrem Hoheitsgebiet ein neues Atomkraftwerk gebaut wird. In diesem Kampf gibt es zwei Lager: die BKW und die Axpo, die sich gemeinsam für den Ersatz der beiden AKW in Beznau und Mühleberg einsetzen, und auf der anderen Seite die Solothurner Alpiq, die in Gösgen ein neues Atomkraftwerk bauen will. Weil Gösgen länger am Netz bleiben kann als Beznau und Mühleberg, hat Alpiq etwas schlechtere Karten. Das Verhältnis zwischen den beiden Lagern war bisher geprägt von Rivalität.

 Gestern nun stellten die drei Konzerne den Verteilschlüssel zum Betrieb der neuen Atomkraftwerke vor und sprachen von einem "Meilenstein" und einer wichtigen Einigung. Diese Einigkeit ist aber nur gespielt. Denn die Eigeninteressen stehen immer noch im Vordergrund. Nach wie vor ist keiner der drei Stromriesen bereit, zugunsten eines Konkurrenten das eigene Projekt zurückzustellen. Und nach wie vor ist klar, dass jeder der drei Konzerne lieber als AKW-Betreiber als "nur" als Partner auftritt. Deshalb dürfte Alpiq insgeheim darauf hoffen, dass sich das Berner Stimmvolk am 13. Februar gegen den Bau von Mühleberg 2 ausspricht. Das würde die Position von Alpiq stärken, und die BKW wäre faktisch wohl aus dem Rennen.

 philippe.mueller@

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20 Minuten 24.12.10

AKW Mühleberg: Entscheid rückt näher

 BERN. Ob in Mühleberg ein neues AKW gebaut wird, ist nach wie vor offen. Ein wichtiger Vorentscheid fällt aber schon im Februar: Dann entscheiden die Stimmbürger des Kanton Berns, wie die Regierung gegenüber dem Bund Stellung zu nehmen hat - für oder gegen ein AKW. Auf Geheiss des bürgerlich dominierten Parlaments hat der rot-grüne Regierungsrat bereits eine positive Stellungnahme erarbeitet. Bevor es zur Abstimmung kommt, fordert die SP aber Klarheit von der BKW: Sie soll die Bevölkerung umfassend über die Risiken des geplanten Zwischenlagers für radioaktive Abfälle informieren.

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AKW-Planer raufen sich zusammen

 BERN. Die drei Energiekonzerne Axpo, Alpiq und BKW haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen für die Planung der zwei Ersatz-Atomkraftwerke geeinigt. Eine Planungsgesellschaft soll die Projekte Beznau AG, Gösgen SO und Mühleberg BE weiterverfolgen. An welchen zwei Standorten gebaut werden soll, entscheiden sie spätestens Mitte 2012. Die gemeinsame Planungsgesellschaft sei nach "intensiven Verhandlungen" zustandegekommen, teilten die drei Energiekonzerne mit. Axpo, Alpiq und BKW beteiligen sich zu je einem Drittel an der Gesellschaft. Falls bis Mitte 2012 immer noch alle drei AKW-Projekte als gleichwertig beurteilt würden, werden die beiden Standorte gebaut, die zuerst ausser Betrieb genommen werden müssen. Die Einigung sei ein gemeinsames Bekenntnis der drei Partner für die Versorgungssicherheit, hielt Alpiq-Chef Giovanni Leonardi fest.

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NZZ 24.12.10

AKW-Standort-Frage bleibt weiter offen

 Zusammenarbeit der Stromfirmen

 dsc. · Die Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW einigen sich auf die Realisierung von zwei neuen Atomkraftwerken in der Schweiz. Am Donnerstag wurde ein Zusammenarbeitsmodell vorgestellt. Die Projektarbeiten für die drei Standorte Gösgen, Mühleberg und Beznau werden gleichermassen vorangetrieben, eine Priorisierung der für die Landesversorgung nötigen zwei Vorhaben könnte auch erst 2012 erfolgen. Derweil werden auch neue Gaskombikraftwerke geplant.

 Schweiz, Seite 11

 Meinung & Debatte, Seite 20

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Schulterschluss für AKW-Projekte

 Stromkonzerne gründen Planungsgesellschaft - erste Vorauswahl des AKW-Typs Ende 2011

 Die drei Stromkonzerne schliessen sich für den Bau neuer Atomkraftwerke zusammen. Die für die Kantone finanziell wichtige Standortfrage bleibt weiterhin offen.

 Davide Scruzzi

 Die bei den AKW-Projekten bereits kooperierenden Stromunternehmen Axpo und BKW haben sich mit der Alpiq Holding AG über Planung, Bau und Betrieb von zwei neuen Atomkraftwerken geeinigt. Die Projektarbeiten an den drei bisherigen Standorten Mühleberg und Beznau (BKW/ Axpo) und Gösgen (Alpiq) werden allerdings gleichermassen vorangetrieben, was den Unternehmen freilich Mehrkosten verursacht.

 Offene Standortfrage

 Der definitive Entscheid über die Reihenfolge werde "spätestens vor dem Botschafts- und Entscheidentwurf" des Bundesamts für Energie getroffen, heisst es in einer Medienmitteilung vom Donnerstag. Gemäss dem heutigen Stand der Planung wäre dies Mitte 2012. Entscheidungsgrundlagen sollen die laufenden technischen Abklärungen und Behördenverfahren sowie wirt schaftliche und politische Aspekte sein. Würde sich daraus keine Priorisierung ergeben, soll die Reihenfolge der Ausserbetriebnahme der jetzigen AKW gelten - das AKW Gösgen ist das jüngste der drei.

 Ein wichtiger Faktor bei der Standortwahl dürfte die Volksabstimmung im Kanton Bern über ein neues Werk in Mühleberg sein. Die Berner werden im Februar über die kantonale Stellungnahme dazu befinden. Die Überprüfung der Rahmenbewilligungsgesuche durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat zeigte indes keine Priorisierung der Standorte auf.

 Da die Ersatz-Kernkraftwerke als Partnerwerke betrieben würden, sei der Standort für die Unternehmen nun weniger wichtig als für die Standortkantone und -gemeinden, erklärt Axpo-Mediensprecherin Anahid Rickmann. Die finanziellen Vorteile für die Standortregionen einer neuen Anlage mit einer Leistung von 1000 bis 1600 Megawatt sind erheblich. Ein neues AKW generiert gemäss einer Studie im Standortkanton Steuereinnahmen von insgesamt jährlich rund 80 Millionen Franken. Nicht zu vernachlässigen ist zudem die Wertschöpfung beim Bau eines Kernkraftwerks der neuen Generation, denn ein grosser Teil der Kosten im Umfang von über 6 Milliarden Franken dürfte an inländische Unternehmen fliessen. Im vergangenen Jahr verhandelten die Finanzdirektoren der möglichen Standortkantone über ein Ausgleichssystem für jenen Kanton, in dem am Schluss kein Reaktor realisiert würde. Die Verhandlungen wurden aufgrund der Komplexität der Materie und wegen zahlreicher offener Fragen abgebrochen. Im Moment ist keine Wiederaufnahme geplant. Wie der Solothurner Regierungsrat Christian Wanner erklärt, werde man erst in einer späteren Phase wieder das Gespräch suchen.

 Axpo hält Mehrheit

 An der neuen gemeinsamen Planungsgesellschaft werden sich die drei Partner je zu einem Drittel beteiligen. Die Beteiligungsverhältnisse der Unternehmen an den Anlagen sollen sich indes am jetzigen Anteil am nuklearen Produktionspark richten: 59 Prozent Axpo, 25,5 Prozent Alpiq und 15,5 Prozent BKW. Für die erste Anlage wird das Beteiligungsverhältnis leicht zugunsten der BKW verschoben. Resun, die bisherige Projektgesellschaft von Axpo und BKW, hat die Ausschreibung für den AKW-Auftrag kürzlich publiziert. Es sollte möglich sein, per Ende 2011 eine Einengung auf zwei Reaktortypen vorzunehmen, so die Axpo. Unklar ist, ob die definitive Wahl des technischen Systems vor oder nach der 2013 zu erwartenden Volksabstimmung erfolgen wird.

 Meinung & Debatte, Seite 20

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Es fehlt eine klare Kraftwerks-Strategie

 Nach der Einigung der Stromfirmen muss der Bund seine Positionen schärfen.

Von Davide Scruzzi

 Die Unternehmen Axpo, Alpiq und BKW gründen eine gemeinsame Planungs- und Projektgesellschaft für die Realisierung zweier neuer Atomkraftwerke. Welcher Standort aus dem Rennen fallen wird, ist noch unklar. Die Verantwortlichen wollen dies vom Ausgang der laufenden technischen und politischen Abklärungen abhängig machen. Es liegen also vorerst bloss jene Verhältnisse ausformuliert vor, die bereits einigermassen bekannt waren: Die grossen Stromunternehmen wollen die AKW Beznau und Mühleberg sowie die französischen Importverträge durch zwei neue Anlagen ersetzen; dafür werden drei Projekte vorangetrieben (Gösgen, Mühleberg und Beznau). Zweifellos haben die Stromunternehmen mit ihrer Mitteilung kurz vor Weihnachten Friede und Einigkeit demonstrieren können - der Branche kann man nicht mehr wie bisher vorwerfen, sie sei in dieser Frage zerstritten.

 Planungen für Gaskraftwerke

 Besonders angesichts der im Februar stattfindenden Volksabstimmung im Kanton Bern über die kantonale Stellungnahme zu einem Neubau am Standort Mühleberg ist es verständlich, dass sich die Unternehmen noch nicht auf eine Priorisierung unter den Standorten einigen wollen - ein Nein der Berner hätte keine bindende Kraft beim Standortentscheid, wäre aber ein klares Signal gegen einen Neubau in Mühleberg. Weil die Atomkraft viele Emotionen schürt, muss über ihre Zukunft am Schluss ein direktdemokratisches Kräftemessen entscheiden. Die eidgenössische Referendumsabstimmung dazu ist frühestens 2013 zu erwarten.

 Während nun die Stromunternehmen ihre Hausaufgaben dazu erledigt haben, bleibt für die Politik noch viel zu tun, nicht nur was die kantonale Einigkeit über die mit den Standorten verbundenen Steuerfragen angeht oder Informationsaufgaben wie die Aktualisierung der Kosten und Auswirkungen der verschiedenen energiepolitischen Szenarien durch das Bundesamt für Energie.

 Vor allem muss die AKW-Frage auch im Rahmen einer allgemeinen Strategie für Grosskraftwerke gesehen werden. Die inländische Alternative zu neuen Reaktoren sind nämlich in absehbarer Zeit Gaskraftwerke. Sogar für viele Branchenkenner und Parlamentarier völlig überraschend hat der Bundesrat vor einigen Wochen per Verordnung den Weg zur Realisierung eines Gaskombikraftwerks in Chavalon, Wallis, geebnet, nachdem bei den nötigen Kohlendioxid-Kompensationen Fortschritte erkennbar geworden waren. In Cornaux, im Kanton Neuenburg, plant ein regionaler Versorger ebenfalls ein Gaskraftwerk der 400-Megawatt-Klasse. Tatsächlich können solche Anlagen eine Ergänzung zum Produktionsmix sein und als Übergangslösung bis zur Inbetriebnahme neuer AKW dienen. Auch sind die darin erkennbaren ökonomischen Interessen der Stromfirmen zu beachten.

 Die Kostenfrage am Schluss

 Die Realisierung von Gaskraftwerken muss aber seitens des Bundes stärker mit der emotional aufgeladenen AKW-Frage verbunden und deutlicher in eine Grosskraftwerks-Strategie eingebettet werden. Die Nachteile von Gaskraftwerken für die Versorgungssicherheit, für die Kohlendioxid-Bilanz (eine grosse Anlage entspricht einem einstelligen Prozentsatz des gesamtschweizerischen Ausstosses) und ihre eher negativen Auswirkungen auf die Strompreise sind ja Teil der vom Volk zu klärenden AKW-Frage. Demgegenüber werden die Rentabilität und die Finanzierung neuer Kernkraftwerke am Schluss von den einzelnen Stromkonzernen zu beantworten sein, nach einem allfälligen Ja von Parlament und Volk.

 So bleibt die Sicherung weiter Teile der Stromversorgung mittels Grosskraftwerken ein Balanceakt zwischen staatlicher Regulierung, politischen Debatten und betriebswirtschaftlichen Strategien der Stromunternehmen, der jetzt eine starke moderierende Rolle der neuen Departementschefin nötig macht.

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NLZ 24.12.10

AKW-Betreiber planen gemeinsam  Ersatz

sda.

 Welche Atomkraftwerke werden neu gebaut? Und wann? Die grossen AKW-Betreiber wollen diese Fragen jetzt gemeinsam angehen.

 sda. Axpo, Alpiq und BKW wollen ihre Pläne für ein Ersatz-Atomkraftwerk einer gemeinsamen Planungsgesellschaft übergeben. Diese wird die drei Projekte für den Ersatz von Beznau I und II sowie die beiden Atomkraftwerke in Gösgen und Mühleberg parallel und gleichwertig weiterverfolgen.

 An der Planungsgesellschaft sind die drei Konzerne zu je einem Drittel beteiligt. Die drei Konzernchefs sprachen in der Medienmitteilung von "Meilenstein" und "Durchbruch".

 Entscheid soll 2012 fallen

 Die Axpo Holding betreibt Beznau I und II im Kanton Aargau, die Alpiq AG das AKW in Gösgen im solothurnischen Niederamt und die BKW Energie AG das Atomkraftwerk Mühleberg vor den Toren der Stadt Bern. Der Entscheid, welche AKW ersetzt werden, soll spätestens 2012 fallen - noch vor dem Botschafts- und Entscheidentwurf des Bundesamts für Energie.

 2020 wird erstes AKW abgeschaltet

 Falls bis zu dieser Frist alle drei AKW-Projekte als gleichwertig beurteilt werden, soll an den beiden Standorten gebaut werden, wo die AKW zuerst - wahrscheinlich ab 2020 - ausser Betrieb genommen werden: in Mühleberg und Beznau. Damit startet Gösgen mit einem Handicap.

 Von der Diskussion um Ersatz ausgenommen ist das AKW Leibstadt. Dieses nahm seinen Betrieb erst im Jahr 1984 auf.

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Der Eiertanz der Stromkonzerne
AKW

Hanspeter Guggenbühl

 Der Standortstreit um neue Schweizer Atomkraftwerke geht weiter: Vordergründig hat Beznau Vorrang vor Mühleberg. Die Axpo soll grösster Atomstrom-Produzent bleiben.

 Hanspeter Guggenbühl

 schweiz@luzernerzeitung.ch

 "Einigung über Planung und Bau der Ersatz-Kernkraftwerke erreicht". So lautet der Titel der Medienmitteilung, welche die drei grossen Schweizer Stromgesellschaften Axpo, Alpiq und BKW gestern gemeinsam veröffentlichten. Doch das Kleingedruckte zeigt: Die Einigung über den wesentlichen internen Streitpunkt - die Standortwahl - ist erneut vertagt worden: Welche zwei der drei neuen Atomkraftwerk-Projekte in welcher Reihenfolge realisiert werden sollen, wollen die Stromkonzerne "spätestens" dann entscheiden, wenn das Bundesamt für Energie den Entwurf für die Botschaft des Bundesrates veröffentlicht. Das wird voraussichtlich noch bis Mitte 2012 dauern.

 Eine Weiche haben die drei Stromfirmen in ihrem gestern unterzeichneten "Rahmenvertrag" immerhin gestellt: "Falls die Gesamtbeurteilung keine relevanten Unterschiede ergibt, werden die Standorte in der Reihenfolge der Ausserbetriebnahme der bestehenden Anlagen berücksichtigt." In diesem Fall hätte das Axpo-Projekt im aargauischen Beznau Vorrang, weil das älteste, 1969 eröffnete KKW Beznau als erstes abgeschaltet werden muss. Als zweites folgte das BKW-Projekt in Mühleberg bei Bern. Das Alpiq-Projekt Gösgen würde damit begraben.

 Es geht um Begriffsauslegung

 Die Konjunktive zeigen: Der Eiertanz, den die grossen Stromkonzerne bei der Standortwahl vorführen, geht weiter, dreht sich neu aber um die Frage, wie der Begriff "relevante Unterschiede" ausgelegt wird. Als "Basis" sollen "sowohl wirtschaftliche und politische Aspekte als auch Abklärungen des laufenden Prüfprozesses" herangezogen werden. Was sich mit zwei naheliegenden Beispielen konkretisieren lässt:

 Politisch:Politisch können die Stellungnahmen der Kantone Unterschiede herbeiführen. Aargau und Solothurn werden sich im jetzt anlaufenden Vernehmlassungsverfahren wohl für "ihre" Projekte in Beznau AG und Gösgen SO engagieren. Ungewiss ist hingegen die Ausgangslage beim Berner Projekt in Mühleberg. So will der Kanton Bern mit einer Konsultativabstimmung am 13. Februar 2011 sein Volk befragen. Lehnt das Berner Volk ein neues AKW in Mühleberg ab, fragt sich, ob dieser Unterschied politisch "relevant" ist. "Das ist ein Faktor", antwortet Martin Bahnmüller, Sprecher der Alpiq, die beim Projekt in Gösgen federführend ist. "Damit würde der Standort Mühleberg geschwächt", bestätigt Antonio Sommavilla, Sprecher der BKW, die das AKW-Projekt Mühleberg vorantreibt.

 Ökonomisch:Wirtschaftlich können sich Unterschiede ergeben, wenn zum Beispiel die Baukosten für das AKW-Projekt in Beznau höher oder tiefer ausfallen als für die Projekte in Mühleberg oder Gösgen. Über die Frage, ab welcher Höhe die Preisdifferenz "relevant" ist, lässt sich ebenfalls streiten.

 Axpo bleibt Atomleader

 Obwohl die Einigung also noch aussteht, haben die drei Stromgesellschaften ihre Beteiligungen an allfälligen neuen Atomkraftwerken vertraglich bereits verteilt: Die Axpo-Töchter Axpo AG und CKW erhalten zusammen einen Anteil von 59 Prozent und damit die Mehrheit. Auf Alpiq entfallen 25,5 und auf die BKW 15,5 Prozent. Das entspricht dem heutigen Anteil an der inländischen Atomstrom-Produktion. Mit diesem Verteilschlüssel präzisieren die drei Stromkonzerne ihren schon früher bekundeten Willen, jedes neue Atomkraftwerk als "Partnerwerk" zu betreiben. Damit lassen sich - wie schon bei den bestehenden AKW in Gösgen und Leibstadt - die Gewinne oder Verluste der teuren Investitionen aufteilen.

 Weiter haben Axpo, Alpiq und BKW beschlossen, ihre AKW-Projekte in eine gemeinsame Planungsgesellschaft einzubringen. Diese gemeinsame Weiterplanung spart Kosten und allenfalls auch Zeit. Der Weg bis zum endgültigen Entscheid, ob es in der Schweiz zwei, eines oder gar kein neues AKW geben wird, dauert noch Jahre. Nach dem Standortentscheid der Stromfirmen folgen Beschlüsse von Bundesrat und Parlament. Danach kann das Schweizer Volk entscheiden. Ein allfälliges neues Atomkraftwerk kann frühestens ab 2025 Strom produzieren.

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Kommentar

 Atompfad birgt Risiken

Hanspeter Guggenbühl

 Ein "Meilenstein" sei erreicht, schwärmten die Stromgesellschaften Axpo, Alpiq und BKW, als sie gestern über ihre "Einigung über Planung und Bau der Ersatz-Kernkraftwerke" informierten. Ebenfalls als "Meilenstein" feierten sie vor Monatsfrist das Gutachten der nuklearen Aufsichtsbehörde Ensi, die grundsätzlich alle geplanten Standorte für neue Atomkraftwerke als "geeignet" bezeichnet hatte.

 Die wiederholte Metapher "Meilenstein" tönt nach mehr, als tatsächlich ist. Denn das vielfältige Bewilligungsverfahren für neue Atomstromfabriken gleicht einem 100-Meilen-Lauf. Nach 2 Meilen ist man also noch nicht sehr weit gekommen.

 Mit ihrer vorweihnächtlichen Botschaft mimen die drei Stromkonzerne Einigkeit. In Wirklichkeit aber marschieren sie trotz gemeinsamer Planungsgesellschaft immer noch gespalten in die atomare Zukunft. Denn die zentrale Frage, ob der Atompfad nach Beznau, Gösgen oder Mühleberg führen soll, lassen sie in ihrem neuen Rahmenvertrag weiterhin offen.

 Der lange Marsch zu neuen Atommeilern birgt vielerlei Gefahren. Dazu gehört nicht nur das Risiko einer nuklearen Verstrahlung. Am Wegrand lauern auch politische Unwägbarkeiten. Offen bleibt insbesondere, ob das Volk als letzte Instanz dereinst zwei, einem oder gar keinem neuen AKW zustimmen wird. Und gross ist auch die wirtschaftliche Ungewissheit. Denn neue Atomkraftwerke könnten die Schweizer Stromproduktion und Stromversorgung während einer Laufzeit von weiteren 60 Jahren zementieren. In einer Zeit, in der sich die Energietechnik stark wandelt und ökonomische Auf- und Einbrüche sich in immer kürzeren Abständen folgen, kann ein hoher Anteil an atomarer Stromproduktion zum Klumpenrisiko werden.

 Hanspeter Guggenbühl

 schweiz@luzernerzeitung.ch

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Aargauer Zeitung 24.12.10

Kuhhandel im Streit um AKW-Gesuche
 Strom Alpiq plant AKWs nun mit Axpo und BKW, dafür wird die Beteiligungsquote der Oltner sinken

Sven Millischer

 "Ein Meilenstein", "ein wichtiger Durchbruch", "ein Bekenntnis zur Versorgungssicherheit des Landes" - die Stromkonzerne Alpiq, Axpo und BKW überschlagen sich mit Superlativen in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung. Doch was der Öffentlichkeit als grosse Einigung verkauft wird, ist bestenfalls ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen AKW-Gesuch.

 Denn die entscheidende Frage nach dem Standort ist weiterhin nicht geklärt. So werden die drei Projekte in Beznau AG, Mühleberg BE und Gösgen SO "vorläufig parallel und gleichwertig weiterentwickelt". Eine "definitive Einigung", wann und wo die beiden AKWs gebaut werden sollen, wollen Alpiq, Axpo und BKW spätestens Mitte 2012 erzielen. Dann wird der Bundesrat über die Rahmenbewilligungsgesuche entscheiden.

 Sollten sich bis dahin die Stromkonzerne nicht zusammenraufen können, kommt die "Ausserbetriebnahme der bestehenden Anlage" zum Tragen. In diesem Fall würde das Alpiq-Kraftwerk in Gösgen als jüngstes AKW nicht ersetzt werden.

 Nach dem Bundesrat wird das Parlament über die Gesuche befinden. Das letzte Wort wird voraussichtlich Ende 2013 das Volk haben.

 Konzertiertes Vorgehen

 Worin also besteht die jetzige Einigung? Axpo, Alpiq und BKW wollen künftig als Trio die beiden Ersatz-AKWs planen. Dies soll die Kosten in ungenannter Höhe verringern, indem man beispielsweise mögliche Reaktortypen gemeinsam evaluiert und sich schliesslich auf eine technische Lösung einigt. Dieses konzertierte Vorgehen soll auch das Verfahren gegenüber dem eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi vereinfachen und beschleunigen.

 Dazu beteiligen sich die Stromkonzerne zu je einem Drittel an einer Planungsgesellschaft mit noch unbekanntem Namen, Sitz und Personalgrösse. Auch muss die Gesellschaft erst noch gegründet werden.

 Allerdings unterhalten Axpo und BKW mit der Firma Resun bereits jetzt eine Tochtergesellschaft mit 40 Mitarbeitern, welche die Rahmenbewilligungsgesuche der beiden Stromkonzerne vorantreiben. Für BKW-Sprecher Antonio Sommavilla ist deshalb klar: "Resun wird um Alpiq erweitert." Demgegenüber versteht Alpiq-Konzernsprecher Andreas Werz die neue Planungsgesellschaft als eigenständiges Konstrukt. Für Zündstoff unter den "Partnern" ist also bereits gesorgt. Fest steht jedoch, dass Resun bereits Anfang Dezember Aufträge im Umfang von 14 bis 18 Milliarden Franken für neue AKWs in Beznau und Mühleberg öffentlich ausgeschrieben hat. Am Verfahren, das noch bis kommenden April läuft, halte man fest, sagt Sommavilla von der BKW. Alpiq dagegen wollte für ihren Standort Gösgen erst Ende 2011 mit dem Beschaffungsprozess beginnen.

 Der Oltner Stromkonzern dürfte sich diese eigenständige Ausschreibung wohl sparen. Insofern ist Alpiq, die bisher im Alleingang agierte, Nutzniesserin der neuen Planungsgesellschaft. Verringern sich doch damit insgesamt die Vorinvestitionen und werden künftig auf drei Stromkonzerne verteilt.

 Ausgleich gestaltet sich schwierig

 Im Gegenzug musste Alpiq Zugeständnisse machen. Um die Kapital- und Energiebezugsverhältnisse wurde lange und intensiv gerungen. Denn kommt das erste Ersatz-AKW dereinst ans Netz, produziert Gösgen weiter Strom. Alpiq verzichtet deshalb auf drei Prozent am nuklearen Produktionsmix. Der Anteil geht an die Berner und nicht an den Axpo-Konzern. Dies, weil die Nordostschweizer Kantone und damit vollumfänglich die öffentliche Hand schon heute mit 59 Prozent das grösste Risiko tragen. Dies auch im Vergleich zum Anteil am Versorgungsmarkt. Die Beteiligungsquote der BKW an den Partnerwerken erhöht sich dereinst auf 18,5 Prozent. Jene der Alpiq wird sich auf 22,5 Prozent verringern. Kommentar rechts

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 Umweltverbände: "Fehlinvestition"

 Der Entscheid von Alpiq, Axpo und BKW, die Ersatzbauten für die hiesigen drei AKWs mit einer gemeinsamen Planungsfirma voranzutreiben, ist Umweltverbänden und Grünen nicht geheuer. Die Grünen schreiben in einer Stellungnahme, es handle sich um eine "Pseudo-Einigung", die nur dazu diene, die bevorstehenden Abstimmungen in den Kantonen Bern, Waadt und Jura zu beeinflussen. Der Schulterschluss solle "dem Volk vorgaukeln, dass die Konzerne geeint" seien. Dabei gehe es nur um "Gewinnmaximierung". Der richtige Weg sei es, aus der "Atomenergie auszusteigen und erneuerbare Energien zu fördern". Die Allianz "Nein zu neuen AKW" bezeichnet es in einem Communiqué als "Fehlinvestition", 10 Milliarden Franken in neue AKWs zu stecken. Ersatzbauten würden nur das "Umstellen auf eine nachhaltige Stromversorgung blockieren". (SPM)

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Kommentar

 Alpiq spielt weiter auf Zeit

Sven Millischer

 Auf den ersten Blick scheint Alpiq bei dieser Einigung den Kürzeren gezogen zu haben: Das führende Schweizer Stromunternehmen gibt bei der AKW-Planung und Projektierung das Heft aus der Hand und macht mit Axpo und BKW gemeinsame Sache. Beide hatten zuvor schon ihre Pläne für Ersatz-AKWs an den Standorten Mühleberg und Beznau zusammen vorangetrieben. Alpiq dagegen wird um ihre Stellung in der neuen Planungsgesellschaft kämpfen müssen.

 Auch verzichtet der Oltner Stromriese auf drei Prozent am nuklearen Produktionspark zugunsten der Bernischen Kraftwerke, sobald ein erstes Ersatz-AKW ans Netz geht, weil ja der Atommeiler der Alpiq in Gösgen SO weiterlaufen wird.

 Was die Stromkonzerne als blossen "Ausgleichsmechanismus" verkaufen, ist wohl ein erstes Zugeständnis an die Berner zu werten, sollte im AKW-Poker das Projekt der Alpiq im solothurnischen Niederamt das Rennen machen. Schaut man sich das Gutachten des Nuklearinspektorats Ensi an, sind die Chancen Gösgens durchaus intakt.

 Auch, weil Giovanni Leonardi ein schlauer Fuchs ist. Trotz Zugeständnissen blieb der Alpiq-Chef in einem Punkt hart: "Wir wollen ganz bewusst das Ergebnis des Behördenprozesses abwarten, so halten wir alle Optionen offen", verkündete der Tessiner in einer Videobotschaft nach der Einigung.

 Leonardi will die Standortfrage so lange offenhalten, bis sie sich von selbst erledigt. Ein möglicher Termin könnte der 13. Februar sein. Dann stimmt Bern - als einziger Standortkanton - in einer Konsultativabstimmung über ein Ersatz-AKW in Mühleberg ab. Das Resultat hat zwar rechtlich keine bindende Wirkung. Sollten die Berner aber Nein zu Mühleberg sagen, kann die BKW ihre Atompläne wohl begraben.

 sven.millischer@azmedien.ch

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Oltner Tagblatt 24.12.10

"Sinnvolle Bündelung der Kräfte"

 Herbert Niklaus VR-Präsident der Kernkraftwerk Niederamt AG zur Einigung von Axpo, Alpiq und BKW

 von Beat Nützi

 Axpo, Alpiq und BKW wollen bei der Planung und dem Neubau von zwei Ersatz-Kernkraftwerken in der Schweiz einen gemeinsamen Weg gehen - was bedeutet diese Einigung?

 Herbert Niklaus: Diese Einigung ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer sicheren und zuverlässigen Stromversorgung der Schweiz. Axpo, Alpiq und BKW haben damit ein gemeinsames Bekenntnis für die Versorgungssicherheit unseres Landes abgegeben. Und es ist ein Meilenstein für Alpiq und das Niederamt.

 Sie sprechen von einer Einigung. Geeinigt haben Sie sich jedoch nicht bezüglich der wichtigsten Fragen wie die Standorte oder die Reihenfolge der zu realisierenden Ersatzkernkraftwerke.

 Richtig. Aber wir haben uns auf gemeinsame Beurteilungskriterien und den Zeitpunkt geeinigt - ebenso wie auf den Prozess, entlang welchem wir Entscheide bezüglich der Standorte und der Reihenfolge herbeiführen werden. Damit ist der Weg klar abgesteckt.

 Wie sieht die Einigung im Detail aus?

 Axpo, Alpiq und BKW werden sich je zu einem Drittel an einer gemeinsamen Planungs- und Projektgesellschaft beteiligen. Die Bündelung der Aktivitäten in dieser Gesellschaft hilft dabei, die politischen und behördlichen Verfahrensabläufe zu beschleunigen, Synergien bei der Evaluation zu nutzen und auch Kosten zu sparen. Alle drei Partner bringen so schnell wie möglich sämtliche Ressourcen im Zusammenhang mit den jeweiligen Projekten in die gemeinsame Planungs- und Projektgesellschaft ein. Die Partner treiben dann die drei Projekte parallel und gleichberechtigt voran.

 Wieso hat es denn so lange gedauert, bis sich die Branche auf ein weiteres Vorgehen geeinigt hat?

 Es bestand schon früh Einigkeit darin, die neuen Kernkraftwerke als gemeinsame Partnerwerke zu planen, bauen und betreiben und für die Festlegung der Reihenfolge die Ergebnisse des laufenden Behördenprozesses abzuwarten. Alpiq hat das auch immer betont. Die Verhandlung der Besitz- und Energiebezugsanteile sowie der Entscheidbefugnisse in den Partnerwerken erforderte angesichts der verschiedenen Unternehmensinteressen intensive Diskussionen. Es brauchte die Klärung vieler Detailfragen, wie das bei allen grossen Infrastrukturprojekten üblich ist.

 Hat die spezielle Art der zur Debatte stehenden Projekte auch eine Rolle gespielt?

 Natürlich. Wir sprechen für zwei Kernkraftwerke über Investitionen zwischen 12 und 16 Milliarden Franken. Und was Planungs-, Bau- und Betriebszeit anbelangt, sprechen wir über ein veritables Generationenprojekt. Entsprechend wurden die Verhandlungen ernsthaft geführt. Glücklicherweise hat uns das Kernenergiegesetz genügend zeitlichen Spielraum gelassen - es gab nie akuten Zeitdruck für eine Lösung.

 Wie sind die Energiebezugsrechte denn aufgeteilt?

 Wir haben uns nach den heutigen Anteilen der einzelnen Partner an der Kernenergie-Produktion orientiert. Das heisst Axpo 59 Prozent, Alpiq 25,5 Prozent und BKW 15,5 Prozent. Für das erste neue Kernkraftwerk haben wir zudem einen Ausgleichsmechanismus eingebaut. Alpiq verzichtet demzufolge zu Gunsten von BKW auf 3 Prozent. Dies geschieht, da voraussichtlich für einen gewissen Zeitraum das Kernkraftwerk Gösgen und das erste Ersatzkraftwerk parallel betrieben werden.

 Alpiq hat das Projekt im Niederamt bisher alleine vorangetrieben. Wie sehen Sie aufgrund dieser neuen Ausgangslage die Chancen für das geplante KKN?

 Das kürzlich veröffentlichte Gutachten des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI hat dem Projekt KKN eine hohe Qualität attestiert. Das freut uns und zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch die politische Unterstützung des

 "Die Chancen für ein neues Kernkraftwerk im Niederamt sind intakt." Herbert Niklaus

 Kantons Solothurn haben wir. Das Kantonsparlament hat die Kantonsregierung schon früh beauftragt, sich für den raschen Bau eines Kernkraftwerks im Niederamt einzusetzen. Das ist ein starkes Signal. Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der sozioökonomischen Studie im Niederamt wird die Effekte eines neuen Kernkraftwerks aufzeigen. Die Chancen für ein Kernkraftwerk im Niederamt sind also intakt.

 Wer sind die Gewinner und Verlierer dieser Einigung?

 In erster Linie haben das Schweizer Volk und die Wirtschaft gewonnen. Denn mit zwei neuen Kernkraftwerken können wir die Versorgungssicherheit in unserem Land nachhaltig stärken. Gewonnen haben aber auch die Partner Axpo, Alpiq und BKW. Denn nun können sich alle drei gemeinsam für die Erneuerung der Kernkraft einsetzen und die Kräfte aller Partner bündeln. Die Bündelung aller Kräfte und Kompetenzen für ein solch grosses Projekt ist für ein kleines Land wie die Schweiz absolut zwingend für den Erfolg.

 Wie haben Sie die Verhandlungen mit den anderen Energieunternehmen empfunden?

 Ich möchte betonen, dass die Verhandlungen trotz intensiver Diskussionen hart aber konstruktiv waren. Das sieht man an der einvernehmlichen Lösung, die wir erarbeitet haben. Wir haben die Interessen der verschiedenen Unternehmen unter einen Hut gebracht. Wie bei solchen Verhandlungen üblich, haben alle Beteiligten Zugeständnisse machen müssen.

 In welcher Reihenfolge werden denn die neuen Kernkraftwerke gebaut?

 Die Realisierung ist letztlich abhängig vom Bewilligungsprozess und von der Entscheidung des Bundes respektive des Volkes. Die drei Partner haben sich dazu entschieden, über die Standortfrage und die Reihenfolge der Kernkraftwerke später zu beschliessen.

 Warum legen Sie die Standorte nicht schon jetzt fest?

 Es ist sinnvoll, zuerst die Ergebnisse des laufenden Behördenprozesses abzuwarten. Die verschiedenen Behördengutachten, Anhörungen und kantonale Stellungnahmen werden uns zusätzliche, wertvolle Entscheidgrundlagen geben. Als Standorte eignen sich laut ENSI für die Realisierung unserer Projekte alle gut. Würden wir die Standorte schon jetzt festlegen, sprich einen Standort ausscheiden, besteht das Risiko, dass man auf den Entscheid zurückkommen müsste. Dies wäre sehr teuer und würde uns in unserer Planungsarbeit und Realisierung zeitlich zurückwerfen, was für die Versorgungssicherheit der Schweiz schlecht wäre.

 Wird das neue KKW Niederamt dann überhaupt jemals gebaut werden?

 Wie gesagt, die Chancen bestehen weiterhin. Der Vorschlag über die zu realisierende Reihenfolge wird spätestens vor der Botschaft des Bundesrates an das Parlament getroffen. Gemäss heutigem Stand der Planung ist das Mitte 2012. Als Basis dafür dienen neben der langfristigen Standortsicherung sowohl technische, wirtschaftliche und politische Aspekte als auch Abklärungen des laufenden Prüfprozesses der drei Rahmenbewilligungsgesuche durch die Behörden. Falls diese Gesamtbeurteilung keine relevanten Unterschiede ergibt, werden die Standorte in der Reihenfolge der Ausserbetriebnahme der bestehenden Anlagen berücksichtigt. Das letzte Wort hat das Schweizer Volk an der Urne.

 Wie werden die zu ersetzenden KKW finanziert?

 Die Investitionskosten bewegen sich nach heutigem Stand in einer Grössenordnung von 6 bis 8 Milliarden Schweizer Franken pro Kraftwerk, je nach deren Leistungsfähigkeit. Wir sind uns einig, dass zwei neue Kernkraftwerke in der Schweiz ohne staatliche Hilfe finanzierbar sind. Für die Beteiligung Dritter sind wir aber offen. Verschiedene potenzielle Partner haben ihr Interesse an einer Beteiligung bereits bekundet. Den Entscheid über eine allfällige Staffelung des Baus werden wir später fällen. Das gilt auch für die Frage, ob die internationalen Finanzmärkte mit einbezogen werden müssen.

 Welche Auswirkungen hat die Einigung auf das Projekt Kernkraftwerk Niederamt?

 Da die Chance für die Realisierung des Projektes nach wie vor besteht, wird es mindestens bis zum Bundesratsbeschluss über die Rahmenbewilligungen weiterentwickelt. Die technischen Aktivitäten gehen dabei von Alpiq in die neue gemeinsame Planungs- und Projektierungsgesellschaft über. Die standortgebundenen Fragen werden von der Standortgesellschaft, das heisst der KKN AG, behandelt.

 Haben die Niederämter nun neue Ansprechpartner?

 Grundsätzlich bleiben die Ansprechpartner die gleichen. Ich bin nach wie vor Verwaltungsratspräsident der KKN AG, deren Geschäftsführer ist Werner Meier. Auch der Alpiq CEO Giovanni Leonardi steht dem Niederamt nach wie vor als Ansprechpartner zur Verfügung. Für spezifische technische Fragen werden Personen aus der neuen Planungsund Projektierungsgesellschaft zuständig sein, welche zum Teil heute schon für Alpiq im Projektteam arbeiten.

 Wandert die KKN AG nun in den Kanton Aargau ab und wird dort steuerpflichtig?

 Nein, die KKN AG als Standortgesellschaft bleibt im Kanton Solothurn. Die neue Planungs- und Projektierungsgesellschaft, welche alle drei Projekte entwickelt, wird voraussichtlich in Aarau ihren Sitz haben.

 Wird die Axpo die Entscheidungen um die neuen Kernkraftwerke in der Schweiz beherrschen?

 Grundsätzlich hat Axpo eine führende Rolle auf Grund ihres Energiebezugsanteils. Unter anderem aus standortpolitischen Gründen können die Beteiligungsverhältnisse an der KKN AG aber vom Energiebezugsschlüssel abweichen. Der führende Standortpartner für das KKN-Projekt wird aber in jedem Fall die Alpiq sein. Dieser bestimmt das VR-Präsidium und die Geschäftsführung. Siehe auch Bericht Seite 7

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Kommentar

 Partnerschaft markieren

 Beat Nützi, Chefredaktor

 Für die einen ist es ein Kuhhandel, für die andern eine vernunftorientierte Einigung: Die Schaffung einer gemeinsamen Gesellschaft von Axpo, Alpiq und BKW für Planung und Bau neuer Kernkraftwerke (KKW). Auf jeden Fall ist spürbar, dass den Strombaronen offenbar einiges daran gelegen ist, gegen aussen Partnerschaft zu markieren. Sie scheinen eingesehen zu haben, dass ein gemeinsames Vorgehen gescheiter ist als von Eigeninteressen getriebene Konfrontation, wodurch man sich zum Spielball der Politik macht und Glaubwürdigkeit auf Spiel setzt. Denn die drei Energie-Player unterstreichen immer wieder, mit Blick auf die Sicherung der Energieversorgung im Landes- und nicht im Eigeninteresse zu handeln.

 Vernünftig erscheint auch der vereinbarte Modus für die Standortwahl: Neue KKW sollen in erster Linie dort entstehen, wo die Voraussetzungen am besten sind. Sollten alle drei zur Diskussion stehenden Standorte als gleichwertig beurteilt werden, wäre der Zeitpunkt für die Stilllegung der zu ersetzenden KKW ausschlaggebend. In diesem Fall müsste das Niederamt Beznau und Mühleberg den Vorrang geben. Das heisst: Ein neues KKW im Niederamt gibt es nur, wenn Standortvorteile für ein solches sprechen. Und das wird wahrscheinlich so sein. Denn in Bezug auf die Netzanbindung sind Beznau und Gösgen gleichwertig, nicht aber Mühleberg. Eine Hypothek für ein neues Kernkraftwerk im Niederamt ist und bleibt jedoch der beabsichtigte jahrzehntelange Parallelbetrieb mit dem bestehenden KKG.

 So oder so: Weil dereinst das Volk das letzte Wort hat, werden sich die Promotoren neuer KKW auf die Projekte mit den besten Chancen einigen müssen. Deshalb wird es zu weiteren internen Auseinandersetzungen zwischen Axpo, Alpiq und BKW kommen - auch wenn es darum geht, die besiegelte Partnerschaft weiter zu konkretisieren.

 nuetzi@oltnertagblatt.ch

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Blick 24.12.10

Gösgen-Betreiber und Alpiq-Chef Giovanni Leonardi über den Schulterschluss der Atom-Stromer

 Hoffen Sie auf einen Sieg der Berner AKW-Gegner?

 Alpiq, Axpo und BKW tun sich jetzt doch zusammen und beteiligen sich mit je einem Drittel an einer gemeinsamen Planungsfirma für neue AKW. Warum nicht gleich?

 Giovanni Leonardi: Wir haben rund zwei Jahre verhandelt. Ich finde das nicht so lange für ein gigantisches Projekt von der Grösse einer Neat mit Kosten von 6 bis 8 Milliarden Franken - pro Kraftwerk. Das geht über Generationen. Für mich war von Anfang an klar, dass das keiner von uns alleine machen kann.

 Der Standortstreit ist nicht gelöst. Drei wollen bauen, aber gebaut werden höchstens zwei. Neu will man die AKW dort bauen, wo die bestehenden Anlagen zuerst vom Netz gehen. Also hat Ihr Projekt in Gösgen schlechte Karten, weil diese Anlage neuer ist als die andern.

 Moment. Wir haben uns mit Axpo und BKW darauf geeinigt, dass alle drei Projekte gleichwertig sind und dass auch alle drei weiter verfolgt werden. Erst 2012 werden wir eine saubere Entscheidungsgrundlage haben - technisch, politisch, wirtschaftlich. Erst falls die Projekte dann immer noch gleichwertig sind, entscheidet die Reihenfolge der Ausserbetriebnahme.

 Das gibt sicher Krach. Wer bestimmt, ob die Projekte gleich gut sind?

 Wir selber. Wir brauchen keinen Schiedsrichter. Es ist alles genau in einem Vertrag festgeschrieben.

 Nochmals: Wenn alle gleich gut sind, wird Gösgen nicht gebaut.

 Ja, das würden wir dann auch akzeptieren.

 Warum entscheidet man nicht schon jetzt?

 Es stehen noch Einschätzungen von Behörden aus. Und politische Abstimmungen.

 Im Februar entscheidet das Volk im Kanton Bern in einer Konsultativabstimmung über ein neues AKW. Gibt es ein Nein, hat Mühleberg ein Problem - gut für Gösgen. Hoffen Sie auf einen Sieg der Atomgegner?

 Nein. Gibt es ein Ja, ist der politische Weg für Mühleberg offen. Bei einem Nein muss man weiterschauen. Aber nochmals: Wir spannen jetzt mit Axpo und BKW zusammen. Dank der neuen Partnerschaft sind wir in jedem Fall an einem neuen Kraftwerk beteiligt - egal, wo gebaut wird. Das ist kein Wettkampf.

 Bis gestern war es einer.

 Wir haben hart verhandelt. Aber nun wollen wir das beste Projekt mit den kleinsten Risiken bauen. Es geht um eine unabhängige Stromversorgung der Schweiz.

 Warum gibt es eigentlich im Kanton Solothurn, dem Standort von Gösgen, keine Volksabstimmung?

 Das kann immer noch kommen. Ich bin Manager, kein Politiker.

 Das Schweizer Stimmvolk entscheidet 2013 über neue AKW. Welches Resultat erwarten Sie aus heutiger Sicht?

 Ich bin weiterhin sehr optimistisch. Die Schweizer Stimmbürger sind sehr vernünftig.

 Interview:  Daniel Meier

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 Wo soll ein neues AKW gebaut werden?

 Die Strom-Lobby warnt vor Versorgungsengpässen und will die alten AKW durch neue ersetzen. Drei Projekte liegen vor: Beznau AG (Axpo), Mühleberg BE (BKW) und Gösgen SO (Alpiq). Nun spannen die drei Konzerne in einer gemeinsamen Planungsfirma zusammen. Gebaut werden aber höchstens zwei AKW - wenn überhaupt. Das Volk entscheidet 2013.

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Beobachter 24.12.10

Atommüll

 Plan: Mehr Zwischenlager

Thomas Angeli

 Ein Zwischenlager für Atommüll existiert bereits. Nun sollen direkt bei den geplanten Atomkraftwerken weitere riesige Deponien entstehen.

 Wenn im Jahr 2013 darüber abgestimmt wird, ob und wo in der Schweiz neue Atomkraftwerke gebaut werden sollen, entscheidet das Stimmvolk auch gleich über Bauten, die die AKWs um Jahrzehnte überdauern werden. Bei allen drei Neubauprojekten in Mühleberg (BKW), Beznau (Axpo) und im Niederamt (Alpiq) ist auch ein Zwischenlager für die radioaktiven Abfälle vorgesehen. Wenn, wie von den Betreibern geplant, zwei dieser Projekte gebaut werden, entstehen mit ihnen auch zwei temporäre Deponien für Atommüll.

 Dabei ist klar, dass die geplanten AKWs Platz brauchen würden, um die radioaktiven Abfälle bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers zwischenzulagern. Unbestritten war jedoch bisher, dass sämtliche Abfälle aus den bestehenden fünf Atomanlagen vorerst im zentralen Zwischenlager (Zwilag) in Würenlingen deponiert werden. Sämtliche abgebrannten Brennelemente, aber auch verstrahlte Anlageteile, die dereinst beim Rückbau der Anlagen anfallen werden, hätten in Würenlingen Platz, erklärt Zwilag-Geschäftsführer Walter Heep: "Das ist ja gerade der Sinn des Zwilag."

 Die Masse eines Fussballfelds

 Nun sehen die AKW-Betreiber jedoch vor, neben den neuen Atomkraftwerken riesige Hallen zu errichten, in denen nicht nur die Abfälle der geplanten Atomanlagen, sondern auch die abgebrannten Brennelemente und die Rückbauabfälle der bestehenden AKWs Platz haben sollen. In Beznau etwa ist allein für das Zwischenlager für Brennelemente eine Halle von 145 Metern Länge und 42 Metern Breite vorgesehen - die Masse eines kleineren Fussballfelds. In Mühleberg könnte die Halle bis 200 Meter lang und bis 80 Meter breit sein. Neue Zwischenlager seien "im Moment bloss eine Option", sagt BKW-Sprecher Antonio Sommavilla: "Wir könnten damit Synergien ausnützen und die alten Werke schneller zurückbauen."

 Bei den Umweltorganisationen reagiert man skeptisch. Grundsätzlich habe man immer gefordert, dass der radioaktive Müll direkt bei den AKWs zwischengelagert werde, so Florian Kasser, Greenpeace-Atomspezialist: "Allerdings muss man den Leuten dann auch klar sagen, dass selbst nach der Stilllegung des AKWs noch während Jahrzehnten eine riesige Halle mit hochradioaktiven Abfällen in der Gegend herumstehen wird."Thomas Angeli

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Tagesschau sf.tv 23.12.10

Stromkonzerne spannen zusammen

Die Energiekonzerne Axpo, Alpiq und BKW wollen in der AKW-Frage zusammenarbeiten. Sie haben eine Gesellschaft gegründet, die über die Standorte von zwei neuen Atomkraftwerke beraten soll.
http://videoportal.sf.tv/video?id=129709e0-5df8-40b2-a82b-49ca5fe78ca8

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Blick am Abend 23.12.10

Eine geballte Ladung für neue AKWs

 ATOM

 Die Stromgiganten Axpo, Alpiq und BKW spannen beim Bau von zwei AKWs zusammen.

 thomas.ungricht@ringier.ch

 Wir führen miteinander Gespräche", hiess es jeweils, wenn die drei grossen Stromkonzerne zum Bau von neuen Atomkraftwerken befragt wurden. Ab sofort will man nicht nur miteinander reden, sondern gemeinsam entscheiden.

 Die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und die BKW gründen eine Aktiengesellschaft, die sich mit der Planung und dem Neubau von zwei neuen AKWs befasst. Das Vorgehen beinhaltet auch die Standortwahl.

 Hier will man an den Projekten an den Standorten Beznau (AG), Mühleberg (BE) und Gösgen (SO) weiter festhalten.

 Alle drei Ersatz-Atomkraftwerke würden nun parallel und gleichwertig weiterentwickelt, heisst es heute. Der Entscheid, welche beiden Projekte verwirklicht werden, falle spätestens Mitte 2012 - vor dem Botschaftsund Entscheidentwurf des Bundesamts für Energie.

 Falls bis zu dieser Frist immer noch alle drei AKW-Projekte als gleichwertig beurteilt würden, werden die beiden Standorte gebaut, die zuerst ausser Betrieb genommen werden müssen. Das wären dann Mühleberg und Beznau. Das Nachsehen hätte Gösgen und die Betreiberin Alpiq. "Wir stehen trotzdem voll und ganz hinter der Einigung der Energiekonzerne", sagte Alpiq-Sprecher Martin Bahmüller. Ein Entscheid gegen Gösgen wäre für ihn überraschend, da das AKW im Kanton Solothurn politisch gut abgestützt sei.

 Möglicherweise bringt eine Konsultativabstimmung im Kanton Bern am 13. Februar die Vorentscheidung. Das Volk wird zu einem neuen AKW in Mühleberg befragt. Ein Nein an der Urne würde den Standort Mühleberg entscheidend schwächen. Rechtliche Konsequenzen hat die Abstimmung, aber keine. Doch wenn die Politik zwei von drei Standorten auswählen muss, wird sie darauf achten, wo die Akzeptanz am höchsten ist. Ein erster Stimmungstest war 2009 eine Abstimmung im Kanton Waadt. Dort wurde eine unbefristete Bewilligung vom AKW Mühlberg deutlich abgelehnt.

 Der Bundesrat wird voraussichtlich Mitte 2012 über die Gesuche entscheiden. Danach ist das Parlament am Zug. Das letzte Wort hat das Volk. Die Volksabstimmung wird vor aussichtlich Ende 2013 stattfinden. Stimmt das Volk zu, könnten die neuen AKWs zwischen 2025 und 2027 ans Netz gehen.

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presseportal.ch 23.12.10

Axpo Holding AG, Alpiq Holding AG und BKW FMB Energie AG
Einigung über Planung und Bau der Ersatz-Kernkraftwerke erreicht

Bern (ots) -

Axpo, Alpiq und BKW haben sich auf das weitere gemeinsame Vorgehen bezüglich Planung und Neubau von zwei Ersatz-Kernkraftwerken geeinigt. Diese sollen als Ersatz für die wegfallenden nuklearen Produktionskapazitäten in der Schweiz und die langfristigen Importverträge aus Frankreich dienen. Damit ist im Hinblick auf die Wahrung der zukünftigen Versorgungssicherheit der Schweiz ein Meilenstein erreicht. Axpo, Alpiq und BKW bringen ihre laufenden Projekte in eine gemeinsame Planungsgesellschaft ein. Die drei Projekte werden vorläufig parallel und gleichwertig weiter entwickelt. Entscheide bezüglich der Standorte oder der Reihenfolge werden zu einem späteren Zeitpunkt gefällt.

Nach intensiven Verhandlungen haben sich Axpo bzw. ihre Konzerngesellschaften Axpo AG und Centralschweizerische Kraftwerke AG, Alpiq und BKW über das weitere Vorgehen für den Ersatz der wegfallenden nuklearen Produktionskapazitäten sowie der französischen Importverträge durch den Neubau zweier Kernkraftwerke geeinigt. Diese Einigung wird von allen Beteiligten als Meilenstein auf dem Weg zu einer sicheren und zuverlässigen Stromversorgung der Schweiz betrachtet.

Axpo, Alpiq und BKW beteiligen sich je zu einem Drittel an einer gemeinsamen Planungs- und Projektgesellschaft. Deren Zweck ist die partnerschaftliche Planung dreier vergleichbarer Projekte bis zur definitiven Festlegung der Reihenfolge. Damit können die politischen und behördlichen Verfahrensabläufe beschleunigt, Synergien bei der Evaluation genutzt und Kosten gespart werden. Ausserdem werden die Voraussetzungen für eine mögliche zukünftige gemeinsame Betriebsgesellschaft geschaffen.

Der definitive Entscheid über die zu realisierende Reihenfolge wird spätestens vor dem Botschafts- und Entscheidentwurf gemäss dem Rahmenbewilligungsverfahren für neue Kernkraftwerke des Bundesamts für Energie (BFE) getroffen - gemäss heutigem Stand der Planung Mitte 2012. Als Basis für den Entscheid dienen neben der langfristigen Standortsicherung sowohl wirtschaftliche und politische Aspekte als auch Abklärungen des laufenden Prüfprozesses der drei Rahmenbewilligungsgesuche durch die Behörden. Falls diese Gesamtbeurteilung keine relevanten Unterschiede ergibt, werden die Standorte in der Reihenfolge der Ausserbetriebnahme der bestehenden Anlagen berücksichtigt.

Die Beteiligungsverhältnisse der drei Unternehmen an den Partnerwerken sehen wie folgt aus: 59% Axpo (Axpo AG 48,6%, Centralschweizerische Kraftwerke AG 10,4%), 25,5% Alpiq, 15,5% BKW. Diese Aufteilung spiegelt den heutigen Anteil der drei Partner am nuklearen Produktionspark der Schweiz und nicht die Marktanteile an der Versorgung in der Schweiz (Axpo 35%, Alpiq 24%, BKW 14%) wider. Für die erste Anlage wird das Beteiligungsverhältnis unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, wie die Laufzeiten der bestehenden Anlagen, leicht verschoben (Alpiq -3%, BKW +3%).

Axpo CEO Heinz Karrer betont: "Die nun erreichte Einigung ist ein wichtiger Durchbruch. Damit können wir auch in Zukunft unseren praktisch CO2-freien Strommix aus Wasserkraft, Kernenergie und neuen erneuerbaren Energien gewährleisten."

Alpiq CEO Giovanni Leonardi: "Die Einigung ist ein gemeinsames Bekenntnis der drei Partner für die Versorgungssicherheit unseres Landes."

BKW CEO Kurt Rohrbach ergänzt: "Axpo, Alpiq und BKW haben seit Beginn der Verhandlungen eine einvernehmliche Lösung angestrebt. Wir freuen uns, dass diese nun vorliegt."

Investitionen in die Versorgungssicherheit

Die bundesrätliche Energiepolitik setzt neben der Energieeffizienz, der Förderung der erneuerbaren Energien und der Zusammenarbeit mit Europa insbesondere auf den Ersatz oder Neubau von Grosskraftwerken. Darauf basierend und um die Versorgungssicherheit in der Schweiz zu gewährleisten, haben Alpiq (Juni 2008) sowie die Axpo Tochterunternehmen Axpo AG und Centralschweizerische Kraftwerke AG zusammen mit BKW FMB Energie AG (Dezember 2008) beim BFE Rahmenbewilligungsgesuche für Kernkraftwerke an den Standorten Niederamt (SO), Mühleberg (BE) und Beznau (AG) eingereicht. Am 30. Oktober 2009 übergaben die drei Projektanten die auf den im April 2009 erfolgten Antrag des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) überarbeiteten Unterlagen zu ihren Rahmenbewilligungsgesuchen an das BFE. Im November 2010 bestätigte das ENSI in seinen Gutachten die drei Standorte. Der Bundesrat wird laut BFE voraussichtlich Mitte 2012 über die drei vorliegenden Rahmenbewilligungsgesuche entscheiden, rund fünf Monate später als bisher geplant.

Über Axpo

Der Axpo Konzern mit der Axpo AG, der Centralschweizerischen Kraftwerke AG (CKW) sowie der EGL AG ist ein führendes Schweizer Energieunternehmen mit lokaler Verankerung und internationaler Ausrichtung. Stromproduktion, Handel, Verkauf und Dienstleistungen sind in den Unternehmensgruppen vereint. Axpo versorgt zusammen mit Partnern rund 3 Millionen Menschen in der Schweiz mit Strom. Die Axpo Holding AG ist zu 100 Prozent im Besitz der Nordostschweizer Kantone. Weitere Informationen: www.axpo.ch

Alpiq: Schweizer Wurzeln - Engagement in ganz Europa

Die Alpiq Holding AG ist das führende Energiehandelsunternehmen und die grösste Energiedienstleisterin der Schweiz mit europäischer Ausrichtung. Der Konzern ist Anfang 2009 aus dem Zusammenschluss der beiden Energiepioniere Atel Holding AG und Energie Ouest Suisse SA (EOS) entstanden. Er ist in 31 Nationen tätig, hat Tochtergesellschaften in 27 Ländern, beschäftigt mehr als 10 000 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2009 einen konsolidierten Jahresumsatz von rund 15 Milliarden Schweizer Franken. Alpiq ist in der Stromerzeugung und im Stromtransport, im Vertrieb und Handel sowie im Bereich Energieservice aktiv. Das Unternehmen ist zusammen mit seinen Partnern für rund ein Drittel der Schweizer Stromversorgung verantwort-lich. Mehr Informationen zu Alpiq: www.alpiq.com

BKW - vertikal integriert und in ausgewählten europäischen Märkten tätig

Die BKW FMB Energie AG ist mit 3'592 Mio. CHF Umsatz (2009) eines der bedeutendsten Schweizer Energieunternehmen. Sie beschäftigt rund 2'800 Mitarbeitende und deckt alle Stufen der Energieversorgung ab: von der Produktion über den Transport und Handel bis hin zum Vertrieb. Sie versorgt direkt und indirekt über ihre Vertriebspartner mehr als eine Million Menschen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Mit ihrem Handels- und Vertriebsgeschäft engagiert sich die BKW zudem in ausgewählten ausländischen Märkten. Der BKW-Produktionspark umfasst Wasserkraftwerke, ein Kernkraftwerk sowie Anlagen neuer erneuerbarer Energien (Wind und Sonne).  In Deutschland und Italien will die BKW in den nächsten Jahren ein Windkraftportfolio von insgesamt 750 MW aufbauen. Dank ihrem Engagement für erneuerbare Energien und ihren Ökostromangeboten unter der Angebotsmarke 1to1 energy ist die BKW heute die grösste Ökostromanbieterin in der Schweiz. Die BKW unterhält in der Schweiz auch ein weit verzweigtes, engmaschiges Stromnetz. Die Leitungen erreichen eine Länge von über 20'000 Kilometern. Zusammen mit den zahlreichen Schalt- und Transformierungsanlagen erschliessen sie das Versorgungsgebiet bis zu den abgelegensten Orten.Weitere Informationen: www.bkw-fmb.ch

Kontakt:
Axpo Holding AG | Corporate Communications
Media Hotline | 0800 44 11 00
Anahid Rickmann | 044 278 41 68

Alpiq Holding AG, Corporate Communications
062 286 71 10
Martin Bahnmüller

BKW FMB Energie AG,Media Communications
031 330 51 07
Antonio Sommavilla

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presseportal.ch 23.12.10

Einigung zwischen Axpo Holding AG, Alpiq Holding AG und BKW FMB Energie AG
Bedeutung der Einigung für die BKW

Bern (ots) - Nach längeren Verhandlungen haben sich die Axpo Holding AG, die Alpiq Holding AG und die BKW FMB Energie AG (BKW) auf das weitere gemeinsame Vorgehen bezüglich Planung und Neubau von zwei Ersatzkernkraftwerken, inklusive Vorgehen betreffend Standortwahl, geeinigt.

Als Basis für diese Einigung dienen neben der langfristigen Standortsicherung sowohl wirtschaftliche und politische Aspekte als auch Abklärungen des laufenden Prüfprozesses der drei Rahmenbewilligungsgesuche durch die Behörden. Falls diese Gesamtbeurteilung keine relevanten Unterschiede ergibt, werden die Standorte in der Reihenfolge der Ausserbetriebnahme der bestehenden Anlagen berücksichtigt (d.h. zuerst werden Beznau und Mühleberg ersetzt, dann Gösgen). Der definitive Entscheid über die Standorte und die über zu realisierende Reihenfolge wird zu einem späteren Zeitpunkt gefällt.

Die BKW wird die Betriebsführung des Ersatzkernkraftwerks Mühleberg (EKKM) übernehmen. Die anderen Partner werden sich am Ersatzkernkraftwerk Mühleberg beteiligen und helfen so, die Finanzierungslasten und das Betriebsrisiko wie üblich bei Partnerwerken mitzutragen. Das Partnerwerkmodell, das sich bei den meisten grösseren Wasserkraftanlagen (z.B. KWO, Mattmark, Grande Dixence, Engadiner Kraftwerke) und auch bei den neueren Schweizer KKW (Gösgen und Leibstadt) bewährt hat, dient der Risikodiversifikation und wird auch beim anderen Ersatzkernkraftwerk angewandt. Zudem kann die BKW bei wichtigen Fragen wie beispielsweise die Reaktorwahl nicht überstimmt werden.

Die Betriebsführung der BKW in Mühleberg wird durch die Partner anteilig abgegolten, so dass die BKW bei EKKM gegenüber den Bezugsanteilen zusätzlich profitiert. Zudem ermöglicht die Betriebsführung die Beibehaltung, resp. den Aufbau des entsprechenden Know-hows in der Region Bern / Nordwestschweiz und die Bewirtschaftung des Kraftwerks bezüglich Systemdienstleistungen. Dies ermöglicht der BKW, die Produktion zu optimieren.

Die Strombezugsanteile aus den beiden Kraftwerken entsprechen den heutigen Beteiligungsanteilen an Kernenergiekapazitäten (Axpo 48.6%, Alpiq 25.5%, BKW 15.5%, CKW 10.4%). Für das erste Ersatzkernkraftwerk werden die Anteile unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, wie die Laufzeiten der bestehenden Anlagen, zudem leicht verschoben (Alpiq -3%, BKW +3%). Gemäss Vereinbarung über den Strombezug aus den beiden Ersatzkernkraftwerken wird die BKW Kraftwerksanteile im Umfang von über 500 MW bekommen. Damit kann die BKW das bestehende KKW Mühleberg (372 MW) und den Strombezugsvertrag aus dem KKW Fessenheim (F) im Umfang von 88 MW kompensieren und so die Stromversorgung im BKW-Versorgungsgebiet langfristig sichern.

Die seit Jahrzehnten bewährte Stromversorgung der BKW mit Kernenergie und erneuerbaren Energien kann so weitergeführt werden.

Kontakt:
Antonio Sommavilla
Media Communications / BKW FMB Energie AG
031 330 51 07  

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Südostschweiz 23.12.10

Neue AKW: Glarner sollen mitreden

 Die Grünen wollen, dass das Glarner Volk bei der Stellungnahme des Kantons zu neuen Schweizer Atomkraftwerken mitreden kann. Hierzu stellen sie der Regierung in einer Interpellation Fragen.

 Glarus. - Die Kantone werden voraussichtlich im nächsten Jahr zu den Rahmenbewilligungsverfahren für drei neue Atomkraftwerke Stellung nehmen können. In einer Interpellation an die Regierung verlangt nun die Grüne Landratsfraktion, dass das Glarner Volk hier mitreden kann.

 Die Grünen betonen, dass der Kanton Glarus als Miteigentümer des Stromkonzerns Axpo "direkt mitbetroffen sei". Die Bevölkerung habe aber keinen Einfluss auf "ihre" Axpo. Diese handle im Auftrag der Kantone nach eigenem Gutdünken. "Deshalb muss die Bevölkerung bei der Stellungnahme des Kantons mitreden können", schreiben die Grünen.

 Gibt es eine Vernehmlassung?

 Sie fragen die Regierung in der Interpellation, ob sie ebenfalls der Ansicht sei, dass das Volk bereits frühzeitig - "also jetzt bei der Stellungnahme des Kantons" - einbezogen werden solle. Des weiteren möchte die Partei von der Regierung wissen, ob sie bereit sei, zur Stellungnahme eine Vernehmlassung bei Parteien, Verbänden und der Bevölkerung durchzuführen.

 Auch über die politische Linie der Regierung wollen die Grünen Bescheid wissen: "Ist der Regierungsrat bereit, bei seiner Stellungnahme den Umbau der Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien und ohne neue Atomkraftwerke zu verlangen?", heisst es in der Interpellation. (eing)

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Aargauer Zeitung 23.12.10

Standortwahl für Lager von Atommüll: Fairness verlangt

 Zeihen Gemeinderat äussert sich zum Sachplan geologisches Tiefenlager

Walter Christen

 "Man muss sich weiter intensiv Gedanken darüber machen, wie es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit der Entsorgung von radioaktiven Abfällen weitergehen soll. Das ist ein heikles, komplexes Thema und ruft gewisse Bedenken hervor. Es handelt sich bei der Entsorgung radioaktiven Abfalls um ein generationenüberschreitendes Problem." Dies hielt der Zeiher Gemeindeammann Ueli Schenk im Gespräch mit der az Aargauer Zeitung fest.

 Das Dorf Zeihen im Standortgebiet

 Zeihen ist eine der tangierten Gemeinden im ausgeschiedenen Standortgebiet, wo die unterirdischen Anlagen für ein geologisches Tiefenlager für hochaktive Abfälle im Opalinuston der Bözbergregion erstellt werden könnte. Doch der vorgeschlagene Zeitplan birgt aus Zeiher Sicht die grosse Gefahr, dass eine vorschnelle Gesamtbewertung der Standorte vorgenommen wird. Aus diesem Grund müsse der Zeitplan massiv ausgeweitet werden. "Es soll keine zu schnelle Gangart eingeschaltet werden", so Gemeindeammann Ueli Schenk.

 Da die Gemeinde Zeihen direkt und/oder indirekt von einem potenziellen Tiefenlager Bözberg betroffen wäre, hat der Gemeinderat die Möglichkeit im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens zum Sachplan genutzt und eine Stellungnahme beim Bundesamt für Energie eingereicht.

 Das Sachplanverfahren soll gewährleisten, dass die infrage kommenden Gebiete für ein geologisches Tiefenlager transparent und fair untersucht und geprüft werden. Dazu soll die Öffentlichkeit über Grundsätze, Vorgehensweisen und Ziele des Bundes bei der Entsorgung von nu-klearen Abfällen informiert werden. Trotz grossem Aufwand vonseiten des Bundesamtes für Energie, die Öffentlichkeit auf dem Laufenden zu halten, gab es inzwischen Rückmeldungen aus der Bevölkerung, wonach weitere, auch für Laien besser verständliche Informationen nützlich gewesen wären.

 Höchste Sicherheit hat Priorität

 Höchste Priorität hat aus Sicht des Gemeinderats Zeihen die Langzeitsicherheit. "Es ist daher eher unver-ständlich, dass der Jura (Bözberg) zur Auswahl steht. Gerade das Juragebirge ist in Bewegung, was für ein allfälliges Tiefenlager grosse Probleme mit sich bringen könnte. Zudem muss die Problematik der unterschiedlichen Erosionsarten in den Sicherheitsanalysen vertieft untersucht werden."

 Für die sozioökologischen Studien wurde vom Bundesamt für Raumplanung, unter Einbezug der Arbeitsgruppe Raumplanung, eine Methodik entwickelt. "Mit einem gewissen Unbehagen müssen wir darauf vertrauen, dass diese Methodik zu plausiblen Resultaten führt. Wir sind deshalb der Meinung, dass die vom Ausschuss der Kantone empfohlene Zusatzuntersuchung zu Gesellschaft und Image dringend gemacht werden sollte", heisst es in der Stellungnahme des Gemeinderats Zeihen.

 "Nicht die hohle Hand machen"

 Allfällige negative Einflüsse müssen erkannt und abgegolten werden, würde doch der Jurapark ansonsten klar an Glaubwürdigkeit verlieren, meint die Zeiher Exekutive. "Es gäbe sicher verschiedene Arten von Entschädigungen. Die betroffenen Gemeinden müssten diesbezüglich berücksichtigt werden. Aber einfach die hohle Hand machen wäre auch nicht das Wahre", so Ueli Schenk.

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 Tiefenlager in der Region?

 Ein oder zwei Tiefenlager sollen in der Schweiz für die Lagerung radioaktiven Mülls gebaut werden. Abklärungen in 6 Gebieten werden vorgenommen, auch im Raum Bözberg/oberes Fricktal. Die Gemeinde Zeihen liegt im Standortgebiet des Tiefenlagers. Neben dem Platz für die Aufbewahrung des radioaktiven Abfalls in 500 bis 900 Meter Tiefe wird im Einzugsgebiet eine Empfangsanlage benötigt. Das Material soll dort umgeladen und bis zu 5 Kilometer weit ins Endlager geführt werden. (chr)

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Südostschweiz 23.12.10

Regierung will Klarheit von der Axpo

 Anfang November reichte die grüne Landratsfraktion eine Interpellation zum Bezug von Uranbrennmaterial aus Majak (Russland) durch die Axpo ein. Die Regierung hat nun eine Antwort gegeben.

 Glarus. - Von Umweltverbänden wird bezweifelt, dass die Anlage in Majak international anerkannte Umwelt-Standards einhält. Die Axpo trifft dazu zurzeit Abklärungen. Der Regierungsrat erwartet hierzu umfassende Informationen und begrüsst, "dass die Axpo gewillt ist, volle Transparenz in den Brennstoffkreisläufen zu schaffen und die Öffentlichkeit laufend über neue Erkenntnisse zu informieren".

 Beurteilung durch Axpo

 Gemäss Mitteilung ist dem Regierungsrat wichtig, dass in der gesamten Lieferkette internationale Umwelt- und Qualitätskriterien eingehalten werden. Die Regierung erwartet deshalb von der Geschäftsleitung und vom Verwaltungsrat der Axpo, dass allfällige Massnahmen ergriffen werden, falls "Unregelmässigkeiten im Umgang mit Mensch und Umwelt" entdeckt werden.

 Eine Beurteilung darüber müsse abschliessend durch den Verwaltungsrat der Axpo Holding AG erfolgen. Der Regierungsrat lehnt es daher ab, eine fristlose Kündigung der Verträge zu verlangen, ohne dass die Resultate der Abklärungen vorliegen. (mitg)

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NZZ 23.12.10

Uranbrennstäbe aus Russland

 (sda) · Die Umweltorganisation Greenpeace fordert von den Aktionären des Atomkraftwerks Gösgen volle Transparenz zur Verwendung von Brennelementen aus der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak. Die Anlage belastet die Umwelt und Menschen radioaktiv.

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L'Hebdo 23.12.10

Avenir énergétique

 Le lobby du nucléaire déjà à l'œuvre

 MICHEL GUILLAUME

 Au printemps prochain, la plupart des cantons romands se prononceront - à titre consultatif - sur l'avenir du nucléaire. A Berne, le lobby s'installe.

 Le compte à rebours est enclenché. Le débat, enseveli durant près de vingt ans, est relancé. L'Inspection fédérale de la sécurité nucléaire vient de déclarer conformes les trois demandes de nouvelles centrales. Au printemps prochain, plusieurs cantons romands organiseront des votations consultatives pour arrêter leur position. Le Conseil fédéral se prononcera en 2012, avant que le peuple suisse n'ait le dernier mot, en 2014 au plus tard.

 Les trois grands groupes électriques, Alpiq, Axpo et FMB, souhaitent tous une nouvelle centrale. Ils se montrent gourmands, probablement trop. Ils sont prêts à investir de grosses sommes - près de 25 millions de francs jusqu'à la votation selon les estimations - pour faire triompher leur cause. A lui seul, le Forum nucléaire, qui est financé par les électriciens, affiche un budget annuel de plus de trois millions.

 Les deux camps affûtent leur argumentaire. Les partisans du nucléaire thématisent surtout la pénurie d'électricité qui se profile à l'horizon 2020. Ils ont pour l'instant une longueur d'avance dans les sondages, qui leur donnaient en 2009 une majorité de près de 55%. Leurs adversaires ne se résignent pas. Plus que jamais, ils sont prêts à monter au front. Ils insistent sur les risques de cette technologie. Ces dernières semaines, ils n'ont pas manqué de dénoncer la provenance douteuse de l'uranium russe des centrales du groupe Axpo, qui a été contraint d'avouer certains faits avérés. Ils répètent que le problème du dépôt des déchets nucléaires n'est toujours pas résolu. En Suisse allemande, aucune région ne veut l'accueillir.

 Le 13 février 2011, le canton de Berne sera le premier à voter. Il ne s'agit que d'un scrutin consultatif, une péripétie dans le débat, pourrait-on croire. En fait, il est capital, car il donnera non seulement le ton du débat, mais aussi un fort signal sur les sites retenus en 2012 par le Conseil fédéral. Si les partisans du nucléaire perdent la votation, il est à peu près certain que le site de Mühleberg n'entrera plus en ligne de compte pour une nouvelle centrale.

 En Suisse romande, les dates des votations ne sont pas encore arrêtées. Durant le premier semestre, Vaudois et Jurassiens seront appelés aux urnes. Le débat y sera moins passionné qu'outre-Sarine, où sont situées les cinq centrales en fonction. Les Romands sont moins engagés dans le nucléaire; ils ne le sont qu'à travers EOS Holding (EOSH), désormais actionnaire à 31% d'Alpiq, qui possède de fortes participations minoritaires dans les centrales de Leibstadt (32%) et de Gösgen (40%).

 Déplacer les priorités.

 Mais les principaux actionnaires d'EOSH - Romande Energie, les Services industriels de Genève (SIG), de Lausanne (SIL) et Groupe E notamment - sont pour la plupart convaincus de la nécessité de déplacer les priorités en matière énergétique ou alors proposent de construire des centrales à gaz. Comme ils sont avant tout des distributeurs d'électricité, ils portent désormais l'accent à la fois sur l'efficience (les économies) et le développement des nouvelles énergies renouvelables.

 Dans le cadre des négociations de la Suisse avec l'UE devant déboucher sur un accord sur l'électricité, un bras de fer a d'ailleurs vu s'affronter les distributeurs des grandes villes suisses (Swisspower) aux grands groupes nucléaires réunis au sein de Swisselectric. Ceux-ci s'opposaient au fait que le Conseil fédéral étende son mandat de négociation à la directive de Bruxelles sur les énergies renouvelables. Le gouvernement a tranché en faveur des premiers.

 Sur le plan politique, les positions sont claires. L'UDC et le PLR veulent construire deux nouvelles centrales; les socialistes et les Verts s'y opposent. Le PDC, le parti de la cheffe du DETEC Doris Leuthard, jouera le rôle d'arbitre. Il prépare un papier de position qui sera dévoilé en janvier prochain. Il pourrait pencher - dans un premier temps en tout cas - pour la construction d'une seule, mais grande centrale. La bataille sera formidable, le lobby du nucléaire (voir ci-contre) fourbit ses armes jusqu'au cœur de la Berne fédérale.

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 GROUPE PARLEMENTAIRE AVES (100 membres)

 Action pour une politique de l'énergie raisonnable

 ROLF SCHWEIGER (CE-ZG/PLR) Président

 PANKRAZ FREITAG (CE-GL/PLR) Vice-président d'AXPO Les Romands:

 DOMINIQUE BAETTIG (CN-JU/UDC)

 JACQUES BOURGEOIS (CN-FR/PLR)

 MARTINE BRUNSCHWIG GRAF (CN-GE/PLR)

 CHARLES FAVRE (CN-VD/PLR)

 JEAN-PIERRE GRABER (CN-BE/UDC)

 JEAN-PIERRE GRIN (CN-VD/UDC)

 RENÉ IMOBERDORF (CE-VS/PDC)

 GUY PARMELIN (CN-VD/UDC)

 ANDRÉ REYMOND (CN-GE/UDC)

 URS SCHWALLER (CE-FR/PDC)

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 UN LOBBY TRÈS PUISSANT

 Doris Leuthard, la cheffe du Département fédéral de l'environnement, des transports, de l'énergie et de la communication (DETEC), aura fort à faire pour arbitrer le débat nucléaire. Un puissant lobby exercera sur elle de fortes pressions pour que le Conseil fédéral propose au Parlement, puis au peuple, la construction de deux nouvelles centrales. A sa tête, les trois grands groupes Alpiq, Axpo et FMB, dont l'actionnariat est souvent contrôlé par les collectivités publiques à travers leurs services électriques. Leur meilleur allié sera l'association economiesuisse. Leurs patrons Hans Schweickardt (Alpiq), Heinz Karrer (Axpo) et Kurt Rohrbach (FMB) font tous partie de son comité.

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 FÉDÉRATION ROMANDE DE L'ÉNERGIE CHANTAL BALET présidente PAUL-ANDRÉ ROUX (CN-VS/PDC), vice-président JACQUES BOURGEOIS (CN-FR/PLR), vice-président JEAN-PIERRE BOMMER secrétaire général

 SWISSNUCLEAR (section énergie nucléaire de Swisselectric)

 SWISSELECTRIC (association regroupant les grands producteurs d'électricité)

 FORUM NUCLÉAIRE CORINA EICHENBERGER (CN-AG/PLR), présidente BRUNO PELLAUD vice-président

 BURSON MARSTELLER (agence de communication du Forum nucléaire)

 FORUM SUISSE DE L'ÉNERGIE RUDOLF STEINER Président HAJO LEUTENEGGER Vice-président, président ASIG (Association suisse de l'industrie du gaz) KURT ROHRBACH Vice-président, président direction FMB, président de l'Association des entreprises électriques suisses)

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Bund 22.12.10

Betreiber setzen auf Bewährtes

 Die Stromkonzerne Axpo und BKW treiben die Planung für zwei neue Schweizer Atomkraftwerke voran. Geplant sind Leichtwasserreaktoren der neuen Generation.

 Martin Läubli

 Die Stromkonzerne Axpo und BKW setzen auf bewährte Technologie, wenn es darum geht, die Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg zu ersetzen. Es sollen Leichtwasserreaktoren sein wie bisher, "vollständig, schlüsselfertig und betriebsbereit", heisst es in der Ausschreibung der Resun AG. Die Planungsgesellschaft hat für Axpo und BKW die Beschaffung zweier neuer AKW eingeleitet - unabhängig, ob der Kanton Bern im kommenden Februar einer Vernehmlassung zum Bau eines neuen Kraftwerks in Mühleberg zustimmt.

 Zur Kategorie der Leichtwasserreaktoren gehören bereits der Siedewasserreaktor in Mühleberg und die Druckwasserreaktoren in Beznau, die in den 1970er-Jahren gebaut wurden. Ihnen ist gemeinsam: Der Kernspaltungsprozess wird mit gewöhnlichem Wasser gekühlt, das überwiegend das leichteste Wasserstoff-Isotop Protium enthält. Solche Anlagen der zweiten Generation liefern den grössten Teil des nuklearen Stroms in Europa.

 Nun nähert sich die Lebensdauer dieser Reaktoren allmählich dem Ende. Die Ersatzreaktoren sollen bedeutend mehr Leistung erbringen: netto rund 1160 bis 1740 Megawatt. "Es kommen nur Reaktorsysteme der neusten Generation infrage mit einer weltweit anerkannten Reaktortechnologie, die zertifiziert, im Bau oder sogar schon in Betrieb sind", heisst es auf der Website der Resun AG. Die neusten Reaktoren zählen zur dritten Generation, die seit den 1980er-Jahren entwickelt wurde und heute marktreif ist. Dazu gehören inzwischen acht verschiedene Typen von Leichtwasserreaktoren, die von acht unterschiedlichen Unternehmen angeboten werden.

 Der Generationenwechsel brachte grundsätzlich keine Neuerung im technischen System der Energiegewinnung. Der Betrieb der zweiten Generation hat sich bisher bewährt, die Technologie hat 12 000 Reaktorbetriebsjahre hinter sich. Technisch heisst das: Auch die neuen Leichtwasserreaktoren funktionieren mit Uran, das zu vier Prozent mit dem spaltbaren Isotop Uran 235 angereichert wurde. Wasser ist das Kühlmittel. Es nimmt die Wärme der Kernspaltung auf und gibt die Energie in Form von Dampf ab. Der Dampf treibt dann eine Stromturbine an.

 Unterschiedlich sind allerdings die Sicherheitskonzepte. Begonnen hat die Entwicklung bereits 1978 nach dem schweren Störfall im Druckwasserreaktor Three Miles Island im amerikanischen Harrisburg. Die Zerstörung des Reaktors im Kernkraftwerk in Tschernobyl 1986 hat die Neuentwicklung zur dritten Generation weiter vorangetrieben. Die Maxime hiess: "Kernreaktoren sollen so sicher sein, dass selbst bei einer Kernschmelze, die Bevölkerung nicht evakuiert werden muss", sagt Thomas Schulenberg vom Institut für Kern- und Energietechnik in Karlsruhe.

 Schutz bei Kernschmelze

 So entstand in Europa in deutsch-französischer Zusammenarbeit der europäische Druckwasserreaktor EPR. Er wurde erstmals 2003 verkauft. In Finnland und Frankreich sind derzeit zwei AKW dieses Typs im Bau, zudem entstehen zwei Anlagen im chinesischen Taishan. Der EPR des französischen Konzerns Areva gehört laut Experten zum Favoritenkreis für die geplanten neuen Ersatz-AKW in der Schweiz. Er gilt als Mercedes unter den Leichtwasser-Kraftwerken. "Kein anderer Reaktortyp ist so intensiv auf seine Sicherheit untersucht worden", sagt Schulenberg.

 Das Reaktorgebäude des EPR besteht aus zwei dicken Betonwänden. Das Herz des mehrfachen Sicherheitssystems ist eine Wanne. Im Fall einer unkontrollierten Kernspaltung soll sie die Kernschmelze auffangen, abkühlen und damit verhindern, dass sich radioaktives Material durch den Boden frisst und den Untergrund verseucht. Noch sicherer sollen die Kernreaktoren der vierten Generation sein. Seit fünf Jahren forschen die Ingenieure daran. Dazu gründeten zehn Nationen das Generation IV Forum, darunter die USA, Kanada, Japan, Südkorea, Südafrika und Frankreich. Das Motto heisst: "Sicher, wirtschaftlich und zuverlässig". Und die Kernkraftwerke der Zukunft sollen nur wenig Abfall produzieren.

 Zu dieser Kategorie gehören zum Beispiel die sogenannten Kugelhaufenreaktoren. Das Konzept wurde bereits vor mehr als 20 Jahren in einer deutschen Kernforschungsanlage in Jülich erfolgreich geprüft. Der Kernbrennstoff ist in tennisballgrosse Grafitkugeln eingeschlossen. Im Gegensatz zu den konventionellen Anlagen steuert und kühlt nicht Wasser den Reaktor, sondern Heliumgas. Dieses System soll gegenüber den Leichtwasserreaktoren einen höheren Sicherheitsstandard haben.

 Steigt die Temperatur im Kugelhaufen, so wird weniger Uran gespalten. Bei Überhitzung schaltet sich der Reaktor selbst ab. Auch der Wirkungsgrad ist besser, weil die Betriebstemperatur bei 800 Grad liegt, im Gegensatz zu Leichtwasserreaktoren, die bei etwa 350 Grad funktionieren.

 Für die Schweiz dürfte der Kugelhaufenreaktor jedoch keine Option sein, weil die Anlagen zu klein sind. Um die gleiche Leistung wie das AKW Leibstadt zu erzielen, brauchte es zehn solcher Kugelreaktoren. Ein Prototyp wird demnächst in China gebaut.

 Das Forum glaubt, bereits in 10 bis 20 Jahren erste Kraftwerkstypen dieser Generation ans Netz zu bringen. Der Kernphysiker Schulenberg ist skeptisch: "Ein neues System kann nicht sicherer sein als eines, das schon 30 Jahre läuft."

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Finnland

 Über 3000 Konstruktionsmängel

 Der Bau des neuen AKW auf der Insel Olkiluoto kommt nicht plangemäss voran.

 Bruno Kaufmann, Helsinki

 Schon die Baubewilligung war ein Kraftakt: Als sich das finnische Parlament vor bald zehn Jahren für den ersten neuen Atommeiler in Europa seit vielen Jahren aussprach, zerbrach deswegen die Regierungskoalition. Doch die Zukunftsvisionen waren vielversprechend: Finnland wollte vom Stromimport aus Russland unabhängig werden. Gleichzeitig sollten die im Klimaabkommen von Kyoto vereinbarten Umweltziele eingehalten werden. Arbeitsplätze sollten geschaffen und der Industrie sollte günstige Elektrizität angeboten werden. So waren der finnische Staat und der Stromkonzern TVO bereit, das Milliardenprojekt zu subventionieren.

 Seit 2004 bauen auf der Insel Olkiluoto an der finnischen Südwestküste bis zu 4000 Arbeiter einen 1600 Megawatt starken Druckwasserreaktor vom Typ EPR. Im Untergrund der Insel soll zudem das weltweit erste Endlager für hoch radioaktive Abfälle entstehen - in einer Tiefe von 500 Metern. Das gefährliche Material wird in Kupferbehälter abgepackt und mit Beton ummantelt.

 Das Bauprojekt hat Skeptikern Aufwind gegeben. So hat die finnische Aufsichtsbehörde im Verlauf der komplexen Bauarbeiten bereits über 3000 Konstruktionsmängel entdeckt. Ein Jahr nach der ursprünglich für 2009 geplanten Inbetriebnahme des neuen AKW ist immer noch unklar, wann der neue Meiler Strom produzieren wird. Vor wenigen Wochen stellte TVO "Ende 2013" in Aussicht.

 Zwei weitere Reaktoren geplant

 Auch wirtschaftlich hat das Projekt bislang die Erwartungen nicht erfüllt. Statt der ursprünglich vereinbarten gut drei Milliarden Euro könnten die Kosten auf über sechs Milliarden Euro steigen. Wer für diese Mehrkosten aufkommen soll, ist Gegenstand eines juristischen Verfahrens zwischen den finnischen Betreibern und dem französischen Areva-Konzern.

 In der finnischen Bevölkerung steht heute laut Meinungsumfragen eine Mehrheit der Atomenergie skeptisch gegenüber. Im Unterschied zur Schweiz hat das letzte Wort in der Energiepolitik jedoch das Parlament. Dieses hat sich im vergangenen Sommer für einen weiteren Ausbau der Kernenergie ausgesprochen und zwei weitere Reaktoren bewilligt.

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USA

 Die Nuklearbranche zögert

 Trotz hoher Kreditgarantien werden viele Bauprojekte in den USA zurückgestellt.

 Martin Kilian, Washington

 Die Vereinigten Staaten sind zwar weltweit der grösste Produzent nuklearen Stroms, neue Atomkraftwerke aber sind seit den 1980er-Jahren nicht mehr in Betrieb genommen worden. Und hatte die Regierung Obama noch zu Beginn des Jahres eine "nukleare Renaissance" erwartet, so sind inzwischen mehrere Bauprojekte wieder eingestellt worden. Die Hoffnung auf einen Fortschritt in der Nuklearenergie gründete einerseits auf den Bedarf an "sauberer Energie" angesichts des Klimawandels und zum anderen auf einen deutlich erhöhten amerikanischen Strombedarf.

 Kein Endlager

 Bereits 2005 hatte der Kongress mit dem "Energy Policy Act" 18,5 Milliarden Dollar an Kreditgarantien zum Bau neuer Atommeiler bewilligt, und im vergangenen Februar stellte die Regierung Obama Kreditgarantien in Höhe von 8 Milliarden Dollar für den Bau zweier Reaktoren der Firma Westinghouse im Bundesstaat Georgia bereit. Dennoch zögerten diverse US-Energieversorger, neue Bauprojekte in die Wege zu leiten: Hohe Kosten sowie das Problem der Endlagerung nuklearen Mülls lösten bei den Energiefirmen Bedenken aus. Das ursprünglich geplante Endlager in Yucca Mountain im Staat Nevada wurde nach dem Widerstand der örtlichen Bevölkerung aufgegeben. Eine neue Lösung ist nicht in Sicht.

 Der niedrige Preis von Naturgas wurde zu einem weiteren Hindernis für die Nuklearbranche, da er die Wirtschaftlichkeit von Atomstrom gefährdet. Erwartete die Aufsichtsbehörde, die Nuclear Regulatory Commission, noch im Frühjahr über zwanzig neue Bauanträge, so sind die meisten Projekte inzwischen verschoben oder eingestellt worden. Derzeit wird nur an zwei Reaktoren in Georgia gebaut, während die Erdarbeiten für einen weiteren Meiler in South Carolina begonnen haben.

 Geplante Atomkraftwerke in Texas und Florida sind hingegen ebenso storniert worden wie der Bau eines dritten Meilers im AKW Calvert Cliff im Staat Maryland, der vom Washingtoner Energieministerium mit einer Kreditgarantie von siebeneinhalb Milliarden Dollar unterstützt wurde. Nach Ansicht amerikanischer Experten wird es deshalb auf absehbare Zeit in den Staaten keine "nukleare Renaissance" geben.

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Bund 21.12.10

Uran-Deklaration: Regierungsrat ist unzufrieden mit der BKW

 Die BKW sollte besser Bescheid wissen über die Herkunft ihres Urans, findet der Regierungsrat.

 Sarah Nowotny

 Uran, Rohstoff für die Stromproduktion in AKW, stammt zum Teil aus Gebieten, in denen schlimme Zustände herrschen. So werden Umwelt und Menschen rund um amerikanische und australische Minen sowie in der Nähe der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak radioaktiv verseucht. Schweizer Energiekonzerne haben zum Teil Uran aus solch belasteten Gegenden bezogen - und tun es teilweise immer noch. Die BKW etwa erklärte im November, sie kenne die Herkunft ihres Urans nicht restlos, und konnte nur eine Mine zweifelsfrei als Lieferantin identifizieren. Dies hat die Politik auf den Plan gerufen. Die grüne Berner Grossrätin Natalie Imboden fragte die Kantonsregierung, ob diese wisse, woher das Uran im AKW Mühleberg stamme. Imboden fordert zudem mehr Transparenz und eine Deklarationspflicht für die Uran-Herkunft.

 In seiner gestern veröffentlichten Antwort hält der Regierungsrat nun fest, dass er bis vor kurzem nicht wusste, woher die BKW ihren Rohstoff bezieht. Die Nachfrage beim Unternehmen habe ergeben, dass auch die BKW bei mindestens zwei Lieferanten die Herkunft des Urans nicht eindeutig nachvollziehen könne, es keiner "spezifischen Mine" zuzuordnen vermöge. Diese Situation sei "nicht zufriedenstellend". Die Regierung erwartet nun, dass die BKW "künftig lückenlos die Prozesse vom Uranabbau bis zur Fertigstellung der Brennelemente kennt, diese transparent offenlegt und sicherstellt, dass kein Natururan aus fragwürdigen Quellen bezogen wird". Einen Abbauort, nämlich die australische Ranger-Mine, könne die BKW sehr wohl zweifelsfrei identifizieren, sagt dazu BKW-Sprecher Antonio Sommavilla. "Denn wir haben die Forderung der Regierung bereits umgesetzt: Bei der Uranbeschaffung diesen Herbst haben wir auf den Lieferanten mit der grösstmöglichen Transparenz gesetzt, um eine lückenlose Rückverfolgung zu ermöglichen." Der Lieferant sei nicht gleichzeitig der billigste gewesen.

 Dies dürfte nicht nur den atomkritischen Regierungsrat, sondern auch den AKW-Befürworter Christian Wasserfallen freuen. Der FDP-Nationalrat hatte bereits im November lückenlose Transparenz bei der Uranbeschaffung gefordert. Die Regierung will nun noch weiter gehen und sich beim Bund für eine gesetzlich verankerte Deklarationspflicht der Uranherkunft einsetzen - ihre Möglichkeiten, diese durchzusetzen, sind aber sehr beschränkt.

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BZ 21.12.10

Uran: Regierung nimmt die BKW in die Pflicht

 Uran-HerkunftFür den Berner Regierungsrat ist es inakzeptabel, dass die BKW nicht genau weiss, woher das Uran für ihre AKW-Brennstäbe stammt. Die Regierung fordert eine gesetzliche Deklarationspflicht auf Bundesebene.

 Die BKW musste Mitte November einräumen, dass sie nicht bis ins letzte Detail zurückverfolgen kann, woher das Uran für die Brennstäbe des AKW Mühleberg stammt. Zumindest eine Uranlieferung in den letzten zehn Jahren habe es gegeben, deren Spuren teilweise in die russische Kernaufbereitungsanlage Majak geführt haben. Das Gebiet um Majak ist wegen Vorfällen in der Anlage stark verseucht.

 Gestern nun liess der Berner Regierungsrat verlauten, es sei "nicht akzeptabel, dass Natururan aus ethisch fragwürdigen Quellen stammen könnte". Die aktuelle Situation sei nicht zufriedenstellend. Die Regierung erwarte von der BKW, dass sie künftig die Prozesse vom Uranabbau bis zur Fertigstellung der Brennelemente "lückenlos" kenne und sicherstelle, dass kein Natururan aus "fragwürdigen Quellen" bezogen werde.

 Der Regierungsrat platzierte diese Forderung in der Antwort auf eine Interpellation von Grossrätin Nathalie Imboden (Grüne) zum Thema Uran-Herkunft. Die Regierung scheint aber der BKW nicht zuzutrauen, dass sie ihre Forderung erfüllt. Denn der Regierungsrat will sich zusätzlich dafür einsetzen, dass auf Bundesebene eine gesetzliche Deklarationspflicht der Uran-Herkunft eingeführt wird. Ausserdem wird die Regierung im BKW-Verwaltungsrat verlangen, dass sich der Stromkonzern ebenfalls für eine solche Regelung einsetzt.
 phm

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20 Minuten 21.12.10

Intransparenz im Uranhandel

 BERN. "Nicht akzeptabel" findet der Berner Regierungsrat, dass die BKW die Herkunft des von ihr verwendeten Urans nicht lückenlos nachweisen kann. Der Energiekonzern kann zwar laut eigenen Angaben die Prozessschritte zur Brennelementherstellung und zur Anreicherung des Natururans nachvollziehen. Was die Gewinnung des radioaktiven Metalls angeht, bestehen jedoch Wissenslücken. "Das heisst, dass Uran auch aus fragwürdigen Quellen stammen könnte", schlussfolgert der Regierungsrat. Er will sich deshalb jetzt beim Bund für eine Uran-Deklarationspflicht einsetzen. Laut Menschenrechtlern sterben in Uranminen immer wieder Menschen, die Minen selbst bleiben nach dem Abbau als strahlende Müllkippen zurück. Anstoss für die Nachfrage des Regierungsrats bei der BKW gab ein Vorstoss von Grossrätin Natalie Imboden (Grünes Bündnis).  NJ

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Blick am Abend 20.12.10

Regierung rüffelt BKW

 SO NICHT

 Die BKW weiss nicht, woher sie ihr Uran für das AKW Mühleberg hat. Die Berner Regierung fordert jetzt eine Deklarationspflicht.

 Für den Berner Regierungsrat ist es "nicht akzeptabel", dass der Berner Energiekonzern BKW nicht vollumfänglich sagen kann, woher das Uran für das Kernkraftwerk Mühleberg kommt. Die Regierung antwortete damit heute auf eine Interpellation, die Grossrätin Natalie Imboden (Grüne) im November eingereicht hatte. "Der Regierungsrat erwartet von der BKW, dass sie künftig lückenlos die Prozesse vom Uranabbau bis zur Fertigstellung der Brennelemente kennt, diese transparent offenlegt und sicherstellt, dass kein Natururan aus fragwürdigen Quellen bezogen wird", schreibt die Regierung in ihrer Antwort. Die Schritte zur Gewinnung des Natururans könne die BKW nicht vollständig nachvollziehen. Das heisse, dass Uran aus fragwürdigen Quellen stammen könnte.

 Imboden wollte von der Regierung wissen, ob sie gewillt sei, Grundlagen für eine Deklarationspflicht zu schaffen. Die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Kernenergie liegt jedoch in der ausschliesslichen Kompetenz des Bundes. "Da die heutige Situation nicht befriedigend ist, wird sich der Regierungsrat auf Bundesebene für eine gesetzliche Deklarationspflicht der Uranherkunft einsetzen", sagt die Regierung, die im BKW-Verwaltungsrat sitzt. Die BKW solle sich auch selbst für eine solche Regelung einsetzen. SDA/ehi


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NZZ 20.12.10

AKW und die Romantik im Auge

 Kerntechnik-Spezialist Horst-Michael Prasser über die Wahrnehmung seiner Zunft

 Horst-Michael Prasser forscht über Effizienz und Sicherheit von Atomkraftwerken. Zu Beginn seiner Karriere in der DDR war dies freilich prestigeträchtiger.

 Davide Scruzzi

 Gerne würde sich Horst-Michael Prasser häufiger der Kritik von AKW-Gegnern stellen. Er werde aber vor allem zu Anlässen eingeladen, bei denen die Befürworter der Atomkraft dominierten, sagt der 55-jährige ETH-Professor für Kernenergiesysteme. Hat diese Kluft zwischen den AKW-Spezialisten und kritischen Teilen der Öffentlichkeit aber nicht gerade damit zu tun, dass sich die Wissenschafter selber mit problematischen Aspekten der Atomenergie schwertun? Prasser gibt die Schwierigkeiten seiner Zunft bei der Kommunikation zu. Man sei oft "übervorsichtig", um die Kernenergie nicht in Misskredit zu bringen. Seine Disziplin verharre in einer Verteidigungshaltung, das Reden über Sicherheitsstandards schüre dann eher noch die Ängste. Der Nutzen der Kernenergie komme dabei häufig zu kurz. Nötig sei ein offener Dialog, sagt Prasser, verweist aber auf das Problem der technischen Komplexität.

 Auffällig zurückhaltend gibt sich dann allerdings auch er selbst bei der Frage nach den jüngsten Vorwürfen an Schweizer AKW-Betreiber, dass in den Uran-Lieferketten ökologisch bedenkliche Anlagen in Russland involviert seien - er habe leider keine genauen Informationen dazu, erklärt Prasser kurz.

 Das Ende der DDR gemeistert

 Dass sein Fach nun oft im Gegenwind der öffentlichen Meinung steht, nimmt er gelassen. Womöglich schöpft der Hobbypianist seine sympathische Ruhe ja aus der Beschäftigung mit Klaviermusik der Romantik. Gerne stöbert er Partituren unbekannter Meister auf, vorzugsweise in Antiquariaten.

 Dem in der DDR gross gewordenen Kernenergie-Professor gelang es, seinem Arbeitsort nach der Wende eine harmonische Zukunft zu sichern. Das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf wurde durch Prasser erfolgreich in der Sicherheitsforschung und der Entwicklung von Mess- und Experimentiertechniken positioniert. Doch nicht nur mit dem Fluss der Geschichte hat Prasser Erfahrungen. Er ist Spezialist für Thermofluiddynamik, beschäftigt sich mit Gas- und Flüssigkeitskreisläufen im Reaktorkern sowie auch - im Fall eines zu beherrschenden Störfalls - mit Phänomenen innerhalb des ganzen Reaktorschutzmantels. In seinem Labor am Paul-Scherrer-Institut steht eine der grössten Versuchsanlagen der Welt zur Nachbildung solcher Störfälle, notabene mittels ungefährlicher Modellsubstanzen. Ein anderer Schwerpunkt ist die Energieausbeute pro Kilogramm Natururan, also die Effizienz. Diese kann verbessert werden, wenn die Anordnung der Brennstäbe optimiert wird. Natururan enthält nämlich sehr viel eines nicht spaltbaren Uranisotops. Durch Verbesserungen könne bereits in heutigen Reaktoren über die Umwandlung in Plutonium mehr davon doch noch zur Energiegewinnung genutzt werden. Die Kühlung der Brennstäbe sei dabei aber eine Herausforderung.

 Ausbildung in der UdSSR

 Prassers kleines Labor an der ETH Zürich zieht Doktoranden aus aller Welt an. Der Kerntechnik-Lehrstuhl konnte aber nur dank der Finanzierung durch die AKW-Betreiber überleben. 2006 trat Prasser dort seine neue Stelle an. Viel grösser war das Prestige dieser Wissenschaft, als sich der in Görlitz Aufgewachsene als Schüler bei der Besichtigung des Atomkraftwerks Rheinsberg dafür begeisterte. Dem jungen Gewinner von Mathematik-Olympiaden und späteren Absolventen eines Ostberliner Elitegymnasiums stand der Weg ans Moskauer Energietechnische Institut offen, von dessen "Drill" in Mathematik und anderen Fächern er noch heute profitiere, sagt Horst-Michael Prasser, der nun mit seiner Partnerin im Aargau lebt.

 Auch nach der Rückkehr in die DDR habe er sich auf die akademische Arbeit konzentriert. Von den Bedingungen in osteuropäischen Kernkraftwerken habe er wenig mitbekommen, so Prasser. Die Regelverstösse der AKW-Operateure bei der Tschernobyl-Katastrophe und jene Konstruktionsfehler waren für ihn ein "böses Erwachen", wie er sagt. Ein grosses Problem der sowjetischen Anlagen sei die Qualitätssicherung bei Bau und Betrieb gewesen. Zu viel sei improvisiert worden, und dies sei das Gegenteil von Sicherheitskultur. Heute hätten gerade die Wissenschafter ein vitales Eigeninteresse, neue Sicherheitsaspekte aufzuzeigen und zu untersuchen.

 Im Westen seien nach dem Störfall im amerikanischen Kraftwerk Three Mile Island 1979 die Standards so verbessert worden, dass das Restrisiko nun viel kleiner sei als die Vorteile der Kernenergie. Deren Ersatz durch erneuerbare Quellen ergebe "keinen Sinn", denn dann "verpuffe der Nutzen der Erneuerbaren", die als Ersatz von fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas dienen sollten, so die provokante Meinung Prassers.

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Zentralschweiz am Sonntag 19.12.10

Wellenberg

 Gemeinderat hat Bedenken

 om. Die Kantone Nidwalden und Obwalden haben den Bund am Freitag erneut dazu aufgefordert, den Wellenberg von der Liste der möglichen Standort für ein Atomendlager zu streichen (siehe Ausgabe von gestern). Die gleiche Meinung vertreten auch die Behörden der Standortgemeinde Wolfenschiessen. "Wir machen darauf aufmerksam, dass bei der geologischen Beurteilung des Wellenbergs bezüglich der Tektonik und der langfristigen Entwicklung grosse Bedenken vorliegen", hält der Gemeinderat in seiner Stellungnahme zur ersten Etappe des sogenannten Sachplans geologische Tiefenlager fest.

 Ein Gutachten von Jon Mosar, das dieser im Auftrag der Nidwaldner Regierung erstellt hat, ist zum gleichen Schluss gekommen. "Aus Sicht der Tektonik schätze ich den Wellenberg als einen ungünstigen Standort für die Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen ein", so der Experte von der Universität Freiburg. Der Wolfenschiesser Gemeinderat äussert deshalb seine Bedenken: "Es muss während des Baus mit unliebsamen Überraschungen gerechnet werden."

 Sechs Standorte dabei

 Wie die Regierung fordert auch der Gemeinderat, dass das Nein des Nidwaldner Stimmvolks bei früheren Abstimmungen "politisch richtig zu gewichten" ist. Der Wellenberg müsse alleine schon deswegen vom Bundesrat aus dem Rennen genommen werden. Die Wolfenschiesser befürchten gar, dass jene Gegend mit der geringsten nationalen Einflusskraft zum Standort wird, obwohl sich dieser nicht am besten dazu eignet. Neben dem Wellenberg stehen die Regionen Bözberg (AG), Jura-Südfuss (AG), Nördlich Lägeren (AG und ZH), Südranden (SH) und das Zürcher Weinland zur Diskussion.

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Bund 18.12.10

Atomkraft

 Aargau, Ob- und Nidwalden wehren sich gegen Atommüll

 Drei Kantonsregierungen haben sich gestern zum Thema Atommüll zu Wort gemeldet. Der Aargau will kein Tiefenlager für hoch radioaktive Abfälle. Der Aargau trage bereits hohe Lasten für die ganze Schweiz. Ob- und Nidwalden fordern, dass der Wellenberg als Standort für ein Atommülllager gestrichen werde. Sie haben Bedenken bezüglich der Geologie.(sda)

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Basler Zeitung 18.12.10

Der Aargau will kein Endlager

 Regierung verabschiedet eine überraschend deutliche Stellungnahme an den Bund

 Samuel Mattli

 Der Kanton Aargau trage schon genug Lasten für die ganze Schweiz. Deshalb soll er jetzt nicht auch noch ein Endlager für Atommüll aufgedrückt bekommen, teilt der Regierungsrat dem Bund mit.

 Die Atomkraft gehört für klischeeselige Zeitgenossen genauso zum Aargau wie die Rüeblitorte und verstopfte Autobahnen: Drei Reaktorblöcke produzieren Strom (und ein vierter steht gleich ennet der Kantonsgrenze im solothurnischen Gösgen), mit dem Paul-Scherrer-Institut befindet sich das wichtigste Nuklearforschungsinstitut der Schweiz im Kanton, und im Zwischenlager Würenlingen stapelt sich der strahlende Abfall. Und wenn der ja schon da ist, könnte man ihn auch gleich noch ein paar Millionen Jahre länger da lassen, denkt sich wohl mancher. Jedenfalls gilt der Bözberg nach wie vor als valabler Standort für ein atomares Endlager, wie auch die Region Nördlich Lägern, die Gemeinden in den Kantonen Aargau und Zürich umfasst. Etwas weniger wahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist zudem ein Lager am Jurasüdfuss, in der Region Aarau-Olten. Dort könnten allerdings nur schwach und mittelstark strahlende Abfälle deponiert werden.

 Der Aargau, prädestinierter Endlagerstandort also? Auf keinen Fall, protestiert der Regierungsrat in seiner am Mittwoch beim Bundesamt für Energie eingereichten Stellungnahme. "Der Regierungsrat will grundsätzlich keine Tiefenlager im Kanton Aargau", heisst es darin klar.

 Sicherheit geht vor. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich der Aargau kategorisch gegen einen entsprechenden Bundesentscheid zur Wehr setzen würde: "Ein Endlager im Aargau kommt für uns nur dann infrage, wenn sich tatsächlich der nachweisbar sicherste Standort der ganzen Schweiz in unserem Kanton befindet", sagt der verantwortliche Regierungsrat, Bau- und Umweltdirektor Peter C. Beyeler (FDP). "Ein allfälliger Entscheid für einen Standort im Aargau muss auf objektiven und sachlichen Fakten betreffend Sicherheit beruhen - und nicht auf weichen, sozioökonomischen Faktoren."

 Der Kanton möchte also verhindern, dass er ein Endlager quasi aufgedrückt bekommt, weil er sich in der Vergangenheit als eher atomfreundlich gezeigt hat. Schon heute trage der Aargau grosse Lasten für die ganze Schweiz, sei es bei der Stromproduktion durch Kernkraftwerke oder beim Durchgangsverkehr auf Schiene und Strasse, schreibt die Regierung zuhanden des Bundes. "Vorbehalte gegen ein atomares Tiefenlager bestehen in unserem Kanton genauso wie überall sonst", ist Beyeler überzeugt.

 Trotz seiner grundsätzlich ablehnenden Haltung wolle die Regierung den Bund und die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) weiter "konstruktiv" bei der Suche nach dem idealen Standort für ein geologisches Tiefenlager unterstützen. Dieser soll in drei Etappen ermittelt werden. Zurzeit läuft die erste Phase, welche im nächsten Jahr abgeschlossen sein soll. Gegenwärtig stehen noch sechs Standorte zur Auswahl; nebst den dreien im Aargau kommen noch das Zürcher Weinland (ZH, SH), der Südranden (SH) und der Wellenberg (NW, OW) infrage.

 Alleingelassen. "Das Verfahren der Nagra ist grundsätzlich begrüssenswert, stellt aber aufgrund der hohen Komplexität für viele Gemeinden eine grosse Belastung dar", sagt Beyeler. Die Nagra arbeitet bei ihren Untersuchungen eng mit den Gemeinden und Kantonen in den betroffenen Regionen zusammen - alle anderen würden sich aber zu wenig kümmern, kritisiert Beyeler: "Ich stelle fest, dass sich die nicht betroffenen Regionen kaum mit Fragen der atomaren Endlagerung beschäftigen. Dabei geht das die ganze Schweiz etwas an."

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Oltner Tagblatt 18.12.10

"Aargau ohne Tiefenlager"

 Standortsuche Für höchstmögliche Sicherheit und gegen Verhinderer

 von Hans Lüthi

 Wer davon ausgeht, der Aargau akzeptiere neben seinen Atomkraftwerken leichtfertig auch ein radioaktives Endlager, der täuscht sich gewaltig. "Die Regierung will grundsätzlich kein Tiefenlager im Aargau" lautet der Kernsatz in der Stellungnahme an das Bundesamt für Energie. Begründung: Der Aargau trägt schon hohe Lasten für die ganze Schweiz, mit dem Strom aus Kernkraftwerken und dem Verkehr auf Strasse und Schiene. Verlangt wird die höchstmögliche Sicherheit, "die nicht verhandelbar ist". Der sicherste Standort sei jener, der in allen Szenarien über Tausende von Jahren die tiefsten Strahlenbelastungswerte aufweise. Oberste Priorität habe "der maximale und nicht nur der relative Schutz der Bevölkerung und Umwelt".

 Mitarbeit im Findungsprozess

 Dennoch ist die Aargauer Regierung gewillt, im Findungsprozess für ein Tiefenlager konstruktiv mitzuwirken. Der Kanton hat die vielen Eingaben von Gemeinden und Planungsgruppen gesammelt und an den Bund geschickt. Gegenüber den heutigen und künftigen Generationen fühlt sich die Regierung verpflichtet, die Sicherheit vor alle anderen Kriterien zu stellen. Immerhin gehe es um einen Zeitraum von 100 000 und mehr Jahren.

 Der Aargau fordert weitere und ergänzende erdwissenschaftliche Untersuchungen an allen potenziellen Standorten. Es dürfe nicht sein, dass der Bund einzelne Gebiete "aus politischen Gründen aus dem Sachplanprozess entlasse". Verweigerer-Kantone seien in die Pflicht zu nehmen, weil sie auch seit Jahren vom Strom aus Kernenergie profitierten. "Es darf nicht sein, dass ein Lager dort verhindert wird, wo der grösste politische Lärm entsteht", sagt Landammann Peter C. Beyeler mit Nachdruck.

 Vertiefte Untersuchung nötig

 Mit dem Bözberg und Nördlich Lägern sind zwei von drei für den Aargau relevanten Gebieten "mit erheblichen geologischen Ungewissheiten behaftet". Darum brauche es zusätzliche Abklärungen, auch mit Seismik-Technik in 3D-Qualität. Zu den weiteren Forderungen gehört eine Beschränkung der Planungszeit auf 5 statt auf 10 Jahre. Denn: "Ein Gebiet darf nicht über ein Jahrzehnt in seiner Entwicklung gehemmt werden, nur weil es für ein Tiefenlager infrage kommt." Weil im Gebiet Bözberg und unteres Aaretal die geothermischen Wärmeflüsse besonders stark sind, müssten hier Nutzungskonflikte ausgeschlossen werden. Vom Bund verlangt der Aargau, er müsse das Regalrecht des Kantons für Heilquellen und Thermalwasser garantieren. Komme es dennoch zu Wertverlusten, müsse der Bund diese "in vollem Umfang entschädigen".

 Viel Verständnis hat die Regierung für eine Namensänderung von der Region Bözberg zu "Jura Ost". Dem Bund wird das vorgeschlagen, der Beschluss steht noch aus. Der Wunsch der Bözberg-Gemeinden ist verständlich, denn mit einem radioaktiven Tiefenlager lässt sich schlecht Image-Werbung betreiben.

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 SP "scheinheilige Kantonsregierungen"

 "Die Kantonsregierungen von Aargau, Ob- und Nidwalden wollen kein Tiefenlager auf ihrem Gebiet. Gleichzeitig setzen sie sich für neue AKW ein." - Die Sozialdemokratische Partei verurteilt in einer Reaktion "die Scheinheiligkeit der bürgerlich dominierten Kantonsregierungen in der Energiepolitik". Die Sozialdemokraten meinen, dass AKW-freundliche Kantone ihr Gebiet auch für ein Tiefenlager zur Verfügung stellen müssten. Neue Atomkraftwerke dürften nur geplant werden, wenn die Standortkantone auch zur Errichtung eines Tiefenlagers bereit seien. Die SP glaubt nicht, dass andere Kantone - die kaum von den Grosskraftwerken profitieren würden - bereit seien, den Atommüll bei sich aufzunehmen. "Auch von bürgerlichen Regierungen muss Konsequenz erwartet werden. Wer nicht bereit ist, den hochradioaktiven Müll bei sich zu lagern, sollte sich nicht für AKW, sondern für Strom aus Wasser, Wind, Solarzellen, Biogasanlagen und Geothermie einsetzen." (mgt/otr)

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NLZ 18.12.10

Wellenberg: Dicke Post für Bundesrat

 Wellenberg

Martin Uebelhart

 Nidwalden und Obwalden verlangen vom Bund, den Wellenberg als Standort für ein Endlager zu streichen. Und erinnern den Bundesrat an ein Versprechen.

 martin.uebelhart@nidwaldnerzeitung.ch

 Der Bundesrat erhält dicke Post aus Nidwalden: Eine rund 80-seitige Stellungnahme reicht der Kanton als Vernehmlassung zur ersten Etappe des Sachplans geologische Tiefenlager ein. Die Nidwaldner Regierung beantragt, den Wellenberg aus der Liste der möglichen Standorte für ein Atomendlager zu streichen. Dabei stützt sich die Regierung in erster Linie auf geologisch-sicherheitstechnische Gründe, wie Baudirektor Hans Wicki gestern an einer Medienorientierung in Stans sagte.

 Beträchtliche Ungewissheiten

 "Der Wellenberg wurde bereits relativ intensiv untersucht", sagte Kantonsgeologe Fidel Hendry. Doch seien die Sondierbohrungen aus den Achtziger- und Neunzigerjahren räumlich nicht zwingend repräsentativ für den Aufbau des Untergrunds: "Das sind lediglich Nadelstiche, die einen kleinräumigen Bereich abdecken." Seismische Untersuchungen seien aufgrund der komplexen Verfaltungen nicht aussagekräftig. Es gebe deshalb immer noch beträchtliche Ungewissheiten darüber, wie es im Innern des Wellenbergs aussehe. "Im Bericht an den Bundesrat beurteilen wir die Aussagen der Nagra", so Hendry. Die Stellungnahme basiere auf einer kritischen Auseinandersetzung mit den vorliegenden Ergebnissen und den Aussagen von ausgewiesenen Fachleuten.

 Einer von ihnen ist Jon Mosar. Der Privatdozent befasst sich an der Universität Freiburg mit Tektonik, Plattentektonik und Geodynamik. Er hat sich im Auftrag der Nidwaldner Regierung mit dem Wellenberg beschäftigt (siehe Kasten). Er kommt zum Schluss: "Aus Sicht der Tektonik schätze ich den Wellenberg als einen ungünstigen Standort für die Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen ein."

 Nicht nur das Nidwaldner Volk, sondern auch der Regierungsrat sei überrascht gewesen, als 2008 der Wellenberg wieder als potenzielle Standortregion für ein geologisches Tiefenlager vorgeschlagen worden sei, sagte Hans Wicki. Der Nidwaldner Regierungsrat sei ganz klar dagegen, dass der Wellenberg überhaupt noch in dem Verfahren auftauche. "Nur schon aufgrund der Erkenntnisse der Fachleute müsste man den Wellenberg streichen."

 Auch in einem Verfahren, in dem es vor allem um die Sicherheit gehe, sollten "demokratierechtliche Gründe berücksichtigt werden". Wicki wies einmal mehr auf die drei Abstimmungen seit 1988 hin, in denen sich das Nidwaldner Volk klar gegen den Standort Wellenberg ausgesprochen habe.

 Leuenberger: "Kein Wellenberg"

 "Was mir aber noch viel mehr zu denken gibt, ist Treu und Glauben", fuhr Wicki fort. Der damalige Bundesrat Leuenberger habe 2003 bei der Beantwortung einer Interpellation im Nationalrat wörtlich gesagt: "Mit dem Nein vom 22. September 2002 hat sich die Nidwaldner Bevölkerung gegen den Sondierstollen und damit gegen weitere Untersuchungen am Wellenberg ausgesprochen. Damit wird es im Wellenberg kein SMA-Tiefenlager geben." Diese Aussage habe er gegenüber der Nidwaldner Regierung auch mündlich wiederholt. "Wenn so etwas gesagt wird, dann gehe ich auch davon aus, dass man sich daran hält." Wicki erwartet, dass der Bundesrat zu seinem Wort stehe und den Standort Wellenberg aufgebe.

 Schlecht für Tourismus

 Auch der Kanton Obwalden stehe hinter der Aussage, dass der Wellenberg von der Liste möglicher Standorte gestrichen werden müsse, sagte Regierungsrat Paul Federer, Vorsteher des Bau- und Raumentwicklungsdepartements. Neben geologischen und sicherheitstechnischen Argumenten wies Federer auch auf die Situation Engelbergs hin. Studien hätten gezeigt, dass sich der Bau eines Tiefenlagers im Wellenberg negativ auf den Tourismus auswirken würde.

 Die Nidwaldner Regierung schickt die Vernehmlassung unter dem Vorbehalt nach Bern, dass das Stimmvolk am 13. Februar dazu Ja sagt. Die Kantonsverfassung schreibt eine Volksabstimmung vor. Im nächsten Herbst wird der Bundesrat voraussichtlich entscheiden, welche Standorte für die weiteren Etappen des Verfahrens in Frage kommen.

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 Nidwalden stützt sich auf Gutachten

 Wellenberg

 mu. Ein wesentlicher Bestandteil der Stellungnahme der Nidwaldner Regierung ist ein Gutachten von Jon Mosar, Privatdozent an der Universität Fribourg. Aus Sicht der Tektonik sei der Wellenberg ein ungünstiger Standort für ein Tiefenlager. Seine Einschätzung beruht auf vier Punkten:

 Bruchzonen: Mosar geht davon aus, dass sich geologische Bruchzonen vom Aarmassiv auch ins Gebiet des Wellenbergs ziehen.

 Sicherheitsabstand: Es gibt kleinere Bruchzonen im Wellenberg. "Wenn man zu diesen Brüchen einen beidseitigen Sicherheitsabstand von 200 Meter dazunimmt, hat es keinen Platz mehr für ein Endlager", sagt Mosar.

 Fremdkörper im Gestein:Im vorgesehenen Gebiet hat es Fremdkörper aus Kalkstein, die wasserführend sind. Mit den zur Verfügung stehenden Methoden lässt sich nicht herausfinden, wo diese Kalkzonen genau sind.

 Erdbeben: Für ein Tiefenlager seien Erdbeben nicht direkt ein Problem, so Mosar. Dieses würde so gebaut, dass es auch starken Erdstössen widerstehen könnte. Doch könnte durch ein Beben eine Bruchzone zu einem Fliessweg für Wasser werden. Das könnte die Barrierefunktion des Gesteins beeinträchtigen. Er glaubt, dass in der Gegend ein solches Szenario nicht ausgeschlossen werden kann.

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sf.tv 17.12.10

AG, OW und NW wollen Atommüll-Lager bekämpfen

 Aargau, Ob- und Nidwalden wollen kein Atommüll-Lager. Der Aargau will auf seinem Gebiet kein Tiefenlager für hochradioaktive Abfälle. Ob- und Nidwalden fordern, dass der Wellenberg als Standort für ein Atommülllager gestrichen wird.

sda/fasc

 Ein Tiefenlager hätte "massgebliche Nachteile für die künftige Entwicklung des Kantons", hielt der Aargauer Regierungsrat fest. Der Aargau trage bereits hohe Lasten für die ganze Schweiz. Als Beispiele werden die AKW-Stromproduktion und die hohe Verkehrsbelastung genannt.

 Untergrund schwer bestimmbar

 "Eine weitere Belastung kann daher dem Kanton Aargau nicht zugemutet werden", heisst es in der Stellungnahme an den Bund zur ersten Etappe des Sachplanes Geologische Tiefenlager. Der Aargau sei jedoch gewillt, "im Findungsprozess konstruktiv mitzuarbeiten".

 Ob- und Nidwalden äussern in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Sachplan Bedenken bezüglich der Geologie und der Tektonik im Wellenberg. Es sei äusserst schwierig, die Geometrie der tektonischen Strukturen im Untergrund zu bestimmen und die Auswirkungen der fortschreitenden Gebirgsbildung vorherzusagen. Auch die Eignung des Wirtgesteinkörpers sei nicht gesichert.

 Sechs Standorte werden geprüft

 Obwalden befürchtet zudem negative Auswirkungen auf den Tourismus und stützt sich auf Studien früherer Jahre. Investoren würden in Zusammenhang mit eine Tiefenlager bereits heute zurückhaltend reagieren. Der Verbleib des Wellenbergs im Auswahlverfahren hemme daher die Entwicklung Engelbergs.

 Im Falle Nidwaldens kommen auch demokratierechtliche Bedenken hinzu. Bereits drei Mal habe die Bevölkerung in Volksabstimmungen das Atommülllager im Wellenberg abgelehnt. Auch die nun vorgelegte Stellungnahme zum Sachplan muss vom Volk abgesegnet werden. Die Abstimmung ist auf den 13. Februar 2011 festgelegt.

 Die Bundesbehörden prüfen sechs Standorte. Dies sind die Regionen Bözberg (AG), Jura-Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägeren (AG und ZH), Südranden (SH), Wellenberg (NW und OW) und Zürcher Weinland (ZH und TG).

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Oltner Tagblatt 17.12.10

Tiefenlager am Jurasüdfuss wird abgelehnt

 Lostorf Der Gemeinderat beschloss zudem, am Winterdienstkonzept festzuhalten

 Von Markus von Däniken

 Für die Lagerung radioaktiver Abfälle besteht in der Schweiz ein gesetzlich verankertes Verfahren, welches im so genannten "Sachplan geologisches Tiefenlager" festgelegt ist. Das Verfahren zur Erhebung der entsprechenden Grundlagen wurde vom Bund in drei Etappen gegliedert. In der ersten Etappe sollte zuerst der geeignetste Standort bestimmt werden. Dieser war ursprünglich gleichgesetzt mit dem sichersten Standort. Die bisherigen Abklärungen haben ergeben, dass der sicherste Standort im Zürcher Weinland liegt. Dort wurde jedoch erheblicher Widerstand gegen ein Tiefenlager laut. Danach hat sich der Bund entschieden, nicht mehr vom sichersten Standort, sondern von der so genannt relativen Sicherheit zu sprechen, welche als Minimalstandard gelten soll. Damit waren auf einmal die anderen potenziellen Standorte, darunter auch der Jura-Südfuss, wieder interessant, und das ursprünglich zentralste Kriterium, die Sicherheit, wurde vom Bund relativiert.

 In der Grundsatzfrage dagegen

 Lostorf gehört zum provisorischen Planungsperimeter "Jura-Südfuss" für ein geologisches Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Das Bundesamt für Energie (BFE) ist im Sachplanverfahren federführend. Das Anhörungsverfahren zur ersten Etappe ist am 30. November abgelaufen. Der Rat hat dazu wie folgt Stellung genommen:

 · Der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Lostorf spricht sich in der Grundsatzfrage gegen ein geologisches Tiefenlager im Niederamt aus. Die Belastung im Niederamt sei mit dem Kernkraftwerk Gösgen-Däniken und dem Nasslager in Däniken bereits heute übermässig. Hinzu komme, dass zurzeit ein Richtplanänderungsverfahren des Kantons Solothurn für ein zweites Kernkraftwerk läuft. "Die Region ist also auch ohne das zur Diskussion stehende Tiefenlager weit über Gebühr belastet", so der Rat.

 · Ein Tiefenlager müsse zwingend am dafür am besten geeigneten, das heisst, am sichersten Ort realisiert werden. Das könne aufgrund der Untersuchungen nicht das Niederamt sein.

 · Der Gemeinderat Lostorf will weiterhin jederzeit bei den Entscheidungsprozessen und Handlungsabläufen einbezogen werden.

 · Die Stellungnahmen des Regionalvereins Olten-Gösgen-Gäu und der Plattform Jura-Südfuss zum Sachplanverfahren werden unterstützt.

 · Aus finanziellen und ökonomischen Gründen werde es als nicht sinnvoll erachtet, in der kleinen Schweiz zwei Tiefenlager (eines für hochradioaktive und ein weiteres für mittel- und schwachradioaktive Abfälle) zu bauen. Ein Kombilager sei anzustreben.

 Festhalten am Winterdienstkonzept

 Der Gemeinderat hat das neue Winterdienstkonzept am 25. Oktober zur Kenntnis genommen. Die Bevölkerung konnte sich dazu ebenfalls äussern. Insgesamt sind drei Eingaben von Anwohnern privater Strassenabschnitte eingegangen. Die Anwohner zeigten sich allesamt enttäuscht, dass an ihrer Privatstrasse durch die Gemeinde keine Schneeräumung mehr erfolgt. Die Gemeinde wurde ersucht, die Schneeräumung auch künftig auszuführen. Falls dies nicht mehr möglich ist, wurde vorgeschlagen, dass sich die Bewohner der privaten Strassenabschnitte an den Kosten der Schneeräumung beteiligen könnten oder die Schneeräumung durch Dritte auszuführen sei und sich die Gemeinde an den Kosten beteiligen würde oder die Gemeinde die Privatstrasse übernehmen soll.

 In der Gemeinde bestehen rund 30 Privatstrassen respektive -wege. Etwa 20 solcher "Strassen" weisen einen so genannten "Strassencharakter" auf, etwa zehn davon haben "keinen Strassencharakter". Der Bornweg oder der Buchenweg sind zum Beispiel solche Strassen mit "Strassencharakter". Teilweise gibt es auch Strassen, die eigene Parzellennummern aufweisen. Es gibt aber auch so genannte "zusammengesetzte" Strassen, bestehend aus mehreren Parzellennummern. Ebenso bestehen auch "Strassen", deren Strassencharakter (mehrere zusammengesetzte private Vorplätze) nicht eindeutig ersichtlich ist.

 Von den insgesamt 30 "Strassen" wurden mit dem neuen Winterdienstkonzept lediglich drei "Strassen" (Bornweg, Buchenweg und Eihübelstrasse, nördlicher Teil) aus dem bestehenden Winterdienstkonzept genommen. Die anderen 27 "Privatstrassen/Wege" wurden schon vorher nicht offiziell gepflügt. Offenbar haben dort aber verschiedene private Abmachungen bestanden.

 Alle Einwohner gleich behandeln

 Der Buchenweg, der Bornweg und der nördliche Teil der Eihübelstrasse werden beim neuen Winterdienstkonzept nun nicht mehr gepflügt. Begründet wird dies damit, dass man alle Einwohner gleich behandeln will. Würde die Gemeinde bei den Privatstrassen den Winterdienst durchführen, würde privates Eigentum gepflügt. Zum Vergleich sei nachstehendes Beispiel erwähnt: "Eine defekte private Wasserhauszuleitung wird auch nicht durch die Gemeinde, sondern durch eine Privatfirma repariert. Der Besitzer der privaten Wasserhauszuleitung bezahlt zwar auch Steuern und hat auch Anschlussgebühren für das öffentliche Wasserleitungsnetz entrichtet".

 Falls die Anstösser die Übernahme der Privatstrasse wünschen, ist ein entsprechendes Gesuch einzureichen. Die Baukommission prüft dann im Detail, unter welchen Bedingungen die Privatstrasse übernommen werden kann. Bei einer Gegenstimme hat der Gemeinderat beschlossen, am verabschiedeten Winterdienstkonzept festzuhalten.

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St. Galler Tagblatt 17.12.10

Kein Protest aus Frauenfeld

Markus Schoch

 Der Thurgauer Regierungsrat erachtet das bisherige Verfahren zur Suche eines Tiefenlagers für die radioaktiven Abfälle als offen und fair. Die zuständigen Stellen hätten aber noch nicht alle Hausaufgaben gemacht. Die einzelnen Standorte müssten teilweise noch besser abgeklärt werden.

 Frauenfeld. Die Nagra hat 2008 sechs Standorte festgelegt, die aus ihrer Sicht als Endlager für radioaktive Abfälle in Frage kommen könnten. Eines liegt im Zürcher Weinland ("Zürich Nord-Ost") und betrifft den Thurgau zumindest am Rande, da die Gemeinden Basadingen, Schlattingen und Diessenhofen zum Planungsperimeter gehören. Dort könnten Oberflächenanlagen wie beispielsweise Zugangstunnels gebaut werden.

 Die Berichte und Gutachten verschiedener Fachbehörden und -kommissionen zu den Nagra-Vorschlägen lagen seit Anfang September im Rahmen einer Anhörung öffentlich auf. Der Thurgauer Regierungsrat hat die Akten studiert und kommt zu einem insgesamt positiven Schluss, wie er in seiner Vernehmlassungsantwort zuhanden des Bundesamtes für Energie schreibt. Das Verfahren sei bis jetzt korrekt, fair und offen verlaufen. Die Auswahl der sechs Standorte sei plausibel. Auch die anderen Entscheide seien nachvollziehbar.

 Alle Gebiete gleich gut abklären

 Allerdings ist der Regierungsrat nicht restlos zufrieden mit den Abklärungen. Die zuständigen Stellen hätten noch einen Teil der Hausaufgaben zu machen. Damit komme zwar der Zeitplan durcheinander. Anders gehe es aber nicht. Heute sei nicht einmal eine provisorische Sicherheitsanalyse möglich, die nötig sei, um in einer zweiten Etappe die Zahl der Standorte auf mindestens zwei einzuschränken.

 Es bestünden teilweise noch grosse Wissenslücken, was die Wirtsgesteine und die Gebiete selber anbelange. Die Modelle stützten sich an einigen Orten auf hochgerechnete Daten weit entfernter Bohrungen und auf wenige Seismiklinien. Nichtsdestotrotz hätten die Nagra und die Kommission Nukleare Entsorgung die Standorte bewertet und benotet, was der Regierungsrat für problematisch hält. Das gehe zu weit. Ein Vergleich sei im jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht möglich. Er verlangt deshalb, dass der Bund eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung aller möglichen Standorte in der gleichen Tiefe nachholt. Das Auswahlverfahren müsse einer harten politischen Auseinandersetzung standhalten. Wichtig ist dem Regierungsrat überdies, dass für alle Gebiete umfassende sozioökonomische Untersuchungen vorliegen, damit die Auswirkungen gründlich bedacht werden können.

 "Wir erwarten, dass der Bundesrat auf unsere Anliegen eingeht", sagt Baudirektor Jakob Stark. "Wenn das nicht der Fall sein sollte, werden wir auf die Pauke hauen."

 Diverse Probleme

 Im Zürcher Weinland seien diverse Probleme zu berücksichtigen, gibt der Regierungsrat weiter zu bedenken. Ein Lager müsste so tief gebaut werden, dass es bei einer nächsten Eiszeit nicht durch glaziale Tiefenerosion beschädigt würde. Besondere Aufmerksamkeit verlange auch die Korrosions- und Gasproblematik. In den Zugangsstollen seien in den Bereichen mit verkarsteten Malmkalken massive Wasserzutritte zu erwarten. Wert legt der Regierungsrat auch auf die Feststellung, dass der Bau von Oberflächenanlagen im Thurgau "sehr schwierig sein dürfte".

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 Befragt

 "Einwände werden ernst genommen"

 Jakob Stark Regierungsrat

 Der Thurgauer Regierungsrat will nicht, dass der Standort im Zürcher Weinland schon jetzt in den Vordergrund gestellt wird, nur weil er besser als alle anderen untersucht ist. Wird nicht genau das passieren?

 Es gab bei einer Untersuchung eine unterschiedliche Bewertung der Standorte. Das ist jedoch nur eine Momentaufnahme. Wir verlangen, dass alle Standorte auf dem gleichen wissenschaftlichen Niveau abgeklärt werden. Das ist ganz wichtig.

 Ist die Hoffnung real?

 Wir hatten letzte Woche eine Sitzung im Ausschuss der Kantone. Und dort hat uns der Nagra-Chef zugesichert, dass unsere Einwände ernst genommen werden. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich die zweite Etappe um ein Jahr oder mehr verlängert.

 Die Regierungsräte von Zürich und Schaffhausen haben sich bereits jetzt gegen ein Endlager im Zürcher Weinland ausgesprochen. Besteht nicht die Gefahr, dass am Schluss nicht der beste Standort ausgewählt wird, sondern derjenige, wo der politische Widerstand am kleinsten ist?

 Diese Gefahr besteht, und das finden wir schlecht. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Standorte eingehend und nach den gleichen Kriterien abgeklärt werden. Der beste soll am Schluss auch gewählt werden. Wir wollen konstruktiv mitarbeiten.

 Bevölkerung schweigt

 Der Regierungsrat hatte die Bevölkerung dazu aufgerufen, eine Kopie der Schreiben nach Bern an die Staatskanzlei zu schicken. Tatsächlich ist kein einziger Brief in Frauenfeld eingetroffen. Baudirektor Jakob Stark wertet diese Tatsache als Bestätigung der regierungsrätlichen Haltung, konstruktiv mitzuarbeiten. "Ich fühle mich getragen." Von der Gemeinde Schlatt wisse er, dass sie eine ähnliche Haltung vertrete wie der Regierungsrat. Unterstützung erhält er auch von der Aktion für vernünftige Energiepolitik. "Es soll der am besten geeignete Standort gewählt werden", schreibt die Organisation. Die Allianz Thurgau Nein-zu-neuen-AKW wehrt sich gegen den Bau eines Atommülllagers "vor der Haustür". (mso)

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20 Minuten 17.12.10

Mit Leserbriefen und Übungen gegen AKW

 BERN. Die Kriegskasse ist leer und die Parteisoldaten müssen umso fleissiger exerzieren: Mit Übungen im Leserbriefschreiben und Argumentieren rüsten sich die Grünen für die Schlacht ums AKW Mühleberg II.

 David trifft auf Goliath: Mit einem Bruchteil des Budgets, das die Atomlobby für Werbung einsetzen kann, ziehen die AKW-Gegner in den Abstimmungskampf. Ihr Kapital sind indes die vielen Aktivisten: "Sie sind bereit, sich einzusetzen, wissen aber noch nicht wie", sagt Monika Hächler, Geschäftsleiterin der Grünen.

 Ein Workshop soll die Parteimitglieder nun fit für Strassendebatten machen. Mit Rollenspielen üben sie typische Gesprächssituationen ein, damit sie selbstsicher auf Passanten zugehen können. Angeleitet von der Berner Gemeinderätin Regula Rytz lernen sie zudem, souverän auf kritische Fragen zu reagieren und das Gespräch auf ihre Hauptargumente zu lenken: "AKWs sind gefährlich und das Atommüllproblem ist nicht lösbar", lauten diese sinngemäss.

 "Ein gutes Instrument sind auch Leserbriefe", so Hächler. "Wir zeigen, was man beachten muss, damit sie abgedruckt werden." Ziel ist es, dass jeder Kursteilnehmer mindestens einen Leserbrief vorfabriziert, den die Grünen im Hinblick auf die Abstimmung verwenden können.  

PATRICK MARBACH

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 Befürworter haben 2 Mio Franken

 BERN. Während die AKW-Gegner ihre Basis erst mobilisieren, ist die Kampagne der Befürworter schon angerollt. Die Berner Sektion der "Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz", das Komitee "Ja zu Mühleberg" und das schweizweit agierende Nuklearforum verfügen gesamthaft über einen Etat, der auf über 2 Millionen Franken geschätzt wird. Federführend ist Burson-Marsteller, eine der weltweit führenden Grossagenturen mit Erfahrung in ethisch heiklen Fällen.

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WoZ 16.12.10

Teileinsicht in AKW-Akten

 Mitte Oktober berichtete die WOZ über das AKW Mühleberg, das vom Bund eine un be fris te te Betriebsbewilligung erhalten hatte. Das "Komitee Mühleberg Ver-fahren" erhob Einspruch. Das Problem: Es muss die lückenhafte Sicherheit des AKWs beweisen, was ohne Akteneinsicht praktisch unmöglich ist.

 Letzte Woche nun hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Komitee Einsicht in einen Teil der 86 Bundesordner mit sicherheitsrelevanten Akten erhält, die dem Gericht vorliegen. Das Gericht will zwar ein Gutachten über Risse im AKW-Kernmantel und drei weitere "interne" Sicherheitsakten offenlegen, gleichzeitig hält es aber die jährlichen Sicherheitsberichte unter Verschluss - wegen Terrorgefahr. Beschwerdeführer Rainer Weibel spricht von einem "Teilerfolg". Ob er den Zwischenentscheid ans Bundesgericht weiterziehe, sei noch unklar. Auch noch nicht über einen allfälligen Rekurs entschieden hat die Mühleberg-Betreiberin BKW, während das Energiedepartement Uvek auf eine Anfechtung verzichtet.

 Den Hauptentscheid (unbefristete Betriebsbewilligung ja oder nein) dürfte das Bundesverwaltungsgericht laut der Zeitung "Bund" noch im Jahr 2011 fällen. dig

 Nachtrag zum Artikel "Die krampfhafte Geheimniskrämerei macht misstrauisch" in WOZ Nr. 41/10

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gr.be.ch 15.12.10

AKW Mühleberg: Woher kommt das Uran für das AKW Mühleberg?
http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.acq/8470eb9a95b341268c1354ec00c65979-332/3/PDF/2010-9824-Vorstossantwort-D-33648.pdf

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Oltner Tagblatt 15.12.10

Braucht die Schweiz neue Kernkraftwerke?

 Schützi Das zweite EnergieForum AareLand verspricht Brisanz: Behandelt wird die Frage: Braucht die Schweiz neue Kernkraftwerke?

 Der Verein "EnergieMobilität AareLand" veranstaltet am 13. Januar 2011, 19 Uhr, in der Schützi Olten das 2. EnergieForum AareLand. Hochkarätige Podiumsteilnehmer diskutieren eine brisante Frage: Braucht die Schweiz neue Kernkraftwerke?

 Diskussion ist lanciert

 Die Diskussion um die Kernenergie ist in der Schweiz lanciert. Am 15. November 2010 hat das eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi mitgeteilt, dass sich die drei bisherigen KKW-Standorte auch für den Bau neuer Kernkraftwerke eignen. Und der Kanton Bern wird am 13. Februar 2011 über den Ersatz des KKW Mühleberg abstimmen. Zwar hat die Abstimmung nur konsultativen Charakter, doch das Resultat gilt bei nationalen Parlamentarierinnen und Parlamentariern als wichtiger Stimmungstest für das ganze Land. Die Befürworter sind der Meinung, die Stromversorgung kann nicht ohne die sichere und saubere Kernenergie garantiert werden. Für die Gegner ist der Atomstrom gefährlich und veraltet und sie setzen auf Alternativenergien. Braucht die Schweiz nun wirklich neue Kernkraftwerke, um die Stromversorgung sicherzustellen? Oder investiert man mit dem Bau von neuen Kernkraftwerken in ein technologisches Auslaufmodell? "Bilden Sie sich am 2. EnergieForum AareLand Ihre eigene Meinung und diskutieren Sie mit hochkarätigen Gästen über die Energiezukunft der Schweiz", rät Präsident Daniel Dähler der Bevölkerung.

 Hochkarätige Diskussionsrunde

 Der Verein "EnergieMobilität AareLand", welcher ehrenamtlich und ohne Gewinnorientierung geführt wird und politisch neutral ist, will den Bürgern sowie den Entscheidungsträgern in der Wirtschaft kritische und kompetente Auseinandersetzung mit Themen in den Bereichen Energie und Mobilität ermöglichen. Am 2. EnergieForum AareLand referieren die Solothurner Regierungsrätin Esther Gassler, die Grünen-Nationalrätin Franzis-ka Teuscher und der SVP-Nationalrat Hans Killer.

 In der anschliessenden Podiumsdis-kussion, welche von Tomas Honegger moderiert wird, treten die verschiedenen Politiker und Energiespezialisten direkt gegeneinander an. Neben den Referenten Gassler, Killer und Teuscher werden FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, SP-Nationalrat Eric Nussbaumer und Pascal Previdoli, Vizedirektor des Bundesamts für Energie, ihre Argumente vortragen. "Unser Ziel ist eine sachliche und - soweit möglich - emotionslose Diskussion, die dazu führt, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer nach Hause gehen und sich eine eigene Meinung bilden können", so Honegger. (mgt)

 www.energiemobilitaet.ch.

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Bund 15.12.10

Regierung: AKW könnte Steuerzahler belasten

 Mühleberg II könne ein Risiko für die Kantonsfinanzen sein, sagt die Regierung.

 Simon Thönen

 Die Antwort der rot-grünen Kantonsregierung auf eine Interpellation von EVP-Grossrat und Solarunternehmer Josef Jenni hat es in sich. Jenni hatte sich nach den Kosten eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg erkundigt - und nach den finanziellen Risiken für den Kanton.

 Gestützt auf Angaben des Bundesamtes für Energie nennt die Regierung eine Kostenbandbreite für Bau, Nachrüstung und Stilllegung zwischen 9 und 15,7 Milliarden Franken für ein neues Kernkraftwerk mit 1600 Megawatt Leistung. "In den letzten Jahren mussten die Kostenschätzungen nach oben angepasst werden", schreibt die Regierung weiter.

 Die BKW Energie AG wolle ein neues Kernkraftwerk mit Partnern bauen, die die finanziellen Risiken anteilsmässig übernähmen. Für den Kanton als Mehrheitsaktionär der BKW ergeben sich "im Fall einer Unterfinanzierung des Baus", so die Regierung, "verschiedene Risiken, die auch von den Steuerzahlern mitgetragen werden müssten":

 Der Wert der Beteiligung an der BKW "würde negativ beeinflusst und die Dividendenausschüttung verringert".

 Käme die BKW wegen der Unterfinanzierung des AKW-Projekts "in finanzielle Nöte, wäre nicht auszuschliessen, dass der Kanton Bern sich - aufgrund der Wichtigkeit der BKW für den Kanton - faktisch an der Finanzierung beteiligen müsste".

 Nicht weniger brisant ist die Auskunft der Regierung, dass mit angenommenen 12 Milliarden Franken, die für den Bau eines Kernkraftwerks nötig wären, "mehr als doppelt so viel Leistung an erneuerbaren Energien installiert werden könnte". Diese würden zwar sehr viel unregelmässiger Strom produzieren als ein AKW. In der Summe wäre die Strommenge aber gleich.

 Die BKW bestreitet in einer Mitteilung die Angaben der Regierung: Sie rechne mit Investitionen von 7 bis 9 Milliarden Franken. Kosten für Instandhaltung, Nachrüstungen, Stilllegung und Entsorgung würden "durch den laufenden Betrieb finanziert".

 "Das Risiko einer Unterfinanzierung scheint mir gering zu sein", sagt auch FDP-Nationalrat Peter Flück. Er gehe davon aus, dass man die gestiegenen Kosten beim Bau von Kernkraftwerken in die Finanzierung einbeziehen werde.

 "Teilweise auf Spekulation" beruhe die Aussage, dass man mit dem für den KKW-Bau nötigen Geld ebenso viel grünen Strom produzieren könne. Flück: "Wer garantiert mir, dass wir mit alternativen Anlagen genügend Strom haben werden?" Falls diese im Kanton gebaut würden, bedeutete dies überall Windkraftwerke und einen Totalausbau der Wasserkraft. Er bezweifle, dass die Baubranche dafür genug Kapazität habe.

 "Im Grossen und Ganzen objektiv" ist die Antwort für Interpellant Jenni. "Sie zeigt sehr klar, dass die Kosten eines Kernkraftwerks hoch sind und die Allgemeinheit einbezogen würde, wenn etwas schieflaufen sollte."

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BZ 15.12.10

Verwirrung um Kosten für AKW

 AKW-Streit. Mit einer neuen Kostenschätzung zum Bau eines neuen Atomkraftwerks verärgert die Berner Regierung den Energiekonzern BKW.

 Nächste Runde im AKW-Streit: Der Berner Regierungsrat schätzt die Kosten für ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg neu auf 9 bis 15,7 Milliarden Franken. Dieser Betrag ist massiv höher als jener, den die BKW veranschlagt hat. Der Energiekonzern rechnet mit Investitionskosten von 7 bis 9 Milliarden Franken. Die BKW stellte in einer Medienmitteilung umgehend klar, dass sie die Kostenschätzung der Regierung für überzogen halte. Ansonsten hielt sich der Energiekonzern mit öffentlicher Kritik zurück.

 Nicht so der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Er wirft der rot-grün dominierten und atomkritischen Regierung um SP-Energiedirektorin Barbara Egger vor, mit den neuen Zahlen "billigen Abstimmungskampf" zu betreiben. "Die Regierung zieht einfach gerade die Aussagen heran, die ihr am besten passen." phm Seite 13

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Wie teuer ist ein neues AKW wirklich?

 Baukosten. Der Regierungsrat korrigiert die Kostenschätzung für ein neues Atomkraftwerk massiv nach oben und verärgert damit die BKW, die von deutlich tieferen Kosten ausgeht. Bürgerliche Kreise werfen der Regierung "billigen Abstimmungskampf" vor.

 Der Abstimmungskampf hat definitiv begonnen. Der links-grün dominierte Berner Regierungsrat bringt in der Diskussion um die Baukosten eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg Zahlen ins Spiel, die aufhorchen lassen: So geht die Regierung um SP-Energiedirektorin Barbara Egger, die feurig gegen die Atomenergie ankämpft, davon aus, dass ein neues AKW im Kanton Bern gesamthaft zwischen 9 und 15,7 Milliarden Franken kosten dürfte. Das ist massiv mehr, als bisher veranschlagt wurde. Der Berner Energiekonzern BKW seinerseits rechnet mit Investitionskosten von zwischen 7 und 9 Milliarden.

 Der Anlass für die Regierung, eine eigene Kostenschätzung abzugeben, war eine entsprechende Interpellation von EVP-Grossrat Josef Jenni (Oberburg).

 Die Reaktion der BKW

 Klar, dass die BKW gestern gar nicht erfreut reagierte: Sie stellte am Nachmittag in einer Medienmitteilung klar, dass sie an ihrer Berechnung von 7 bis 9 Milliarden Franken festhalte. In diesem Betrag seien bereits "Reserven für Unvorhergesehenes" enthalten. Nicht zulässig ist für die BKW, dass der Regierungsrat in seiner Berechnung nicht nur die eigentlichen Baukosten von 8 bis 12 Milliarden, sondern auch die Kosten für allfällige spätere Nachrüstungen und die Stilllegung von insgesamt maximal 3,7 Milliarden Franken dazugerechnet hat. Diese Zusatzkosten würden wie seit Jahren üblich durch den laufenden Betrieb und über den Strompreis finanziert, betont die BKW.

 Wasserfallens Kritik

 Bemerkenswert ist, wie die Regierung auf die neuen Zahlen kommt: Sie stützt sich bei ihrer Schätzung nicht etwa auf spezifische Erhebungen, sondern unter anderem auf die Interviewaussagen eines ehemaligen Managers einer Axpo-Tochtergesellschaft, die in der "SonntagsZeitung" erschienen sind. Des Weiteren bezieht sich der Regierungsrat auf Aussagen von Fachpersonen der atomkritischen Schweizerischen Energiestiftung.

 Das ruft Kritiker aus dem bürgerlichen Lager auf den Plan. "Die Regierung zieht einfach gerade die Aussagen heran, die ihr am besten passen", ärgert sich der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Als besonders brisant beurteilt Wasserfallen den Umstand, dass Energiedirektorin Barbara Egger als Kantonsvertreterin selber im Verwaltungsrat der BKW sitzt und mit solchen Aussagen die Geschäftsleitung frontal angreife. "Frau Egger macht mit der neusten Kostenschätzung deutlich, dass sie der Beurteilung der BKW-Spitze nicht traut", sagt Wasserfallen, bevor er anfügt: "Was die Regierung hier betreibt, ist billiger Abstimmungskampf. Frau Egger wird unter diesen Umständen nach einem allfälligen Volks-Ja zu Mühleberg am 13. Februar kaum in der Lage sein, das Projekt ‹Ersatzkernkraftwerk Mühleberg› konstruktiv zu begleiten."

 Barbara Egger war gestern für diese Zeitung nicht erreichbar.

 Steuerzahler in der Pflicht

 Die Regierung nutzte die Steilvorlage des Interpellanten, um aufzuzeigen, welche finanziellen Risiken sich der Kanton Bern mit dem Bau eines neuen AKW aufhalsen würde. Auf die Frage, wer dafür gerade stehen müsste, falls die Baukosten aus dem Ruder liefen, antwortete die Regierung: "Käme die Unternehmung wegen der Unterfinanzierung des Bauprojekts in finanzielle Nöte, wäre nicht auszuschliessen, dass sich der Kanton Bern - aufgrund der Wichtigkeit der BKW für den Kanton - faktisch an der Finanzierung beteiligen müsste." Mit anderen Worten: Auch die Steuerzahler müssten bei einer Kostenüberschreitung oder anderen Zwischenfällen ihren Beitrag leisten.

 Zurück zu den Kosten eines neuen Atomkraftwerks: Wie viel ein AKW der neusten Generation tatsächlich kostet, werden die Berner Stimmbürger bis zur Abstimmung am 13. Februar nicht wissen. Es können bloss Vergleiche mit laufenden AKW-Projekten in Europa gemacht werden. Im finnischen Olkiluoto beispielsweise wird aktuell ein neues AKW gebaut. Die ursprünglich veranschlagten Baukosten von rund 4 Milliarden Franken sind längst überschritten worden. Die Verantwortlichen rechnen mit Endkosten von 6 bis 8 Milliarden Franken. Auf diese Zahlen stützt sich auch die Schätzung der BKW.
 
Philippe Müller

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 AKW-Abstimmung

 Darum gehts Die drei AKW-Standortkantone Bern, Aargau und Solothurn müssen bis Anfang 2011 eine Stellungnahme zuhanden des Bundes abgeben und die Frage beantworten, wie sie einem AKW-Neubau gegenüberstehen. Der Kanton Bern lässt diese Frage am 13. Februar 2011 vom Stimmvolk beantworten. Es handelt sich dabei um eine konsultative Abstimmung. Das heisst: Ein Ja zum Mühleberg-Ersatz bedeutet noch nicht, dass ein neues AKW gebaut wird. Bei einem Nein dagegen stünden die Chancen, dass der Kanton Bern vom Bund den Zuschlag für Mühleberg II erhält, eher schlecht. Der Entscheid, ob und wo neue AKW gebaut werden, fällt zwischen 2012 und 2013 im eidgenössischen Parlament, wobei der definitive Entscheid wohl in einer Volksabstimmung fallen wird. phm

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20 Minuten 15.12.10

AKW: Streit um Geld

 BERN. Zwei Monate vor der Abstimmung über ein neues AKW Mühleberg streiten die rot-grüne Kantonsregierung und die BKW über die Kosten. Die Regierung rechnet mit 15,7 Milliarden Franken, die BKW widerspricht: Es seien höchstens 9 Milliarden.

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Langenthaler Tagblatt 15.12.10

Was kostet das neue AKW wirklich?

Samuel Thomi

 BKW/Regierungsrat Sind es nun "7 bis 9 Milliarden Franken" oder 9 bis 15,7 Milliarden? Im Vorfeld der Abstimmung über ein neues AKW geben die Kosten zum Neubau in Mühleberg zu reden.

 Einst nannten Vertreter der BKW Energie AG Summen von sechs bis acht Milliarden Franken für den Neubau eines AKW. Inzwischen rechnet der mehrheitlich in Kantonsbesitz stehende Energiekonzern mit totalen Investitionskosten von 7 bis 9 Milliarden Franken für die Realisierung eines Ersatzkernkraftwerks in Mühleberg, stellte das Unternehmen gestern Vorabend in einer Mitteilung klar. Darin eingeschlossen seien auch Reserven für Unvorhergesehenes während des Baus. Die BKW reagierte damit auf eine am Morgen veröffentlichte Regierungs-Antwort auf eine Interpellation aus dem Grossen Rat.

 Warum doppelt so hohe Kosten?

 Darin ist die Rede von Kosten von 9 bis 15,7 Milliarden Franken für ein Atomkraftwerk in der Grössenordnung Mühlebergs. Miteingeschlossen in der Quasi-Vollkostenrechnung sind allerdings auch Stilllegungskosten (0,5 bis 1,7 Milliarden) sowie allfällige Nachrüstungskosten bis zur Werk-Inbetriebnahme (0,5 bis 2 Milliarden). Diese Kosten miteinzubeziehen in die Berechnungen entspreche allerdings nicht geltender Praxis, hält die BKW an die Adresse der Berner Regierung fest. Allfällige Nachrüstungskosten sowie die Kosten für die permanente Instandhaltung müssten aus der laufenden Rechnung finanziert werden, entgegnet die BKW. Das gelte auch für die Kosten der Stilllegung und Entsorgung.

 Laufende Projekte wesentlich teurer

 Der Regierungsrat wiederum hält fest, die neuerdings höher ausfallenden Kostenprognosen für ein neues Berner AKW rührten auch daher, dass sich bisherige Berechnungen an japanischen Vorhaben orientierten; die im Bau befindlichen, neuen europäischen Meiler in Frankreich und Finnland zeigten jedoch, "dass die Kosten deutlich höher sind". Tatsächlich laufen die Kosten beim Bau im finnischen Olkiluoto aus dem Ruder: Beim Start des Projekts wurde ein fixer Abnahmepreis von rund vier Milliarden Franken vereinbart. Inzwischen dürfte der Bau laut verschiedenen Medienberichten schliesslich sechs bis acht Milliarden Franken kosten.

 Am Schluss haftet der Kanton

 Umgekehrt interessieren sich die Interpellanten von EVP, Grünen und SP aber auch nach der Finanzierung des Vorhabens. Dazu hält die Regierung fest, die BKW wolle das neue "Mühleberg" als Partnerwerk mit Eigenkapital sowie mit Fremdkapital in Form von Unternehmensanleihen und Bankkrediten finanzieren.

 Auf die Frage nach den finanziellen Risiken für den Kanton hält die Regierung fest: "Im Fall einer Unterfinanzierung des Baus ergeben sich für den Kanton entsprechend verschiedene Risiken, die auch von den Steuerzahlenden mitgetragen werden müssten." Einerseits sei mit geringeren Dividenden und einem verminderten Wert der Aktien zu rechnen. Käme dagegen gar das Unternehmen in finanzielle Nöte, würde sich der Kanton "aufgrund der Wichtigkeit der BKW für den Kanton" finanziell engagieren. Im schlimmsten Fall, bei einem Störfall, sei dagegen "mit grosser Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen", dass nicht alle Schäden aus dem Haftpflichtersatz der Anlagebetreiber respektive des nationalen Nuklearschadenfonds gedeckt wären. Für die dann noch ungedeckten Kosten würde der Kanton aufkommen müssen.

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Basler Zeitung 15.12.10

Mitbericht*

 Markus Kägi reist nach Russland

 Rudolf Rechsteiner

 Die Zürcher Kantonsregierung unterstützt den Bau von zwei neuen Atomkraftwerken. So steht es im neuen Energieplanungsbericht. Im Bermuda-Dreieck von Axpo, ETH und SVP-FDP-Mehrheit stürzen die erneuerbaren Energien zuverlässig ab.

 In Bundesbern spielen sich manche Zürcher als Träger des Fortschritts und als Sponsor der übrigen Schweiz auf. Doch in Wahrheit ist es umgekehrt. Für ETH, Fernsehen, Nationalbank, Empa, Meteo Schweiz, Flughafen und Durchgangsbahnhof fliesst viel Geld Richtung Limmat. Bei Unannehmlichkeiten halten es die Zürcher umgekehrt: Den Fluglärm exportieren sie nach Süddeutschland, Atomkraftwerke in den Aargau, Atommüll ins Fricktal, den beiden Basel am Bözberg vor die Schnauze.

 "Die Zürcher Regierung sagt Nein zu einem Endlager", verkündet der Zürcher Energiedirektor Markus Kägi seit Jahren in den potenziellen Standortgemeinden im Züribiet. Und jetzt verlangt derselbe SVP-Magistrat zwei neue AKW. Perfektes Doppelspiel. Höchst persönlich werde er "nach Russland reisen", um "auszuschliessen, dass wir unseren Bedarf aus umweltschädigenden Quellen decken". Ziel ist Mayak, die russische Atomfabrik, von der die Axpo ihre Brennstäbe bezieht.

 Von Mayak (früher: Tscheljabinsk) wissen wir, dass radioaktive Abfälle seit Jahrzehnten in Flüsse, Seen und Müllhalden gekippt werden. 20 000 Menschen wurden umgesiedelt. "Ein Grossteil dieser Personen wurde nicht gezielt medizinisch überwacht, sodass keine Aussagen über gesundheitliche Folgen für Personen aus den evakuierten Gebieten gemacht werden können", schreibt Wikipedia. Welchen Persilschein wird uns Axpo-Mann Kägi aus Mayak nach Hause bringen? Wird er auch die Stadt Sewersk besuchen, wo Plutoniumfässer aus Frankreich und der Schweiz auf einem Parkplatz mitten in bewohntem Gebiet herumstehen, wie der Film "Albtraum Atommüll" (Arte TV) berichtet hat?

 Im Verheimlichen hat Russland Übung. Und Korruption ist an der Tagesordnung. Die gleichen Firmen, die Tschernobyl auf dem Gewissen haben, sind heute Geschäftspartner der Axpo. Hätte Greenpeace den Russen-Deal nicht enttarnt, wir hätten wohl nie davon erfahren. Im Vertuschen spielt die Axpo in der Super League.

 Seit über 30 Jahren importiert der Kanton Zürich französischen Atomstrom. Jetzt ist der Zeitpunkt da, zu dem viele Stadtwerke schnell und günstig auf Windstrom umsteigen. In und rund um die Nord- und Ostsee entstehen bis 2030 Windfarmen, welche die Stromerzeugung von 100 bis 200 "Gösgen" ersetzen werden. Nun sind Stromimporte in den Augen der Zürcher Regierung plötzlich das Schlimmste, was es gibt: "Wir haben keine Hoffnung, dass wir vom Ausland kostengünstig und zuverlässig Strom beziehen können." Gegen Uran- und Gasimporte hat sie aber nichts, die Axpo baut ja die TAP-Pipeline in den Iran. Mayak und Mullahs sind für die Axpo als Handelspartner zuverlässig, Windfarmen in der Nord- und Ostsee Krisenherde. Aha.

 Dass die Schweiz Strom an der europäischen Strombörse einkauft, hat ja niemand verlangt. Stadtwerke, die in Windfarmen - Standort Europa - investieren, bezahlen keine Marktpreise, sondern Gestehungskosten. Das ist ein Riesenunterschied, sollte Erdgas gerade wieder einmal knapp werden. Wind bläst bekanntlich gratis, deshalb bleiben die Gestehungskosten auch in Krisenzeiten stabil.

 Makulatur. Die freie Stromdurchleitung in Europa nennt sich Strombinnenmarkt. Axpo-Verwaltungsrat Kägi müsste eigentlich schon davon gehört haben. Die Axpo-Tochter EGL gehört zu den grössten Stromhändlern. Sie baut und betreibt in Italien ein halbes Dutzend Gaskraftwerke, übrigens nicht CO2-frei.

 Anfang Dezember haben zehn Nordsee-Anrainerländer einen Vertrag für ein gemeinsames neues Stromnetz unterzeichnet. Es wird sich dereinst von Irland bis Estland und von Schweden bis nach Italien erstrecken. Die Ausrede, die Stromnetze würden für Windenergie nicht ausgelegt, ist Makulatur.

 Auch das Flugticket nach Russland könnten sich die Zürcher sparen. Herr Kägi müsste bloss die deutsche Kinderkrebsstudie lesen, die Krebsstudien von E. Cardis oder Prof. J.-F. Viel (Leukämie in La Hague). Die Todesfälle durch Atomenergie sind im Westen gut dokumentiert. In Mayak wird Herr Kägi wenig Neues erfahren. Ist das vielleicht der Zweck der Reise?

 * Mit einem Mitbericht kommentieren Regierungs- und Bundesräte die Geschäfte ihrer Kollegen. Rudolf Rechsteiner (1958) ist Ökonom und war Nationalrat (BS, SP) von 1995 bis 2010.

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Solothurner Tagblatt 15.12.10

"Es braucht weitere geologische Abklärungen"

 Atom-Endlager Die Regierung bezweifelt, dass der Jura-Südfuss zur Lagerung von radioaktivem Material geeignet ist.

 "Für den Kanton Solothurn bleiben viele Fragen bezüglich der Gesteins- und Gebirgseigenschaften des Standorts Jura-Südfuss offen, die ohne weitere Abklärungen nicht beantwortet werden können." Das hält der Solothurner Regierungsrat in einer Mitteilung fest. In seiner Vernehmlassungsantwort zur ersten Etappe des Sachplans geologische Tiefenlager an das Bundesamt für Energie fordert er denn auch "vertiefte geologische Abklärungen" zum Standort Jura-Südfuss. Alle sechs Standortgebiete in der Schweiz seien zudem nach den gleichen sicherheitstechnischen Kriterien zu untersuchen. Weiter müssen sie auf dem gleichen geologischen Wissensstand vergleichbar sein, unterstreicht die Regierung.

 Ein Ausschluss wäre verfrüht

 Das Standortgebiet Jura-Südfuss enthält als mögliche Wirtgesteine Effinger-Schichten sowie Opalinuston. Es bestehen keine Bohrungen, die bis in diese Tiefe reichen. Der Regierungsrat bezweifelt immer noch die Eignung der Effinger-Schichten als Wirtgestein für ein Tiefenlager. Ausserdem liegt das Gebiet aufgrund der Jurafaltung in einem tektonisch stark überprägten Bereich. "Deshalb sind seismische Messungen nötig, um die räumliche Ausdehnung der ungestörten lagerfähigen Gesteinspakete festzustellen", betont die Regierung. Und: "Sind die lagerfähigen Gesteinsschichten zu stark zerstückelt, eignet sich das Standortgebiet nicht für ein Tiefenlager."

 Die Regierung findet es allerdings richtig, dass aufgrund des heutigen Kenntnisstands alle sechs Standortgebiete in der Schweiz beibehalten werden. "Ein Ausschluss eines Gebiets in der Etappe 1 wäre verfrüht." Im Standortgebiet Jura-Südfuss sei bei der weiteren Bearbeitung aber auch die Problematik der dichten Besiedlung zu berücksichtigen. Der Regierungsrat anerkennt weiter die zentrale Rolle der Gemeinden für die erfolgreiche Durchführung der regionalen Partizipation im Standortauswahlverfahren. Sie müssten in der Organisation entscheidend vertreten sein. Nur damit könne sichergestellt werden, dass ihre Interessen berücksichtigt würden. Der Schwerpunkt der Etappe 1 liegt auf der Identifizierung geeigneter Standortgebiete aufgrund sicherheitstechnischer und geologischer Kriterien. Im Herbst 2008 schlug die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) sechs Gebiete vor. Der Jura-Südfuss wurde für die Lagerung von schwach- und mittelaktiven Abfällen als geeignet beurteilt. (sks)

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NLZ 15.12.10

FDP: Wellenberg muss vom Tisch

 Nidwalden

 wy. Der Standort Wellenberg muss gestrichen werden. Dies verlangt die FDP Nidwalden in ihrer Stellungnahme zum Sachplan geologische Tiefenlager des Bundes. Spätestens in der nächsten Etappe müsse der Wellenberg aus dem Auswahlverfahren für ein Endlager für atomare Abfälle herausgenommen werden. Die FDP spricht in ihrer Mitteilung davon, dass der Wellenberg eine Sonderstellung habe, weil das Nidwaldner Volk sich zwei Mal gegen ein Endlager an diesem Standort ausgesprochen habe. "Die beiden Volksabstimmungen sind politisch richtig zu gewichten", unterstreicht die FDP Nidwalden.

 Ja zum Atomstrom gesagt

 Zudem seien auch geologische Bedenken angebracht, hätten die Kontrollbehörden den Wellenberg doch "vorsichtig günstig" bis "bedingt günstig" bewertet.

 Die FDP sagt aber auch, dass alle in der Verantwortung für eine sichere Entsorgung von atomaren Abfällen stünden. Auch Nidwalden, dessen Volk mit dem Nein zur Atomausstiegs-Initiative am 26. September klar Ja gesagt habe zur Nutzung der Kernenergie. Es lasse sich auch nicht wegdiskutieren, dass der Kanton Nidwalden überdurchschnittlich viel Strom aus Kernenergie verbrauche.

 "Transparent und demokratisch"

 Das Auswahlverfahren des Bundes für ein geologisches Tiefenlager bezeichnet die FDP als "transparent und demokratisch". Es sei daher die demokratische Pflicht der FDP Nidwalden, das Verfahren kritisch und konstruktiv zu begleiten. Die Partei werde immer wieder mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die beiden Volksabstimmungen und deren historische Bedeutung richtig gewichtet würden.

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Aargauer Zeitung 14.12.10

"Der Sachplan muss überarbeitet werden"

 Tiefenlager Die Grünen Brugg nehmen Stellung

 Die Grünen Brugg weisen den "Sachplan geologisches Tiefenlager Etappe1" zurück. "Unter nachhaltigem Umgang mit radioaktiven Abfällen verstehen wir Lösungen, die wissenschaftlich standhalten und nicht unter politischem Druck möglichst rasch - zuungunsten der Standortbevölkerung und der Qualität - ausgearbeitet werden", stellen die Grünen Brugg in einem Communique fest.

 Die Grünen Brugg begrüssen, "dass die Nagra ihre Pflicht, die radioaktiven Abfälle langfristig und sicher in einem Endlager unterzubringen, ernst nimmt. Sie vermissen in der ganzen Planung aber eine Weitsicht, die einen zukünftigen Ausstieg aus der Produktion der Atomenergie umfasst."

 "Eiltempo ist nicht angebracht"

 Zudem dürfe, so die Grünen Brugg, "kein Standortentscheid gefällt werden, solange die technische Ausführung des Tiefenlagerkonzepts unausgereift ist und weder Sicherheit noch Rückholbarkeit garantiert sind. Darüber hinaus sind die sechs Standorte auf den gleichen geologischen Kenntnisstand zu bringen. Diese Abklärungen sind zeitintensiv und dürfen nicht aufgrund politischer und wirtschaftlicher Sachzwänge im Eiltempo erfolgen."

 Die Grünen Brugg monieren zudem, dass die Standorte Nördlich Lägern und Bözberg in der Vergangenheit immer als Reservestandorte erwähnt und als "geologisch weniger geeignet" eingestuft worden seien. "Nun werden sie auf der gleichen Ebene wie die anderen vier Standorte behandelt. Dies ist vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Wissensgrundlagen nicht nachvollziehbar."

 Scheinpartizipation

 Die Art und Weise der Mitsprache der Bevölkerung entspreche einer Scheinpartizipation, stellen die Grünen Brugg fest. "Der einseitige Informationsfluss, gekoppelt mit Zeitdruck, macht es nur den naturwissenschaftlich vorgebildeten Einwohnern möglich, die Dokumente überhaupt zu verstehen." Die Grünen Brugg machen zudem geltend, dass der Kanton Aargau mit den drei Atomkraftwerken Leibstadt und BeznauI und II sowie mit dem Zwischenlager in Würenlingen bereits heute für die gesamte Schweiz einen grossen Teil der Lasten der Atomtechnologie trägt. "Diesem Sachverhalt ist bei der Standortevaluation unbedingt Rechnung zu tragen", betonen die Grünen Brugg. Vor dem Hintergrund all dieser kritischen Aspekte lehnen sie den "Sachplan geologisches Tiefenlager Etap-pe1" in dieser Form ab und fordern dessen Überarbeitung und ein Überdenken des Prozesses. (az)

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Basler Zeitung 13.12.10

Der Bözberg war nur Nagras zweite Wahl

 Drei Gebiete kommen als Lager für hochradioaktiven Müll infrage - zwei davon galten einst als weniger geeignet

Susanna Petrin

 Das Zürcher Weinland war der ursprüngliche Favorit der Nagra. Der potenzielle Endlagerstandort wurde besser untersucht als der Bözberg und Nördlich Lägern. Trotzdem gelten heute alle drei als ebenbürtige Optionen. Fachleute fordern nun, dass alle drei Gebiete gleich geprüft werden.

 Als "Reserveoption" bezeichnete die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) einst den Bözberg im Fricktal, ebenso das Gebiet Nördlich Lägern im Mittelland. "Als Explorationsgebiet" für die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle stehe "das Zürcher Weinland im Vordergrund", schrieb die Nagra in ihrem technischen Bericht weiter. Denn dieses Gebiet, so heisst es dort, verfüge über "das grösste tektonisch ungestörte Areal im geeigneten Tiefenbereich".

 In anderen Worten: Das Weinland liegt ausserhalb der Alpenbildungszone, der Bözberg und Nördlich Lägern dagegen zählen zur Vorfaltenzone. In den letzten beiden könnten sich Scherzonen befinden - durch Überschiebungen entstandene Narben. Möglicherweise verringert das die Sicherheit. Denn ein Endlager soll mithilfe des umliegenden Gesteins radioaktive Abfälle bis zu einer Million Jahre vom Menschen und der Umwelt abschotten.

 Der zitierte Bericht ist aus dem Jahr 1994. Die Nagra stand damals unter Druck, sie musste den Entsorgungsnachweis erbringen - Forschungen, die aufzeigen sollten, dass die Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Schweiz grundsätzlich möglich ist. Für die hochaktiven Abfälle wurde dieser Nachweis für das Weinland erbracht. Das Zürcher Weinland ist der Favorit, lautete alsbald das erste Fazit.

 Doch dann änderten sich die politischen Verhältnisse; der Bund verlangte von der Genossenschaft, sie müsse den Fächer öffnen und dem Land eine Auswahl bieten. Dazu ersann der Bund ein Sachplanverfahren für Tiefenlager. Die Nagra präsentierte alsbald sechs Standorte, drei davon als für den strahlendsten AKW-Müll geeignet. Sie hatte die einstigen Reserveoptionen Bözberg und Nördlich Lägern wieder aus dem Hut gezogen.

 Gleichstand gefordert

Seither werden alle drei Standorte gleichwertig öffentlich diskutiert. Die Kantone sind eingeweiht, die Bevölkerung darf sich an Podien einbringen, deutsche Medien loben den vorbildlichen demokratischen Prozess. Doch nun droht die Geschichte die Nagra einzuholen. Denn nicht nur war das Weinland - heute als Zürich Nord-Ost bezeichnet - einst ihr Lieblingsstandort, er wurde entsprechend am gründlichsten untersucht.

 In Nördlich Lägern wurde dagegen nie eine 3-D-Seismik gemacht (eine räumliche Messung zur Bestimmung von Strukturen), und am Bözberg fehlt diese genauso wie eine Tiefenbohrung im möglichen Endlagergebiet.

 Nun fordern Betroffene und Experten einen Gleichstand der Untersuchungen aller drei Standorte - bevor es beim laufenden Sachplanverfahren mit sozioökonomischen und anderen Studien weitergeht und bevor die Wahl auf zwei Orte eingeengt wird (vgl. Kasten).

 Bisher sind die fehlenden Tiefenbohrungen und 3-D-Messungen erst in der dritten und letzten Etappe des Verfahrens vorgesehen, ungefähr 2016/17. "Zu spät", beanstanden unter anderen die Schweizerische Energiestiftung (SES), Bürgerorganisationen, der Geologieprofessor Walter Wildi, der Geologe Marcos Buser, Mitglied der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS), sowie der Geologe Erich Müller namens der Arbeitsgruppe Sicherheit Kantone. Die Reihenfolge müsse geändert werden, sagen sie: Zuerst muss untersucht werden, erst danach könnten alle Betroffenen auf Augenhöhe weiterdiskutieren.

 Inspektorat prüft

Derzeit liegt der Ball beim Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi). Es muss ohnehin klären, ob der Stand der Untersuchungen in allen drei Gebieten den Anforderungen der Behörden genügt. Vor rund zwei Wochen hat es von der Nagra den neusten technischen Bericht erhalten, bis im März 2011 will das Ensi dieses 400-seitige Werk prüfen. Je nachdem darf die Nagra weitermachen oder sie muss zuerst millionenteure Bohrungen vor Ort durchführen.

 Tatsächlich sei über das Weinland viel mehr bekannt, sagt Meinert Rahn, Leiter Sektion Geologie beim Ensi, "aber auch über die anderen zwei Gebiete weiss man schon sehr viel". Sicherheitstechnisch seien alle drei geeignet, "das wissen wir", sagt Rahn. Doch jedes Gebiet habe potenzielle Vor- und Nachteile. Was die zu erwartenden 10 bis 15 Eiszeiten betrifft, die in der nächsten Million Jahre wahrscheinlich über Europa ziehen werden, so sei der Bözberg vermutlich am wenigsten betroffen. Denn das Gebiet sei "wegen seiner Alpenferne und dem Jurawall geschützter". In Zürich Nord-Ost und in Nördlich Lägern könne wiederum das Lager tiefer angelegt werden. Das böte einen "langfristigen Schutz" vor den Gletschern.

 Am Ende werde das Ensi alle Sicherheitsaspekte gegeneinander abwägen. Eine sichere Option müsse gewählt werden - nicht jene, bei welcher der geringste politische Widerstand herrsche, versichert Rahn. Doch wenn alle drei Standorte am Ende den äusserst strengen Sicherheitsanforderungen entsprächen, dann dürften auch andere Kriterien mitspielen, soziale und politische etwa. "Wir berechnen, wie viel Radioaktivität der Mensch der Zukunft aufgrund eines Endlagers maximal aufnehmen würde", erklärt Rahn. "Unsere Limite dazu ist dabei um einen Faktor 500 tiefer als die Dosis, der ein Mensch heute jährlich durch natürliche Strahlung und technische Anwendungen ausgesetzt werden darf."

 André Lambert, Geologe bei der Nagra, zeigt sich offen und selbstkritisch. Umfang und Reihenfolge des "vom Bund so bestimmten Sachplanverfahrens" seien auch innerhalb der Nagra "Gegenstand von Diskussionen". Doch es sei grundsätzlich sehr wichtig und käme gut an, dass die Leute schon möglichst früh beim Auswahlverfahren partizipieren dürfen. Dass zwei der drei Regionen noch etwas weniger detailliert untersucht worden seien, mache diese nicht a priori schlechter. Schrittweise werde nun mehr und mehr Wissen eingeholt, zunächst mit regionalen 2-D-Seismikmessungen, Modellberechnungen und später mit vertiefteren Untersuchungen.

 In einem sind sich alle Parteien einig: Der Wissenstand über die Endlagergebiete muss angehoben werden. Die Frage ist nur: wie bald? Die KNS fordert in einer offiziellen Stellungnahme, dass schon in der nächsten, zweiten Etappe "die erforderlichen Untersuchungen" durchgeführt werden. Dazu gehören laut dem Geologen Buser zwingend die Bohrungen und die 3-D-Messungen: "Man muss das jetzt abklären", sagt Buser, "danach hat man eine ehrliche Antwort." Im Vergleich zu den Hunderten von Millionen, die bereits für Endlagerforschung ausgegeben worden seien, koste das nicht viel - und erspare der Nagra viel Ärger.

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 Drei Etappen bis zum Endlager

 Schwierige suche. Der Bund und die Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) klären derzeit ab, welcher Standort sich am besten als Endlager für radioaktive Abfälle eignet. Gesucht wird ein Lager für schwach- und mittelradioaktiven sowie einer für hochaktiven Abfall - auch ein Kombilager wäre möglich. Neben dem Bözberg kommen die Regionen Zürcher Weinland (ZH, TG), Nördlich Lägeren (ZH, AG), Südranden (SH) und Wellenberg (NW, OW) infrage. Doch nur die ersten drei würden sich auch für den radioaktivsten Müll eignen. Ein vom Bundesamt für Energie (BFE) geleitetes Verfahren sieht drei Etappen vor. In der aktuellen, ersten läuft eine öffentliche Anhörung. Schon in der zweiten, ab November 2011, soll der Bundesrat je einen Endlager-Standort aus dem Rennen nehmen. In der dritten und letzten Etappe sollen als Bestandteil des Rahmenbewilligungsverfahren letzte, grosse Untersuchungen wie die 3-D-Messungen aller Standorte folgen - zu spät, sagen verschiedene kritische Stimmen (vgl. Text), denn ohne diese Untersuchungen würden möglicherweise die falschen Gebiete vorzeitig ausgeschieden. Schliesslich soll der Bundesrat bis 2019 einen Standort bestimmen. Und auch wenn das Parlament diesen bestätigt, am Ende wird es wahrscheinlich zu einer Volksabstimmung kommen.  spe

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Sonntag 12.12.10

Für SBB macht Beteiligung an neuem AKW "keinen Sinn"

 Absage der Bundesbahnen an die Projekte von Axpo und Alpiq

 im Mai bezeichnete Axpo-Chef Heinz Karrer die SBB als interessanten Partner beim allfälligen Bau zweier neuer Atomkraftwerke. Kein Wunder, denn mit den Bundesbahnen als Partner liesse sich die Abstimmung über neue AKW in frühestens drei Jahren einfacher gewinnen.

 Der SBB-Energieverantwortliche Jon Bisaz ist an den AKW-Bauplänen der Stromkonzerne Axpo und Alpiq jedoch nicht interessiert: Eine Beteiligung an einem neuen Schweizer Atomkraftwerk sei für die SBB "keine Option". Gegenüber der "SBB-Zeitung" sagt der Leiter Energie: "Von einem neuen Kernkraftwerk im Niederamt, für das Alpiq einen Richtplan vorlegte, würden wir höchstens 4 Prozent der Produktion benötigen. Da macht eine Beteiligung keinen Sinn."

 Grund dafür sind nicht etwa Vorbehalte gegenüber Atomstrom. Denn die SBB fahren bereits heute zu rund einem Viertel mit Energie aus Beteiligungen an französischen Atomkraftwerken. Vielmehr würden die geplanten neuen Atommeiler für die SBB schlicht zu spät kommen. Denn die Bundesbahnen haben bereits ab 2017 eine Energielücke, die sie mit Kraftwerksbeteiligungen und neuen Strombezugsverträgen decken wollen. Allfällige neue AKW würden aber frühestens 2025 in Betrieb gehen.

 Deshalb sagt Bisaz: "Wegen der Bahn braucht es kein KKW." Die Axpo sagt dazu lediglich, dass verschiedene andere potenzielle Partner ihr Interesse an einer Beteiligung bekundet hätten. Bei Alpiq will man dies ebenfalls nicht kommentieren und verweist auf die gute Zusammenarbeit mit den SBB beim gemeinsamen Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance.

 Die SBB müssen in den nächsten sieben Jahren erhebliche Mittel in neue (Spitzen-)Energie-Bezugsquellen investieren. Dass dies teuer wird, zeigt das Beispiel Nant de Drance: Vor drei Jahren lag die "Schmerzgrenze" der SBB für das 600-MW-Kraftwerk noch bei 800 Millionen Franken. Vor zwei Jahren wurden die Kosten auf 1 Milliarde Franken budgetiert und vor 11 Monaten musste das Aktienkapital des Kraftwerks um 100 Millionen aufgestockt werden. Die SBB brauchen das Kraftwerk, das 2016 in Betrieb gehen soll, dringend, um für die Eröffnung der Neat gerüstet zu sein.

Yves Demuth

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NZZ 11.12.10

Bundesverwaltungsgericht

 Keine Einsicht in vertrauliche Akten
 
Streit um KKW Mühleberg

 fel. Bern · Im Streit um die vom Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) aufgehobene Befristung der Betriebsbewilligung für das Kernkraftwerk Mühleberg erhalten die Gegner keine Einsicht in Akten, die vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat als vertraulich klassifiziert wurden. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des bei ihm hängigen Beschwerdeverfahrens. Begründet wird die Verweigerung der Akteneinsicht mit Blick auf die innere Sicherheit wegen der Gefahr von Sabotageakten und Terrorangriffen.

 Soweit es um interne Akten und damit lediglich um das Geschäftsgeheimnis der Betreibergesellschaft BKW geht, erhalten die Beschwerdeführer teilweise Einsicht. Das gilt unter anderem für das sogenannte TÜV-Nord-Gutachten von 2006 zu Kernmantelrissen am Reaktor.

 Urteil A-667/2010 vom 8. 12. 10.

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gr.be.ch 8.12.10

Geplantes AKW Mühleberg - Wie viel muss der Kanton Bern bezahlen und wird über
die Kosten offen informiert?
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