MEDIENSPIEGEL 5.2.11
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo, Kino)
- (St)Reitschule. Leistungsvertrags-Gschtürm; Angriffe auf Polizei
- 30 Jahre AJZ: Langer Atem; Winterstadt erwache
- Schützenmatte: Securitas werden weggespart; nix Campus
- Clubleben: Regierungsstatthalter will "Bürgerwehr"
- RaBe-Info 1.-4.2.11
- Einbürgerung: Adam Riese und der Gebühren-Hess
- Asyl: Verschärfungen; Beschleunigungen
- Nothilfe: Kampagne; Alltag; Kritik
- Sans-Papiers: Kosten SZ
- Ausschaffungen: Vollzugsprobleme; Theater
- Migration Conrol: CH-Grenzwächter an EU-Aussengrenzen
- Blödsinn: Hakenkreuzhaus LU
- Bad Bonn: Petition für eine Zukunft mit Kultur
- Squat ZH: Tessinerkeller geräumt
- Rec Rec: Veit Stauffer im Inteview
- Gefangene: Knastspaziergänge BE + ZH
- Tieraktiv: Tierrechtsforum 2011
- Repression + Hetze: SP-Entschuldigung; Polizeisorgen;
Extremismus-Märchen; Schnellgerichte
Anti-WEF: RAufbau vor Bundergericht; "Racketen"-Fall SG;
Festnahmen-Nachwehen
- Police FR: Vorbeugende Massnahmen gegen Demonstrierende
- Police ZH: Cops gegen Kennzeichnung; Polizeiverordnung;
Ausgangssicherheit
- Police LU: Kennzeichnungsfragen
- Ruhe & Ordnungen: Verlagerung statt Lösung in Frauenfeld
- Sicherheitsdieste: Schwarze Schafe
- Big Brother: Überwachung VD
- Weltsozialforum: Globalisierung von unten
- Undercover: Heidelberg; Mark "Stone" Kennedy; Geldfragen
- Drogen: Koka + Bolivien; Neue Wege
- Alkohol: Milliardenschäden
- Sexwork LU: Strassenstrich + Wohngebiete; Mieten; Standorte
- Rechtsextremismus: Pnos-Eglin muss zahlen
- David Frankfurter: Schüsse in Davos
- SiKo München 2011
- Anti-Atom: Mühleberg; Gösgen; Axpo + 2 Grad; Niederamt;
Leukämie; Initiative
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REITSCHULE
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So 06.02.11
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flomarkt und Brunch bis 16.00
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilme am Flohmi-Sonntag: Das
Dschungelbuch,
Wolfgang Reitherman, USA 1967
20.00 Uhr - Rössli - The Phenomenauts. - New Wave /
Punk /
Rockabilly
Di 08.02.11
20.30 Uhr - Kino - Uncut - Warme Filme am Dienstag:
L'Arbre et la
Foret, Olivier Ducastel, Frankreich 2010
Mi 09.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche: Restaurant
Dampfzentrale (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
19.00 Uhr - SousLePont - Mittelalter-Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojotheater - Let's pretend to be human. Von
Paraform. Eine
Exkursion ins Abenteuer Menschlichkeit
Do 10.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche: Restaurant
Dampfzentrale (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.30 Uhr - Tojotheater - Let's pretend to be human. Von
Paraform. Eine
Exkursion ins Abenteuer Menschlichkeit
21.00 Uhr - Rössli - Pirol - Plattentaufe. Support:
Quieta.
--Indie/Noise/Shoegaze
Fr 11.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche: Restaurant
Dampfzentrale (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.30 Uhr - Kino - Ander, Roberto Castón, Spanien
2009
20.00 Uhr - Infoladen - Die extreme Rechte in "Social
Networks".
Veranstaltung der Antifa Bern mit Michael Weiss, Antifaschistisches
Pressearchiv und Bildungszentrum Apabiz, Berlin
20.30 Uhr - Tojotheater - Let's pretend to be human. Von
Paraform. Eine
Exkursion ins Abenteuer Menschlichkeit
23.00 Uhr - Dachstock - Patchwork: DOOM DJ-SET (aka MF
DOOM/Lex Rec).
Support: DJ Sassy J & ill dubio & ketepica -- Hiphop
Sa 12.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche: Restaurant
Dampfzentrale (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
21.00 Uhr - Kino - Ander, Roberto Castón, Spanien
2009
20.30 Uhr - Tojotheater - Female Freaks - Die Show zum
Valentinstag.
Conférence: Sylvia Garatti
22.00 Uhr - Dachstock - MARTERIA (GER), Support: DJ's
Kermit & Kid
Silly -- Hiphop, Electro
So 13.02.11
19.00 Uhr - Tojotheater - Female Freaks - Die Show zum
Valentinstag.
Conférence: Sylvia Garatti.
20.00 Uhr - Rössli - Gabriel Hirsch -- Indiepop
Mo 14.02.11
20.30 Uhr - Tojotheater - Female Freaks - Die Show zum
Valentinstag.
Conférence: Sylvia Garatti
Infos:
http://www.reitschule.ch
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kulturagenda.be 3.2.11
Saga-hafte Rätsel
Die Schauspielerin Serena Wey bringt wieder einen Roman auf die
Bühne, "Schattenfuchs" des isländischen Autors Sjón.
Mit dem Musiker Benjamin Brotbeck spielt sie ihr Zweipersonenstück
im Tojo.
"Schattenfuchs" ist eine rätselhafte Geschichte mit fantastischen
Elementen der isländischen Sagas. Da gibt es einen Jäger auf
der Jagd nach einer erdschwarzen Füchsin. Und eine tote Frau. Was
ist passiert? Der Roman des isländischen Autors Sjón lebt
von atmosphärischen Bildern und von der Spannung - am Schluss
lösen sich alle Rätsel auf.
"Trotz seiner archaischen Sprache lässt sich der Text gut in
unsere Zeit übersetzen ", sagt die Schauspielerin Serena Wey. Sie
hat den Text zu einem Zweipersonenstück gemacht, hat ihn stark
gekürzt, aber nicht umgeschrieben. Wey hat sich vor zwanzig Jahren
auf die szenische Umsetzung von Romanen spezialisiert. Zuletzt spielte
sie den "Schwimmer" nach Zsuzsa Bánk. Mit Serena Wey steht
Benjamin Brotbeck auf der Bühne. Der Multiinstrumentalist ist
für die Musik zuständig, die sich "auf Augenhöhe mit dem
Text und dem Spiel" befinde, wie Wey betont. Brotbeck hat bereits bei
mehreren Produktionen am Theater Basel mitgewirkt. Nun arbeitet er
erstmals mit Serena Wey zusammen.
Michael Feller
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\ \ \ \ \ \ \ \
Tojo Theater, Bern. Mi., 2.2, bis Sa., 5.2., 20.30 Uhr. www.tojo.ch
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kulturagenda.be 3.2.11
Tippa Irie und Peter Hunnigale im Dachstock
Tippa Irie (Bild) und Peter Hunnigale sind zwei der wichtigsten
Reggae-Vertreter Englands. Seit den 80er-Jahren machen sie immer wieder
gemeinsame Projekte. Tippa Irie kennt man ausserdem von seiner
Kooperation mit den Black Eyed Peas für die Single "Hey Mama". Im
Dachstock präsentieren die beiden ihr riesiges Repertoire.
Dackstock in der Reitschule, Bern. Sa., 5.2., 22 Uhr
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kulturagenda.be 3.2.11
"Das Dschungelbuch" im Kino in der Reitschule
Der kleine Mowgli wird im Dschungel von den Wölfen grossgezogen.
Als Tiger Shir Khan
dem Jungen nach dem Leben trachtet, bringt ihn Panther Baghira
sicherheitshalber zu
den Menschen. Der Disney-Zeichentrickfilm "Das Dschungelbuch" (1967)
ist ein zeitloser
Klassiker und begeistert mit seinen witzigen Figuren und den
eingängigen Songs von jeher
Jung und Alt. Kino in der Reitschule, Bern. So., 6.2., 13.30 Uhr
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(ST)REITSCHULE
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BZ 5.2.11
Ja zum Leistungsvertrag - mit einem Vorbehalt
Reitschule. Falls im Stadtrat ein unterschriebener Vertrag
vorliegt und sich das Kulturzentrum kooperativ zeigt, wollen die
Mitteparteien Ja zu den Subventionen sagen.
Weil die Kommissionsmitglieder der Mitteparteien dagegen waren,
lehnte die vorberatende Kommission den Leistungsvertrag mit der
Reitschule ab. Die Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur)
reagierte befremdet darauf. Nun machen GFL/EVP, BDP/CVP und GLP ein
Angebot an die Adresse der Ikur. Wenn dem Stadtrat eine Woche vor der
Debatte über die Kulturverträge ein unterzeichneter Vertrag
vorliege und sich die IKUR zur überwiesenen Motion "Reitschule
schützen: Gewaltprobleme lösen" bekenne, würden sie dem
Vertrag zustimmen.
Die Ikur soll pro Jahr 380 000 Franken erhalten von der Stadt
Bern. Nicht betroffen ist der separate Vertrag mit der Grossen Halle.
cab
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Bund 4.2.11
http://www.derbund.ch/bern/Reitschule-Ultimatum-von-MitteParteien-und-Ruege-von-Nause/story/16530476
Reitschule: Ultimatum von Mitte-Parteien und Rüge von Nause
Die Stadtberner Mitte-Parteien werden den Leistungsvertrag mit
der Reitschule nur genehmigen, wenn er bis zum 24. Februar
unterzeichnet ist.
Christian Brönnimann
In der basisdemokratisch organisierten Reitschule dauert die
Entscheidungsfindung manchmal etwas länger. So ist der
Leistungsvertrag mit der Stadt Bern noch nicht unterzeichnet, obwohl
der Stadtrat in vier Wochen darüber zu entscheiden hat. Dies hat
die vorberatende Kommission für Soziales, Bildung und Kultur dazu
bewogen, dem Parlament die Ablehnung des Leistungsvertrags zu
beantragen (siehe "Bund" vom 2. 2.).
Nun machen auch die Mitte-Parteien GFL, EVP, BDP, CVP und GLP
Druck. In einer gemeinsamen Erklärung teilen sie mit, dass sie den
Leistungsvertrag nur dann genehmigen werden, wenn er den Fraktionen
mindestens eine Woche vor der Kulturdebatte vom 3. März vorliegt -
sprich am 24. Februar. Zudem müssten sich Reitschule und
Gemeinderat zu einer 2009 überwiesenen Richtlinienmotion bekennen,
die unter anderem einen schlagkräftigen reitschulinternen
Sicherheitsdienst verlangt. Zusammen mit der SVP könnten die
Mitte-Parteien den Leistungsvertrag kippen.
Unterschrift am Wochenende?
Die Reitschule reagiert gelassen auf das Ultimatum. Man liege gut
im Zeitplan, schreibt die Mediengruppe auf Anfrage. Dieses Wochenende
stehe der definitive Entscheid an; die Verhandlungen mit der Stadt
seien letzte Woche abgeschlossen worden. Vonseiten der Reitschule gebe
es "keine generellen Widerstände" gegen den Leistungsvertrag. Bei
den Gesprächen sei es nur um "ein paar wenige Punkte" gegangen.
Konkretere Angaben dazu machte die Mediengruppe nicht.
Laut Peter Tschanz, Generalsekretär der städtischen
Präsidialdirektion, mussten in den Verhandlungen
Verantwortlichkeiten bei Veranstaltungen auf dem Vorplatz der
Reitschule geklärt werden. Konkret sei festgelegt worden, wer
dafür zuständig sei, die jeweils nötigen Bewilligungen
einzuholen. Die bestehenden Sicherheitsvereinbarungen bleiben laut
Tschanz unverändert integraler Bestandteil des Leistungsvertrages.
Nause verurteilt Angriff auf Polizei
Derweil hat der Gemeinderat gestern per Communiqué den
Angriff Vermummter auf Polizisten bei der Reitschule in der Nacht auf
letzten Sonntag verurteilt (siehe "Bund" vom 31. 1.). Zwar sei er sich
bewusst, dass die Ikur als Betreiberin der Reitschule nicht für
alle Ereignisse im Umkreis der Institution verantwortlich gemacht
werden könne, schreibt der Gemeinderat. Dennoch erwarte er von der
Ikur "eine deutliche Distanzierung von solchen gewalttätigen
Übergriffen". Zu Angriffen auf die Polizei mit Flaschen oder
Steinen war es bei der Reitschule bereits im letzten Dezember und im
Oktober gekommen.
Die Mediengruppe der Reitschule nimmt wie folgt dazu Stellung:
"Da wir die Täter(innen) nicht kennen, können wir uns nur von
ihren Taten distanzieren. Da wir solche Aktionen für
ungerechtfertigt, kontraproduktiv, gefährlich und sinnlos halten
und die Reitschule nicht Ort für Strassenschlachten sein will,
appellieren wir schon seit Jahren an unser Umfeld und an unsere
Gäste, dies zu respektieren. Dabei ist auch die Polizei gefordert,
im Allgemeinen wie im Speziellen vernünftig und
verhältnismässig zu agieren."
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) befriedigt dieses Statement
nur bedingt, wie er auf Anfrage sagt: "Ich hätte es mir klarer
gewünscht." Es sei halbbatzig, weil man sich eigentlich auch von
den Tätern distanzieren müsse. Zudem sei es völlig
falsch, bei einer Situation wie am letzten Sonntagmorgen von
Verhältnismässigkeiten zu sprechen. Laut Darstellung der
Kantonspolizei wurden die Polizisten angegriffen, als sie einen
Selbstunfall aufnehmen wollten.
Der Vorfall werde wie üblich am runden Tisch mit den
Reitschule-Verantwortlichen besprochen, verspricht Nause. "Der
Sicherheitsdienst funktioniert offenbar nicht wie gewünscht."
Konkrete kurzfristige Massnahmen seien vonseiten der Stadt aber keine
geplant.
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20 Minuten 4.2.11
http://www.20min.ch/news/bern/story/Reitschule-verurteilt-Angriffe-auf-Polizisten-16887059
Reitschule verurteilt die Angriffe auf Polizisten
BERN. Wegen Subventionen und Angriffen auf Polizisten steht die
Reitschule erneut unter Beschuss. Tom Locher aus der Mediengruppe der
Reitschule nimmt Stellung.
Vermummte griffen am Sonntag erneut Polizisten an. Wie steht ihr
dazu?
Locher: Wir verurteilen solche Aktionen. Sie sind
ungerechtfertigt, kontraproduktiv und sinnlos. Die Reitschule ist kein
Ort für Strassenschlachten.
Schaden euch solche Vorfälle?
Ja, sie vergiften das politische Klima und gefährden
Gäste und Betreiber. Reagiert die Polizei mal mit Tränengas,
könnte eine Panik ausbrechen, mit Verletzten oder gar Toten.
Deshalb bitten wir die Beteiligten, darauf zu verzichten.
Wer das nicht tut, muss womit rechnen?
Wir haben die Möglichkeit, ihn mit Hausverbot zu belegen, im
schlimmsten Fall mit einer Anzeige. Da wir aber häufig nicht
wissen, wer dahintersteckt, ist das oft mühselig.
Die Reitschule ist also kein rechtsfreier Raum?
Wir sind ein uniformfreier, aber sicher kein rechtsfreier Raum.
Das behaupten die Rechtspopulisten. Tatsache ist: Wir haben ein
Manifest, in dem auch Sanktionen festgelegt sind.
Wegen Sicherheitsbedenken fordern jetzt Politiker, der neue
Leistungsvertrag solle nicht mehr unterzeichnet werden.
Wie können sie einen Vertrag kritisieren, den sie gar nicht
gelesen haben? Wir haben zusammen mit der Stadt die letzten Differenzen
bereinigt. Die Unterzeichnung ist nur noch Formsache.
Falls es nicht dazu kommt: Was bedeutet das?
Die finanziellen Konsequenzen wären das Geringste. Das
Vertrauen in die Stadt wäre aber erschüttert.
Pedro Codes
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Blick am Abend 3.2.11
Zoff wegen Polizei- und Geldsorgen
REITSCHULE
Die SP Bern und der Gemeinderat nerven sich - wegen und am
Kulturbetrieb.
Die Reitschule erhitzt auch weiterhin die Gemüter. Die SP
Bern empört sich, dass dem Kulturbetrieb der Geldhahn abgedreht
werden soll. Der Gemeinderat ermahnt die Betreiber wegen
Übergriffen auf die Polizei. Es geht um einen Vorfall vom
Wochenende.
Am Sonntagmorgen wurde eine Patrouille der Kantonspolizei "von
Vermummten angegriffen", wie der Gemeinderat in einer Medienmitteilung
schreibt. Die Beamten seien gerade mit einem Unfall in der Nähe
der Reitschule beschäftigt gewesen, als die Unfallaufnahme durch
den Angriffverhindert worden sei. Weil es sich bereits um den zweiten
Angriff auf die Polizei seitens Reitschule- Besucher innerhalb
kürzester Zeit handelt, mahnt jetzt der Gemeinderat die
Betreiberin Ikur. Er sei sich bewusst, dass die Ikur "nicht für
alle Ereignisse im Umkreis der Reitschule verantwortlich gemacht werden
kann." Dennoch erwartet er "eine deutliche Distanzierung vor
gewalttätigen Übergriffen".
Die SP Bern empört sich derweil darüber, dass die
Stadtratskommision den Leistungsvertrag mit der Reitschule ablehnt. Die
SP werde sich dafür einsetzen, dass dem Betrieb das Geld nicht
ausgeht. rrt
---
bernerzeitung.ch 3.2.11
Gemeinderat verurteilt Übergriffe auf Polizisten vor Reitschule
pd / mau
Am Sonntagmorgen wurde eine Patrouille der Kantonspolizei Bern
bei der Reitschule von Vermummten angegriffen. Der Gemeinderat fordert
nun, dass sich die Betreiberin der Reitschule Ikur vor solchen
gewalttätigen Übergriffen distanziert.
Die Patrouille der Kantonspolizei Bern wurde angegriffen, nachdem
sie zu einem Verkehrsunfall gerufen worden war. Die umgehende
Unfallaufnahme ist dadurch verhindert worden. Es war bereits der zweite
Übergriff auf die Kantonspolizei innert kurzer Zeit bei der
Reitschule.
Der Gemeinderat verurteilt die beiden Vorfälle und die
Behinderung der polizeilichen Ermittlungen, wie er in einer Mitteilung
schreibt. Er sei sich bewusst, dass die Ikur als Betreiberin der
Reitschule nicht für alle Ereignisse im Umkreis der Reitschule
verantwortlich gemacht werden könne. Dennoch erwartet der
Gemeinderat von ihr eine deutliche Distanzierung vor solchen
gewalttätigen Übergriffen. Der Gemeinderat wird diese laut
Mitteiluing auch an den Gesprächen thematisieren, die
regelmässig zwischen Stadt und Reitschule stattfinden.
---
Bund 3.2.11
SP und Reitschule empört über Ablehnung der SBK
Die SP Stadt Bern ist "konsterniert" über die Ablehnung des
Leistungsvertrags mit der Reitschule durch die Stadtratskommission. Sie
werde sich dafür einsetzen, dass dem Kulturbetrieb der Geldhahn
nicht abgedreht werde, teilte sie mit. Schliesslich habe sich Berns
Stimmbevölkerung erst vor vier Monaten mit dem Nein zur
Reitschul-Initiative erneut klar zur Reitschule bekannt. Die SBK habe
sich von ideologischen Standpunkten leiten lassen - "leider abermals
mithilfe des Bündnispartners GFL", schreibt die SP. Die
Mediengruppe der Reitschule ihrerseits zeigte sich "erstaunt", dass die
SBK "keine Ahnung" über den Inhalt des Leistungsvertrags zu haben
scheine, obwohl die Verhandlungen darüber "unmittelbar vor
Abschluss" stünden.(pd)
---
BZ 3.2.11
SP Stadt Bern
"Konsterniert" über SBK-Entscheid
Die SP Stadt Bern sei konsterniert über den Entscheid der
Stadtratskommission, den Leistungsvertrag mit der Reitschule
abzulehnen. Das schreibt die Partei in einer Medienmitteilung. Sie
werde sich dafür einsetzen, dass dem Kulturbetrieb der Geldhahn
nicht abgedreht werde. Die SP verlange von der Stadtratskommission mehr
Umsicht und Sachkompetenz. pd
---
bern.ch 2.2.11
Vorfälle bei der Reitschule: Gemeinderat verurteilt Angriffe auf
die Polizei
Am Sonntagmorgen wurde eine Patrouille der Kantonspolizei Bern bei der
Reitschule von Vermummten angegriffen, nachdem sie zu einem
Verkehrsunfall gerufen worden war. Die umgehende Unfallaufnahme wurde
dadurch verhindert. Es war bereits der zweite Übergriff auf die
Kantonspolizei innert kurzer Zeit bei der Reitschule. Der Gemeinderat
verurteilt die beiden Vorfälle und die Behinderung der
polizeilichen Ermittlungen. Er ist sich bewusst, dass die Ikur als
Betreiberin der Reitschule nicht für alle Ereignisse im Umkreis
der Reitschule verantwortlich gemacht werden kann. Dennoch erwartet der
Gemeinderat von ihr eine deutliche Distanzierung vor solchen
gewalttätigen Übergriffen. Der Gemeinderat wird diese auch an
den Gesprächen thematisieren, die regelmässig zwischen Stadt
und Reitschule stattfinden.
Informationsdienst der Stadt Bern
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SP Bern 2.2.11
02.02.2011 | 14:37 |
Ja zum Reitschul-Vertrag!
Die SP Stadt Bern ist konsterniert über den Entscheid der
Stadtratskommission, den Leistungsvertrag mit der Reitschule
abzulehnen. Sie wird sich dafür einsetzen, dass dem Kulturbetrieb
der Geldhahn nicht abgedreht wird.
Ende September hat die Berner Stimmbevölkerung die
Reitschul-Initiative wuchtig verworfen und damit zum fünften Mal
in der Folge ein klares Bekenntnis zur Reitschule abgelegt. Dass die
Stadtratskommission SBK 4 Monate später den Leistungsvertrag mit
den Reitschule-Betreibern ablehnt und der Reitschule damit den
Finanzhahn zudrehen will, ist schon vor diesem Hintergrund
inakzeptabel. Das Argument, dass kein unterschriebener Vertrag
vorgelegen habe, ist unhaltbar: Der Vertrag steht und beinhaltet klare
Bestimmungen zu Sicherheitsvereinbarungen. Insofern ist die Ablehnung
des Leistungsvertrags nichts anderes als eine völlig unnötige
Gängelung der Reitschule-Betreiber.
Die SP Stadt Bern stellt fest, dass sich die SBK bei wichtigen
Geschäften zum wiederholten Male statt von Sachverstand von
ideologischen Standpunkten hat leiten lassen - leider abermals mithilfe
des Bündnispartners GFL, wie aus den Medien zu erfahren war. Die
SP erwartet, dass die Kommission in Zukunft die nötige Umsicht und
Sachkompetenz an den Tag legt, die von einer stadträtlichen
Kommission zu erwarten ist.
SP Stadt Bern
---
Bund 2.2.11
Kommission will der Reithalle kein Geld geben
Die Stadtratskommission empfiehlt überraschend, den
Leistungsvertrag mit den Betreibern der Reitschule abzulehnen.
Der Leistungsvertrag für die Jahre 2012 bis 2015 mit der
Reitschule soll abgelehnt werden: Diese überraschende Empfehlung
macht die vorberatende Kommission für Soziales, Bildung und Kultur
(SBK) dem Stadtrat nach ihrer Sitzung vom Montag.
Kommissionspräsident Martin Schneider (BDP) begründet diesen
Entscheid auf Anfrage damit, dass kein von der Vollversammlung der
Reitschule unterschriebener Vertrag vorgelegen habe, der den in der
Motion des einstigen GFL-Stadtrates Erik Mozsa festgehaltenen Punkten
Rechnung getragen hätte. Der Vorstoss, der vom Stadtrat
überwiesenen wurde, sieht unter anderem die Einrichtung eines
internen Sicherheitsdienstes vor, der auch Hausverbote aussprechen
kann. Zudem sollen die Türen zum Kulturzentrum bei Demonstrationen
geschlossen werden.
"Reitschule hat Widerstände"
Es kann davon ausgegangen werden, dass der GFL-Stadtrat Lukas
Gutzwiller im Verbund mit den Bürgerlichen für die Ablehnung
votierte. GFL/EVP-Fraktionschef Peter Künzler lässt keinen
Zweifel daran, dass der überraschende SBK-Entscheid unter
Mitwirkung des GFL-Mitglieds in der Kommission zustande gekommen ist.
"An unserer positiven Haltung zur Reitschule gibt es keinen Zweifel",
sagt Künzler. Die GFL unterstütze das Kulturzentrum aber nur
dann, wenn sich die Betreiber an die in der Motion von Mozsa
festgehalten Auflagen hielten. Laut Künzler ist der neue
Leistungsvertrag mit der Reitschule noch gar nicht unterzeichnet. Ein
Vertragsentwurf mit den genannten Auflagen sei in Verhandlung. Die
Vertreter der Reitschule hätten aber offenbar Widerstände,
diesen zu unterzeichnen. Laut Künzler ist jedoch klar: "Wenn die
Reitschul-Betreiber weiterhin Geld von der Stadt wollen, werden sie auf
die Bedingungen eingehen müssen."
"Der Vertrag steht"
Die Verhandlungen mit der Reitschule werden auf städtischer
Seite von der Präsidialdirektion geführt. Deren
Generalsekretär, Peter Tschanz, weiss nichts von
"Widerständen" der Reitschule bei der Vertragsunterzeichnung. "Der
Vertrag steht. Die Unterzeichnung hat sich verzögert, weil zuerst
die Vollversammlung der Reitschule ihr Einverständnis dazu geben
muss." Integraler Bestandteil des Vertrages seien die Bestimmungen der
Sicherheitsvereinbarung, welche die einstige Statthalterin Regula Mader
im November 2009 mit den Reitschul-Betreibern abgeschlossen hatte.
Tschanz kann nicht sagen, ob diese Sicherheitsvereinbarung in jedem
Detail den Forderungen der GFL-Motion entspricht. Er gibt aber zu
bedenken, dass es sich beim Vorstoss um eine für den Gemeinderat
unverbindliche Richtlinienmotion gehandelt habe.
Auch Kommissionssprecher Ruedi Keller (SP) zeigte wenig
Verständnis für den Entscheid der Mehrheit. Die Ablehnung des
Kredits an Auflagen der Motion Mozsa zu knüpfen, sei "absurd",
sagte er. Insbesondere, da der Gemeinderat der Kommission beschieden
habe, es gebe keine Gründe, den Vertrag abzulehnen. Dass die
Kommission dies dennoch getan hat, könne durchaus als
Misstrauensvotum gegenüber dem Gemeinderat verstanden werden.
Die Leistungsverträge mit den grössten
Kulturorganisationen empfahl die Kommission zur Genehmigung - auch der
umstrittene Beitrag an das "Konzert Theater Bern", in dem sich
künftig Stadttheater und Berner Symphonieorchester vereinen. Auch
diese Entscheidung war umstritten. Der Stadtrat entscheidetam 3.
März.(bob/tik)
---
BZ 2.2.11
Kein Geld für Reitschule
KulturverträgeDie Kulturkommission des Stadtrats spricht
sich für die neuen Kulturverträge aus. Einzig jenen für
die Reitschule lehnt sie ab.
Am 3. März diskutiert der Stadtrat über die
Kulturverträge für die nächste Subventionsperiode. Die
vorberatende Kommission empfiehlt dem Parlament, die Verträge mit
einer Ausnahme anzunehmen. "Den Vertrag mit der Ikur, also der
Reitschule, lehnte die Kommission ab", sagte Kommissionspräsident
Martin Schneider (BDP) auf Anfrage. Der Gemeinderat habe die
Konsequenzen aus der Motion der Fraktion GFL/EVP (Erik Mozsa:
"Reitschule schützen") nicht gezogen, und der definitive Vertrag
mit der Ikur liege gar noch nicht vor. Kommissionsmitglied Ruedi Keller
(SP), das Grüne Bündnis und die Junge Alternative
distanzierten sich postwendend von dieser offiziellen Meldung.
Schliesslich beantragt die Kommission, dass die Kürzung um 50 000
Franken beim Kino im Kunstmuseum wieder rückgängig gemacht
wird.
cab
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Langenthaler Tagblatt 2.2.11
Neuer Streit um die Berner Reitschule
Bern Die Reitschule sorgt erneut für Zwist: Die
zuständige stadträtliche Kommission empfiehlt den
Leistungsvertrag 2012 bis 15 mit der Interessengemeinschaft Kulturraum
Reitschule (IKuR) zur Ablehnung.
Erstens habe der Gemeinderat die Konsequenzen aus einer Motion
der Fraktion GFL/EVP nicht gezogen, begründete die Kommission
für Soziales, Bildung und Kultur (SBK) gestern ihren Entscheid.
Der Vorstoss zielte darauf ab, die Reitschul-Betreiber zu mehr
Sicherheitsanstrengungen zu verpflichten. Ausserdem liege der
definitive Vertrag mit der IKuR noch gar nicht vor, hielt die
Kommission weiter fest. Deshalb könne sie den Leistungsvertrag
nicht zur Annahme empfehlen. Das letzte Wort hat der Stadtrat am 3.
März.
Linksparteien reagierten erbost: So warf das Grüne
Bündnis der SBK vor, sie missachte den Volkswillen. Schliesslich
habe sich der Berner Souverän im letzten Herbst klar hinter die
"Kulturinstitution Reitschule" gestellt. Auch die Junge Alternative
warf der Kommission "unsinnige Zwängerei" vor. Die
Richtlinienmotion sei längstens erfüllt. So verfüge die
Reitschule seit dem Abschluss der neuen Sicherheitsvereinbarung im
November 2009 über einen Sicherheitsdienst. Sie habe auch
verbindliche Ansprechpersonen für die Stadt. Der Leistungsvertrag
sieht Zahlungen von total 1,52Millionen Franken vor, also 380000
Franken pro Jahr. (sda)
---
Der Bund 2.2.11
Leserbrief Vermummte greifen Polizei bei der Reitschule an, "Bund" vom
31. Januar
Der Kanton würde die Stadt überstimmen
Es ist nicht das erste Mal, und es wird nicht das letzte Mal
sein, dass die Polizei bei der Reitschule von vermummten und
pubertierenden sogenannten Aktivisten mit Flaschen beworfen wird. Es
ist für die meisten nicht ganz nachvollziehbar, dass die Polizei
es fertigbringt, sich bei Strassenverkehrskontrollen locker
durchzusetzen und zu büssen. Wenn sie hingegen grundlos bei der
Reithalle angegriffen werden, ziehen sie sich wie Feiglinge zurück
(ich meine hier nicht die Frontleute, sondern diejenigen, die die
Einsatzdoktrin festlegen bzw. die Politiker).
Niemand in der Stadt kann sich so etwas erlauben, ausser eben den
Reitschulbetreibern mit ihrer erlauchten Kundschaft. Ob sie das wollen
oder nicht, sie tolerieren es, und das ist fatal. Dass diese Leute,
inkl. der sogenannten Betriebskommission, es nicht merken, dass sie
Erich Hess eine Steilvorlage mit ihrem Gebaren liefern, um eine
kantonale Abstimmung zur Schliessung der Reithalle anzustreben, sollte
ja gewissen Leuten auch zu denken geben, falls diese Gabe bei ihnen
vorhanden ist. Kommt es irgendwann zu einer solchen Abstimmung, dann
können sie sicher sein, dass die Reitschule dann kurzum
geschlossen wird. Der Kanton wird die Stadt überstimmen wie so oft
bei fragwürdigen Abstimmungsvorlagen.
Martin Häfeli Bern
---
BZ 2.2.11
Ausgabe vom 31. Januar
"Polizisten vor Reitschule mit Flaschen beworfen"
"Nicht ganz nachvollziehbar"
Es ist nicht das erste Mal und es wird nicht das letzte Mal sein,
dass die Polizei bei der Reitschule von vermummten und pubertierenden
"Aktivisten" mit Flaschen beworfen wird. Es ist für die meisten
nicht ganz nachvollziehbar, dass die Polizei es fertigbringt, sich bei
Strassenverkehrskontrollen locker durchzusetzen, hingegen wenn sie bei
der Reithalle grundlos angegriffen wird, sich wie ein Feigling
zurückzuzieht (sorry, ich meine da nicht die Frontleute, sondern
diejenigen, die den Einsatz festlegen, beziehungsweise die Politiker).
Niemand in der Stadt kann sich so etwas erlauben, ausser eben die
Reitschulbetreiber mit ihrer erlauchten Kundschaft. Dass sich der
Stadtrat in seiner politischen Ausrichtung daran nicht stört, ist
klar. Dass der Gemeinderat auch nichts dagegen unternimmt, ist schon
eher bedenklich, aber wegen seiner Zusammensetzung auch nicht
verwunderlich. Dass diese Leute, inklusive der sogenannten
Betriebskommission, es nicht merken, dass sie Erich Hess eine
Steilvorlage liefern, um eine kantonale Abstimmung zur Schliessung der
Reithalle anzustreben, sollte gewissen Leuten auch zu denken geben -
falls diese Gabe bei ihnen vorhanden ist. Kommt es irgendwann zu einer
solchen Abstimmung, dann können sie sicher sein, dass die
Reitschule geschlossen wird. Der Kanton wird die Stadt
überstimmen, wie so oft bei fragwürdigen Abstimmungsvorlagen.
Martin Häfeli, Bern
---
reitschule.ch 1.2.11
Bern, 1. Februar 2011
Medienmitteilung zum Antrag der Kommission für Soziales, Bildung
und Kultur (SBK)
Sehr geehrte Medienschaffende
Wir sind erstaunt, dass die SBK-Kommission scheinbar keine Ahnung vom
Stand der Verhandlungen über den Leistungsvertrag zwischen der
Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (IKuR) und der Stadt Bern
hat, obwohl diese Verhandlungen nach intensiven Gesprächen nun
unmittelbar vor dem Abschluss stehen. Ebenso erstaunt sind wir
darüber, dass der Kredit von der Kommission zur Ablehnung
empfohlen wird, offenbar ohne dass sich die Kommission über den
Inhalt des Leistungsvertrages informiert hat.
Wir unterstützen andererseits den Antrag der Kommission, dass die
Kürzung der städtischen Subventionen für das Kino im
Kunstmuseum wieder rückgängig gemacht wird.
Mit freundlichen Grüssen
Mediengruppe
Reitschule Bern
---
bernerzeitung.ch/derbund.ch 1.2.11
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Streit-um-Berner-Reitschule--Stadt-will-Geldhahn-zudrehen/story/26832667
http://www.derbund.ch/bern/Stadt-will-Reitschule-den-Geldhahn-zudrehen/story/31372349
Streit um Berner Reitschule - Stadt will Geldhahn zudrehen
Die Berner Reitschule sorgt erneut für politischen Zwist: Die
zuständige stadträtliche Kommission empfiehlt den
Leistungsvertrag 2012-15 mit der Interessengemeinschaft Kulturraum
Reitschule (IKuR) zur Ablehnung.
Erstens habe der Gemeinderat die Konsequenzen aus einer Motion der
Fraktion GFL/EVP nicht gezogen, begründete die Kommission für
Soziales, Bildung und Kultur (SBK) am Dienstag ihren Entscheid. Der
Vorstoss zielte darauf ab, die Reitschul-Betreiber zu mehr
Sicherheitsanstrengungen zu verpflichten.
Ausserdem liege der definitive Vertrag mit der IKuR noch gar nicht vor,
hielt die Kommission weiter fest. Deshalb könne sie den
Leistungsvertrag - anders als die Abkommen mit den anderen
Kulturinstitutionen - nicht zur Annahme empfehlen. Das letzte Wort hat
der Stadtrat am 3. März.
Linksparteien reagierten erbost auf den Kommissionsentscheid. So warf
das Grüne Bündnis der SBK vor, sie missachte den Volkswillen.
Schliesslich habe sich der Berner Souverän im letzten Herbst klar
hinter die "Kulturinstitution Reitschule" gestellt.
Auch die Junge Alternative warf der Kommission "unsinige
Zwängerei" vor. Die Richtlinienmotion sei längstens
erfüllt. So verfüge die Reitschule seit dem Abschluss der
neuen Sicherheitsvereinbarung im November 2009 über einen
Sicherheitsdienst. Sie habe nun auch verbindliche Ansprechpersonen
für die Stadt. Der Leistungsvertrag sieht Zahlungen von insgesamt
1,52 Millionen Franken vor, also 380'000 Franken pro Jahr. (tan/sda)
---
gbbern.ch 1.2.11
Medienmitteilung des Grünen Bündnis zum SBK-Entscheid
betreffend Leistungs- und Kulturverträge
Die Reitschule verdient Unterstützung!
Der Entscheid der Kommission für Soziales, Bildung und Kultur
(SBK), den Kredit für den Leistungsvertrag mit der
Interessegemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR zur Ablehnung zu
empfehlen, stösst sauer auf. Das Grüne Bündnis
interpretiert die Entscheidung der SBK als direkten Angriff auf die
IkuR und Missachtung des Volkswillens: Das Berner Stimmvolk hat sich im
vergangenen Herbst klar hinter die Kulturinstitution Reitschule und die
Aktivitäten der IKuR gestellt.
Die Interessegemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR leistet eine gute
und wichtige Arbeit, welche durch eine Kündigung des
Subventionsvertrags gefährdet ist. Vor allem wenn man sich das
Resultat der letzten von fünf Abstimmungen über die
Reitschule vor Augen führt - 68% der Berner Stimmbevölkerung
haben sich im September 2010 zugunsten der Reitschule ausgesprochen -
erscheint dieser Entscheid unverständlich und nicht im Sinne der
Berner Stimmbevölkerung. Durch die ständigen Angriffe von
Seiten bürgerlicher Sparapostel befindet sich die IKuR unter
dauerndem Legitimationsdruck und quasi in einem ständigen
Abstimmungskampf. Eine Institution, die wertvolle, unverzichtbare und
für die Stadt Bern beispiellos günstige Kultur bietet, hat
dies nicht verdient.
Weitere Auskünfte:
Cristina Anliker-Mansour, GB-Stadträtin, Natel: 077 415 76 30
---
jungealternative.ch 1.2.11
Schluss mit der unsinnigen Zwängerei gegen die Reitschule!
Gestern hat die stadträtliche Kommission für Soziales,
Bildung und Kultur (SBK) den Entscheid gefällt, den
Leistungsvertrag mit der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule
IKuR zur Ablehnung zu empfehlen. Die Junge Alternative JA! kritisiert
diesen Entscheid scharf. Alle Stadtratsparteien ausser FDP und SVP
haben bei der vergangenen Abstimmung vom 26. September 2010 die
Reitschule klar unterstützt. Dieser plötzliche Kurswechsel
ist unverständlich und kontraproduktiv.
Als Begründung legt die Kommission die Tatsache vor, dass der
Gemeinderat den Forderungen aus der Richtlinienmotion von Erik Mozsa
"Reitschule schützen: Gewaltprobleme lösen" im neuen
Leistungsvertrag nicht genügend Rechnung getragen habe. Diese
Argumentation ist unverständlich. Die Forderungen der Motion sind
längst erfüllt: So verfügt die Reitschule seit dem
Abschluss der neuen Sicherheitsvereinbarung im November 2009 über
einen Sicherheitsdienst. Auch hat die Reitschule verbindliche
Ansprechpersonen, welche sich in regelmässigen Abständen mit
der Stadt treffen.
Diese Tatschen lassen die JA! schliessen, dass der Kommissionsentscheid
kaum eine Folge von rationalen Überlegungen sein kann, sondern
eher als ein weiteres Zeichen der mitte-bürgerlichen Aversion und
Intoleranz gegenüber alternativen Strukturen und Andersdenkenden
gedeutet werden muss. Zudem ignoriert die Kommission mit ihrem
Entscheid die Abstimmung vom September 2010, bei welcher sich 68.4% der
Stimmenden für die Reitschule ausgesprochen haben.
Die Junge Alternative JA! fordert die mitte-bürgerlichen
Stadtratsparteien dazu auf, endlich mit ihrer destruktiven Politik
gegen die Reitschule aufzuhören und den Kredit für den
Leistungsvertrag mit der Reitschule im Stadtrat zu genehmigen.
---
bern.ch 1.12.11
Kommission für Soziales, Bildung und Kultur (SBK)
Morellhaus, Postgasse 14 Postfach, 3000 Bern 8
Telefon 031 321 79 20 Fax 031 321 79 22
ratssekretariat@bern.ch www.bern.ch
An die Berner Medien
Bern, 1.Februar 2011 BK
Medienmitteilung der Kommission für Soziales, Bildung und Kultur
(SBK)
(...)
Die SBK beantragt dem Stadtrat die Genehmigung der
Leistungsverträge mit den Kulturinstitutionen mit folgenden
Ausnahmen: Den Kredit für den Leistungsvertrag mit der
Interessegemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR beantragt die SBK zur
Ablehnung.
Sie ist der Auffassung, der Gemeinderat habe die nötigen
Konsequenzen aus der Motion der Fraktion GFL/EVP (Erik Mozsa
"Reitschule schützen") nicht gezogen. Zudem würde der
definitive Vertrag mit der IKuR noch gar nicht vorliegen. Schliesslich
beantragt die Kommission, dass die Kürzung der städtischen
Subvention um 50'000 Franken beim Kino im Kunstmuseum wieder
rückgängig gemacht wird. Über die Leistungsverträge
wird der Stadtrat am 3. März 2011 entscheiden.
Für weitere Auskünfte stehen Ihnen Kommissionsreferentin
Kathrin Bertschy (KITAInitiative, 078 667 68 85) und Ruedi Keller
(Leistungsverträge, 079 287 00 60) gerne zur Verfügung.
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30 JAHRE AJZ
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BZ 5.2.11
Der lange Atem eines Abbruchobjekts
REITSCHULE BERN. Am 5. Februar 1981, heute vor 30 Jahren,
bewilligte Berns Stadtrat die Einrichtung eines Jugendzentrums in der
Reitschule. Kaum eröffnet, wurde sie wieder geschlossen. Ein
Aktivist und ein Behördenvertreter von damals erinnern sich und
erklären, warum die Reitschule überlebt hat.
Die 80er-Bewegung hatte im langsamen Bern ein Jahr
Verspätung. In Fahrt kam sie erst 1981, vor 30 Jahren, als die
sich autonom nennenden Jugendlichen in der ehemaligen städtischen
Reitschule auf der Schützenmatte ein Dach über dem Kopf
erhielten. Die 80er-Bewegung mag verspätet gewesen sein,
dafür erwies sie sich im behäbigen Bern als umso
nachhaltiger. Die Reitschule hat erstaunlicherweise bis heute
überlebt. Auch weil sie sich zusammen mit der Stadt gewandelt und
geöffnet hat.
Geschenk der Stadt
Genau genommen flammte die Bewegung in Bern schon im Jahr auf,
das ihr den Namen gab. Nach dem Auftakt, dem Krawall vor dem
Zürcher Opernhaus am 20. Juni 1980, forderten junge Leute vor dem
damals leer stehenden Tramdepot am Bärengraben die Einrichtung
eines "autonomen" Zentrums. Erfüllt wurde dieses Begehren dann
genau heute vor 30 Jahren. Nicht durch die kühne Besetzung und
Aneignung der Reitschule, wie ein in Bern gern nacherzählter
Mythos behauptet. Es war im Gegenteil die viel geschmähte
Obrigkeit, die der zornigen Berner Jugend am 5. Februar 1981 die
Reitschule grosszügig zur Verfügung stellte. Vor zahlreichen
Aktivisten auf den Zuschauerrängen im Ratssaal bewilligte das
Parlament der damals von einer bürgerlichen Mehrheit regierten
Stadt an jenem Februartag mit 59 gegen 7 Stimmen einen Kredit von 600
000 Franken für die Einrichtung eines Jugendzentrums in den
Stallungen der Reitschule.
Im Bericht der Berner Zeitung BZ über die Stadtratsdebatte
von damals konnte man schon alle Hoffnungen und Befürchtungen
lesen, die die Reitschule später zum Brennpunkt machten und ihr
ein negatives Image verpassten. Kritikern galt sie als "Schandfleck" am
Eingang zur Stadt und als Symbol für die Laschheit der Berner
Politik.
Hoffnung und Befürchtung
Filmer Peter von Gunten vom Jungen Bern (JB) war in der Debatte
vom 5. Februar 1981 laut BZ überzeugt, dass ein Jugendzentrum "die
Reibungen zwischen Verwaltung und Jugend verringern" werde. Die damals
noch gemässigte SVP fand, man solle "das Experiment mit dem
Jugendzentrum wagen". Der spätere Stadtpräsident Klaus
Baumgartner von der SP war skeptischer. Er mahnte, das Experiment werde
"Jugendprobleme sichtbar" machen, denen man mit flankierenden
Massnahmen begegnen müsse. Er dürfte an Drogenprobleme
gedacht haben.
Die heute aufgelöste Rechtsgruppierung Nationale Aktion (NA)
forderte erfolglos, der Reitschule-Kredit sei dem Volk zu unterbreiten.
Stadtpräsident Werner Bircher (FDP) verlangte, es müsse in
der Reitschule eine verantwortliche Trägerschaft geben. Die
kritischsten Töne schlug der spätere Stadtratspräsident
Hans-Rudolf Thomet von der FDP an. Er vertrete "den Grossteil der
Bevölkerung, die kein Verständnis für Chaoten und
Krawallanten" habe, erklärte er. Man schaffe ein
"Agitationszentrum", die Autonomen seien kaum bereit, "sich Bedingungen
zu unterziehen", warnte er.
Thomets wie auch Baumgartners Befürchtungen haben sich in
den darauf folgenden 30 Jahren öfter bewahrheitet. Und linke
Hoffnungen erwiesen sich immer wieder als Wunschdenken. Die Reitschule
blieb bis heute ein Ort sozialer Probleme, unklarer Legitimität
und bisweilen aggressiver Eigenmächtigkeit. Das zeigt der
jüngste Vorschlag der Stadtratskommission für Soziales,
Bildung und Kultur, den Leistungsvertrag mit den Reitschule-Betreibern
abzulehnen, weil sie etwa Sicherheitsvorkehrungen verweigern
würden.
Exponiert und doch im Abseits
Der Architekt Tilman Rösler (51), vor 30 Jahren "bewegter"
Aktivist, erinnert sich, dass die Reitschule "gar nicht im Visier" der
Bewegung gewesen sei. "Es erschien uns utopisch, einen so zentral
gelegenen Ort zu erhalten." Und er bestätigt, dass die Reitschule
nicht durch eine revolutionäre Besetzung errungen wurde. Er war
nämlich persönlich dabei, als die frühere Baudirektorin
Ruth Geiser Im Obersteg den Jungaktivisten die Reitschule
vorführte. Der Gebäudekomplex, in dessen Halle noch Reiter
hoch zu Pferd Runden drehten, galt als Abbruchobjekt. Ein Jugendzentrum
in einer Abbruchbaute, so wohl die Logik der Behörden, würde
eine vorübergehende Erscheinung sein.
Die Lage sollte sich noch als Vorteil erweisen. Die vom
Bahnviadukt zerschnittene Schützenmatte liegt in einem toten
Winkel. Die in Bern schwächere wirtschaftliche Nachfrage liess das
Gelände links liegen. Die Behörden selber packten nie ein
Umgestaltungsprojekt an. Und als sie in der Nähe die
Drogenanlaufstelle installierten, sorgten sie dafür, dass der
Unort Schützenmatte ein Unort blieb.
Eröffnet wurde die Reitschule nach Umbauarbeiten am 16.
Oktober 1981 mit einem grossen Fest. Fotos von den damaligen
Räumlichkeiten gibt es kaum. Die weltanschaulich rigiden Betreiber
verfügten gegenüber Reportern und Fotografen der in ihren
Augen "bürgerlichen Medien" eine Zensur. Wer sie missachtete,
wurde bisweilen handgreiflich daran erinnert, wer Herr in dem der Stadt
gehörenden, autonomen Haus war. In der Reitschule wurde
Klassenkampf betrieben.
Mühsame Basisdemokratie
Tilman Rösler, der damals als Architekturstudent an der ETH
auch die Zürcher Unruhen hautnah miterlebte, erinnert sich an ein
"kreatives Chaos". Fast täglich hätten Vollversammlungen (VV)
der gerade Anwesenden über die Belange des Hauses entschieden.
"Die VV war die richtige und logische Form, wie sich viele Leute
spontan organisieren, um zusammenzusitzen und zu reden." Diese Ära
sieht er als "Übung in Demokratie", auf die er noch heute stolz
sei. Junge hätten gelernt zu reden, zuzuhören, anzupacken,
etwas zu bewegen.
Weniger kreativ kam die Basisdemokratie den damaligen
Stadtbehörden vor. Jürg Biancone (73), pensionierter
Stadtschreiber-Stellvertreter, erinnert sich an ein mühsames "Hin
und Her". Er war bei der Stadt der Ansprechpartner für die
Reitschule. Zu Unterredungen seien immer wieder andere Leute
erschienen, die über frühere Verhandlungen nicht informiert
gewesen seien.
Oft habe man den Stadtvertretern der Stadt den Zutritt zu dem der
Stadt gehörenden Gebäude verwehrt. Ein Pfarrer habe als
"Pendeldiplomat" im Bahnhofbuffet Instruktionen der Stadt erhalten, die
er in die Reitschule überbracht habe. Biancone berichtet, er
selber sei nie bedroht worden, man habe ihn als Vermittler meist
akzeptiert. "Die Feindbilder waren Stadtpräsident Werner Bircher
und Polizeidirektor Marco Albisetti."
Die Dauerverhandlungen zwischen Behörden und
Reitschülern drehten sich um eine Vereinbarung, die die
Reitschüler lange ablehnten. Erst Ende der 1980er-Jahre wurde ein
Gebrauchsleihevertrag über die Verrechnung von Miet-, und
Infrastrukturkosten abgeschlossen. "Ein Betriebskonzept aufzustellen,
gelang nie", sagt Biancone. Er habe schauen müssen, dass der
Reitschule-Betrieb "in einigermassen geordneten Bahnen lief".
Kampf um Freiraum
Dafür hätten die Reitschüler ohne Zutun der Stadt
selber gesorgt, findet Rösler. Denn im Gebäude hätten
sich "Troublemaker" und Süchtige eingenistet. Ursprünglich
seien die Räume rund um die Uhr geöffnet gewesen. Soziale
Probleme hätten dann "eine Tendenz zur Schliessung und
Strukturierung" ausgelöst. Die Einzelinteressen der Kino-,
Theater- oder Restaurantgruppe seien mit der Zeit wichtiger geworden
als das Gesamtinteresse. Heute leite eine Koordinationsgruppe aus
Delegierten der Gruppen die Reitschule. Ihre Entscheide genehmige dann
die VV.
Den Stadtbehörden und den Betreibern wird bis heute
vorgeworfen, die Reitschule sei ein "rechtsfreier Raum". Die Bewegung
habe diese Formel positiv verstanden, sagt Rösler. In den noch
rigid reglementierten 1980er-Jahren habe es in Bern und anderswo
für Junge keine Freiräume, keine Ausgeh- oder
Versammlungsräume gegeben. "Man konnte sie nur mit Druck und
Kompromisslosigkeit erobern", sagt Rösler.
Es waren die letzten Jahre des Kalten Kriegs mit einer
Atmosphäre wie unter einer Käseglocke. Das bürgerliche
Establishment und junge Nonkonformisten rieben sich heftig aneinander
und entwarfen vom Gegenüber je stark überzeichnete
Feindbilder. Der Berner Filmemacher Bernhard Giger hat dieses
aufgeladene Klima zwischen Depression und Aggression in seinem 1981
gedrehten Spielfilmerstling "Winterstadt" in beklemmenden Bildern
eingefangen (siehe Text nächste Seite).
Wiedereröffnung 1987
In dieser gesellschaftlichen Staulage blieb der
Reitschule-Betrieb heiss umstritten. Nach nur einem halben Betriebsjahr
wurde die Reitschule am 14. April 1982 von der Polizei geschlossen und
ein Jahr lang rund um die Uhr bewacht. Die offizielle Begründung
der Stadtregierung: Es sei keine Einigung auf ein Betriebskonzept
zustande gekommen, und die Reitschüler hätten keine
Ansprechpartner bezeichnet. Ging es den Behörden auch darum, einen
Drogenschauplatz zu entfernen? Das Drogenproblem in der Reitschule sei
marginal gewesen, sagt Rösler. In Zürich sei das AJZ von
Drogendealern überschwemmt worden, die dortigen Behörden
hätten das auch zugelassen und es zum Anlass genommen, das AJZ
abzureissen. Im kleineren Bern wurde die Reitschule trotz geringerem
sozialem Druck geschlossen. Gerade weil die Probleme kleiner gewesen
seien, habe man in Bern eine längere Schliessung durchsetzen
können, sagt Rösler.
Erst mit den Jahren nahm der Druck in Bern zu. Junge besetzten
leer stehende Häuser, richteten, noch ganz ohne Aufrufe per SMS,
illegale "Strafbars" ein. Ein Projekt für ein
Reitschule-Kulturzentrum scheiterte an den Kosten. 1986 wurde mit der
Gründung des Reitschule-Trägervereins Ikur eine alte
Forderung der Stadtbehörden erfüllt. Als der Gemeinderat im
Herbst 1987 das Hüttendorf Zaffaraya auf dem alten Gaswerkareal an
der Aare räumen liess, löste er in der Stadt eine
mehrtägige Protestwelle aus. Am 31. Oktober erzwangen gut 10 000
nicht nur autonome Besucher eines legendären Konzerts von Stephan
Eicher, Polo Hofer und Züri West in der grossen Reithalle die
Wiedereröffnung der Reitschule.
Rot-grünes Wohlwollen
Ihr Betrieb blieb bis heute umstritten. Das zeigen mehrere
Abriss- und Umbauvorhaben. Sie scheiterten allesamt an der Urne. Auch
deshalb, weil sich die politische Ausrichtung der Stadtberner durch den
Auszug des Mittelstands in die Agglomeration verschob. Ausdruck davon
war 1992 der Wahlsieg der rot-grünen Parteien. Sie verhalten sich
gegenüber dem Reitschule-Betrieb grosszügiger - oder je nach
politischer Perspektive lascher.
"Die Reitschule hat sich zu einem valablen Kulturzentrum
entwickelt", zieht Jürg Biancone heute eine positive Bilanz, "aber
mit unschönen Nebengeräuschen." Er meint militante Gruppen
wie den Schwarzen Block, die nach vollbrachten Zerstörungswerk der
Polizei entgehen, indem sie sich unter das Reitschule-Publikum mischen
und diese als Fluchtburg missbrauchen.
Tilman Rösler will diesen Missstand gar nicht abstreiten. Es
sei auch für die heutigen Reitschule-Betreiber ein Problem, dass
einige Hitzköpfe, die heute längst nicht mehr mit so widrigen
Verhältnissen konfrontiert seien wie vor 30 Jahren, die Reitschule
als Bühne ihrer Spätpubertät missbrauchten.
Natürlich sei die Reitschule heute als Ausgehort wichtig,
räumt Rösler ein. Es gebühre ihr dennoch das Verdienst,
mit minimalen Subventionen einen Betrieb aufrechtzuerhalten, der immer
noch ein Trainingsgelände für Demokratie sei. Die
Reitschul-Betreiber würden "mit ihrer widerständigen
Gegenkultur zum Mainstream" einen Beitrag zu Berns Vielfalt liefern.
Urbaner Ausgehtempel
Die Reitschule wird heute von den Kindern der einstigen Pioniere
frequentiert. Sie schätzen sie als urbanen Treffpunkt und als
Konzertlokal, das Reitschule-Restaurant Sous le Pont hat bei ihnen
einen guten Ruf für seine Pommes-frites-Portionen. Vor 30 Jahren
waren Pommes frites als imperialistischer US-Import dort noch tabu. Die
Reitschule hat sich auch entspannt, weil sich die Stadt um sie herum
gewandelt hat. Liberalisierte Gastronomiereglemente haben Bern neue
Lokale und eine mediterrane Atmosphäre beschert. Die Reitschule
ist heute einer unter zahlreichen Hotspots im Nachtbern der Jungen.
Es gehört zur Ironie der Reitschule-Geschichte, dass ihr
ausgerechnet die Kommerzialisierung, die sie bekämpfte, den
Fortbestand ermöglicht. Dass 2010 die fünfte Vorlage gegen
den Reitschule-Betrieb an einem rekordhohen Nein-Stimmen-Anteil von
fast 69 Prozent scheiterte, hat auch damit zu tun, dass die Reitschule
zu einem normalen Ausgehort geworden ist. Berns Junge nutzen ihn nicht
wegen, sondern trotz des dort noch gepflegten Polit-Ingrimms.
Stefan von Bergen
stefan.vonbergen@bernerzeitung.ch
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BZ 5.2.11
Verzweifeltes Anfilmen gegen den Sandstein
BERNHARD GIGERS FILM "WINTERSTADT"Im bleichen Januar 1981 drehte
der Filmer in Bern seinen Spielfilmerstling. Er erzählt, wie er
das angespannte Klima des ausgehenden Kalten Kriegs, gegen das die
80er-Bewegung ankämpfte, in beklemmende Bilder umsetzte.
Ich nannte ihn Charlie. Seine Geschichte erzählte ich so:
Vor einigen Jahren ist er auf der Fahrt von Amsterdam in den Süden
hier hängen geblieben. Er wäre besser weitergefahren, der
Zwischenhalt in Bern hat ihm nicht gutgetan. Die Stadt wurde ihm zur
Falle.
Die Stadt hat auch dann Charme, wenn der Himmel grau ist. Sie
verspricht Ruhe und Geborgenheit. Wenn man über die
Eisenbahnbrücke in sie einfährt, könnte man meinen, auf
einer Insel zu landen. Für Charlie aber wurde die Ruhe zur Leere,
die Stadt zum Kerker. Er dreht seine Runden zwischen der Wohnung, die
er nie richtig eingerichtet hat, und der Bar, die sein eigentliches
Zuhause wird.
Eines Tages taucht dort eine Frau auf, Lena heisst sie und ist
auf der Durchreise, wie er es einmal gewesen war. Charlie und Lena
kommen sich flüchtig näher. Mehr lässt er nicht zu, im
Gegenteil: Er macht fast alles, damit sie wieder geht. Und er
zurückbleibt, allein in seinem Teufelskreis.
Die bleiernen Jahre
Ein Film über die Resignation und das Ende der Hoffnung sei
"Winterstadt", habe ich vor 30 Jahren gesagt, als ich ihn 1981 drehte.
Es war auch ein Film über die 70er-Jahre, die viele als Zeit der
Ernüchterung erlebten. Von der "undurchschaubar gewordenen
Wirklichkeit" schrieb ich in den "Anmerkungen des Autors zum Film", von
Angst, Verzweiflung und Wahnsinn. Waren sie tatsächlich so
depressiv, diese 70er-Jahre?
Man sprach damals von "bleiernen Jahren". Der Begriff bezog sich
auf die Bundesrepublik Deutschland. Dort terrorisierte die RAF, die
Rote Armee Fraktion, das Land. Der Terror der Strasse -
Überfälle, Entführungen, Hinrichtungen deutscher
Führungspersönlichkeiten - provozierte den Terror des Staates
- verordnetes Misstrauen, polizeilich-militärische Aufrüstung
des öffentlichen Raums. Die Waffen sassen locker, auf beiden
Seiten.
Die Hysterie der Zaungäste
Die Schweiz war davon nur am Rand betroffen. Wir waren
Zaungäste. Aber die Hysterie hatte auch unser Land erfasst. Die
Fahndungsplakate der deutschen Polizei wurden auch hier
ausgehängt. Und als im März 1977 im Jura ein Polizist
hinterrücks erschossen wurde, war man sich schnell einig, dass der
Täter höchstwahrscheinlich dem terroristischen Umfeld der RAF
zuzuordnen sei. Später stellte sich heraus, dass der Polizist von
einem Kollegen getötet worden war.
Hysterie auf der einen Seite, und auf der anderen, in Kreisen der
links-alternativen Szene und darüber hinaus im politischen
Niemandsland der Resignierten, eine ständige leise Panik, ein
schleichendes Gefühl der Angst: Das war die diffuse, dumpfe
Zeitstimmung. Allerdings: Wovor, ganz konkret, sollte man Angst haben?
Die Schweiz war kein Polizeistaat, bloss ein Schnüffelstaat, aber
das wurde erst ein Jahrzehnt später, Ende der 80er-Jahre, richtig
bekannt.
Bern im Packeis
Bleierne Zeit - halb real, halb eingebildet - also auch in der
Schweiz. Da kam die RAF gerade recht: Die machen das auch für uns
- so dachten nicht wenige. Und als Rainer Werner Fassbinder in
"Deutschland im Herbst" seine Mutter am Küchentisch mit der Frage
provozierte, ob "das Schlimme bei den Terroristen" nicht sei, "dass sie
vielleicht sogar Gründe haben, die du verstehen könntest?",
da hat nicht nur sie, da haben auch wir genickt.
"Deutschland im Herbst" - der Film, der die Ereignisse im Oktober
1977 reflektiert, als der Kampf zwischen RAF und deutschem Staat
dramatisch eskalierte - war für mich eine Art Vorwort zu
"Winterstadt". Die Stagnation am Ende des Jahrzehnts, das 1968 so viel
Hoffnung geschürt hatte auf Veränderung und Aufbruch, liess
auch mich schier verzweifeln.
Gedreht wurde "Winterstadt" vor genau 30 Jahren, in einem
ähnlich bleichen Januar wie Anfang dieser Woche. Aber das Drehbuch
habe ich geschrieben, bevor Zürich brannte und Bern bebte. In
dieser Winterstadt macht niemand "aus dem Staat Gurkensalat", wie es
die 80er-Bewegung später forderte. Bloss ein paar Punks, die in
der Migros nicht bezahlen wollen, sorgen für etwas Unruhe. Sonst
sind alle viel zu sehr mit sich selber beschäftigt. Kein Film der
Bewegung also, die lauthals ihren Anspruch auf Freiräume
anmeldete, aber ein "Klimafilm", wie man damals sagte. Der
"Drahtzieher", das Organ der Berner Jugendbewegung, sprach von
"präzisen Bildern, die Versteinerung, Kälte, Packeis sichtbar
machen".
Bist du Charlie?
Im Kino, das ist der andere Ausgangspunkt des Films, fühlte
ich mich oft heimischer als in der realen Welt. Das wollte ich machen:
Kino im klassischen Sinn. Ich hatte keinen dokumentarischen Anspruch,
aber ich wollte authentisch ein Lebensgefühl dieser Jahre
vermitteln. Von den Autoren des jungen Films, Bertolucci, Fassbinder,
Wenders, Scorsese, hatte ich gelernt, dass ein Film nur funktionieren
kann, wenn er konsequent von den eigenen Erfahrungen und Empfindungen
ausgeht.
Was aber nicht bedeutet, dass er deswegen auch autobiografisch
ist. Von der Premiere an - sie fand im Sommer 1981 am Filmfestival von
Locarno statt - war das die meistgestellte Frage: Wie viel hat der
Film, wie viel hat vor allem die Hauptfigur mit dir persönlich zu
tun? Charlie, die Filmfigur, war 45, ich, der Autor, 29 Jahre jung.
Fremd war mir dieser Vereinsamte aber nicht, gerade deshalb sah und
zeichnete ich ihn als jemanden, wie ich nie einer werden wollte. Ich
brauchte ihn, um mich von ihm distanzieren zu können.
Der Realität war "Winterstadt" vielleicht näher, als
wir glaubten. Der damalige Schuldirektor der Stadt, der auch
Präsident der Filmkommission war, gab nach der Lektüre des
Drehbuchs zu bedenken, ob die Szene am Schluss des Films, in der
Charlie sich im zweiten Obergeschoss des Bahnhofs weit über die
Brüstung lehnt, nicht zur Nachahmung verleiten könnte. Die
Szene blieb im Film. Hauptdarsteller Peter Hasslinger hat sich wirklich
weit hinausgelehnt, man könnte meinen, er lasse sich gleich
fallen. Das macht Charlie dann auch, auf seine Art: Er sackt auf der
Heimfahrt im Taxi in sich zusammen - während die Gruppe Taxi den
bis heute berühmten, melancholischen Hit "Campari Soda" spielt und
die Stadt unter ihm versinkt.
Filme altern wie wir
Der Titel, "Winterstadt", ist eine Hommage. Terrence Malicks
"Badlands" mit dem jungen Martin Sheen und der noch jüngeren Sissy
Spacek, 1973 gedreht, war damals einer meiner zehn Filme für die
einsame Insel. Genau so etwas wollte ich machen, einen Film über
einen Ort, der Heimat und verfluchtes Land zugleich ist, nur nicht in
der Wildnis Dakotas, sondern in Bern, dort, wo ich lebte und mich
auskannte, in meiner Stadt. Gegen sie, gegen Sandsteinmauern und
Betonköpfe, wollte ich anfilmen, wie Endo Anaconda gegen die Berge
angesungen hat.
1981 habe ich nicht einen Moment daran gedacht, das herzustellen,
was man Zeitdokument nennt. Bei einem Erstling, das versteht sich von
selbst, arbeitet man für die Ewigkeit. Aber Filme sind nicht
zeitlos. Sie altern wie wir. "Winterstadt" könnte ich heute so
nicht mehr machen, der Film hätte mit mir nichts mehr zu tun und
auch nicht mit der Stadt, in der er handelt. Also doch Zeitdokument.
Selbst dokumentarischen Wert hat er unterdessen. Einige seiner
Orte sind verschwunden: Ins Foyer im ersten Obergeschoss des Kinos
Capitol wurde ein zweiter Saal eingebaut, das alte Quick, die
legendäre Bar in der Marktgass-Passage, ist längst
Geschichte. Und wo einst die elegante Eingangshalle des Kursaals stand,
dreht sich heute die Glastür eines Hotels.
Jemand hat damals in der Reitschule "Winterstadt erwache" an die
Wand gesprayt. Sie ist erwacht. Es ist wärmer geworden in Bern.
Das ist nicht nur eine Folge der globalen Klimaveränderung, das
ist auch lokal begründet.
Bernhard Giger
zeitpunkt@bernerzeitung.ch
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SCHÜTZENMATTE
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Bund 4.2.11
Berner Gemeinderat will 60 Millionen Franken sparen
Stadtregierung nimmt Leistungsabbau für die Jahre 2012 bis
2014 in Angriff.
Bernhard Ott
Die Berner Stadtregierung trat gestern in corpore vor die Medien:
"Wir treten hier nicht gemeinsam auf, weil wir Angst haben", sagte
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP). Der Gemeinderat
wolle mit seinem Auftritt vielmehr illustrieren, dass er als Ganzes
hinter den Massnahmen zur Haushaltverbesserung stehe. Dabei gehe es
nicht um "Schocktherapien" oder "Experimente", aber durchaus um
"unpopuläre Massnahmen", sagte Tschäppät.
Die Liste des Gemeinderates zählt über 80 Massnahmen.
Nebst Aufgabenkürzungen und Gebührenerhöhungen geht es
erstmals seit Jahren wieder um Leistungsabbau. Gestrichen werden etwa
die Berufsfeuerwehrschule 2012 und 2013, die Securitas-Kontrollen auf
der Schützenmatte, der Eislauf in der Ka-We-De oder das
Weihnachtsgeld für Sozialhilfebezüger. Einnahmenseitig sollen
die Gewinnablieferungen von Energie Wasser Bern (EWB) und von den
Stadtbauten (Stabe) erhöht werden.
Folgen der Steuergesetzrevision
Der Gemeinderat nahm das Massnahmenpaket Mitte 2010 in Angriff,
nachdem im Finanzplan für die Jahre 2012 bis 2014 Defizite in der
Höhe von 23 bis 29 Millionen Franken prognostiziert worden waren.
Diese Fehlbeträge seien zu hoch gewesen, "um einfach zur
finanzpolitischen Tagesordnung überzugehen", sagte
Finanzdirektorin Barbara Hayoz (FDP). Mit dem Paket des Gemeinderates
könnten in den genannten Jahren Einsparungen von jährlich 20
Millionen Franken erzielt werden. Hayoz und Tschäppät
begründeten die Notwendigkeit der Massnahmen auch mit der
kantonalen Steuergesetzrevision, die ab 2012 zu einem Minderertrag von
jährlich 15,5 Millionen Franken führen werde. Die Revision
des Finanz- und Lastenausgleichs (Filag) wiederum habe ab 2012 eine um
7 Millionen Franken tiefere Entlastung des städtischen Haushaltes
zur Folge als ursprünglich angenommen. Hayoz räumte ein, dass
sich die Konjunktur "wider Erwarten" rasch erholt habe.Ein vorsichtiger
Kurs sei aber nach wie vor angebracht, da "Boom- und Rezessionszeiten
sehr nahe beieinander" lägen.— Kommentar rechts, Seite 23
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Alexander Tschäppät: "Wir scheuen uns nicht, unpopuläre
Massnahmen zu ergreifen"
Der Gemeinderat möchte 2012 bis 2014 keine Defizite. Er will
Ausgaben kürzen, Gebühren erhöhen und Leistungen abbauen.
Bernhard Ott
Der Gemeinderat der Stadt Bern steckt in einem Dilemma: "Alle
wollen sparen", sagte Stadtpräsident Alexander Tschäppät
(SP) gestern vor den Medien. "Aber wenn der Gemeinderat damit ernst
machen will, gibt es Widerstände." Kurz nach der Präsentation
des mittlerweile 12. Pakets zur Sanierung des Stadtberner Haushaltes
haben sich gestern denn auch die Kritiker zu Wort gemeldet. "Kein Abbau
bei der Bildung!", titelte das Grüne Bündnis (GB) seine
Medienmitteilung. "Schuldenbremse ist nach wie vor nötig", meinte
demgegenüber die FDP (siehe Kasten). Der Aufschrei von links und
rechts illustriert, dass der vom Gemeinderat gewählte
Massnahmen-Mix aus Leistungsabbau, Aufwandkürzungen und
Gebührenerhöhungen tatsächlich einer breiteren
Überprüfung der Aufgaben entsprungen ist. Der Gemeinderat
hatte die Aufgabenüberprüfung Mitte 2010 in Angriff genommen,
nachdem im Finanzplan für die Jahre 2012 bis 2014
Rechnungsdefizite von 23 bis 29 Millionen Franken ausgewiesen worden
warten.
Mit den gestern präsentierten Massnahmen will der
Gemeinderat in diesen Jahren Einsparungen von jährlich rund 20
Millionen Franken bewirken. Die Differenz bleibt laut Finanzdirektorin
Barbara Hayoz (FDP) in der Grössenordnung einer "allgemeinen
Planungsunschärfe". Hayoz zeigte sich jedenfalls zuversichtlich,
dass die Stadt bei einer Umsetzung der Massnahmen auch nach dem Jahr
2011 ausgeglichene Rechnungsabschlüsse präsentieren kann.
Keine Securitas auf "Schütz" mehr
Dem Gemeinderat war klar, dass er beim Abwägen vom
Wünschbaren mit dem Machbaren "letztlich politisch entscheiden
musste", sagte Stadtpräsident Tschäppät. Dabei scheue er
sich nicht vor unpopulären Massnahmen, verzichte aber auf
"Schocktherapien" und "Experimente".
Die vom Gemeinderat präsentierte Liste umfasst über 80
Einzelmassnahmen (siehe Tabelle). Drei Viertel davon sind
Ausgabenkürzungen. Bei einem Viertel handelt es sich um
Mehreinnahmen und Gebührenerhöhungen. Für
Gesprächsstoff beim Leistungsabbau dürfte der Verzicht auf
die Berufsfeuerwehrschule 2012 und 2013, die Aufgabe des Eisbetriebs in
der Ka-We-De, die Reduktion der Kontrollzeiten der Securitas und der
Verzicht auf die Weihnachtspauschale für Sozialhilfebezüger
sorgen. Dank einer "günstigen Altersstruktur" werde der Verzicht
auf die Ausbildung von Berufsfeuerwehrleuten nicht zu Engpässen
führen, versicherte Gemeinderat Reto Nause (CVP). Notfalls werde
man die Leute halt auf dem freien Markt rekrutieren. Die
ursprünglich kommunizierte Schliessung der Ka-We-De hat der
Gemeinderat angesichts des Widerstandes wieder rückgängig
gemacht. "Wir gehen heute von einer Redimensionierung und Umnutzung der
Ka-We-De aus", sagte Gemeinderätin Edith Olibet (SP). Die
Reduktion der Securitas-Kontrollen wiederum betrifft die
Schützenmatte. "Seit dem Abschluss des Bahnhofumbaus hat sich die
Lage dort wieder beruhigt", sagte Gemeinderat Nause.
EWB muss mehr abliefern
Ebenfalls umstritten dürften die teuerungsbedingte Anhebung
der Parkgebühren, die Erhöhung der Arbeitszeit für
Lehrkräfte in Tagesschulen sowie die Erhöhung der
Gewinnablieferungen von Stadtbauten (Stabe) und Energie Wasser Bern
(EWB) sein. "Die Erhöhung der EWB-Gewinnablieferung von 42 auf 43
Millionen Franken ist vertretbar", sagte Gemeinderat Nause.
--
Erste Reaktionen
Stadtrat übt Kritik
Das Grüne Bündnis (GB) kritisiert in einer Mitteilung
die "Verschlechterung der Arbeitsbedingungen" für die
Lehrkräfte in den Tagesschulen und die Streichung der Subventionen
an die Volkshochschule. "Das GB akzeptiert keinen Abbau bei Bildung und
Kultur." Das GB fordert den Gemeinderat auf, das Sanierungspaket
vorläufig zu sistieren und einen runden Tisch der Fraktionen zur
Sanierung der Stadtfinanzen einzuberufen. Für die FDP wiederum ist
die ursprünglich beabsichtigte Schliessung von Ka-We-De und
Hallenbad Hirschengraben "fragwürdig". Die Sparbemühungen des
Gemeinderates seien "zaghaft". Die Einführung einer Schuldenbremse
tue daher immer noch not. (bob)
---
Bund 3.2.11
Zur Sache
Tschäppät: "Ich bin sehr zufrieden"
Herr Stadtpräsident, in Biel werden über 100 Millionen
Franken in den Bau eines neuen Campus investiert. Bern kann den
Besitzstand wahren. Sind Sie enttäuscht?
Ich begrüsse die Konzentration der Fachhochschulstandorte.
Natürlich habe ich eine Vollkonzentration der Standorte in der
Stadt Bern angestrebt - dies aber nicht zuletzt auch aus taktischen
Gründen. Eine Zentralisierung in der Stadt Bern hätte im
Grossen Rat des Kantons Bern kaum eine Chance gehabt. Zudem sind die
Bereiche Technik und Architektur sowie Gesundheit, Soziales, Kunst und
Wirtschaft in Biel beziehungsweise Bern jeweils gut verankert. Die
Teilkonzentration in Biel und Bern liegt daher auf der Hand. Ich bin
mit dem nun gefällten Entscheid zufrieden.
Kann sich der Fachhochschulstandort Bern in den nächsten
Jahren überhaupt noch entwickeln?
Ja. Wir wollen einen guten Standort für die Weiterbildung in
jenen Fachhochschulbereichen anbieten, die bereits heute in Bern
stationiert sind. Da Weiterbildung in der Regel am Abend oder an
Samstagen stattfindet, ist ein bahnhofsnaher Standort eminent wichtig.
Nebst der Schanzenpost kämen dafür die heute von den SBB
genutzten Räumlichkeiten am Bollwerk infrage. Die ganze
Häuserzeile zwischen dem Migros Bahnhof und dem neuen Gebäude
mit der Infothek SBB Historic ist in einem schlechten Zustand. Es ist
geplant, die Gebäude abzureissen und durch einen Neubau zu
ersetzen.
Für den Regierungsrat sind die Standorte Schützenmatte
und Wankdorf City zu klein. Für den Bau eines Campus standen
zuletzt Biel und Weyermannshaus zur Debatte. Das "Weyerli" sei aber
schlechter verfügbar als Biel. Dieser Malus war ja wohl bekannt?
Ja. Die Terrains im "Weyerli" gehören meist nicht der Stadt.
Die Eigentümer haben aber in Gesprächen ihre Bereitschaft zur
Kooperation signalisiert. Wäre der Campus-Standortentscheid
zugunsten von Bern-Weyermannshaus ausgefallen, hätte dies der
Entwicklung einen Schub verliehen. Das Weyermannshaus ist für
einen Studierenden aus dem Berner Oberland besser erreichbar als Biel.
Ich will jetzt aber nicht Biel und Bern gegeneinander ausspielen.
Der Regierungsrat findet den Standort Weyermannshaus aber auch
weniger attraktiv und weniger urban als den Standort Biel. Ist das
nicht ein hartes Verdikt für den Entwicklungsschwerpunkt
Ausserholligen, der seit Jahrzehnten nicht vom Fleck kommt?
Von einem "Verdikt" kann keine Rede sein. Fakt aber ist: Mit
Ausnahme des Europaplatzes steht der ESP Ausserholligen noch gar nicht
zur Verfügung. Weitere Bereiche werden nun mit dem Bau der
jüngst vom Stadtrat genehmigten Fussgängerpasserelle
attraktiver gestaltet. Ich bin zuversichtlich, dass Ausserholligen "zum
Fliegen" kommen wird.
Interview: Bernhard Ott
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bern.ch 3.2.11
Gemeinderat will Haushalt um rund 20 Milllionen entlasten
http://www.bern.ch/mediencenter/aktuell_ptk_sta/2011/02/portfoliohaus
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CLUBLEBEN BE
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BZ 5.2.11
Gegen die Bürgerwehr
Stadt Bern Breiter Widerstand gegen die staatlich verordnete
Bürgerwehr in Berns Partymeile: Regierungsstatthalter Christoph
Lerch (SP) will 33 Berner Wirte zwingen, einen privaten
Patrouillendienst zu finanzieren. In Zürich oder St. Gallen
wäre das undenkbar. "Bei uns ist das illegal", sagt St. Gallens
Polizeisprecherin. tob Seite 3
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Politiker stellen sich gegen Bürgerwehr in Bern
Nachtleben. Politiker jeder Couleur wehren sich gegen die
Pläne des Regierungsstatthalters Christoph Lerch (SP). Er will
Lokalbetreiber in Bern zwingen, durch die Gassen zu patrouillieren.
Der Präsident des kantonalen Polizeiverbandes kritisiert den
jüngsten Coup des Regierungsstatthalters Christoph Lerch (SP). "Es
darf nicht sein, dass private Sicherheitstruppen durch Berns Gassen
patrouillieren", sagt Markus Meyer. Zwar wolle er sich als Roggwiler
nicht ins Berner Nachtleben einmischen. Doch gegen eine Bürgerwehr
würde der SP-Grossrat politisch aktiv werden, betont er.
In einem Brief an 33 Stadtberner Clubbetreiber und Wirte hat
Christoph Lerch von den Lokalbetreibern in der Aarberger-, Neuen-,
Genfer-, und Speichergasse verlangt, dass sie am Wochenende einen
privaten Sicherheitsdienst organisieren - und diesen auch bezahlen. Mit
dieser Aktion will der Regierungsstatthalter das Vandalismus- und
Gewaltproblem bekämpfen (Ausgabe von gestern). Berns
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) unterstützt das Vorhaben.
"Das Geld falsch investiert"
Die Wirte sind konsterniert. Doch sie erhalten Unterstützung
aus der Politik. "Ausgerechnet der Staat selber will in Bern eine
Bürgerwehr installieren", sagt GB-Stadtrat Hasim Sancar. Dagegen
werde er sich wehren. Für einmal kämpft der Linke Sancar
Seite an Seite mit den bürgerlichen Parteien FDP, SVP und BDP.
Diese haben sich beim Regierungsstatthalter in einem offenen Brief
beschwert. Mit Markus Meyer sitzt auch ein Genosse im Boot des
Widerstands. Dass mit Christoph Lerch ausgerechnet einer seiner
Parteikollegen das Gewaltmonopol aushebeln will, kommentiert Markus
Meyer nicht. "Mir gehts um die Sache", sagt er. Und in der Sache
spricht der Präsident des Polizeiverbandes Klartext: "Jetzt zeigt
sich, dass die Stadtbehörden den Synergiegewinn aus der
Polizeifusion besser in mehr Polizisten hätten investieren sollen."
"Polizisten müssen ran"
Für öffentliche Sicherheitsaufgaben kämen nur
Polizisten infrage, sagt Meyer. "Denn jedermann, auch ein Krimineller,
kann eine eigene Sicherheitsfirma gründen." Es gebe in dieser
Branche weder Kontrollen noch eine anerkannte Ausbildung. "Ein Polizist
dagegen wird körperlich und psychisch getestet und ein Jahr lang
an der Polizeischule ausgebildet, bevor er auf Patrouille darf."
Im Gegensatz zu Markus Meyer will sich der kantonale
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) nicht einmal zur Sache
äussern.
Tobias Habegger
--
Städtevergleich
Nicht nur in Bern sorgt das Nachtleben für Probleme. "Auch
in Zürichs Gassen kommts an Wochenenden vermehrt zu Gewalt,
Lärm und Vandalismus", sagt der Zürcher Stadtpolizei-Sprecher
Marco Cortesi auf Anfrage. In Zürich besitzen rund
650 Ausgehlokale eine Überzeitbewilligung. Doch anders als
in Bern komme es für die Zürcher Behörden nicht infrage,
dass die Wirte einen eigenen Sicherheitsdienst betreiben müssten.
"Für die Sicherheit auf öffentlichem Grund ist die Polizei
alleine verantwortlich", sagt Marco Cortesi. Patrouillen seien in den
Ausgehzonen ständig präsent. "Das wirkt beruhigend."
Die Clubs ihrerseits müssen auch in Zürich den
Umgebungslärm im Auge behalten. "Und bei Handgreiflichkeiten
schreiten die Sicherheitsdienste im Rahmen der Notwehrhilfe ein." Um
die Clubbetreiber aber an den Kosten für die öffentliche
Sicherheit zu beteiligen, fehlt laut Cortesi im kantonalen
Polizeigesetz die Rechtsgrundlage. "Wir können auf einen Wirt die
Einsatzkosten nur überwälzen, wenn dieser vorsätzlich
oder grobfahrlässig gehandelt hat."
Auch St. Gallen distanziert sich vom Berner Ruf nach privaten
Sicherheitspatrouillen in den Partygassen. "Das wäre bei uns
illegal", sagt Polizeisprecherin Petra Ludewig. Die Clubbetreiber
engagieren sich auf freiwilliger Basis: Die 2010 gegründete
Arbeitsgruppe Commitment ruft zu Respekt im öffentlichen Raum
auf.tob
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bernerzeitung.ch 4.2.11
"Private Sicherheitsleute haben im öffentlichen Raum nichts zu
suchen"
Tanja Kammermann
Die Forderung von Regierungsstatthalter Christoph Lerch, dass
Berner Wirte der oberen Altstadt künftig selber für Recht und
Ordnung auf den Gassen sorgen sollen, erhitzt die Gemüter unserer
Leser. Auch prominente Berner haben sich zu Wort gemeldet.
Die Beizer und Clubbetreiber aus der Aarberger-, Neuen-, Genfer-
und Speichergasse wurden im Janaur aufgefordert, künftig gemeinsam
einen privaten Sicherheitsdienst zu betreiben. Dieser soll am
Wochenende zwischen Mitternacht und dem Morgengrauen durch die Gassen
patroullieren. Nicht nur den Beizern, sondern auch vielen Lesern
stösst diese Idee sauer auf.
So auch FDP-Politiker Philippe Müller: "Es ist noch kein
Jahr her, da wehrten sich sich der rot-grüne Stadt- und
Gemeinderat und auch Reto Nause gegen mehr Polizei - Bern sei sicher,
hiess es." Vor knapp einem Jahr lancierte der FDP-Politiker Philippe
Müller die Initiative "Für eine sichere Stadt Bern". Sie
forderte unter anderem viel mehr Polizei in Bern. "Warum
unterstützen nun die gleichen Leute die privaten Ordnungsdienste,
die ausgerechnet ein SP-Statthalter verlangt?", fragt er in seinem
Kommentar vom Freitag.
Auch Jimy Hofer, Stadtoriginal und Besitzer der Bronco-Bar in der
Matte, unterstützte damals die Sicherheitsinitiative und hat sich
zu Wort gemeldet: "Genau die, die mit einem untauglichen Gegenvorschlag
die Sicherheitsinitiative zu Fall gebracht haben, fordern nun mehr
Security in den Gassen. Die Gerichte werden aber hoffentlich wie in
Sachen "Littering" im öffentlichen Raum entscheiden, dass
nämlich die Gemeinde dort für die Sicherheit zu sorgen hat."
Von einer abstrakten Idee schreibt Leser Rainer Berner: "Wer sich
draussen - vor den gastronomischen Betrieben - aufhält, befindet
sich auf öffentlichem Grund und Boden. Und nun sollen
Betriebsinhaber quasi dafür verantwortlich gemacht werden - und
dafür auch noch bezahlen - dass dort nachts Ruhe und Ordnung
herrscht."
Öffnungszeiten verlängern
Leser Christoph Jeanneret glaubt, längere
Öffnungszeiten würden das Problem lösen: "Was für
eine unausgereifte und undurchdachte Idee vom Regierungsstatthalter
Christoph Lerch (SP). Einerseits will dieser an der Polizeistunde um
3.30 Uhr festhalten und so in Kauf nehmen, dass es Lärmemissionen
auf der Strasse gibt, und andererseits will er die Betreiber für
die Gäste in der Öffentlichkeit haftbar machen. Lasst die
Ausgänger durchfeiern und der Lärm wird verschwinden!", meint
er.
Daniel Kettiger schlägt vor, dass sich die Beizer an den
Polizeikosten beteiligen sollen: "Diese Idee ist rechtsstaatlich
unhaltbar. Private Sicherheitsdienste haben im öffentlichen Raum
nichts zu suchen und schaffen primär Unsicherheit. Sie haben dort
nicht mehr Kompetenzen als jede Privatperson. In Bern gibt es heute
schon zu viele davon. Notwendig ist mehr Polizei und ein
städtisches Reglement, dass eine Finanzbeteiligung der
Lokalbetreiber am Polizeiaufwand festlegt."
Doch die Idee stösst auch auf Zustimmung: "Eine gute Idee
von Herr Lerch. Nach dem Verursacherprinzip. Bravo sollte man in Thun
auch einführen", schreibt Max Fahrni. Auch Hans Berner stösst
ins gleiche Horn: "Christoph Lerch hält dagegen. Lokalbetreiber
haben neben ihren Rechten auch gewisse Pflichten. Ich bin total Ihrer
Meinung."
---
BZ 4.2.11
Beizer sollen bezahlen
Stadt BernRegierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) fordert mehr
als 30 Wirte und Klubbetreiber in der oberen Berner Altstadt auf,
Gewalt und Vandalismus zu bekämpfen. In einem Pilotprojekt will
Lerch die Lokalbetreiber verpflichten, gemeinsam einen privaten
Sicherheitsdienst zu betreiben. Die Kosten müssten sie gemäss
einem Verteilschlüssel untereinander aufteilen. In einem Schreiben
hat Lerch die Wirte informiert - und sie zu einer
Informationsveranstaltung im Amthaus aufgeboten.
Die Teilnahme am Pilotprojekt ist für alle Wirte
obligatorisch. Wer sich querstellt, riskiert den Verlust seiner
Überzeitbewilligung. In einem offenen Brief kritisieren die
bürgerlichen Parteien Lerchs Vorgehen.tob
--
Wirte sollen für Sicherheit bezahlen
NachtlebenRegierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) nimmt
Clubbetreiber und Beizer in die Pflicht. Weil das Nachtleben in der
oberen Altstadt aus dem Ruder läuft, müssen die Wirte einen
privaten Ordnungsdienst bezahlen.
Wie 32 andere Berner Wirte hat auch Bernhard Hüsser vom
Restaurant Moléson im Januar einen Brief erhalten von
Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP). Über den Inhalt war
Bernhard Hüsser gemäss eigenen Aussagen "nicht nur
überrascht - sondern regelrecht schockiert". Die Beizer und
Clubbetreiber aus der Aarberger-, Neuen-, Genfer- und Speichergasse
wurden vom Regierungsstatthalter aufgefordert, "den Lärm, die
Verunreinigung, den Vandalismus und die Gewalt" in der Berner
Partymeile in der oberen Altstadt zu bekämpfen. Wie sie das tun
sollen, wird ihnen an einer Infoveranstaltung am 4. März im Berner
Amthaus erklärt.
Wirte sind empört
Die Idee der Behörden enthält Zündstoff. Sie
lautet wie folgt: Die Restaurants und Ausgehlokale betreiben gemeinsam
einen privaten Sicherheitsdienst. Dieser patrouilliert am Wochenende
zwischen Mitternacht und dem Morgengrauen durch die Gassen. "Weil die
Lokale den Sicherheitsdienst gemeinsam betreiben, ist es einem
Radaustifter nicht weiter möglich, nach dem Rausschmiss aus einem
Club ein anderes Lokal zu besuchen", sagt der Stadtberner
Sicherheitsdirektor Reto Nause (siehe Interview rechts).
Die Kosten für den privaten Ordnungsdienst müssten die
Lokale untereinander aufteilen. Der Verteilschlüssel sieht laut
dem Schreiben des Regierungsstatthalters wie folgt aus: Die Restaurants
ohne generelle Überzeitbewilligung (12 Betriebe) steuern eine
monatliche Pauschale von 120 Franken bei. Die Clubs mit einer
generellen Überzeitbewilligung (21 Betriebe) zahlen neben der
Pauschale je nach Grösse zusätzlich zwischen 300 und 400
Franken monatlich. Besonders brisant: Die Beteiligung am geplanten
Ordnungsdienst soll für die Wirte obligatorisch sein. Wer sich
nicht freiwillig an diesem Pilotprojekt beteiligt, dem droht laut des
Briefs von Christoph Lerch die Anpassung der Betriebsbewilligung.
Konkret: Er könnte seine Überzeitbewilligung oder die
Bewilligung zum Rausstuhlen verlieren.
Rechtlich ist ein solches Vorgehen laut Pierre Tschannen,
Professor für öffentliches Recht der Universität Bern,
"grundsätzlich möglich". Eine Gastgewerbebewilligung
könne angepasst werden, wenn sich die Voraussetzungen
verändert hätten. "Zudem kann eine Bewilligung mit Auflagen
verbunden werden, sofern diese verhältnismässig sind."
Alles andere als verhältnismässig ist dieser Schritt
aus Sicht des Moléson-Wirtes Bernhard Hüsser: "Ich leide
selber unter dem Dreck und dem Vandalismus in der Aarbergergasse. Jetzt
soll ich auch noch dafür bezahlen, damit dies aufhört", sagt
er. Auch Roman Bühler, Mitinhaber der beiden Clubs Bonsoir und
Propeller, sagt: "Wir Clubbetreiber bezahlen ja Steuern. Weshalb
sollten wir uns auch noch finanziell an der Sicherheit in den Gassen
beteiligen?"
Offener Brief an Lerch
Unterstützung erhalten die beiden Wirte von den
bürgerlichen Parteien der Stadt Bern. In einem offenen Brief an
Regierungsstatthalter Lerch kritisieren die FDP, die SVP und die BDP
dessen Idee. "Es gehört zu den Aufgaben des Staates, die
öffentliche Sicherheit zu gewährleisten", sagt
FDP-Fraktionssprecher Bernhard Eicher.
Der kritisierte Christoph Lerch hält dagegen:
"Lokalbetreiber haben neben ihren Rechten auch gewisse Pflichten."
Gemäss Gastgewerbegesetz seien die Wirte mitverantwortlich
für das, was um ihren Betrieb herum passiert. Er könne die
Aufregung der Lokalbetreiber nachvollziehen, sagt Lerch - berechtigt
sei diese jedoch nicht. Christoph Lerch zieht den Vergleich zu
Hochrisikospielen im Fussball. "Da müssen sich die Clubs auch an
den Polizeikosten beteiligen", sagt er.
Tobias Habegger
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Reto Nause
Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) will, dass die Wirte
und Clubbetreiber die Drecksarbeit nicht länger der Polizei
überlassen.
Reto Nause, was läuft schief im Berner Nachtleben?
Reto Nause: Zwischen zwei Uhr und fünf Uhr morgens ist die
Stimmung fiebrig, weil sich alkoholisierte Pubertierende in den Gassen
Hahnenkämpfe liefern. Doch abgesehen davon hat Bern die
attraktivste Ausgangsmeile nördlich von Mailand.
Nun sollen die Clubbetreiber in der oberen Altstadt einen
Ordnungsdienst finanzieren.
Ich unterstütze die Idee des Regierungsstatthalters (siehe
Text links). Die Wirte können nicht nur den Umsatz einstreichen,
während die Polizei die Drecksarbeit alleine macht.
Die bürgerlichen Parteien kämpfen dagegen an.
Ach, es ist Wahljahr, und einige Politiker stürzen sich auf
solche Geschichten. Doch wir finden im Dialog mit den Clubbetreibern
und Beizern bestimmt eine Lösung, von der alle profitieren.
Welchen Beitrag leisten die Behörden?
Der Regierungsstatthalter hat in den letzten Jahren viele
Überzeitbewilligungen erteilt - und damit ein attraktives
Nachtleben ermöglicht. Zudem wird die Kantonspolizei ihre
Patrouillen ab September 2011 um 10 000 Stunden erhöhen. Ein Jahr
später kommen weitere 10 000 Stunden dazu. So haben es die
Stimmbürger 2010 verlangt.tob
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RABE-INFO
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Fr. 4. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_4._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_4._Februar_2011.mp3&song_title=###TITLE###
- Tage des Zorns im Nahen Osten - Perspektiven für die
Demokratisierung der arabischen Welt
- 40 Jahre Frauenstimmrecht - Nicht alle Frauen waren dafür
- Ear We Are - Festival in Biel ist eine Herausforderung für die
Ohren
Links:
http://www.earweare.ch
---
Do. 3.Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%203.%20Februar%202011
- Hintergründe und Perspektivem zum Volksaufstand in Ägypten
- Menschenrechtsorganisationen kritisieren Nothilfe für
abgewiesene Asylbewerber
- Abbau von Steinkohle in Kolumbien ist eine Gefahr für Mensch und
Natur
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Mi. 2. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_2._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_2._Februar_2011.mp3&song_title=###TITLE###
- Umbruchstimmung in Ägypten - ein Erlebnisbericht aus Kairo
- Kein Geld für die Reitschule - Das Kulturzentrum gerät
erneut unter politischen Beschuss
- Lex Duvalier wird in Kraft gesetzt - Die Schweiz sperrt die Konten
vom Ex-Diktator Haitis
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Di. 1. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_1._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_1._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%201.%20Februar%202011
- Grössere Hürden für Zivildienstleistende: Der Zugang
ist ab heute wieder schwieriger
- Billiger Autofahren im Kanton Bern: Wie viel billiger entscheidet das
Stimmvolk am 13. Februar
- Lancierung der Initiative "für eine öffentliche
Krankenkasse": Sie soll eine bessere Versorgung und mehr Transparenz
bringen
Links:
http://www.zivi.admin.ch
http://www.civil.ch
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EINBÜRGERUNGEN
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Blick am Abend 3.2.11
Wie viel darf es sein, Herr Hess?
PASS
Erich Hess (SVP) fordert vom Regierungsrat die Einführung
einer Einbürgerungs-Steuer.
Potz Blitz!", dachte sich die Blick am Abend-Redaktion in Bern,
als sie das Mail von Erich Hess (SVP) las. Eine
Einbürgerungssteuer von 6500 Franken pro Kopf soll im Kanton
eingeführt werden. Zudem die Vereinheitlichung der bisherigen
Gebühren.
Eine Familie mit zwei Kindern müsste für die roten
Pässe - inklusive Gebühren - glatt 30400 Franken
hinblättern. Dann das nächste Mail: Es habe sich "ein Fehler
in die Mitteilung eingeschlichen". Die Einbürgerungssteuer solle
lediglich 2500 Franken pro Kopf betragen.
Ein Fehler? Oder vielleicht Angst vor der eigenen Courage? "Wir
sind zum Entschluss gelangt, dass die Motion mit 2500 Franken mehr
Chancen hat", sagt Hess zu Blick am Abend. Also doch kein Tippfehler -
sondern Politverstand.
"Wir Schweizer zahlen seit Generationen Steuern, darum unser
Wohlstand", referiert Hess, "die Ausländer können sich in ein
gemachtes Nest legen." Dennoch, selbst bei 2500 Franken
Einbürgerungssteuer plus einer Vereinheitlichung bestehender
Gebühren: Eine vierköpfige Familie müsste 14400 Franken
für die Schweizer Pässe bezahlen. Ziemlich happig. "Nein",
meint Erich Hess zu Blick am Abend, "wer normal arbeiten geht, kann
sich das gut leisten." rrt
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ASYL
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Tagesanzeiger 5.2.11
Im Ausländerrecht kündigt sich eine Welle von
Verschärfungen an
Erfolg für FDP-Nationalrat Philipp Müller: Er brachte
strengere Regeln für die Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern in
der zuständigen Kommission durch.
Von Fabian Renz, Bern
Regierung und Parlament senden in der Ausländer- und
Flüchtlingspolitik derzeit ziemlich gegensätzliche Signale
aus. Eben erst hat die sozialdemokratische Justizministerin Simonetta
Sommaruga bekannt gegeben, die Neuaufnahme von
UNO-Kontingentsflüchtlingen werde geprüft. Sie lässt
also etwas mehr Grosszügigkeit als ihre Vorgängerin walten.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) hingegen
beschloss gestern eine Serie beträchtlicher Verschärfungen:
Sie hiess drei parlamentarische Initiativen des Aargauer
FDP-Nationalrats Philipp Müller gut, die allesamt auf eine
Erschwerung der Immigration aus Nicht-EU-Staaten zielen.
"Mit diesen Beschlüssen werden wir dort tätig, wo wir
überhaupt noch tätig werden können", sagt Müller.
"Bei Immigranten aus der EU sind wir schliesslich an das
Freizügigkeitsabkommen gebunden." Philipp Müller und mit ihm
die Mehrheit der SPK vertreten die Ansicht, dass eine jährliche
Immigration von 40 000 Menschen aus Nicht-EU-Staaten für die
Schweiz nicht länger zu verkraften ist.
Für Müllers FDP sind die Kommissionsentscheide auch ein
parteitaktischer Erfolg: Die gutgeheissenen Vorschläge sind
Bestandteil des (parteiintern nicht unumstrittenen) freisinnigen
Migrationskonzepts. Es handelt sich im Einzelnen um folgende
Bestimmungen:
Abschaffung des Familienasyls: Die umstrittenste der drei
Initiativen betrifft den Familiennachzug. Nur wer einen anerkannten
Fluchtgrund geltend machen kann, soll künftig den
Flüchtlingsstatus erhalten - nicht aber automatisch auch die
Mitglieder seiner Familie. Rund die Hälfte aller Asyle werden
heute laut Angaben der SPK aufgrund des Familienasyls gewährt.
Dadurch würden nachgezogene Familienmitglieder gegenüber den
anerkannten Flüchtlingen in unangebrachter Weise bevorzugt, fand
eine knappe Mehrheit der Kommission: Mit 12 zu 11 Stimmen bei 2
Enthaltungen wurde der Initiative Folge gegeben.
Niederlassungsbewilligung erst nach zehn Jahren: Für
anerkannte Flüchtlinge soll es neu zehn statt wie bisher fünf
Jahre dauern, bis sie Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung
erhalten. Damit werde Rechtsgleichheit geschaffen, argumentiert die
SPK: Drittstaaten-Ausländer, die als Arbeitskräfte statt als
Asylsuchende in die Schweiz kämen, müssten für eine
Niederlassungsbewilligung schon heute zehn Jahre warten. Die Initiative
fand in der Kommission eine Ja-Mehrheit von 16 zu 9 Stimmen.
Kein Familiennachzug bei Sozialhilfe: Wer Sozialhilfe bezieht
oder keine geeignete Wohnung hat, soll das Recht auf Familiennachzug
verlieren. Die SPK will diese Regelung, die für Jahresaufenthalter
heute schon gilt, auf Personen mit einer Niederlassungsbewilligung
ausweiten. Der entsprechende Beschluss wurde mit 17 zu 7 Stimmen
gefällt.
Im Weiteren hiess die Kommission mit 14 zu 10 Stimmen eine
Ständeratsmotion gut, die vom Bundesrat Vorschläge verlangt,
um die Zuwanderung zu bremsen.
Gegen "fundamentale Rechte"
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe reagiert entrüstet
auf die SPK-Beschlüsse: Die Abschaffung des Familienasyls und die
verdoppelte Wartefrist für die Niederlassungsbewilligung
kämen einem "Angriff auf fundamentale Flüchtlingsrechte"
gleich. Initiant Philipp Müller überschreite damit "definitiv
eine rote Linie". Trotz der eindringlichen Wortwahl ist aber eher nicht
damit zu rechnen, dass juristische Mittel ergriffen werden. Die
Initiativen, obwohl "politisch hoch problematisch", seien mit dem
Völkerrecht vermutlich kompatibel, meint
Flüchtlingshilfe-Sprecher Adrian Hauser.
Die Flüchtlingshilfe setzt nun darauf, dass Müllers
Vorstösse in der parlamentarischen Beratung scheitern oder
abgeschwächt werden. Als Nächstes hat sich die
Staatspolitische Kommission des Ständerats mit den
Verschärfungen zu befassen.
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Basler Zeitung 4.2.11
Das Mantra der Magistraten
Bundesrätin Sommaruga will die Asylverfahren beschleunigen -
wie alle ihre Vorgänger
Martin Furrer
Asylverfahren dauerten viel zu lange. Zu diesem Schluss kommt
SP-Justizministerin Simonetta Sommaruga. Schon ihre Amtsvorgänger
haben das Problem erkannt - aber nie gelöst.
Der Befund ist schonungslos. "Unsere Asylverfahren", sagt
Justizministerin Simonetta Sommaruga, "dauern zu lange." Damit hat die
Sozialdemokratin am Dienstag (BaZ von gestern) ein heikles Thema
bemerkenswert offen angesprochen. "Je länger ein Verfahren
dauert", sagte Sommaruga, "desto entwürdigender wird es für
den betroffenen Menschen. Die lange Dauer ist zudem mit Kosten
verbunden." Ausserdem reagiere die Bevölkerung mit Unmut.
Eine Woche zuvor hatte Sommaruga an einem Asylsymposium in Bern
präzisiert: Es dauere heute "ein bis zwei Jahre", bis ein
Verfahren abgeschlossen sei. Das stelle "Bund, Kantone und Gemeinden
vor logistische Probleme". Zudem wecke es bei den Betroffenen
unrealistische Hoffnungen. Eine "Mehrheit der Asylsuchenden" reise
"heute mit asylfremden Gründen ein, und wir reagieren darauf mit
einem immer aufwendigeren und bürokratischeren Verfahren".
"Asylverfahren dauern zu lange" - wie eine düstere Formel
der Kapitulation zieht sich der Satz durch die Asylpolitik der
vergangenen Jahre. Sommaruga ist nicht die erste und sie wird nicht die
letzte Justizministerin sein, die sich zu diesem Eingeständnis
gezwungen sieht. Ihre Vorgänger im Justiz- und Polizeidepartement
kamen jeweils zum selben Schluss. Dem Mantra der Magistraten zum Trotz
folgten den Diagnosen aber kaum taugliche Therapien. Auch das Parlament
scheiterte an der Macht des Faktischen.
Beschönigung
1989 versprach der damalige Justizminister Arnold Koller (CVP), er
werde dank einer "raschen Triage echte Flüchtlinge von
Arbeitssuchenden" trennen und das Verfahren, das damals schon rund zwei
Jahre dauerte, dramatisch straffen.
Eine Expertengruppe sollte aufzeigen, wie das Prozedere - von der
Einreichung des Asylgesuches bis zur definitiven Erledigung - innert
drei bis vier Monaten abgewickelt werden könnte. Doch die
Kommission löste sich ebenso auf wie die Hoffnung auf mehr Tempo
im Verfahren.
Ende der Neunzigerjahre klopfte der Basler SVP-Nationalrat Jean
Henri Dunant beim Bundesrat an. Die Regierung antwortete auf seinen
Vorstoss: "Das Bundesamt für Flüchtlinge hat seit 1992
Massnahmen zur Straffung des Asylverfahrens umgesetzt. Diese haben zu
einer markanten Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens
geführt."
Die "markante Beschleunigung" entpuppte sich als amtliche
Beschönigung. Im Jahr 2000 erliess die Eidgenössische
Kommission für Flüchtlingsfragen einen Appell: Asylverfahren,
mahnte der Ausschuss, dürften "in der Regel höchstens sechs
Monate dauern" - Rekursverfahren inklusive. Nicht nur Rechts- und
Mitteparteien, auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeigten
Verständnis: Die "wiederholte Erstreckung von Ausreisefristen" und
die "uneinheitliche Vollzugspraxis in den Kantonen" führten dazu,
"dass die Asylbehörden in den Augen der Betroffenen an
Glaubwürdigkeit verlieren".
Verschleppung
Der Appell verhallte ungehört. Zwar lobte 2002 die damalige
Justizministerin Ruth Metzler (CVP), die erste Befragung in den
Empfangsstellen dauere nur noch sechs Tage, "das ist sensationell".
Doch damit war das Thema nicht entschärft. Bürgerliche
Parteien bemängelten, Asylbewerber hätten weiterhin ein
Interesse, das Verfahren durch unkooperatives Verhalten in die
Länge zu ziehen. Dadurch steige die Chance, dass sie der Bund im
Rahmen einer humanitären Aktion doch noch aufnehme.
Christoph Blocher (SVP), der 2003 Metzlers Sitz im Bundeshaus
übernommen hatte, verschärfte das Gesetz - um das Verfahren
zu beschleunigen. Die Rechte Asylsuchender wurden eingeschränkt -
das Tempoproblem blieb. 2007 rüffelte das Bundesgericht die
Asylrekurskommission: Sie hatte das Verfahren von zwei Russen sage und
schreibe über fünf Jahre verschleppt.
2009 hat die damalige Justizministerin Evelyne Widmer-Schlumpf
(BDP) angekündigt, die Beschwerdefristen von 30 auf 15 Tage zu
reduzieren. Der Ständerat stoppte sie mit dem Argument, das sei
"Pflästerlipolitik". Ihre Nachfolgerin Sommaruga müsse die
Chance haben, das Thema grundsätzlich zu überdenken.
Jetzt brütet erneut eine Expertenrunde über der Frage,
wie die Verfahren zu verkürzen wären. Im März soll sie
Sommaruga einen Bericht abliefern - das vorläufig letzte Kapitel
einer unendlichen Geschichte.
Reduktion
Nationalrat Phi-lipp Müller (FDP, AG) weiss, was zu tun wäre.
"Es gibt viel zu viele Rechtsmittel, mit denen das Verfahren
verzögert werden kann. Zudem nehmen sich die Gerichte zu viel Zeit
für ihre Entscheide." Einsprachemöglichkeiten seien darum "zu
überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren, sofern dadurch
die Rechtsstaatlichkeit nicht eingeschränkt wird".
Müller bleibt aber Realist: "Wenn abgewiesene Asylbewerber
wegen fehlender Papiere, mangelnder Kooperation oder Widerstand des
Herkunfsstaates monate- oder jahrelang nicht ausgewiesen werden
können, bleibt das Problem bestehen."
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NOTHILFE
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augenauf.ch 5.2.11
Kurzvorträge
Nothilfe Kampagne: Kurzvorträge im Container
augenauf Zürich führt im Rahmen der Nothilfe-Kampagne 2011 am
Samstag, 12. Februar verschiedene Vorträge durch.
14 Uhr: "Wo es hell ist, da ist die Schweiz" - die schweizerische
Flüchtlingspolitik im 2. Weltkrieg
15 Uhr: Zivilstandsbeamte als PolizistInnen - Kontrolle und
Denunziation vor der Heirat
16 Uhr: für die Reichen, gegen die Armen - die grosse Lüge
"humanitäre Tradition"
Ort: im Container der Kampagne vor der Stauffacher-Kirche offener
St.Jakob, Zürich
Info zur Kampagne unter http://www.nothilfe-kampagne.ch
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refugees-welcome.ch 5.2.11
Nothilfe Kampagne
Wie du vielleicht weisst, werden in der Schweiz abgewiesene
Asylsuchende von der Sozialhilfe ausgeschlossen. Sie können nur
noch das in der Bundesverfassung festgeschriebene Recht auf Hilfe in
Notlagen geltend machen. In vielen Fällen ist diese Situation aber
untragbar und Menschenrechte wie das Recht auf Gesundheit, auf
Schulbildung oder auf genügend und gesunde Ernährung werden
verletzt. Das System der Nothilfe bedeutet für die Betroffenen
Schikanen, soziale Isolation und Hoffnungslosigkeit, die vor allem bei
LangzeitbezügerInnen zu psychisch und physisch kranken Menschen
führt.
Amnesty International Schweiz lanciert deshalb in Zusammenarbeit mit
der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Solidarité sans
Frontières und der Schweizerischen Beobachtungsstelle im Februar
2011 eine Sensibilisierungskampagne, die die Bevölkerung und die
PolitikerInnen aufrütteln und sie dazu auffordern soll, das
Konzept der Nothilfe in der Schweiz grundsätzlich zu
überdenken.
Im Rahmen der Nothilfekampagne werden von Februar bis Mai 2011
verschiedene nationale und kantonale Aktionen stattfinden.
Im Kanton Zürich hat Amnesty zusammen mit dem
Solidaritätsnetz Zürich eine besondere Aktion entwickelt. In
der Woche vom 7.-13. Februar 2011 werden wir dazu auf dem
Stauffacherplatz in Zürich einen Container aufstellen. Dieser
Container soll dazu dienen, die unmenschliche Wohn- und Lebenssituation
der NothilfebezügerInnen zu veranschaulichen und mediales
Interesse zu wecken.
Im und um den Container sind verschiedene Aktionen geplant:
Performance, Pressekonferenz, Konzert, Migrosgutscheine-Umtausch,
Photoausstellung, Aufklärungsarbeit auf der Strasse, Cafeteria
"Leben für 8.50 pro Tag" (siehe Programm).
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beobachtungstelle.ch 4.2.11
Nothilfe-Kampagne lanciert
Das Nothilfe-System im Asylwesen muss grundsätzlich in Frage
gestellt werden. Zu diesem Zweck startete am 3. Februar 2011
schweizweit eine Kampagne der vier im Asylbereich tätigen
Organisationen Amnesty International, Schweizerische
Flüchtlingshilfe SFH, Schweizerische Beobachtungsstelle für
Asyl- und Ausländerrecht und Solidarité sans
frontières. Rund 5800 zurückgewiesene Asylsuchende sind der
Nothilfe unterworfen. Einem System, das zu sozialer Isolation,
zahlreichen behördlichen Schikanen und zu einem Leben in
Ungewissheit führt und die Betroffenen so an einem Leben in
Würde hindert.
"Mit unserer Kampagne machen wir die Öffentlichkeit auf die
schwierigen und menschenunwürdigen Lebensumstände aufmerksam,
denen Menschen in der Nothilfe unterworfen sind", erklärt Claudia
Dubacher, Generalsekretärin der Schweizerischen Beobachtungsstelle
für Asyl- und Ausländerrecht. "Die Schweizer Bevölkerung
muss sich bewusst werden, was es heisst, mit 4.30 bis maximal 12
Franken pro Tag in Bar oder in Form von Einkaufsgutscheinen auskommen
zu müssen. Ein menschenwürdiges Dasein ist unter diesen
Bedingungen schlicht unmöglich."
Die vier an der Kampagne beteiligten Organisationen fordern eine
grundsätzliche Überprüfung des Nothilfesystems, das
unbedingt mehr auf die Bedürfnisse besonders verletzlicher
Personen eingehen muss. Grundrechte müssen respektiert werden. Im
Besonderen das Recht auf Schulbildung und das Recht auf ein
menschenwürdiges Dasein - beides Rechte, welche den Menschen in
der Nothilfe regelmässig vorenthalten werden. Die vier beteiligten
Organisationen werden sich in dieser Angelegenheit in den nächsten
Wochen an die nationalen und kantonalen Behörden wenden.
Qazem Alizada, Mitglied des Bleiberecht-Kollektivs Bern, hat zwei Jahre
lang in der Nothilfe und in den damit verbundenen
menschenunwürdigen Umständen gelebt. "Als Vertreter von
Solidarité sans frontières ist es mir wichtig, denjenigen
eine Stimme zu verleihen, die heute noch in diesen Bedingungen leben
müssen. Am schwersten zu ertragen ist die Frustration durch den
rechtlosen Zustand, man existiert offiziell gar nicht mehr. Wir sind
Gefangene unserer Situation und leben zusätzlich in ständiger
Angst, von der Polizei aufgegriffen und eingesperrt zu werden. Und das,
obwohl wir uns nichts zu Schulden haben kommen lassen."
Der Ausschluss aus der Sozialhilfe sollte ursprünglich zur
Abschreckung dienen, die Anzahl der Asylgesuche und der
ausserordentlichen Verfahren senken und - vor allem -
zurückgewiesene Asylbewerber zum Verlassen des Landes zu bewegen.
Da nur 15% der Nothilfebezüger nach einem Jahr noch im System
sind, vertritt das Bundesamt für Migration BFM die Meinung, dass
eine Mehrheit der Betroffenen das Land verlassen hat. Aber nur 12 bis
17% sind nachweislich aus der Schweiz ausgereist. Ein Beweis
dafür, dass der Sozialhilfestopp nicht die erwartete Wirkung zeigt.
"Das Nothilfe-System hatte von Anfang an den Zweck, die betroffenen
Menschen aus den Statistiken verschwinden zu lassen", sagt Susanne
Bolz. "Und das ist bis heute sein einziger Verdienst. Es ist
illusorisch zu glauben, dass alle ehemaligen Nothilfebezüger die
Schweiz verlassen haben. Statt die Betroffenen zu einer raschen
Rückkehr zu bewegen, schafft die Nothilfe lebensunwürdige und
demoralisierende Zustände, in denen vor allem die Schwächsten
zum Teil für lange Zeit hängen bleiben."
Die Kampagne wird in den nächsten Wochen am Beispiel der Kantone
Graubünden, Zürich, Bern und Waadt aufzeigen, was Nothilfe
für die Betroffenen konkret bedeuten kann - was nicht heissen
will, dass die Dinge anderorts besser stehen.
>> weitere Informationen zur Kampagne
http://beobachtungsstelle.ch/index.php?id=189
---
Beobachter 4.2.11
Reportage
Geboren ohne Heimat
Sie wachsen auf in einer Welt, die nicht für sie gedacht
ist: Hunderte Kinder von abgewiesenen Asylbewerbern leben in Schweizer
Nothilfezentren. Verunsicherung prägt ihren Alltag.
Text: Markus Föhn; Fotos: Jacek Pulawski
J osé steht auf einmal still und schweigt, sein kleiner
Körper zittert. Eben noch ist er lachend durchs Zimmer gerannt,
seine Schwester Ruth war in sein Gebrüll eingefallen und hatte ihn
mit Wäsche beworfen - doch dann hatte der wütende Schrei der
Mutter beide zum Schweigen gebracht. Jetzt steht der Bub da und
lässt unruhig den Blick schweifen. Mustert den Winkel mit den
aufgetürmten Koffern. Die fleckige Wand. Die Ecke, in der auf
einer zerwühlten Matratze seine Mutter sitzt, die Esperança
heisst, auch wenn in ihr kaum mehr Hoffnung ist.
Hin und her geht Josés Blick, immer schneller - Koffer,
Wände, Esperança -, und dann legt er seinen Kopf in den
Nacken und biegt den Rücken durch. Der Schrei, der ihm
entfährt, ist ohrenbetäubend, und José sieht aus, als
wolle er nie mehr aufhören zu schreien. Als wolle er sich
hinausschreien aus seiner engen Welt.
José ist zwei Jahre alt, und was er vom Leben bisher
gesehen hat, sind hauptsächlich Asylunterkünfte von innen.
Zentren wie das Nothilfezentrum hier im bernischen Aarwangen mit seinen
140 Plätzen, in dem er seit sieben Monaten lebt, zusammen mit
seiner sechsjährigen Schwester und seiner Mutter. Der Raum misst
etwa drei auf vier Meter, hinter einer Tür ist die Toilette.
José verlässt ihn praktisch nur, um zu essen oder von
Esperança unter die Dusche gestellt zu werden. Ab und zu
schleicht er durch den schummrigen Korridor, doch seine Mutter sieht
das nicht gern: "Die Umgebung da draussen ist nicht gut für ein
Kind", sagt sie. "Zu viele Probleme."
Anspruch auf Hilfe und Betreuung für alle
Gemäss den aktuellsten verfügbaren Zahlen von 2009
wohnen rund 5800 abgewiesene Asylbewerber in Schweizer Nothilfezentren,
davon sind gegen 700 noch keine 15 Jahre alt, Kinder wie José
und Ruth. Die Abgewiesenen leben verstreut über alle Kantone, in
eigenen Unterkünften oder speziellen Trakten von
Durchgangszentren, oft sehr abgelegen. Manche bleiben ein paar Monate,
vielleicht ein Jahr, reisen dann aus oder tauchen unter. Nach Angaben
des Bundesamts für Migration (BFM) bleiben 15 Prozent von ihnen
länger als ein Jahr.
Ein Nothilfezentrum ist eine Transitstation. Wer hier wohnt,
für den ist ein Leben in der Schweiz nicht vorgesehen, die
Behörden haben sein Gesuch um Asyl abgelehnt oder sind gar nicht
erst darauf eingetreten. Trotzdem ist er weiterhin hier. Weil entweder
sein Herkunftsland ihn nicht als Staatsangehörigen anerkennt oder
ihm keine Papiere für eine Rückreise ausstellt. Weil sein
Land keine Schweizer Sonderflüge mit zurückgeschafften
Flüchtlingen akzeptiert. Oder weil er sich stumm stellt, nicht
sagt, woher er stammt, und so die Rückreise blockiert. Weil er
sich fürchtet. Vor der Perspektivlosigkeit, vor Verfolgung
vielleicht - oder schlicht vor dem Gesichtsverlust, als Gescheiterter
zu Hause ankommen und von vorn anfangen zu müssen.
Diese Menschen haben von der Schweiz nicht mehr zu erwarten als
das, was Artikel 12 der Bundesverfassung festschreibt; dass
nämlich Anspruch auf Hilfe und Betreuung habe, wer in Not geraten
sei und nicht für sich selber sorgen könne. Das heisst
konkret: ein Dach über dem Kopf, eine medizinische
Notfallversorgung, Nahrungsmittel im Wert von sechs bis acht Franken
pro Tag, je nach Kanton. Die Eidgenossenschaft lässt ihre
ungebetenen Gäste nicht verhungern und nicht erfrieren, doch allzu
wohl soll es ihnen nicht werden. Im Gegenteil: Ziel der Nothilfe ist
es, abgewiesene Asylsuchende zur Ausreise zu bewegen.
Im Nothilfezentrum von Gampelen im Berner Seeland gibt es 70
Plätze, drei davon belegen die sechsjährige Hweida, ihre
einjährige Schwester Wadik und Michaela, die Mutter der beiden.
Sie teilen sich ein Zimmer und ein Bett. Der Raum ist heller und
grösser als jener in Aarwangen, die Möbel sind
zusammengewürfelt und abgeschossen, aber intakt. Doch
Hoffnungslosigkeit wohnt auch in diesem Zimmer: Wenn Mutter Michaela
weint, presst sie Wadik gegen ihre Brust, bis diese ebenfalls zu weinen
anfängt, und Hweida rennt hinüber in den Aufenthaltsraum, um
Trickfilmfiguren tonlos über den Fernsehschirm tanzen zu sehen,
die Nase beinahe auf die Mattscheibe gedrückt. Michaela weint viel.
Michaelas Odyssee
Die 29-Jährige stammt aus Eritrea, sie wirkt
verängstigt, mit den Nerven am Ende. Ihre Geschichte kommt
stockend und in einer Mischung aus Englisch, Deutsch und Italienisch.
Sie war 22, als sie unverheiratet schwanger wurde - eine Schande in den
ländlichen Gebieten Eritreas. Ihr Vater verbot ihr, jemals wieder
sein Haus zu betreten. Also zog sie zu ihrem Freund, der im Sudan
illegal einen Job gefunden hatte. Tochter Hweida kam zur Welt, doch
eine Familie konnten sie nicht lange sein: Der Sudan wies sie, die
Fremden, aus.
Michaela verlor ihren Freund aus den Augen, sie reiste mit der
Tochter nordwärts, nach Libyen, und nach einiger Zeit übers
Meer nach Italien. Da sie befürchtete, die dortigen Behörden
würden sie nach Eritrea zurückschaffen, zog sie weiter. Seit
eineinhalb Jahren ist sie in der Schweiz, die zweite Tochter, Wadik,
kam hier zur Welt.
Wo ihr Vater ist, kann Michaela dem Mädchen nicht
erklären, jedenfalls ist er nicht in der Schweiz, um ihnen zur
Seite zu stehen. Und auch sie werden hier nicht bleiben können:
Michaela hatte bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, die
Schweiz wird sie aufgrund des Dubliner Übereinkommens dorthin
zurückschicken. "Ich kann nicht zurück", wimmert sie. "Hier
wäre es gut für uns alle. Ich kann nicht zurück!" Wadik,
die über den Fussboden krabbelt und Zeitungspapier zerreisst,
wendet ratlos den Kopf ihrer Mutter zu, die niemanden hat, der sie in
den Arm nimmt.
"Als sei ich aus der Welt gefallen"
Kinder in Nothilfezentren wachsen auf in einer Welt, in der es
wenig Sicherheit gibt und die Stimmung gedrückt bleibt, selbst
wenn gelacht wird oder Musik aus einem Zimmer schallt. In der die
Erwachsenen die Luft anhalten, wenn ein Polizeiwagen vorfährt,
weil das eine Ausschaffung bedeuten kann und man nie weiss, wen es
trifft. Die blankliegenden Nerven sind beinahe greifbar in den
Unterkünften, die kaum je ein Einheimischer betritt.
Um die psychische Gesundheit der Bewohner steht es nicht gut. Zu
diesem Schluss kommt ein Bericht, den das BFM und die Kantone Ende 2009
in Auftrag gaben. "Auffallend ist die Häufung insbesondere
psychischer Erkrankungen unter den Nothilfebezügern", steht darin.
Hauptursache dafür sei "weniger die ökonomische Lage der
Nothilfebezüger, sondern eher die Perspektivlosigkeit, die
Unsicherheit und die Stigmatisierung, die mit der Situation als
ausreisepflichtige Person verbunden sind". In Gampelen sagt ein
34-jähriger Afghane in mühsam formuliertem Deutsch: "Ich
fühle mich, als sei ich aus der Welt gefallen. Ich bin nirgends."▶
Das Leben ist leer, zu tun gibt es nichts. Arbeiten ist den
Bewohnern verboten, der Tagesablauf besteht im Wesentlichen aus
Schlafen, Essen und Fernsehen. In manchen Zentren bestehen
Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung. Die wenigsten
Bewohner entfernen sich hin und wieder für Spaziergänge vom
Gebäude, in dem sie untergebracht sind - sie fürchten,
Präsenzkontrollen zu verpassen oder von einer Polizeistreife
angehalten und wegen illegalen Aufenthalts festgenommen zu werden.
Kinder als blosse Anhängsel betrachtet
Das Gefühl des Eingepferchtseins führt zu permanenter
Frustration, verstärkt dadurch, dass auf engem Raum Menschen aus
verschiedenen Nationen und Kulturen zusammenleben. Die Spannung
schlägt leicht um in Gehässigkeit, zuweilen in offene Gewalt.
Immer wieder kommt es auch zu Fällen von Drogenhandel oder
Prostitution.
Die Einzigen, die in den Genuss eines strukturierten Tagesablaufs
kommen, sind Kinder im schulpflichtigen Alter: Sie haben Anrecht auf
Unterricht an öffentlichen Schulen. Dies ist aber die einzige
Sonderbehandlung, die Flüchtlingskindern zuteilwird. "Die
Behörden betrachten sie als blosse Anhängsel der Erwachsenen,
nicht als Gruppe, die besonders verletzlich ist und darum Schutz
benötigt", kritisiert Claudia Dubacher, Geschäftsleiterin der
Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und
Ausländerrecht.
Die Umstände, unter denen Kinder in Nothilfezentren leben
und aufwachsen müssten, würden die von der Schweiz
ratifizierte Kinderrechtskonvention verletzen. "Den Kindern fehlt es an
den Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung", sagt Dubacher.
"Zum Beispiel die Ernährung: Auf dem Niveau der Nothilfe ist eine
Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln und mit Frischprodukten nicht
möglich." Zudem gebe es kaum Plätze zum Spielen, positive
Vorbilder fehlten, Familien würden häufig
auseinandergerissen. "Da wachsen Menschen heran, denen elementare
Lebensgrundlagen fehlen."
Auch Esperança macht sich Sorgen um ihre Kinder.
Esperança, die sich in ihrem Heimatland Angola nicht sicher
fühlte, obwohl der Bürgerkrieg vorbei war, und die im Jahr
2003 als 29-Jährige ihren Coiffuresalon aufgab und in die Schweiz
flog, in der Hoffnung auf ein Leben frei von Angst. Das Erhoffte fand
sie hier nicht, dafür in einem Asylzentrum die Liebe, einen
Landsmann, den Vater von José und Ruth, untergebracht nun in
einem Zentrum bei Genf. Nein, sagt sie, es sei nicht vernünftig
gewesen, Kinder zu bekommen, doch wie jeder Mensch habe sie sich nach
der Geborgenheit einer Familie gesehnt, allen Widrigkeiten zum Trotz.
"Aber wenn ich daran denke, in welcher Umgebung José und Ruth
aufwachsen, habe ich Angst um sie."
Dass selbst Kinder die volle Härte des Gesetzes zu
spüren bekommen, ist nach Einschätzung von Magdalena Urrejola
von Amnesty International Absicht - Ausdruck eines
"generalpräventiven Ansatzes", wie sie sagt. "Das System zielt auf
eine Vergraulungstaktik ab, man will den Leuten das Leben so lange
schwermachen, bis sie untertauchen oder ausreisen. Dass Kinder davon
nicht verschont werden, soll den Nothilfeempfängern signalisieren:
Kinder retten euch nicht vor einer Rückkehr in euer
Herkunftsland." Das BFM will diesen Vorwurf nicht kommentieren, sondern
verweist auf ein Rechtsgutachten des Bundesamts für Justiz, laut
dem weder das Verfassungs- noch das Völkerrecht Leistungen an
Familien vorschreibt, die über Nothilfeleistungen hinausgehen.
"Auch sind uns keine Fälle bekannt, in denen Kinderrechte verletzt
werden", sagt BFM-Sprecher Michael Glauser.
Aus Sicht der Behörden bewährt es sich, abgewiesenen
Asylbewerbern lediglich Nothilfe zukommen zu lassen. Zum einen, weil
nur die Hälfte aller Abgewiesenen überhaupt Nothilfe
beantragt - vom Rest nimmt das BFM an, dass sie ausreisen. Zum anderen,
weil von jenen, die 2009 Nothilfe bezogen, 17 Prozent kontrolliert
abgereist sind. "Noch häufiger wird die Schweiz unkontrolliert
verlassen", sagt Glauser. Ziel nach offizieller Einschätzung also
erreicht: Die Aussicht, von der Nothilfe leben zu müssen, bringt
die meisten abgewiesenen Asylsuchenden dazu, das Land zu verlassen.
"Ich fand das bessere Leben nicht"
Menschenrechtsorganisationen dagegen halten das System der
Nothilfe für gescheitert. Dass lediglich 17 Prozent der
Empfänger kontrolliert ausreisten, zeige, dass sich der Staat in
eine Sackgasse verrenne. "Der Staat rüttelt mit diesem Regime
kräftig an den Grundrechten", kritisiert Magdalena Urrejola von
Amnesty International. "Er füttert Menschen auf niedrigstem Niveau
durch und steckt sie in Unterkünfte, die sie in manchen Kantonen
faktisch nicht verlassen dürfen, obwohl kein Richter sie zu einer
Freiheitsstrafe verurteilt hat, und trotzdem reisen die wenigsten
dieser Menschen aus." Amnesty International, die Beobachtungsstelle
für Asyl- und Ausländerrecht, die Schweizerische
Flüchtlingshilfe und Solidarité sans frontières
starten dieser Tage deshalb eine Kampagne, in der sie von Bund und
Kantonen fordern, die Nothilfe zu überdenken.
In ihrem engen Zimmer in Aarwangen wühlt Ruth in
Wäschestücken. José ist auf den Heizkörper
geklettert und klebt am Fenster, blickt nach draussen, wo sich die
Nebeldecke auflöst und die Sonne durchbricht. Er brabbelt
Unverständliches. Noch weiss er nicht, dass er bald nach Angola
fliegen wird. Esperança hat einer kontrollierten Ausreise
zugestimmt, die Vorbereitungen laufen.
"Ich hatte einen Traum von einem besseren Leben, deshalb kam ich
hierher", sagt sie achselzuckend. "Ich fand das bessere Leben nicht,
und Träume habe ich keine mehr. Aber meinen Kindern will ich eine
Zukunft ermöglichen. Wenn das hier nicht geht, dann muss es eben
in Angola gehen." José, Ruth und Esperança werden ihr
Zimmer nächstens räumen. Lange wird es nicht leer bleiben.
---
Basler Zeitung 4.2.11
Das System Nothilfe hat Ziel verfehlt
Abgewiesene Asylbewerber bleiben laut Flüchtlingshilfe
trotzdem in der Schweiz
Statt Sozialhilfe erhalten abgewiesene Asylbewerber seit 2008 nur
noch Nothilfe. Sie sollen damit zur Ausreise bewogen werden.
Das System der Nothilfe funktioniert nach Ansicht der
Schweizerischen Flüchtlingshilfe und anderer Organisationen nicht.
Die Flüchtlingshilfe schlägt deshalb vor, die
Rückkehrhilfe an Asylsuchende auszubauen - und hofft auf die neue
Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Seit 2008 erhalten abgewiesene Asylbewerber statt Sozialhilfe nur
noch Nothilfe. Das Ziel dieser Massnahme bestand darin, die Migranten
auf diese Weise zur Ausreise zu bewegen. Dies scheint aber nicht zu
funktionieren. Nur 12 bis 17 Prozent der Nothilfebezüger
würden die Schweiz nachweislich verlassen, teilten die
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Amnesty International Schweiz,
die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und
Ausländerfragen und Solidarité sans frontières am
Donnerstag gemeinsam mit.
Die Zahlen des Bundesamtes für Migration zeigten, dass das
System der Nothilfe nicht die gewünschte abschreckende Wirkung
habe: Die Mehrheit der abgewiesenen Asylsuchenden tauche unter, statt
auszureisen, oder werde zu Langzeit-Bezügern der Nothilfe. Beides
verhindere ein Leben in Würde. Die Nothilfe beträgt pro Tag
höchstens zwölf Franken. Übernachten müssen die
Asylbewerber in einem Zentrum.
Die Flüchtlingshilfe schlägt aus diesem Grund vor, die
Rückkehrhilfe auszubauen, auch die finanzielle. Gerade Personen,
die aus wirtschaftlichen Gründen gekommen seien, könnte auf
diese Weise ein Anreiz geboten werden. Oft ginge es den Asylsuchenden
auch darum, bei einer Rückkehr das Gesicht zu wahren.
SOMMARUGA INTERESSIERT. Neu sollte weiter auch jenen
Asylsuchenden geholfen werden, gegen die bereits Zwangsmassnahmen
angeordnet wurden. Denn: In der Regel könnten sich
ausreisepflichtige Personen erst dann auf Angebote einlassen, wenn sie
sehen würden, dass ein Verbleib in der Schweiz unter keinen
Umständen mehr möglich sei. Generell müssten die
Behörden den schon bestehenden Handlungsspielraum besser nutzen.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement teilte auf
Anfrage mit, dass Bundesrätin Sommaruga über die gestartete
Kampagne und den Bericht der Flüchtlingshilfe informiert sei und
beides "mit Interesse" zur Kenntnis genommen habe. SDA/sbo
---
NZZ 4.2.11
Blockaden um weggewiesene Asylsuchende
Hilfswerke und Amnesty fordern Verbesserung und
Überprüfung des Nothilfesystems
Flüchtlingsorganisationen halten das Regime der blossen
Nothilfe an weggewiesene Asylsuchende für eine Sackgasse. Neben
Rücksichtnahme auf besonders Schutzbedürftige fordern sie,
dass das System überdacht wird.
C. W. Bern · Die 2004 gesetzlich eingeführte und 2008
ausgedehnte Regelung, dass weggewiesene Asylbewerber von der
üblichen Sozialhilfe ausgeschlossen werden können, war von
Anfang an umstritten. Einerseits schien es inkonsequent, Asylsuchenden
nach dem rechtskräftigen negativen Entscheid weiterhin den
Lebensunterhalt in der Schweiz zu gewähren. Von der
Beschränkung auf eine minimale, von der Verfassung für
Notlagen verlangte Hilfe versprach man sich einen zusätzlichen
Druck, das Land zu verlassen. Anderseits wurde kritisiert, dass sich
menschenunwürdige Situationen ergäben, zumal viele Betroffene
gar nicht ausreisen könnten.
Wenig individuelle Rücksicht
Das Bundesamt für Migration begleitete die Einführung
des "Sozialhilfestopps" mit Erhebungen und gelangte insgesamt zum
Schluss, dass das System funktioniere. Demgegenüber untersuchte
die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Praxis der Kantone
und kam - mehr aus der Sicht der Betroffenen - zu einem schlechteren
Bild. Die Leistungen der Kantone seien sehr ungleich und teilweise
ungenügend. Namentlich werde nicht auf spezielle Bedürfnisse
Rücksicht genommen, es fehle auch ein einheitlicher Begriff von
"verletzlichen" Personen, wozu etwa Kranke und Kinder zu zählen
sind. Alleinstehende Frauen würden manchmal
Kollektivunterkünften zugewiesen, die ganz von Männern
dominiert seien. Da einige Kantone nicht für die obligatorische
Krankenversicherung sorgen, hängt der Zugang zu Ärzten dort
oft vom Entscheid des fachlich dafür nicht qualifizierten
Betreuungspersonals ab. Durch die zermürbenden Umstände -
Untätigkeit, Isolation, Angst vor der Polizei - ergeben sich, wie
festgestellt wird, oft psychische Probleme.
Umstrittene Wirkung
Die Flüchtlingshilfe, Amnesty International,
Solidarité sans frontières und die ebenfalls private
Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht lancieren nun
eine Kampagne, um die Bevölkerung zu sensibilisieren und mittels
einer Petition Veränderungen zu erwirken. Die Verhältnisse
hätten sich nicht verbessert, sagte Susanne Bolz von der SFH
aufgrund eines neuen Berichts, der frühere Untersuchungen mit
Blick auf sieben Kantone fortschreibt. Zum Teil hätten die
Behörden den Druck auf die Betroffenen noch erhöht, zum
Beispiel mit zusätzlichen Melde- und Präsenzpflichten;
besonders in grossen Kantonen sei aber auch eine gewisse Resignation
festzustellen.
Die vier Organisationen zweifeln, ob eine Art "permanente
Beugehaft", wie ein Afghane die zwei Jahre lang selber erlebte
Situation bezeichnete, überhaupt wirkt. 2009 bezogen 5800
Personen, die Hälfte der seit Anfang 2008 Weggewiesenen, Nothilfe.
Im vierten Quartal 2009 lag der Entscheid bei einem Fünftel schon
mehr als ein Jahr zurück. Während der Anteil der
Langzeitbezüger nach dem Urteil des Bundesamts klein ist, zeigt er
für die Träger der Kampagne, dass die Nothilfe, als
Übergangslösung gedacht, der Realität nicht gerecht
wird. Sie reden von einer Sackgasse, in der nicht nur die Betroffenen,
sondern auch der Staat stecke.
Gefordert wird nun zum einen eine Behebung der kritisierten
Mängel. Verletzliche Personen sollten Sozialhilfe erhalten, ebenso
jene Weggewiesenen, die sich kooperationsbereit gezeigt haben, aber
wegen des Verhaltens ihres Heimatstaats nicht zurückkehren
können.
Beratung als Alternative
Zum anderen, heisst es in der Petition, müsse das System
"überdacht" werden. Die SFH sieht einen Lösungsansatz in
einer besseren Beratung. Eine Begleitung der Asylsuchenden sollte
sicherstellen, dass sie das Verfahren als fair erleben und ein
negatives Resultat verstehen. Die Hilfswerke wären zu solchen
Aufgaben bereit, hätten allerdings nicht die nötigen Mittel;
schon die heutige Rechtsberatung ist lückenhaft geworden. Ebenso
sei die Rückkehrberatung noch auszubauen. So brauche es Hilfe zur
ordentlichen Beendigung des Aufenthalts, zur Wahrnehmung von
Ansprüchen und Pflichten. Und die Unterstützung der
Wiedereingliederung müsse individueller darauf ausgerichtet
werden, dass die Rückkehrer ihr Gesicht wahren könnten. Es
werde aber immer Leute geben, die nicht zurückkehren wollten,
fügte Susanne Bolz hinzu.
---
Tagesschau 3.2.11
Flüchtlingshilfe kritisiert Nothilfe
Viele abgewiesene Asylsuchende tauchen ab oder beziehen über lange
Zeit Nothilfe. Dies sei ein Misstand, sagen Hilfswerke wie die
Schweizerische Flüchtlingshilfe. Sie kritisieren das System der
Nothilfe im Asylwesen scharf.
http://videoportal.sf.tv/video?id=8e7f66c9-795c-4abc-821c-b2daf1e94a66
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sf.tv 3.2.11
Asylwesen: Kritik an mangelhafter Nothilfe
sda/vaid
Das System der Nothilfe funktioniert nach Ansicht der
Schweizerischen Flüchtlingshilfe und anderer Organisationen nicht.
Die Flüchtlingshilfe schlägt deshalb vor, die
Rückkehrhilfe an abgewiesene Asylsuchende auszubauen. Insgesamt
hoffen die Hilfswerke auf die neue Bundesrätin Sommaruga.
Nur 12 bis 17 % der Nothilfebezüger verlassen die Schweiz
tatsächlich. Die Zahlen des Bundesamtes für Migration zeigen,
dass das System der Nothilfe nicht die gewünschte abschreckende
Wirkung hat. Dieser Ansicht sind die Schweizerische
Flüchtlingshilfe, Amnesty International Schweiz, die
Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und
Ausländerfragen und Solidarité sans frontières.
Die Mehrheit der abgewiesenen Asylsuchenden taucht unter statt
auszureisen oder würden zu Langzeit-Bezügern der Nothilfe.
Beides wiederum verhindere ein Leben in Würde, teilen die vier
Organisationen mit.
Mehr Geld für Rückkehrer
Die Flüchtlingshilfe schlägt deshalb vor, die
Rückkehrhilfe auszubauen, auch die finanzielle. Gerade Personen,
die aus wirtschaftlichen Gründen gekommen seien, könnte auf
diese Weise ein Anreiz geboten werden. Oft ginge es den Asylsuchenden
auch darum, bei einer Rückkehr das Gesicht zu wahren.
Neu sollte weiter auch jenen Asylsuchenden geholfen werden, gegen
die bereits Zwangsmassnahmen angeordnet wurden. Denn: In der Regel
könnten sich ausreisepflichtige Personen erst dann auf Angebote
einlassen, wenn sie sehen würden, dass ein Verbleib in der Schweiz
unter keinen Umständen mehr möglich sei.
Generell müssten die Behörden ihren schon heute
bestehenden Handlungsspielraum besser nutzen, fordern die vier
Organisationen.
Noch keine Signale aus dem EJPD
"Wir denken, dass die neue Bundesrätin Simonetta Sommaruga
den Ball aufnimmt", sagt Amnesty-Sprecher Daniel Graf. Allerdings seien
noch keine Signale aus dem Justizdepartement gekommen. Auch Adrian
Hauser von der Flüchtlingshilfe sagt: "Hoffnungen auf eine andere
Gangart sind da."
Um Druck zu machen, wollen die Organisationen in einer nationalen
Kampagne aufzeigen, was Nothilfe für die Betroffenen bedeutet.
Zudem sammeln sie Unterschriften für eine Petition. Diese fordert,
dass das System der Nothilfe grundsätzlich überdacht wird.
Weiter sollten verletzliche Personen einheitlich Sozialhilfe erhalten.
4.30 bis 12 Franken pro Tag
Asylbewerber mit einem Nichteintretensentscheid sowie abgewiesene
Asylbewerber bekommen so genannte Nothilfe: Sie erhalten pro Tag
zwischen 4.30 und 12 Franken in bar oder in Form von Gutscheinen sowie
medizinische Notversorgung. Übernachten müssen sie in einem
Zentrum. Für den Vollzug sind die Kantone zuständig.
Bericht zeigt Mängel auf
Ein von der Flüchtlingshilfe publizierter Bericht listet die
Mängel der Nothilfe auf. Stark kritisiert wird, dass viele Kantone
Verschärfungen eingeführt haben: "Das Grundrecht auf Hilfe in
Notlagen wird damit immer mehr als eigentliche Zwangsmassnahme im
Wegweisungsvollzug missbraucht."
Auch herrsche noch immer Unklarheit, welche Personen als
besonders verletzlich gelten würden. Das führe dazu, dass
beispielsweise alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern in
Nothilfezentren untergebracht seien. Weiter gebe der Gesundheitszustand
vieler Nothilfebezüger Anlass zur Sorge.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement teilte auf
Anfrage mit, dass Bundesrätin Sommaruga über die gestartete
Kampagne und den Bericht der Flüchtlingshilfe informiert sei und
beides "mit Interesse" zur Kenntnis genommen habe.
---
fluechtlingshilfe.ch 3.2.11
Nothilfe: Eine Sackgasse
Das Nothilfe-System im Asylwesen muss grundsätzlich in Frage
gestellt werden. Zu diesem Zweck startete am 3. Februar 2011
schweizweit eine Kampagne der vier im Asylbereich tätigen
Organisationen Amnesty International, Schweizerische
Flüchtlingshilfe SFH, Schweizerische Beobachtungsstelle für
Asyl- und Ausländerrecht und Solidarité sans
frontières.
Medienmitteilung vom 3. Februar 2011
http://www.fluechtlingshilfe.ch/news/medienmitteilungen/nothilfe-eine-sackgasse
Bericht: Nothilfe für ausreisepflichtige Asylsuchende (pdf)
http://www.fluechtlingshilfe.ch/asylrecht/nothilfe/nothilfe-fuer-ausreisepflichtige-asylsuchende/at_download/file
Galerie: Leben in Baracken
http://www.fluechtlingshilfe.ch/asylrecht/nothilfe/galerie-leben-in-baracken
www.nothilfe-kampagne.ch
http://www.nothilfe-kampagne.ch/
--
http://www.fluechtlingshilfe.ch/news/medienmitteilungen/nothilfe-eine-sackgasse
Nothilfe: Eine Sackgasse
Das Nothilfe-System im Asylwesen muss grundsätzlich in Frage
gestellt werden. Zu diesem Zweck startet heute schweizweit eine
Kampagne der vier im Asylbereich tätigen Organisationen Amnesty
International, Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH, Schweizerische
Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht und
Solidarité sans frontières. Rund 5800
zurückgewiesene Asylbewerber sind der Nothilfe unterworfen. Einem
System, das zu sozialer Isolation, zahlreichen behördlichen
Schikanen und zu einem Leben in Ungewissheit führt und die
Betroffenen so an einem Leben in Würde hindert. Die Zustände
in der Nothilfe sind besonders für als verletzlich geltende
Personen schwer zu ertragen. So leiden Ältere und Traumatisierte,
alleinerziehende oder schwangere Frauen und unbegleitete
Minderjährige besonders stark unter den schwierigen
Lebensbedingungen. Anderseits ist es zweifelhaft, ob die Nothilfe die
bezweckte abschreckende Wirkung hat: Alleine 12 bis 17 % der
Nothilfe-Bezüger verlassen die Schweiz nachweislich.
"Mit unserer Kampagne machen wir die Öffentlichkeit auf die
schwierigen und menschenunwürdigen Lebensumstände aufmerksam,
denen Menschen in der Nothilfe unterworfen sind", erklärt Claudia
Dubacher, Generalsekretärin der Schweizerischen Beobachtungsstelle
für Asyl- und Ausländerrecht. "Die Schweizer Bevölkerung
muss sich bewusst werden, was es heisst, mit 4.30 bis maximal 12
Franken pro Tag in Bar oder in Form von Einkaufsgutscheinen auskommen
zu müssen. Ein menschenwürdiges Dasein ist unter diesen
Bedingungen schlicht unmöglich."
Die vier an der Kampagne beteiligten Organisationen fordern eine
grundsätzliche Überprüfung des Nothilfesystems, das
unbedingt mehr auf die Bedürfnisse besonders verletzlicher
Personen eingehen muss. Grundrechte müssen respektiert werden. Im
Besonderen das Recht auf Schulbildung und das Recht auf ein
menschenwürdiges Dasein - beides Rechte, welche den Menschen in
der Nothilfe regelmässig vorenthalten werden. Die vier beteiligten
Organisationen werden sich in dieser Angelegenheit in den nächsten
Wochen an die nationalen und kantonalen Behörden wenden.
"Die Nothilfe wird von Kanton zu Kanton unterschiedlich umgesetzt, was
zu Ungerechtigkeit und Willkür führt", bestätigt Susanne
Bolz, Leiterin des Rechtsdienstes der Schweizerischen
Flüchtlingshilfe SFH. "Das zeigt unsere jüngst aktualisierte
Studie zu diesem Thema." Die Studie zeigt, dass in einigen Kantonen
kaum auf die Situation bestimmter besonders verletzlicher Personen
Rücksicht genommen wird. Zum Beispiel auf Familien mit
Kleinkindern, alleinstehende oder schwangere Frauen und auf ältere
Menschen. Die Kantone nutzen die Möglichkeiten, die ihnen zur
Verfügung stehen, nicht voll aus und gehen zu wenig auf die
Situation einzelner Betroffener ein.
Qazem Alizada, Mitglied des Bleiberecht-Kollektivs Bern, hat zwei Jahre
lang in der Nothilfe und in den damit verbundenen
menschenunwürdigen Umständen gelebt. "Als Vertreter von
Solidarité sans frontières ist es mir wichtig, denjenigen
eine Stimme zu verleihen, die heute noch in diesen Bedingungen leben
müssen. Am schwersten zu ertragen ist die Frustration durch den
rechtlosen Zustand. Man existiert offiziell gar nicht mehr. Wir sind
Gefangene unserer Situation und leben zusätzlich in ständiger
Angst, von der Polizei aufgegriffen und eingesperrt zu werden. Und das,
obwohl wir uns nichts zu Schulden haben kommen lassen."
Der Ausschluss aus der Sozialhilfe sollte ursprünglich zur
Abschreckung dienen, die Anzahl der Asylgesuche und der
ausserordentlichen Verfahren senken und - vor allem -
zurückgewiesene Asylbewerber zum Verlassen des Landes zu bewegen.
Da nur 15 % der Nothilfebezüger nach einem Jahr noch im System
sind, vertritt das Bundesamt für Migration BFM die Meinung, dass
eine Mehrheit der Betroffenen das Land verlassen hat. Aber nur 12 bis
17 % sind nachweislich aus der Schweiz ausgereist. Ein Beweis
dafür, dass der Sozialhilfestopp nicht die erwartete Wirkung zeigt.
"Das Nothilfe-System hatte von Anfang an den Zweck, die betroffenen
Menschen aus den Statistiken verschwinden zu lassen", sagt Susanne
Bolz. "Und das ist bis heute sein einziger Verdienst. Es ist
illusorisch zu glauben, dass alle ehemaligen Nothilfebezüger die
Schweiz verlassen haben. Statt die Betroffenen zu einer raschen
Rückkehr zu bewegen, schafft die Nothilfe lebensunwürdige und
demoralisierende Zustände, in denen vor allem die Schwächsten
zum Teil für lange Zeit hängen bleiben."
Die Kampagne wird in den nächsten Wochen am Beispiel der Kantone
Graubünden, Zürich, Bern und Waadt aufzeigen, was Nothilfe
für die Betroffenen konkret bedeuten kann - was nicht heissen
will, dass die Dinge anderorts besser stehen.
Allgemeine Informationen zur Nothilfe
Seit dem 1. April 2004 werden Asylbewerber mit einem
Nichteintretensentscheid aus der Sozialhilfe ausgeschlossen. Seit dem
1. Januar 2008 trifft dies auch auf Menschen zu, deren Asylgesuch
endgültig zurückgewiesen wurde. Bereits Ende 2009 bezogen
schweizweit rund 5800 Personen Nothilfe.
Nothilfe ist ein von der Verfassung garantiertes Grundrecht. Sie
umfasst eine einfache, oft kollektive Unterkunft, die Versorgung mit
Lebensmitteln und Hygieneartikeln, medizinische Notversorgung und
allfällige andere unverzichtbare Leistungen.
Galerie: Leben in Baracken
http://www.fluechtlingshilfe.ch/asylrecht/nothilfe/galerie-leben-in-baracken
Mehr Informationen:
Medienmitteilung vom 3. Februar 2011 (pdf)
http://www.fluechtlingshilfe.ch/news/medienmitteilungen/nothilfe-eine-sackgasse/medienmitteilung-vom-3.-februar-2011/at_download/file
Bericht: Nothilfe für ausreisepflichtige Asylsuchende (pdf)
http://www.fluechtlingshilfe.ch/news/medienmitteilungen/nothilfe-eine-sackgasse/bericht-nothilfe-fuer-ausreisepflichtige-asylsuchende/at_download/file
Porträt: Drei Betten für fünf Personen (pdf)
http://www.fluechtlingshilfe.ch/news/medienmitteilungen/nothilfe-eine-sackgasse/portraet-drei-betten-fuer-fuenf-personen/at_download/file
Porträt: Für den Sohn gibt's nur das Nötigste (pdf)
http://www.fluechtlingshilfe.ch/news/medienmitteilungen/nothilfe-eine-sackgasse/portraet-fuer-den-sohn-gibt-s-nur-das-noetigste/at_download/file
Flyer Kampagne (pdf)
http://www.fluechtlingshilfe.ch/news/medienmitteilungen/nothilfe-eine-sackgasse/flyer-kampagne/at_download/file
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SANS-PAPIERS
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Schwyzer Zeitung 3.2.11
Sans-Papiers: Was kosten sie den Staat?
Kanton
Die SVP will wissen, wie viel Ausländer, die nicht hier sein
dürften, den Steuerzahler kosten.
opp. Ausländer, die sich illegal in der Schweiz aufhalten,
sind mehreren SVP-Kantonsräten ein Dorn im Auge. "Die direkten und
indirekten Aufwendungen für diese spezielle Volksgruppe
dürften sehr hoch sein", schreiben sie in der kürzlich
eingereichten Interpellation mit dem Titel "Anwesenheit von illegal
anwesenden Ausländern". Unterzeichnet wurde der Vorstoss von den
SVP-Kantonsräten Hanspeter Rast (Reichenburg), Peter
Häusermann (Immensee), Bernadette Wasescha (Merlischachen),
Gabriela Keller (Galgenen) und Peter Inderbitzin (Steinen). Die
Steuerzahlenden hätten einen Anspruch, zu erfahren, welche Mittel
für diese Ausländer, die hier gar nicht leben dürften,
ausgegeben würden.
Die SVP-Kantonsräte ersuchen deshalb den Regierungsrat,
unter anderem aufzuzeigen, ob Kinder von illegal anwesenden
Ausländern irgendeine Form von Betreuungsstätten sowie
privaten und staatlichen Schulen besuchten. Die Aufzählung der
verschiedensten Bereiche, in denen die Interpellanten aufgezeigt haben
möchten, welche Leistungen an besagte Ausländer entrichtet
werden, erstreckt sich von der Gesundheitsversorgung über das
Justizwesen bis hin zu staatlich unterstützten Beratungsstellen.
So soll der Regierungsrat auch abklären, ob
Alimentenbevorschussungen an illegal anwesende Ausländer bezahlt
werden. Oder ob Führerausweise an solche Personen ausgestellt
worden sind und ob irgendwelche staatlich unterstützte
Organisationen diese Personen unterstützen.
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AUSSCHAFFUNGEN
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St. Galler Tagblatt 3.2.11
Wegweisungen bleiben schwierig
15 567 Menschen stellten 2010 in der Schweiz ein Asylgesuch. Der
Kanton St. Gallen betreut sechs Prozent davon. Er schafft sie bei
ablehnenden Asylentscheiden auch aus - das jedoch bereitet den
Behörden nach wie vor Probleme.
Urs-Peter Zwingli
St. Gallen. Die meisten Menschen, die 2010 in der Schweiz Asyl
beantragt haben, kommen neu aus Nigeria: 1969 Nigerianer oder zehn
Prozent mehr als noch im Vorjahr haben ein entsprechendes Gesuch
gestellt - und waren chancenlos: "Der Bund hat alle abgewiesen", sagt
Bruno Zanga, Leiter des Ausländeramtes des Kantons St. Gallen. Der
Grund dafür ist, dass in Nigeria zwar "Armut und soziale Probleme"
herrschten, jedoch keine Bedrohung für Leib und Leben. Dies
wäre aber Voraussetzung für die Gewährung von Asyl. Doch
mit dem Vollzug der vom Bund ausgesprochenen Wegweisungen tut sich der
Kanton St. Gallen schwer: 294 Wegweisungen sind derzeit pendent (siehe
Grafik). Das heisst, dass diese Menschen das Land eigentlich verlassen
müssten, dies aber nicht tun.
Genug Platz in den Heimen
Gerade im Fall Nigeria hat das spezielle Gründe: Seit im
März 2010 ein Häftling bei den Vorbereitungen zu seiner
Ausschaffung am Flughafen Zürich gestorben ist, sind
Sonderflüge in das westafrikanische Land nicht mehr möglich.
Und wenn die Nigerianer - gestützt auf das seit 2008 geltende
Dublin-Abkommen - ins erste Einreiseland (meist Italien)
zurückgeschickt wurden, reisten sie danach oft wieder in die
Schweiz ein.
Zanga kam damit auf den wunden Punkt zu sprechen, als er gestern
mit der St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter und Beat
Tinner, Präsident des Vereins der St. Galler
Gemeindepräsidenten (VSGP) über die Entwicklungen im
Ausländer- und Asylwesen informierte. Der Asylbereich hat
schweizweit turbulente Phasen hinter sich: Auf eine eigentliche
Vollzugsnot bei den Wegweisungen im Jahre 2003 folgte 2008 ein
sprunghafter Anstieg der Asylgesuche.
Zumindest in St. Gallen sei man aber wieder gut aufgestellt: In
den vier Durchgangsheimen (sogenannte Kollektivzentren) des Kantons hat
es genug Plätze (338), um das Soll des Bundes zu erfüllen. In
diesen Zentren werden die Asylsuchenden auf das nachfolgende Leben in
den Gemeinden vorbereitet. Die deshalb enge Zusammenarbeit zwischen
Kanton und Gemeinden funktioniere "sehr gut". In den Gemeinden sind die
Sozialhilfeämter für die Betreuung der Asylsuchenden
zuständig.
Diskussionen über Nothilfe
Ebenfalls von den Gemeinden beherbergt werden Bezüger von
Nothilfe. Das sind Asylsuchende, die einen negativen Entscheid (oder
einen Nichteintretensentscheid) auf ihr Gesuch erhalten haben, sich
aber noch in der Schweiz befinden. Sie erhalten acht Franken pro Tag
und medizinische Notversorgung, Kinder zudem Schulbildung. Ziel ist,
sie durch unattraktive Lebensbedingungen zur Ausreise zu bewegen. Rund
200 Menschen beziehen im Kanton St. Gallen aktuell diese Leistungen.
"Für die Gemeinden ist diese Zahl aber kein grösseres
Problem", sagt Tinner. Die Nothilfe war Ende 2010 in die Kritik
geraten: Weil Nothilfebezüger in Mels in Containern untergebracht
wurden, sprach die SP in einer Einfachen Anfrage an die Regierung von
"menschenunwürdigen" Umständen. Tinner betonte gestern, dass
die Unterbringung in Containern vom Bundesamt für Migration
geprüft und für menschenwürdig befunden worden sei. "Der
VSGP kann sich darum vorstellen, dass die Container Modellcharakter
haben und in weiteren Gemeinden eingeführt werden", so Tinner.
--
Das Asylverfahren
Bei der Einreise in die Schweiz werden Asylsuchende in einem
Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) des Bundes registriert und
befragt. Bei offensichtlich unbegründeten, aber auch bei klar
positiven Fällen werden beschleunigte Verfahren angewendet. So
werden die Menschen teils noch aus dem EVZ wieder ausgeschafft.
Asylsuchende, über deren Gesuch der Bund nicht innert 60
Tagen entscheidet, werden bis zum Abschluss des Verfahrens den Kantonen
zugeteilt. Für die erste Betreuungsphase von sechs bis neun
Monaten führt der Kanton St. Gallen vier Kollektivzentren. Im
Anschluss wohnen die Asylsuchenden in den Gemeinden. (upz)
---
Thuner Tagblatt 1.2.11
Ausgeschafft und verzweifelt
Thun. Die lokale Gsruppe von Amnesty International lädt am
nächsten Samstag zu einem bewegenden Stück Theater und einer
anschliessenden Diskussionsrunde über Asylpolitik in die Thuner
Johanneskirche.
Die Gruppe Thun/Interlaken von Amnesty International
präsentiert am nächsten Samstag in Thun die Theatergruppe
Stückwerk mit ihrem Bühnenwerk "Abflug". Die Geschichte
handelt von einer Sammelabschiebung von Asylsuchenden: Die
17-jährige Melina aus Togo und der Ghanaer Raimou werden
frühmorgens aus dem Schlaf gerissen und per Flugzeug ausgeschafft.
Melina verbrachte fast ihr ganzes Leben in ihrem Gastland. Togo ist ihr
völlig fremd - sie spricht weder Französisch noch die
Stammessprache Ewe. Auch Raimou ist verzweifelt. Um seine Familie
ernähren zu können, nahm er die lebensgefährliche Reise
nach Europa auf sich - nun wird er mit leeren Händen
zurückkehren.
Das Stück mache tief betroffen und motiviere alle, sich
für eine menschenwürdige Asylpolitik einzusetzen, schreibt
Amnesty International in einer Pressemitteilung.
Im Anschluss an die Aufführung ist eine Diskussion mit den
Schauspielern und Denise Graf, der Koordinatorin von Amnesty
International für Menschenrechtsarbeit in der Schweiz, vorgesehen,
zu der alle Zuschauer eingeladen sind.
pd
Aufführung: 5. Februar, 20 Uhr,
Johanneskirche, Waldheimstrasse, Thun; Eintritt frei, Kollekte.
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MIGRATION CONTROL
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20min.ch 4.2.11
Grenzwächter: Schweiz ist bereit für EU-Einsatz
Ab sofort können Schweizer Grenzwächter helfen, die
EU-Aussengrenzen zu sichern. Die letzte Vereinbarung dazu wurde Ende
Januar unterzeichnet.
Die Schweiz ist bereit für einen weiteren Auslandeinsatz.
Details der Zusammenarbeit zwischen der der Schweiz und der EU dazu
sind bereinigt. "Die letzte Vereinbarung wurde Ende Januar
unterzeichnet", bestätigte Walter Pavel, Mediensprecher der
Eidgenössischen Zollverwaltung, auf Anfrage von 20 Minuten Online:
"Damit können ab sofort auch Schweizer Grenzwächterinnen und
Grenzwächter zum Einsatz an der EU-Aussengrenze kommen."
Für die Zusammenarbeit mit der "Europäischen Agentur
für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der
europäschen Union" (Frontex) steht beim Grenzwachtkorps ein Pool
von 30 Mitarbeitern zur Verfügung. Es handelt sich dabei um
Spezialisten zur Erkennung von gefälschten Dokumenten und von
Schmuggelverstecken in Fahrzeugen. Die Beteiligungg an Frontex, die
eine Folge des Schweizer Beitritts zum Schengen-Raum ist, kostet rund
drei Millionen Franken pro Jahr.
Schweiz kann frei entscheiden
Zum Auslandeinsatz kommen die Grenzwächter, sobald Frontex
Bedarf anmeldet. "Eine Anfrage ist bisher noch nicht eingetroffen",
sagt Pavel. Wann dies der Fall sein werde, lasse sich nicht sagen.
Klar ist allerdings: Die Schweiz wird der Frontex für die
Einsätze gleichzeitig maximal fünf Mitarbeitende zur
Verfügung stellen. Und, so Pavel: "Der Einsatz kann in
begründeten Fällen auch abgelehnt werden." Etwa, wenn die
Schweiz die Grenzwächter aufgrund von besonderen Lagen selber
benötige.
Die Grenzwächter bleiben bei ihrem Einsatz Angestellte des
Bundes. Sie würden aber Teil des 730 Personen umfassenden,
multinationalen Rabit-Pools von Frontex. Rabit ("Rapid Border
Intrevention Teams") sind die schnelle Eingreiftruppe zur Sicherung der
Aussengrenzen, die in Krisenfällen die nationalen
Grenzschützer unterstützen.
Schnelle Ergebnisse
Ein erster Einsatz dieser Eingreiftruppe erfolgte im November
2010 an der türkisch-griechischen Grenze, dem derzeit zentralen
Einfallstor für über 90 Prozent der illegalen
Grenzübertritte in die EU.
Die 175 Grenzwächter aus dem Schengen-Raum waren rasch
erfolgreich. Seit dem Einsatz der Truppe ging der Zustrom von illegalen
Einwanderern um 44 Prozent züruck. (uwb)
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BLÖDSINN
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20 Minuten 2.2.11
Unterstützung für Hakenkreuz-Haus
LUZERN. Das Hakenkreuz-Haus eines Architekturstudenten der
Luzerner Hochschule hat bei Schweizer Juden für Unmut gesorgt (20
Minuten berichtete) - dafür haben viele Leser kein
Verständnis. In einem Grossteil der rund hundert Kommentare aus 20
Minuten Online wird die Arbeit in Schutz genommen. "Langsam sollte man
von dieser Hysterie wegkommen und die Geschichte ruhen lassen",
schreibt etwa User Luzerner. "Hoffentlich lässt sich der Student
nicht entmutigen und macht weiter an diesem guten Projekt."
David A. wiederum hat für den Schweizerischen Israelitischen
Gemeindebund, der die Verwendung des Zeichens als "unsensibel"
bezeichnete, kein Verständnis: "Wir Juden motzen sowieso bei jeder
Gelegenheit (bin selber Jude). Ich finde das einfach übertrieben."
Der Student, der das Hakenkreuz-Projekt zeichnete, wollte sich
gegenüber 20 Minuten gestern nicht äussern. mfe
---
20 Minuten 1.2.11
Hakenkreuz-Haus verärgert Juden
LUZERN. Ein Hakenkreuz als Grundriss: Die Arbeit eines Studenten
der Hochschule Luzern sorgt bei Juden in der Schweiz für rote
Köpfe.
An der Hochschule Luzern - Technik & Architektur wurden
während der letzten Wochen die Semesterarbeiten der
Masterkurs-Studentenin den Fluren ausgestellt. Eine Arbeit sorgte dabei
bei einzelnen Studenten für Kopfschütteln: Sie zeigt ein
Haus, dessen Grundriss die Form eines Hakenkreuzes hat.
Beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund zeigte man sich
gestern auf Anfrage irritiert. "Es ist unsensibel, ein solches Symbol
in der heutigen Zeit so zu verwenden", sagt Generalsekretär
Jonathan Kreutner. Auch bei Yves Kugelmann, Chefredaktor des
jüdischen Wochenmagazins "Tachles", stösst das
Hakenkreuz-Haus auf Unverständnis. "Von einem Architekturstudenten
erwarte ich schon mehr Sensibilität. Vor allem auch deshalb, weil
Architektur sehr eng an Gesellschaft, Geschichte und Kultur
geknüpft ist."
Gegenüber 20 Minuten verteidigte die Hochschule die Arbeit.
"Es ging darum, die Architektur in den Alpen und im Himalaja zu
analysieren", erklärt der verantwortliche Modulleiter Hanspeter
Bürgi. In der buddhistischen Architektur komme das Symbol in
vielen Bauten vor, da es dort für Glück stehe. Er räumt
aber ein, dass der Grundriss unglücklich dargestellt sei. "Ich
entschuldige mich in aller Form für diese Darstel- lung, die
leider missverständlich interpretiert werden kann", so
Bürgi. matthias Giordano
--
Hakenkreuzform immer wieder Stein des Anstosses
LUZERN. Immer wieder sorgt das Hakenkreuz architektonisch
für Aufruhr. Anfang der siebziger Jahre baute die US-Navy in
Coronado (Kalifornien) eine Basis. Erst als Google Earth
hochauflösende Satellitenbilder ins Netz gestellt hatte, bemerkte
man die Hakenkreuzform des Baus. Nach Protesten wurde das Haus dann
für 600 000 Dollar umgebaut. Auch ein Kindergarten in Bregenz
(Ö) hat von oben die Form des bekannten Symbols. Dort wurde danach
die Farbe des Daches geändert.
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BAD BONN
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BZ 3.2.11
Petition für das Bad Bonn
Düdingen. Sympathisanten haben gestern eine Petition mit
3949 Unterschriften an Staatsrätin Isabelle Chassot
übergeben. Sie fordern, dass alles für ein Weiterbestehen des
Bonn getan werden soll - auch finanziell, wenn nötig.
Das Musiklokal Bad Bonn in Düdingen ist weit über die
Region hinaus bekannt. Nicht nur wegen der jährlich stattfindenden
Bonn-Kilbi. Mit einem mutigen Konzertprogramm, das sowohl einheimischem
Schaffen als auch neuen internationalen Trends Platz lässt, hat
sich das Lokal einen guten Ruf geschaffen. Doch Anfang des letzten
Jahres hat sich die finanzielle Situation verschlechtert.
Grund dafür war unter anderem das neue Nichtrauchergesetz,
das zu einem Streit zwischen dem Bad Bonn und den Behörden
führte. Damit das Rauchen in ihrem Lokal weiterhin möglich
war, wurde aus der öffentlichen Gaststätte ein Vereinslokal.
Das wurde von den Behörden allerdings nicht akzeptiert, und sie
drohten mit der Schliessung des Lokals. Dem kamen die Betreiber zuvor
und öffneten das Lokal vorübergehend nur für Konzerte.
Bereits zuvor hatte das Verbot von Glücksspielautomaten und die
Einführung der 0,5-Promille-Grenze zu einem Rückgang der
Einnahmen aus dem Gastrobetrieb geführt. Angesprochen wurden dabei
auch die Subventionen. Die Bad-Bonn-Betreiber bemängelten, dass
sie bei der Verteilung der Kulturgelder benachteiligt würden. Kurz
darauf gab die Agglomeration Freiburg bekannt, dass sie ihre
Unterstützung in Zukunft von 15 000 auf 50 000 Franken pro Jahr
erhöhen würde.
Als Marius Gruber und Jordi Pürro von den finanziellen
Schwierigkeiten des Bad Bonns erfuhren, lancierten sie eine Petition
zur Rettung des Konzertprogramms "im einzigartigen und schweizweit
geschätzten Lokal", wie sie in einer Mitteilung schreiben. Darin
verlangen sie, dass das Bad Bonn "deutlich mehr Kulturgelder"
erhält, weil die Quersubventionierung durch den Gastrobetrieb
nicht mehr möglich sei.
3949 Personen haben innerhalb eines halben Jahres die Petition
"für eine Zukunft mit Kultur im Bad Bonn" unterschrieben. Neben
Privatpersonen haben auch Organisatoren (Paléo-Festival) und
Musikagenturen die Petitionäre unterstützt. Gestern Abend
wurden die Unterschriftenbögen von der zuständigen Freiburger
Staatsrätin Isabelle Chassot persönlich entgegengenommen.
pd/hus
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Freiburger Nachrichten 3.2.11
Fast 4000 Unterschriften für das Bad Bonn
Das Kulturlokal Bad Bonn erhält Unterstützung aus der
Bevölkerung. Sympathisanten haben gestern eine Petition mit 3949
Unterschriften an Staatsrätin Isabelle Chassot übergeben. Sie
fordern, dass alles für ein Weiterbestehen des Bonn getan werden
soll - auch finanziell, wenn nötig.
Pascal Jäggi
"Wir sind sehr erfreut, dass sich die Bevölkerung für
uns einsetzt", sagt Daniel Fontana, Programmator des Bad Bonn. "Das ist
ein Bekenntnis zum Bad Bonn." Der Grund für die Dankbarkeit: Zwei
grosse Fans des Kulturlokals, Jordi Pürro und Marius Gruber, haben
seit Mai 2010 3949 Unterschriften für ihre Petition "Für eine
Zukunft mit Kultur im Bad Bonn" gesammelt. Ziel der Petition ist es,
die Schliessung des Lokals zu verhindern. Die öffentlichen Stellen
werden mit der Petition aufgerufen, dies finanziell sicherzustellen.
Wichtiges Kulturlokal
Gestern haben zehn Sympathisanten die Unterschriften an
Staatsrätin Isabelle Chassot übergeben. Die Kulturvorsteherin
lobte das Engagement der Unterstützer. "Das Bad Bonn ist wichtig
für die Jugend und die Kultur", sagte sie, "es hat Freiburg in der
Schweiz bekannt gemacht." Die Staatsrätin hatte noch eine
Überraschung auf Lager. Es seien sicher mehr als 4000
Unterschriften zusammengekommen, sagte sie. Neben
Unterstützungsbriefen von Kulturlokalen seien einige
Unterschriftenbögen direkt zu ihr geschickt worden, sagte Chassot.
Der Staatsrat sei nicht für Subventionen zuständig, aber sie
werde die verantwortliche Stelle, die Agglomeration, informieren, so
Chassot, die bekannte, früher auch schon die Vorzüge des Bad
Bonn genossen zu haben.
Marius Gruber erklärte kurz, wie das Ganze entstanden ist.
"Als das Bad Bonn kurz vor der Kilbi 2010 seinen Betrieb eingestellt
hatte, wollten wir etwas tun", sagte er. Nach der Gründung einer
Facebook-Gruppe (3405 Mitglieder) entstand die Idee der Petition.
Freiwillige haben an Sommerfestivals Unterschriften gesammelt und im
Freundeskreis geworben. Sogar von den "Eurockéennes" im
französischen Belfort kamen 300 Unterschriften.
Für das Bad Bonn sind die Probleme nicht ausgestanden. "Im
letzten Jahr hatten wir ein Defizit von rund 35 000 Franken", hält
Daniel Fontana fest. Im letzten Jahr kam zwar zusätzliches Geld
von der Agglo, neben dem Beitrag von 50 000 Franken (siehe Kasten)
wurde ein Gesuch über 10 000 Franken genehmigt. Ob es aber in
diesem Jahr wieder mehr Geld gibt, zeigt sich erst im März.
--
Zahlen und Fakten
Agglomeration und Lotterie unterstützen Kultur
Die Loterie Romande verteilte 2010 mehr als fünf Millionen
Franken an die Kultur im Kanton Freiburg. Die Agglomeration gab laut
Tätigkeitsbericht 2009 fast 1,1 Millionen Franken für
Kulturveranstaltungen aus (ohne den Beitrag ans Nouveau Monde). Das Bad
Bonn hat im Jahr 2009 von der Loterie Romande und der Agglo insgesamt
140 000 Franken an Subventionen erhalten, was einem Anteil von sieben
Prozent an den Gesamteinnahmen entspricht. Nach dem Beitritt
Düdingens zur Agglomeration wurde der Beitrag im letzten Jahr von
15 000 auf 60 000 Franken erhöht. In Kombination mit
rückläufigen Einnahmen - der Barumsatz sank im Vergleich zu
2009 um 22 Prozent - wies das Bad Bonn 2010 eine
Eigenfinanzierungsquote von 88 Prozent auf. Das Fri-Son (370 000
Franken Subentionen) erwirtschaftete in den letzten Jahren jeweils rund
80 Prozent selber, die Spirale (über 200 000 Franken Subventionen)
etwas mehr als 40 Prozent. Rund 60 Prozent beträgt die
Eigenfinanzierungsquote beim Nouveau Monde. Ab 2009 wurden die
Beiträge der Agglo fürs Nouveau Monde auf 120 000 Franken
verdoppelt, jene der Loterie Romande stiegen von 130 000 auf 180 000
Franken.
Das Nouveau Monde hat dem Staatsrat einen Brief mit der Anfrage
für eine deutliche Erhöhung der Subventionen für das Bad
Bonn geschickt - eine Forderung, die das Fri-Son und die Spirale
unterstützen. fa
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WoZ 3.2.11
Düdingen FR
Lasst Bad Bonn nicht abschiffen
Am Mittwoch dieser Woche wurde in Freiburg der Staatsrätin
Isabelle Chassot die Petition "Für eine Zukunft mit Kultur im Bad
Bonn!" mit 3939 Unterschriften übergeben. Jordi Pürro und
Marius Gruber haben sie letztes Jahr gemeinsam mit besorgten
FreundInnen zwischen Mai und November zusammengetragen.
Das am aufgestauten Schiffenensee gelegene Café Bad Bonn
liegt auf Düdinger Gemeindegebiet. Der Kulturort hat sich mit
Konzerten abseits des Mainstreams einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet.
Seit längerem strahlt der lauschige Ort weit über die
Landesgrenzen hinaus. Die Frage "Where the hell is Bad Bonn?"
können immer mehr Leute beantworten.
Die jeweils Ende Mai stattfindende Bad Bonn Kilbi, an der
unzählige HelferInnen ohne Lohn arbeiten, ist der Höhepunkt
der Saison. In den letzten Jahren sind Bands von Sonic Youth über
Yeasayer, Tocotronic bis zum Sun Ra Arkes-tra aufgetreten und waren -
wie das Publikum - von der Atmosphäre des Festivals
begeistert.
Aber das macht nicht den Alltag aus. Im "Bad Bonn" wird an sechs
Tagen gekellnert, werden Essen aufgetischt, Getränke ausgeschenkt
und der Laden in Schuss gehalten. Das Rauchverbot und das Verbot von
Glücksspielautomaten haben das Geschäft nicht gerade
beflügelt. Doch wird mit jedem Franken, der bei dieser Plackerei
übrig bleibt, das Kulturprogramm quersubventioniert, wie man so
schön sagt.
Obwohl der Eigenfinanzierungsgrad bei neunzig Prozent liegt, ist
Ende 2010 ein Minus von 35 000 Franken aufgelaufen, erzählt Daniel
Fontana. Er ist als Einziger seit den Anfängen dabei und
massgeblich für das Musikprogramm verantwortlich. Der Kanton
Freiburg hat zur jährlichen Unterstützung von 50 000 Franken
deshalb einmalig noch 10 000 Franken nachgereicht. Fontana meint, dass
mit einer jährlichen kantonalen Unterstützung von 100 000
Franken dem "Bad Bonn" geholfen wäre. Dann könnten die
Aktiven des Vereins etwas ruhiger schlafen und wieder etwas riskanter
programmieren.
Die WOZ gratuliert dem "Bad Bonn" zum 20. Jubiläum am 11.
Februar und schliesst sich dem Motto der Jubiläumsnacht an: "The
Good, the Bad and No Ugly".
Fredi Bosshard
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SQUAT ZH
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Schweiz Aktuell 3.2.11
Verdrängungskampf
Der Tessiner Keller, ein Restaurant in Zürich, war das Symbol
für den sogenannten "Chreis Cheib". Das Gebäude wird jetzt
jedoch abgerissen - Die Anwohner im Quartier sehen sich von
zahlungskräftigeren Mietern verdrängt.
http://videoportal.sf.tv/video?id=05c7e538-c37b-4001-a148-78b0b8f28dd7
---
20 Minuten 3.2.11
Besetzer sind weg - Abriss gestartet
ZÜRICH. Die "Räuberhöhli" ist nun endgültig
Geschichte - gestern Vormittag begannen die ersten Arbeiten für
den Abriss des Gebäudes, in dem sich bis Ende 2010 das
legendäre Restaurant Tessinerkeller befand. Die auf derselben
Parzelle an der Neufrankengasse 16 liegende einstige Bombay-Bar war
seit dem 13. Januar besetzt gewesen. Am Montag hatten die
Eigentümer der Gebäude dagegen Strafantrag eingereicht (20
Minuten berichtete). Zu einer polizeilichen Räumung kam es jedoch
nicht - noch vor dem Ablauf des Ultimatums der Polizei hatten die
Besetzer gestern das Feld geräumt. "Als wir um 8 Uhr
vorbeischauten, war niemand mehr da", sagt Stadtpolizei-Sprecher Marco
Bisa auf Anfrage. Nach dem Abriss der Gebäude werden die SBB das
Gelände als Baustellenzufahrt nutzen. Danach will die Architektin
Vera Gloor einen Neubau mit 22 Wohnungen erstellen. lüs
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Tagesanzeiger 3.2.11
Besetzer weg: "Höhli" wird abgebrochen
Zürich - Das Ultimatum an die Besetzer des Tessinerkellers
im Kreis 4 ist gestern Morgen abgelaufen: Als die Polizei das Areal an
der Neufrankengasse um 8Uhr räumen wollte, war niemand mehr vor
Ort. Kurz darauf begannen die Abbrucharbeiten. Bis Ende Woche wird von
den ehemaligen Trendlokalen Bombay-Bar und Tessinerkeller nur noch
wenig übrig sein. 1995 hatte Wirt Christian Egger die ehemalige
"Räuberhöhli" übernommen und machte daraus ein
Szenerestaurant. Anstelle des Tessinerkellers ist ein Neubau mit
Wohnungen geplant. Bis dieser realisiert wird, benötigen die SBB
die Parzelle als Baustellenzufahrt für ihr Wohnbauprojekt direkt
an den Gleisen.(jcu)
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20 Minuten 2.2.11
Tessinerkeller: Polizei stellt Besetzern ein Ultimatum
ZÜRICH. Die Polizei setzt den Besetzern der Häuser an
der Neufrankengasse 16 eine Auszugsfrist. Wenn sie diese nicht nutzen,
kommt es zur Räumung.
Wie angekündigt haben die Eigentümer der
Neufrankengasse 16 im Kreis 4 gestern Strafantrag eingereicht. Seit
Mitte Januar besetzen Aktivisten auf jenem Grundstück, zu dem auch
das Ende Jahr geschlossene Restaurant Tessinerkeller gehört, die
ehemalige Bombay-Bar. "Wir haben den Besetzern eine faire Frist
gesetzt, in der sie das Haus verlassen müssen", so
Stadtpolizei-Sprecher Marco Bisa. "Danach müssen sie jederzeit mit
der polizeilichen Räumung rechnen."
Architektin Vera Gloor, die die Eigentümer vertritt, hofft
zwar, dass die Besetzung friedlich ausgeht, dennoch ist sie
enttäuscht: "Ich hatte am Montag das Gespräch mit den
Besetzern gesucht, doch sie liessen mich nicht herein." Gloor betont,
dass der Schritt nötig sei: "In den nächsten Tagen beginnt
der Abbruch, damit die SBB ihre Baustellenzufahrt realisieren kann."
Zudem bestehe entgegen anderweitiger Aussagen sehr wohl ein
Neubauprojekt für den Tessinerkeller.
Dies bezweifelt der Anwohnerverein "Neufrankenschneise nein!"
nach wie vor und fordert vom Stadtrat deshalb einen Stopp dieses
"Abbruchs auf Vorrat". Sprecher Reto Plattner sagt: "Wir haben leider
kein politisches Instrument mehr, um uns zu wehren - aber wenn die
Bagger auffahren, werden wir demonstrieren." Von den Besetzern war
gestern niemand zu sprechen.
Roman Hodel
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Landbote 2.2.11
Kampf auf verlorenem Posten
Thomas Schraner THOMAS SCHRANER
Zürich. Die legendäre "Räuberhöhle" im Kreis
4 steht vor dem Abbruch. Aktivisten wollen dies in letzter Minute
verhindern, stehen aber auf verlorenem Posten. Ihnen geht es um
Grundsätzliches.
Das Gebäude an der Neufrankengasse 16/18 ist alt und
sanierungsbedürftig, aber kein architektonisches
Schmuckstück. In die Schlagzeilen geriet es, weil darin die
"Räuberhöhle" einquartiert war, eine Beiz, in der
Proletarier, Prostituierte und schräge Gestalten ein- und
ausgingen. Diese Zeiten sind vorbei, der "Tessinerkeller", wie die
"Räuberhöhle" richtig hiess, war am Ende seiner Tage (Ende
2010) ein normales Restaurant geworden, im Hinterhaus war die "Bombay
Bar" untergebracht.
Schon seit Monaten ist bekannt, dass die Liegenschaft abgebrochen
werden soll. Die Eigentümer, drei Private, wollen dort einen
fünfstöckigen Neubau mit 23 sogenannten Clusterwohnungen
errichten. Was das ist, erklärt Architektin Vera Gloor, die auch
als Sprachrohr der Eigentümer fungiert: Kleinwohnungen für
Alleinstehende von je rund 30 Quadratmetern mit einer gemeinsamen
Küche und einem grossen Gemeinschaftsraum. Eine Art moderne
Wohngemeinschaft. Im Sommer will Gloor das Baugesuch einreichen, das
Abbruchgesuch hat sie schon in der Tasche.
Vor drei Wochen sind in der Bar Besetzer eingezogen, gestern
offenbar auch im "Tessinerkeller". Sie habe die Besetzer gebeten,
freiwillig abzuziehen. Weil sie dies nicht taten, reichte Gloor gestern
bei der Stadtpolizei einen Strafantrag ein. Die Räumung steht also
bevor. Marco Bisa, Sprecher der Stadtpolizei, bestätigt, dass den
Besetzern eine Frist zum Abzug gesetzt worden ist. Wann diese
abläuft, sagt er nicht. Ist sie abgelaufen, müssen die
Besetzer laut Bisa jederzeit mit einer Räumung rechnen.
Gegen den Abbruch stellt sich auch eine Organisation, die sich
"Neufrankenschneise Nein" nennt. Sie wirft den Eigentümern der
"Räuberhöhle" vor, das Gebäude auf Vorrat abbrechen zu
wollen. Tatsächlich will Gloor erst in zwei Jahren bauen, wie sie
auf Anfrage bestätigt. Erst dann nämlich, wenn die SBB ihr
Projekt Urban Home fertig gebaut haben. Dieses grenzt unmittelbar an
Gloors Parzelle. Vorgesehen sind dort, direkt an den Bahngleisen, 28
exklusive Eigentumswohnungen, die schon 2012 fertig sein sollen.
Knackpunkt Zufahrten
Wenn sie vorne an der Neufrankengasse baue, könnten die SBB
nicht gleichzeitig hinten ihr Gebäude hochziehen, erklärt
Gloor. Grund seien die Zufahrten. Sie habe sich daher mit den Bahnen
auf folgendes Vorgehen geeinigt: zuerst der SBB-Bau, dann der eigene.
Resultat dieser Verhandlungen war ein Vertrag: Gloor vermietet den
Bahnen ihr Areal für zwei Jahre und verpflichtet sich, das
Gebäude mit der "Räuberhöhle" bis Ende Februar abreissen
zu lassen, damit die Zufahrt zum SBB-Grundstück frei wird. Die SBB
wollen mit dem Bau Ende Februar starten.
Vorgeschobene Argumente, wie die Neufrankenschneiser sagen?
"Völlig falsch", sagt Gloor. "Eine andere Zufahrt ist
unmöglich." Auch die von den Aktivisten vorgeschlagene Alternative
via Weichengasse funktioniere nicht. Reto Plattner, Sprecher der
Neufrankenschneiser, widerspricht. "Wenn man wirklich will, gibt es
Alternativen", sagt er. Aber Gloor wolle nicht: "Sie will die
‹Räuberhöhle› möglichst schnell weg haben, damit sie
dort freie Hand hat." Am liebsten würden er und seine Leute das
Gebäude als Erinnerungsort erhalten. Wenn schon etwas Neues,
müsste es quartierverträglich sein, findet Plattner. Das, was
die Architektin vorhabe, treibe die Gentrifizierung des Quartiers
voran. Gloor baue für Gutbetuchte. Alteingesessene würden
verdrängt. Das sei auch bei den Clusterwohnungen nicht anders.
"Das ist eine Fehlinterpretation", erwidert Gloor. "Wir
gehören sicher nicht in den Spekulantentopf, denn wir bauen
bewusst quartierverträglich", sagt die 47-Jährige, die durch
verschiedene Umbauten im Quartier bekannt und auch kritisiert worden
ist. Für den "Tessinerkeller" sei es so oder so zu spät.
Dessen Schicksal sei schon 2008 besiegelt worden, als die
Stadtzürcher Stimmberechtigten die Baulinien verschoben. Diese
liegen heute hinter dem "Tessinerkeller". Gloor findet, der Widerstand
gegen den Abbruch lohne sich nicht. Mit dem Projekt Europaallee komme
vom Bahnhof her eine Entwicklung, die sich nicht stoppen lasse. "Es ist
besser, man stellt dieser Grossüberbauung etwas Sinnvolles
gegenüber", sagt sie - und verweist auf ihre Clusterwohnungen.
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Limmattaler Tagblatt 2.2.11
Tessinerkeller soll polizeilich geräumt werden
Hausbesetzung. Die Polizei droht den Besetzern des
Tessinerkellers mit Räumung. Die Eigentümer der Liegenschaft
an der Neufrankengasse im Kreis 4 reichten heute Strafantrag ein. Damit
seien die Voraussetzungen für eine polizeiliche Räumung
gegeben, sagte ein Sprecher der Stadtpolizei Zürich auf Anfrage
von Radio 1. Vertreter der Polizei hätten den Besetzern heute die
Rechtslage erläutert und eine angemessene Frist zum Verlassen der
besetzten Gebäude gesetzt. Nach deren Ablauf müsse jederzeit
mit der Räumung der Liegenschaft gerechnet werden, so der
Polizeisprecher weiter.
Obwohl die Besitzer des Lokals laut "tagesanzeiger.ch" von
etablierten Leuten unterstützt werden, scheint der Abriss
unausweichlich. Das Gebäude soll noch im Februar abgerissen
werden, weil dort die Baustellenzufahrt für die
SBB-Überbauung "Urban Home" durchführt. Trotzdem hat das
bevorstehende Ende nochmals verschiedene Gruppierungen mobilisiert: die
Besetzer, den Verein "Neufrankenschneise Nein", Politiker aus der
Alternativen Liste, Stadtforscher. Rund 500 Personen protestierten am
vergangenen Samstag gegen die "von der Stadt forcierten Aufwertung".
Die Besetzung sei ein politischer Akt, sagte Reto Plattner vom
Verein "Neufrankenschneise Nein". Der Verein verlor 2008 das Referendum
gegen die neue Baulinie, die zum Abriss des Tessinerkellers führen
wird. In den Kreisen 4 und 5 hingegen wurde das Referendum mit 55
Prozent angenommen. Der Tessinerkeller und die dahinterliegende
frühere Bombaybar müsse man noch gar nicht abreissen,
schreibt Plattner in einer Mitteilung von gestern Dienstag. Bis zu
einem rechtsgültigen Bauprojekt auf dem Areal würden noch
Monate vergehen. Der Verein "Neufrankenschneise Nein" glaubt ausserdem
nicht, dass die Baustellenzufahrt just über das Areal führen
muss. Plattner: "Das ist ein vorgeschobenes Argument." (ant)
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REC-REC
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WoZ 3.2.11
Veit Stauffer
"Während Zürich brannte, schrieb ich meine Memoiren"
Plattenhändler und Rec-Rec-Gründer Veit Stauffer hat
etwas zu erzählen. Darüber, wie in einem mit
Media-Märkten überzogenen Land Musikfachgeschäfte am
Laufmeter schliessen, wie seine Eltern in einem revolutionären Akt
die Kunstschule F+F gründeten und wie Zürcher Bewegte im
Heroin versanken statt Bomben zu zünden.
Von Daniel Ryser (Interview) und Adrian Elsener (Fotos)
WOZ: Wer Ihren Laden Rec Rec betritt, dem kann es passieren, dass
er Sie verstimmt antrifft. Was geht in solchen Momenten in Ihnen vor?
Veit Stauffer: Es gibt viele Leute, die der Meinung sind, dass
ich meistens sehr nett bin zu den Leuten. Aber es ist schon so: Ich bin
gewissen Launen ausgesetzt. Deswegen habe ich manchmal ein schlechtes
Gewissen. Meine Stimmung ist wohl von meiner Tagesform abhängig.
Es kann sein, dass mich die Kommunikation mit unterschiedlichen Leuten
am selben Tag derart fordert, dass ich an meine Grenzen komme.
Man darf als Kunde aber, wenn man Sie in solch einem schlechten
Moment erwischt, durchaus eine Frage stellen?
Ja, auf jeden Fall.
Auch etwas ganz Banales?
Ja. Auch ganz Banales. Das macht mir Spass, und ich nehme es
dankbar entgegen. Klar, es gibt zwischendurch lange Gesichter. Es kann
mir auch mal ablöschen. Wenn ich etwa merke, der Kunde hat jetzt
schon an fünf Orten gefragt oder im Internet alles nachgeschaut,
und er will jetzt einfach noch von mir bestätigt bekommen, dass er
etwas total Ausgefallenes sucht.
Dann werden Sie giftig.
Sehen Sie, ich versuche, nicht elitär und eklig zu sein. Das
gelingt mir aber nicht immer. Auch deshalb, weil die Zeiten angespannt
sind. Die Konkurrenz ist riesig. Wenn sich am gleichen Tag etwa drei
Leute beschweren, dass 32 Franken für eine CD viel sind, dann
bekomme ich Zustände. Einerseits werde ich wütend,
andererseits verunsichert es mich. Ich denke, die anderen Kunden
beschweren sich ja auch nicht. Sie benützen auch gerne die
Elf-für-zehn-Stempelkarte. Sagen die einfach nichts? Empfinden die
auch so? Oder sind 32 Franken für eine gute CD in Ordnung?
Das Geschäft des Zwischenhändlers geht vor die Hunde
Der Druck ist gross?
Ja. Ich zahle Universal nach wie vor 19.90 Franken für eine
CD, plus Porto und Mehrwertsteuer. Ich muss zehn Franken an einer CD
verdienen, dass es funktioniert. Ich bin dabei hin- und hergerissen.
Einerseits finde ich, die CD-Preise hätten im Einkauf schon
längst auf zehn bis fünfzehn Franken fallen müssen, dann
wäre die Situation auch entspannter. Andererseits sind ja etwa die
Buchpreise auch nicht gerade tief. Für einen gebundenen Roman kann
ich problemlos vierzig Franken bezahlen. Aber womöglich haben
viele CDs einfach eine niedrige Halbwertszeit, weil der Markt
überschwemmt ist mit Mist, mit schnelllebigen
Hitparadengeschichten etwa. Lohnen sich da 32 Franken? Ich versuche den
Kunden Musik zu verkaufen, die auf Dauer einen gewissen Wert hat.
Es gibt also nach wie vor viele Leute, die sich für Nischen
interessieren? Für Musik, die im Verborgenen passiert,
brodelt?
Auf jeden Fall. Die Neugier ist nach wie vor gross. Was sich
verändert hat: Einen gewissen Prozentsatz der potenziellen
Kundschaft werde ich nie kennenlernen. Es gibt Leute, die wissen
bestens Bescheid, aber sie wickeln alles im Privaten ab, ohne
Kommunikation mit dem Ladenlokal, sondern mit Amazon, iTunes. Rec Rec
funktioniert aber nach wie vor als Marke. Die Kunden gehen nach wie vor
davon aus, dass ich gute Sachen bestelle, dass sie hier Entdeckungen
machen können.
Die Zeiten sind also nicht allzu gut. Das war aber sicher lange
anders. Haben Sie sich nicht lange eine goldene Nase verdient?
Ach was.
Ach was?
Das ist Geschwätz. Tatsächlich trifft dies teilweise
auf die CD-Branche zu, auf die grossen Labels mit den Klassikkatalogen
etwa. Als die CD das Vinyl und die Kassette ablöste, konnten sie
den Leuten das ganze Sortiment noch einmal auf CD verkaufen. Ein
unglaubliches Geschäft. Und auch der 68er-Generation konnte man
alles noch einmal auf CD verkaufen. Aber diesen Wechsel habe ich
sowieso nicht mitbekommen.
Warum nicht? Da waren Sie doch schon längst im Geschäft?
Ich hatte mir zu jener Zeit eine Auszeit genommen. Aber um bei
der "goldenen Nase" zu bleiben: Der nächste Wechsel war dann jener
von der CD zur MP3-Datei. Hier gab es für die Läden nichts zu
gewinnen. 9/11 war dabei eine Art Stichdatum für den Niedergang.
Ab dort hat man es gespürt. Die Leute waren verunsichert,
gleichzeitig kamen die technischen Geschichten, der Download, ob legal
oder illegal.
Der Zwischenhändler wird mit dem Internetdownload, legal
oder illegal, umgangen.
Ja, ich mache das seit einigen Jahren mit. Ich sehe, wie die
Läden rundherum schliessen. In den letzten achtzehn Monaten allein
in Zürich Rock On, die Jecklin-Filiale an der Sihlporte, nun Sonic
Records. In Solothurn schliesst Tribe Music. In Basel und in Luzern ist
die Lage desolat.
Die Rechnung geht für gut sortierte Fachgeschäfte also
nicht mehr auf?
Nein, oftmals nicht mehr. Bei mir in meinem Einmannbetrieb aber
geht die Rechnung nach wie vor irgendwie auf. Ich habe drei Standbeine:
Fünfzig Prozent des Umsatzes kommen aus dem Verkauf neuer CDs, 25
Prozent aus dem Verkauf von antiquarischem Material, also dem Verkauf
von LP-Sammlungen. Den Rest verdiene ich mit Mailorder, dem Verkauf
übers Internet. Aber zeitweise sitze ich stundenlang alleine im
Laden. Dann komme ich schon ins Sinnieren. Was mach ich hier? Muss ich
die Öffnungszeiten anpassen? Aber ich kann Ihnen etwas sagen: Ich
bin jetzt 52. Ich mache das seit dreissig Jahren. Und ich mache es
sicher noch weitere fünf bis zehn Jahre.
Revolte im biederen Kunstmilieu: Mutter Stauffer veranstaltet
Hexenkurse
Sie sind nun seit 1979 unterwegs in Sachen "andere Musik",
für Avantgarde, Jazz, moderne Klassik, Minimal, Punk,
Pop ... Wie haben Sie so lange durchgehalten?
Es gab Momente, da habe ich aufgegeben. 1989 hatte ich eine
schwierige Lebensphase: eine harte Trennung, einen Sohn, etwas Alkohol,
ein wenig Drogen. Ich wollte auf mich schauen, ich wollte weg. Immerhin
hatte ich den Laden zum Florieren gebracht. Es lief so gut, dass mich
Rec Rec mit 50 000 Franken ausbezahlt hat.
Und dann sind Sie abgehauen?
Nein. Eben nicht. Die geplante Weltreise platzte. Einerseits
wurde meine damalige Frau schwanger mit meiner Tochter, die heute 21
ist. Andererseits wurde mein Vater ins Spital eingeliefert. Diagnose
Lungenkrebs. Er starb kurz darauf. Und ich begann, als
Expresspöstler zu arbeiten.
Ihr Vater war der legendäre Fotofachdozent Serge Stauffer,
der 1971 zusammen mit Ihrer Mutter Doris in Zürich die F+F, Schule
für Kunst und Mediendesign, gründete.
Das ist richtig so. Sie waren bei der Gründung zu viert. Und
die ganze Geschichte war ja ein riesiger Skandal. Aber darüber
gibt es ja gar ein ganzes Buch.
Ich bin Jahrgang 1979. Ich weiss von nichts.
Die F+F ist das Produkt einer Rebellion. Zuerst war sie für
fünf Jahre an die heutige Schule für Gestaltung gekoppelt
gewesen, deren Direktor Mark Buchmann ein Konservativer war. Aber meine
Eltern und andere Dozenten, wie die F+F-Mitgründer Hansjörg
Mattmüller und Peter Jenny oder Gastdozent Peter Bichsel, waren
vom 68er-Geist angesteckt. Es hat einen Aufruhr gegeben. Die Zeitungen
waren voll, es gab Sitzstreiks, an denen mit Megafon gefordert wurde:
"Buchmann raus! Treten Sie zurück!" Und er hielt entgegen: "Ich
trete sicher nicht zurück!" Das war richtig Action. Dann sind die
Lehrer geschlossen zurückgetreten und haben sehr bald postuliert:
Wir machen eine Privatschule. Ein Jahr später, 1971, hatte man
genug Geld gesammelt und auch einen Ort gefunden, um zu starten. Sowohl
die Tagesschule als auch die Abendkurse waren ein grosser Erfolg. Es
gab ja damals noch keine Abendkurse für Kunstinteressierte, wie
sie heute selbst die Migros veranstaltet. Ich glaube, meine Mutter war
bei der Gründung fast die wichtigere Figur als mein Vater.
Warum?
Meine Eltern kommen aus kleinbürgerlichem Milieu. Sie
besuchten beide die Fotoklasse 1952 an der Schule für Gestaltung,
dort haben sie sich kennengelernt. Meine Mutter hat sich anfangs eher
familiär betätigt, bis etwa 1967, 1968, und dann hat sie
ihren Ausbruch gehabt. Damals hat sie auch meinen Vater ziemlich
gefordert. Hat die Frauenthematik auf den Tisch geknallt, ihn ziemlich
kritisiert wegen versteckter, subtiler Unterdrückungsmechanismen.
Sie hat das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Sie entschied in
dieser Zeit des Aufbruchs: Meine Kinder sind genug alt, jetzt schaue
ich für mich. Sie war ja bis zu jenem Zeitpunkt Hausfrau. Als
Nächstes hat sie eine offene Ehe eingeführt. Dann hat sie -
mit der Fotoausbildung im Hintergrund - sich zugetraut, sie könne
ja auch einen Kurs leiten, es gebe auch für sie Platz als Dozentin
an der damals noch alten F+F.
Was war ihr Platz?
Ihr Thema war "Teamwork". Denn sie fand, an der Schule für
Gestaltung schaffen alle für sich, vielleicht gar gegeneinander in
Konkurrenz. Ich glaube, "Teamwork" war der Grundstein für die
Revolte. Sie hat einfach alles auf den Kopf gestellt. Sie hat Duzis
eingeführt, Aktionen veranstaltet, Happenings, Performances, sie
hat in Gruppen agiert und dafür gesorgt, dass die Kunst nicht mehr
einfach am Pult stattfand mit "Aktzeichnen", "Perspektivenzeichnen",
sondern dass die Kunst in den Alltag übergegangen ist. Sie hat
sich bis 1980 voll an der F+F engagiert. Ab 1978 hat sie sogenannte
Hexenkurse angeboten, Kurse nur für Frauen.
Da hatten dann vor lauter Feminismus die Männer keinen Platz?
Das war natürlich umstritten. Hansjörg Mattmüller
etwa hat diese Kurse torpediert. Er fand, das führe in eine
Sackgasse. Die Hardliner wie meine Mutter waren der Meinung, dass etwa
das Frauenzentrum nur Frauen zugänglich sein soll.
Hat Sie selbst die Feminismusdebatte interessiert?
Die Debatte hat mich enorm interessiert. Auch wenn mich das Thema
Gleichberechtigung nach wie vor interessiert, kam es mir Mitte der
Achtziger schnell etwas anachronistisch vor. Ich beteiligte mich lieber
konkret an der Erziehung meiner zwei Kinder. Die "Hodenbadegruppe" im
Kanzlei war definitiv nicht mein Ding - dort hat eine
Männergruppe eine ziemlich riskante Verhütungsmethode
eingeübt.
Wo waren Sie eigentlich, als Ihre Eltern rebellierten?
Ich war noch sehr jung. Mit dreizehn besuchte ich selbst die F+F,
zuerst einen Abendkurs zum Thema "Musik mit Anton Bruhin und Daniel
Fueter" - das war wirklich spannend, es hat grossen Spass gemacht und
mich sehr gefördert. Ich war eigentlich ein begabter Schüler
gewesen, aber das Gymi hat mich nicht interessiert, und die
Sekundarschule in Seebach hat mir gar nicht gepasst. Ich wollte ja
schon damals Schallplattenverkäufer werden, aber es gab halt keine
Lehrstelle. Also organisierten mir meine Eltern einen Platz an der
F+F-Tagesschule, damit ich keine Dummheiten mache. Das
zweieinhalbjährige Studium war eine Offenbarung. Und dann,
zwischen 1978 und 1982, arbeitete ich an meinen Memoiren. Die
Endversion hatte 260 Seiten und wurde im Herbst 1983 im Verlag Ricco
Bilger unter dem Titel "Halbweiss" veröffentlicht.
Sie waren knapp zwanzig und schrieben Ihre Memoiren?
Verrückt, nicht? Meine Freunde aus der WG,
Achtziger-Bewegte, waren der Meinung: Der Typ spinnt! Draussen geht es
zu und her wie in der Hölle, und der Typ schreibt seine Memoiren.
Lebt in der Vergangenheit. Das stimmte natürlich. Während
Zürich brannte, schrieb ich meine Memoiren.
Der Rec Rec brennt, das AJZ wird plattgemacht, Heroin statt
Stadtguerilla
Aber die "Bewegung" haben Sie vor lauter Memoiren nicht verpasst?
Natürlich nicht. Im Herbst 1980 verschwand ich zuerst
für sechs Monate nach München. Ich hatte dort eine Freundin,
und als ich zurückkam, war unsere WG ein Schlachtfeld: Das Heroin
hatte Einzug gehalten. Zwei Mitbewohner hingen an der Nadel. Das war
nicht auszublenden. Als dann im März 1982 das Autonome
Jugendzentrum plattgemacht wurde, war ich überzeugt, dass jetzt
Leute in den Untergrund gehen, dass es jetzt eine Art neue RAF gibt. Es
war, als würde ich auf die Uhr schauen und warten, bis es knallt.
Überall war so viel Wut. Es war ja fast eine Art
Minibürgerkrieg im Gange gewesen. Der Konflikt hat die Stadt
entzweit.
Und Sie waren Teil davon?
Ja. Aber in Bezug auf die Ausschreitungen spreche ich als
Beobachter. Ich habe mich selbst nie in Gefahr begeben und wurde nie
verhaftet. Aber da war dieses Gefühl, das viele hatten: Endlich
läuft etwas, endlich können wir unsere Stimme
erheben - aber dieses Gefühl wurde wohl
überstrapaziert. Denn als es mit dem AJZ wirklich fertig war,
empfand ich es fast als Befreiung, ich dachte, jetzt können wir
uns endlich Konstruktivem zuwenden. Die Stadtregierung hatte zuvor die
Drogenszene ins AJZ geschleust. Ich war der Meinung, wir müssen
uns doch nicht auch noch als Sozialarbeiter-Heroes gebärden und
versuchen, alle Probleme dieser Stadt lösen. Nach der
AJZ-Schliessung hoffte ich, dass wir uns jetzt auf uns konzentrieren
können. Gleichzeitig war da dieser Eindruck, dass Leute jetzt in
den Untergrund gehen. Weil es einfach extrem unangenehm und
ungemütlich und daneben war, wie mit der Bewegung umgegangen
wurde. Sie wurde einfach niedergewalzt.
Aber es sind keine Bomben explodiert. Ihr Gefühl war falsch.
Womit wir wieder bei den Drogen wären. Viele Leute sind
damals im Heroin gelandet, im Drogensumpf. Die Preise waren derart
tief. Das hat mich masslos desillusioniert. Ein guter Freund von mir
hing während über zweier Jahre an der Spritze. Immer
behauptete er, wir sollten uns keine Sorgen machen, er wisse, was er
tue. Er sumpfte ab, stand zweimal eine heftige Gelbsucht durch.
Später gelang es ihm, durch eiserne Disziplin eine neue Existenz
aufzubauen. Entzug. Büezerjob. Aber HIV-positiv. Immerhin bricht
die Krankheit nicht aus. Ein Glücksfall. Eine andere gute Freundin
hatte da nicht so viel Glück. Sie starb mit 34 an Aids - Folge des
Fixens.
Inmitten des "brennenden Zürichs" wurde auch das
Rec-Rec-Feuer entfacht.
Rec Rec ist nicht aus der Bewegung heraus entstanden, aber wir
konnten uns gut einbetten.
Wir veranstalteten zu Beginn vor allem auch Konzerte. Durch den
wachen Geist der Bewegung hatten wir ein erstaunlich grosses Publikum.
So wurden wir bekannt.
Die meisten Konzerte haben wir in der Roten Fabrik organisiert,
nur wenige im AJZ. Dort war die Stimmung für unsere Art von Musik
zu roh. Dort passten eher Zugpferde wie The Bucks, die
schnörkellosen Punk spielten. Oder natürlich Jimmy Cliff. Als
sich dann im Frühling 1982 das Blatt wendete und das AJZ
abgebrochen wurde, der Kampf gescheitert war, haben sich die besonnenen
Kräfte auf die Rote Fabrik konzentriert. Dort waren die Leute sehr
offen, viele hatten genug vom Strassenkampf, vom Katz-und-Maus-Spiel.
Man reibt sich auf, aber was bringt es letztlich? Viele haben sich in
das kulturelle Milieu zurückfallen lassen oder das Angebot mit
Dankbarkeit entgegengenommen. Sie waren der Meinung, die Leute von Rec
Rec bringen coole Bands, die zwar niemand kennt, aber extrem gefallen.
Diese Konzerte, ein viertägiges Festival namens "Musik ausser
Kontrolle", das wir im Oktober 1982 organisiert haben, sowie ein halbes
Jahr später The Residents im Volkshaus waren die
Initialzündung für unseren Aufstieg.
Wer ist eigentlich gemeint, wenn Sie von "uns" sprechen?
Als Konzertveranstalter hatten wir viele Helfer, einen
solidarischen Klüngel von Leuten, die für wenig Geld
gerackert haben. Es war damals eine superinnovative Betriebsgruppe in
der Roten Fabrik, auch der "Ziegel", das Fabrik-Restaurant, hat Gas
gegeben, war initiativ und hat sich innert kurzer Zeit
professionalisiert. Ich selbst arbeitete auch sechs Monate dort.
Rec Rec als Vertrieb, als Label und letztlich als Laden ist
eigentlich ein Projekt aus London: Das Mutterschiff ist das dortige
Label Recommended Records, kurz eben Rec Rec. Gründer war Chris
Cutler, Schlagzeuger von Bands wie Henry Cow, Art Bears und Pere Ubu.
Er war es, der mich fragte, ob ich unter dem Namen Rec Rec in
Zürich einen Vertrieb aufbauen wolle.
Warum fragte er genau Sie?
Ich hatte mit meinem ersten Hilfsarbeiterlohn nach dem
F+F-Studium im Januar 1978 das Konzert von Cutlers Band Henry Cow
organisiert. So hatten wir uns kennengelernt. Ich hatte jedoch keine
Ahnung, wie das gehen könnte. Ich traute es mir ehrlich gesagt
nicht zu. Aber mein Kumpel Daniel Waldner hatte das KV absolviert. Also
legten wir zusammen los. Zuerst, 1979, als Mailorderversand, 1981 dann
mit einem eigenen Ladenlokal, und 1983 gründete Waldner dann auch
das Label mit eigenen Musikproduktionen. Ich habe schon immer alles
sehr gründlich gemacht. Ich kniete mich also rein. Flog etwa im
Sommer 1982 nach London, um die echte Labelluft zu schnuppern. Gegen
Kost und Logis tütete ich während dreier Monate
Rec-Rec-Platten ein. Ich kannte wohl bis zu neunzig Prozent der
damaligen Rockmusik. Im Herbst 1983 übernahm ich dann in
Eigenregie den Laden, reiste zweimal im Jahr nach London, um Platten
einzukaufen. So wurde das Sortiment sehr breit, und mit 27 schrieb ich
einen 230 Seiten umfassenden Rec-Rec-Gesamtkatalog - ein Buch. Die
Herstellung kostete 9000 Franken - und monatelange Nachtschichten. Zu
jeder Band, die wir im Sortiment hatten, lieferte ich eine
chronologische Beschreibung.
Tod in den Bergen, der Vertrieb im freien Fall, Tribut für
einen verkannten Sänger
Rec Rec startete auf allen Ebenen durch. Das Label allein
veröffentlichte über sechzig Bands und Künstler, etwa
Fred Frith, The Ex, Negativland, Guy Klucevsek. Der Vertrieb sorgte
dafür, dass zahlreiche Schweizer Bands in die Läden kamen,
bekannt wurden, selbst der Laden wurde über die Landesgrenze
hinaus bekannt als gute Adresse für alternative Musik. Geblieben
sind einzig Sie: ein Einmannbetrieb an der Rotwandstrasse in
Zürich. Was ist passiert?
Ich finde es nach wie vor ein Phänomen, dass zwischen 1983
und 2008 über siebzig Leute für den Vertrieb Rec Rec
gearbeitet haben. Es begeistert mich, dass so viele Leute diese Firma
durchlaufen haben; dies vor allem dank Daniel Waldner, der
weitsichtig und voller Enthusiasmus war, Derartiges aufzubauen.
Aber irgendwann stand Rec Rec das Wasser bis zum Hals. Als ich nach
meiner Auszeit 1994 zurückkam, überschlugen sich die
Ereignisse. Daniel Waldner verunglückte mit seinem achtzehn Monate
alten Sohn Valentin tödlich auf einer Wanderung. Ein Drama. Vier
Monate später starb Mathias, den ich als Mitarbeiter in den Laden
geholt hatte, an Krebs. Ich stürzte in eine verfrühte
Midlife-Crisis. Kurz darauf, 1997, ging die ganze Firma Konkurs.
Waldner war immer sehr optimistisch gewesen, auch risikofreudig, aber
wie sich herausstellte, hatte er in diesem Fall zu viel riskiert. Das
Label wurde aufgelöst, Laden und Vertrieb machten als zwei
getrennte Firmen weiter. Zwischen 2001 und 2004 begann man sich dann
ernsthaft Sorgen um die ganze Branche zu machen. 2008 musste der
Vertrieb schliessen. Obwohl Laden und Vertrieb zu diesem Zeitpunkt zwei
unterschiedliche Firmen waren, ist mir das ganz schlecht reingekommen.
Ein Minierdbeben. Irrationale Ängste kamen hoch: Wie soll es mit
mir weitergehen?
Wer Ihr Treiben ein wenig verfolgt hat, dem kann fast nicht
entgangen sein: Immer wieder haben Sie versucht - neben den
unzähligen anderen wenig bekannten Musikern, die Sie einem
breiteren Publikum bekannter zu machen versuchten -, vor allem einem
jung verstorbenen Musiker zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen: Tim
Buckley. Was hat es mit dieser Figur auf sich?
Das ist eine Art Privatpassion. Tim Buckley ist eine Figur, von
der ich finde, sie sollte einen viel höheren Stellenwert haben. Er
ist in zweierlei Hinsicht ein Phänomen. Zwischen 19 und 23 hat er
bereits sechs Alben veröffentlicht und mit 23 dann zwei Alben, die
eigentlich avantgardistische Meisterwerke sind, visionär, "Lorca"
und "Starsailor". Wenn man die Anfänge dieses Musikers betrachtet,
würde man nie erwarten, dass ein Songwriter, der relativ brave,
melancholische Folksongs geschrieben hat, plötzlich fast
hendrixmässig als Stimmvirtuose loslegt, dass einer noch so jung
eine derartige Entwicklung durchmacht. Aber dafür musste er
büssen. "Starsailor" war ein kommerzieller Flop. Er versank in
Depressionen, konsumierte zu viel Alkohol, auch Speed und starb an
einer Überdosis Heroin. Vor seinem Tod hat er noch einmal eine
Wandlung durchgemacht und sich dem Management angepasst, nach dem
Motto: "Ich mach, wie ihr es wollt." Dieses Album hiess "Greetings from
L.A.", eine komische Mischung aus Soul, Funk, R'n'B, Rock. Es war
irgendwie lieblos, halbfertig, überproduziert. Buckley fiel
zwischen Stuhl und Bank, starb, völlig verkannt, 1975 mit 28
Jahren.
Und Sie machten es sich zur Aufgabe, der Schweiz klarzumachen,
dass Buckley ein verkanntes Genie ist.
Nicht bloss der Schweiz, der ganzen Welt! Zwölf Jahre nach
seinem Tod produzierte ich ein Tribute namens Comebuckley mit dem
Zürcher Sänger Andi Czech. Mit dieser Platte, die auch
international drei sehr gute Kritiken erhielt, wollte ich der Welt
zeigen, wie wichtig der Mann eigentlich war. Später hatte ich
einen Briefwechsel mit Lee Underwood, Buckleys Gitarristen. Ich
besuchte die Witwe mit ihrem dritten Mann. Sie verwalteten den
Nachlass. Ich plante einen Dokumentarfilm. Die Ausgangslage wäre
nicht schlecht gewesen, aber es fehlte letztlich am Geld. Und als ich
1994 zu Rec Rec zurückkam, hatte ich sowieso keine Hand mehr frei.
Und eine Neuauflage des Comebuckley-Vinyls auf CD floppte 2007. Ich bin
überzeugt, wäre sie auf einem angesagten englischen Label
erschienen, das wäre eine grosse Sache geworden. Stattdessen sitze
ich auf 1500 Doppel-CDs. Aber sie plagt mich inzwischen nicht mehr
täglich, die Frage, wann Buckley endlich bekannter wird. Ich habe
meinen Frieden gefunden mit Tim.
Nach der bewegenden Geschichte - wo steht Rec Rec, der
Einmannbetrieb, heute?
Mittlerweile geht es darum, den Rec-Rec-Geist im Laden und in der
Mailorder weiterleben zu lassen, den Spirit von "anderer Musik",
schrägen Sachen, Neuentdeckungen. Es ist nach wie vor eine
Spezialität des Hauses, voller Neugier Debüts zu entdecken,
sie den Kunden ans Herz zu legen. Aktuell gerade Analogik aus
Dänemark, eine typische Rec-Rec-Band. Der Laden ist mit einer
Galerie vergleichbar: Da ist jemand, der den Leuten etwas vermitteln
kann, das sie vorher nicht gekannt haben. Und das sind auch meine
liebsten Kunden, die reinkommen und sagen: "Empfiehl mir fünf
Sachen zum Hören. Ich bin sicher, ich werde bei deiner Auswahl
fündig."
--
Veit Stauffer und Rec Rec
Für LiebhaberInnen von Musik jenseits des Mainstreams ist
der Rec-Rec-Laden an der Rotwandstrasse 64 im Zürcher Kreis 4 die
allererste Adresse. Rec Rec entstand 1979 ursprünglich als
Schweizer Vertrieb des gleichnamigen britischen Labels. 1981 kam das
Ladenlokal hinzu, das Veit Stauffer (*1959) - unterbrochen von einer
fünfjährigen Auszeit - seit 1983 in Alleinregie führt.
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GEFANGENE
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Indymedia.ch 5.2.11
Freiheit für Steven! ::
AutorIn : warda
Heute, Samstag den 5. Februar 2011, versammelten sich ca. 50 Personen
vor dem BGZ in Zürich. Es wurde Feuerwerk gezündet und laute
Musik abgespielt.
Dieser Flyer wurde am angrenzenden Flohmarkt und den Passanten verteilt.
Freiheit für Steven!
Alltäglich gefangen oder gefangen im Alltag
Unser Freund Steven wurde am 15. Dezember 2010 verhaftet und befindet
sich seither im BGZ in Untersuchungshaft. Gestützt auf eine
äusserst fragwürdige Beweislage, wird ihm vorgeworfen,
letzten Herbst auf der Hardbrückenbaustelle in Zürich ein
Feuer gelegt zu haben.
Es geht uns jedoch hier nicht darum, über Schuld und Unschuld zu
sprechen. Unsere Kritik geht weit über die Verfahrensführung
der Staatsanwaltschaft hinaus. Wir wollen uns nicht auf die Seite jener
stellen, die mit der juristischen oder moralischen Gerechtigkeit
argumentieren. Dies sind Methoden und Werte, die tief in uns allen
verankert sind, weil sie uns bereits durch die Erziehung
eingeprägt wurden. Sie werden kaum in Frage gestellt, da sie Teil
der Kultur der heutigen Gesellschaft sind.
Es geht uns darum, diese Vorstellung von Moral und Justiz zu
durchbrechen, denn genau diese Werte sind es, die nicht nur die
Häftlinge zur Gefangenschaft verurteilen, sondern auch alle, die
sich ausserhalb der Mauern befinden. So wird das Gefängnis zu
einem Thema, das uns alle betrifft, denn es reflektiert die
Gesellschaft, die uns alle in unserem Alltag einschliesst. Sie
definiert, wie wir in unserem Leben zu funktionieren haben. Sie legt
uns Zwänge auf, die uns vom Leben entfremden und dem Drang nach
Freiheit keinen Raum lassen. Allzu oft verwandelt sich die Sehnsucht
nach Leben unter der Last der Pflichten in Unzufriedenheit und
Depression.
Justiz und Moral werden von jenen bestimmt, die aus den
Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen Profit ziehen. Sie bilden
die Grundlage dieses Systems und sind ein Instrument der
Mächtigen, um die Ausbeutung unserer Arbeitskraft zu
gewährleisten, denn gleichzeitig dienen sie als Mittel zur
Kontrolle. Kontrolle beschränkt sich nämlich nicht nur auf
Überwachungseinrichtungen, sie beruht auch auf der Angst, den
Anforderungen der Gesellschaft nicht gerecht zu werden, oder eines
Tages ohne nichts dazustehen; auf der Angst vor Bestrafung, vor der
Vorstellung eingesperrt und von Freunden und Familie getrennt zu werden.
Das Gesetzt bestraft einerseits Menschen, die sich dem System nicht
fügen oder sich dagegen zur Wehr setzen. Anderseits bestraft es
jene, die in der Orientierungslosigkeit in dieser entfremdeten Welt
sich selbst oder anderen Schaden zufügen. So oder so rechtfertigt
die Herrschaft Gefangenschaft und Kontrolle mit der
"Kriminalität”, die ihr eigenes Produkt ist. Mit den zunehmend
erschwerten Lebensbedingungen, der verschärften Gesetzgebung und
Kontrolle, kommen immer breitere Bevölkerungsschichten den Toren
der Gefängnisse näher.
Wir anerkennen Diebstahl und Betrug nicht als Straftatbestand, denn
diese Ordnung bringt uns jeden Tag durch ihre Zwänge und Schwindel
um ein freies Leben. Wir anerkennen auch die Zerstörung nicht als
Straftatbestand, denn man errichtet um uns herum eine Welt, die uns
immer fremder scheint, in der alles immer gefängnisähnlicher
und lebloser wird. Wir anerkennen überhaupt keinen
Straftatbestand, denn wir anerkennen die Gesetze nicht, die uns von den
Reichen und Mächtigen aufgezwungen werden, um ihr Wohl und unsere
Ausbeutung zu garantieren.
Wir wollen überhaupt keine rechtsetzende Instanz und
überhaupt keine Gefängnisse, sondern ein Leben, das auf
Solidarität und einer anti-autoritären Haltung aufbaut. Wir
sind überzeugt, dass ein nicht-institutioneller und
nicht-repressiver Umgang mit zwischenmenschlichen Problemen und
Konflikten möglich ist.
Wir wissen aber auch, dass dies nach einer grundlegenden Umwälzung
unseres Denkens und einer Revolte gegen diese Ordnung verlangt.
Bekämpfen wir die Angst und Entfremdung, die uns alle einsperrt.
Freiheit für Steven!
Freiheit für alle Gefangenen!
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Indymedia.ch 4.2.11
Communiqué zum Knastspaziergang vom 4.2.11 in Bern ::
AutorIn : Gegen Knäste
Diesen Abend führten wir einen weiteren Knastspaziergang in Bern
durch. Die Aktion führten wir anlässlich des
Ermittlungsschlusses im Verfahren gegen Billy, Silvia und Costa durch.
Diesen Abend führten wir einen weiteren Knastspaziergang in Bern
durch. Wir zündeten diesmal vier Pneus an, und ihr fragt euch
vielleicht: wer ist so bescheuert, Pneus anzuzünden, um für
die Freiheit von Gefangenen einzustehen, gerade wenn es zusätzlich
um die Freiheit von sogenannten Öko-AnarchistInnen geht? Wir
glauben nicht, dass wir mit brennenden Reifen die Welt verändern
und Gefangene befreien können. Diese Aktion hat den simplen Zweck,
mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Es wurden schon viele
Knastspaziergänge durchgeführt, doch unsere Anliegen fanden
den Weg an eine breitere Öffentlichkeit nicht. Ihr sagt, wir
könnten uns nicht verbal ausdrücken und machen deswegen von
Gewalt gebrauch. Doch wir wissen, ihr hört uns nicht an, solange
wir Gewalt nicht als Mittel verwenden. Gewalt ist keine angeborene
Ausdrucksform, kein biologischer oder psychischer Fehler eines
Menschen, sondern nur die logische Antwort auf die Unterdrückung,
Ausbeutung und Repression durch die Autoritäten.
Die Aktion führten wir anlässlich des Ermittlungsschlusses im
Verfahren gegen Billy, Silvia und Costa durch. Die Ermittlungen wurden
am zweiten Februar beendet (für mehr Informationen siehe:
http://ch.indymedia.org/de/). Doch uns interessiert nicht, welchen
Verbrechen unsere Genossen beschuldigt werden, und welche Beweise gegen
sie aufgeführt werden. Wir verachten Knäste immer und
überall.
Im Anhang befindet sich ein Text des ABC-Berlin (Anarchist Black
Cross), welcher die Gründe für unsere Ablehnung
gegenüber Knästen sehr schön darstellt.
Feuer und Flamme allen Knästen!
It's time for Direct Action!
Freiheit für alle Gefangenen!
Anhang:
Wieso sind wir gegen Knäste, gegen alle Knäste?
ABC Berlin ( http://www.abc-berlin.net/was-ist-abc)
http://www.abc-berlin.net/was-ist-abc#gegenalleknaeste
Wir sagen einfache Sachen, weil wir einfache Menschen sind.
Die Gedanken, Wünsche und Träume, die wir versuchen
auszudrücken, trägt die Menschheit seit ihrer Entstehung in
sich.
Eine endlose Reihe von GesetzgeberInnen, PolitikerInnen, ExpertInnen,
Intellektuellen und anderen BefürworterInnen von autoritären
Ideen hat mit List und Tücke viele Fragen erschwert, sodass sich
viele Männer und Frauen als dumm und niedrig fühlen,
Menschen, welche sich immer nur auf das einzigste Buch indem
irgendwelche Antworten zu finden sind bezogen haben: dies der gelebten
Erfahrung.
Sie erzählen uns, der Knast wäre der absolut notwendige Ort
um Leute, welche die Gesetze der Gesellschaft übertreten zu
bestrafen, zu maßregeln.
Nun, der Begriff "Regel” setzt hier voraus, dass an der Basis dieser
Gesellschaft freie Vereinbarungen getroffen werden. Eine Gesamtheit von
Normen, die von all denen, welche die Gesellschaft bilden, freiwillig
geteilt werden.
Ist dies allerdings wirklich der Fall?
Vertreten Regierungen wirklich den Willen der Regierten?
Stimmt der Arme mit Freude zu, wenn der Reiche durch seine Arbeit
profitiert?
Würde der Dieb weiter stehlen, auch wenn er eine Fabrik von seinem
Vater geerbt hätte oder von Zinsen leben könnte?
Wenn wir uns anschauen wie diese Gesellschaft funktioniert, können
wir uns nur dazu entscheiden wie wir uns Gesetzen gegenüber
verhalten wollen. Gesetze, welche andere für uns beschlossen haben
und die eine Regierung der Mehrheit der Menschen aufgezwungen hat.
Bevor wir uns fragen ob es richtig ist oder nicht diejenigen, welche
die "Regeln" übertreten haben mit Knast zu bestrafen, müssen
wir uns erst einmal fragen: wer entscheidet - und wie - über die
Regeln dieser Gesellschaft?
Sie sagen uns, Knast würde uns vor Gewalt beschützen.
Ist dies aber wirklich der Fall?
Wieso sind denn die schlimmsten Gewalttätigkeiten - wir denken an
Krieg oder an Menschen die an initiiertem Hunger sterben - perfekt
legal?
Wieso landet jemand im Knast, der/die wegen Eifersucht tötet, aber
wenn jemand eine gesamte Bevölkerung bombardiert, erlangt die
Person Ansehen oder wird sogar als "HeldIn” gefeiert?
Der Knast bestraft nur die Gewalt, die entweder die Reichen und den
Staat belästigt, oder ihnen in irgendeiner Form Nutzen bringen -
diese werden dann als besonders abscheulich präsentiert (etwa wie
Vergewaltigungen oder andere Delikte die besonders grausam sind).
Allerdings wird die strukturelle Gewalt der Machthabenden täglich
vor dem Knast beschützt.
Wie viele Unternehmen brechen täglich die Gesetze? Wie viele der
Inhaftierten sind ArbeitgeberInnen?
Um auch auf die so genannten abscheulichen Verbrechen einzugehen: seht
ihr es als gerecht an, dass diejenigen, welche Geld fälschen, viel
härter bestraft werden als die, welche jemanden vergewaltigen?
Das darf aber nicht seltsam erscheinen: das Gesetz muss das private
Eigentum beschützen, nicht das Wohl der Menschen.
Sie sagen uns, dass das Gesetz für alle gleich ist.
Im Knast jedoch sitzen fast nur Menschen, die eine niedrige
Schulbildung besitzen. Illegalisierte, MigrantInnen oder Kinder von
ArbeiterInnen, welche zu meist wegen "Verbrechen" an
Eigentumsverhältnissen sitzen, wegen Aktionen, welche hier in
dieser Gesellschaft in der wir leben tief verwurzelt sind. Es ist die
Notwendigkeit, die sie von morgens bis abends bewegt: Geld finden zu
müssen.
Ohne zu erwähnen, dass viele Gefangene schon draußen
wären (oder Zugang zu sogenannten alternativen Strafen
hätten), wenn sie einfach das benötigte Geld hätten, um
eine/n anständige/n AnwältIn zu bezahlen.
Sie sagen uns, Knast hilft dabei sich zu rehabilitieren oder in die
Gesellschaft zu reintegrieren. Aber die Mehrheit der Gefangenen sind
WiederholungstäterInnen, weil wenn sie wieder draußen sind,
sie die gleichen Bedingungen - wenn nicht gar schlimmere - vorfinden,
wie bevor sie eingeknastet wurden.
Wenn es einen Weg gibt, wie mensch ein Individuum dabei behindern will
über die eigenen Taten zu reflektieren, dann ist es genau dieser
letzte: durch Buchführung ihm/sie den Wert eines wilden Tieres zu
unterwerfen: x Verbrechen, x Jahre.
Unabhängig von den unternommenen "Verbrechen" - wieso sollte
er/sie sich am Ende der Strafe ("der bezahlten Schuld”) in Ordnung
fühlen? Wenn er/sie von den Taten überzeugt ist (falls die
Person z.B.: ein/e RebellIn oder selbstbewusste/r DiebIn ist), wird nur
Hass gegenüber einer Gesellschaft empfunden, die ihn/sie
eingekerkert hat, obwohl sie selbst weitaus krimineller ist.
Wieso gilt es als erbaulich, jahrelang von seinen/ihren eigenen
ähnlichen getrennt zu sein, bis dazu nichts spannendes zu machen,
verurteilt zu werden, Zeit verstreichen zu lassen, ausgebildet zu sein,
dem/der SozialarbeiterIn oder dem/der Psychologen/In etwas
vorzutäuschen und gewohnt sich immer den Oberen zu unterwerfen?
Am Ende fragen wir uns dann: ist diese Gesellschaft wirklich so
tugendhaft, als Verteilerin von so gehoben Werten und so
gleichgültigen Beziehungen, dass sie jemanden empfehlen kann,
ihn/sie in sich zu integrieren?
Sie sagen uns: selbst wenn sie Leute nicht rehabilitieren können,
zumindest erschrecken sie sie.
Und wieso werden die Gefangenen dann mehr und mehr? Wieso erweitert
sich die Tendenz, mehr und mehr Verhalten zu kriminalisieren?
Es handelt sich deutlich um ein großes soziales Programm: die
Armen von der Straße zu schaffen, um gleichzeitig ins Big
Business des Einsperrens zu investieren (wie viele Firmen gibt es, die
aus Bauaufträgen, Instandhaltungen, Lieferungen usw. Profite
schlagen?).
In den USA, dem Fanal der Strafgesellschaft, gibt es mehr Gefangene als
Bauern, obwohl die Verbrechen weniger werden. Ist das der Weg, den wir
gehen möchten?
Wir sind gegen den Knast, weil er geschaffen und entwickelt wurde, um
die Privilegien der Reichen und die Macht des Staates zu
beschützen.
Wir sind gegen den Knast, weil eine Gesellschaft ihn nicht mehr
braucht, wenn sie nicht auf Geld und Profiten sondern auf Freiheit und
Solidarität basiert.
Wir sind gegen den Knast, weil wir nach einer Welt streben, wo die
Regeln wirklich gemeinsam entschieden werden.
Wir sind gegen den Knast, weil selbst das grausamste Verbrechen
irgendetwas über uns selbst erzählt, über unsere
Ängste, unsere Schwächen. Es bringt nichts, diese hinter
Mauern verborgen zu halten.
Wir sind gegen den Knast, weil die größten VerbrecherInnen
diejenigen sind, welche die Schlüssel besitzen.
Wir sind gegen den Knast, weil nichts gutes auf Unterwerfung und Zwang
wachsen kann.
Wir sind gegen den Knast, weil wir diese Gesellschaft radikal
verändern wollen (und deswegen ihre Gesetze übertreten), weil
wir uns nicht friedlich in ihre Städte, ihre Fabriken, ihre
Kasernen, ihre Einkaufszentren integrieren wollen.
Wir sind gegen den Knast, weil der Lärm der Schlüssel im
Zellenschloss eine tägliche Folter ist, Isolation eine Abscheu,
das Ende der Sprechstunde eine Qual, die eingesperrte Zeit eine
Sanduhr, welche langsam tötet.
Wir sind gegen den Knast, weil das geschlossene Gremium der
Schließer immer bereit ist zu jeglicher Gewalttat oder jeglichem
Missbrauch, entmenschlicht aufgrund deren Gewohnheit zu Gehorsam und
Denunziation.
Wir sind gegen den Knast, weil er uns entweder viel zu viele Tage,
Monate oder Jahre, oder viel zu viele FreundInnen, Unbekannte oder
GenossInnen weggenommen hat.
Wir sind gegen den Knast, weil die Menschen, diese wir darin getroffen
haben, weder besser noch schlechter sind als diejenigen, die unsere
Existenz hier draußen kreuzen. (Oft, wenn wir nachdenken, sogar
besser).
Wir sind gegen den Knast, weil die Notiz eines Ausbruchs unsere Herzen
aufwärmt, mehr als der erste Tag des Frühlings.
Wir sind gegen den Knast, weil die Welt, durch das Loch eines
Türschlosses gesehen, wie von verdächtigen oder
hinterhältigen Menschen bevölkert wirkt.
Wir sind gegen den Knast, weil mensch den Sinn der Gerechtigkeit
niemals innerhalb irgendwelcher Gesetzbücher finden wird.
Wir sind gegen den Knast, weil eine Gesellschaft die es braucht,
Menschen einzusperren und zu entmündigen, selbst ein Knast ist.
AnarchistInnen
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TIERAKTIV
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Indymedia 5.2.11
Tierrechtsforum 2011 in Broc, Fribourg ::
AutorIn : Tierrechtsforum 2011 : http://www.tierrechtsforum.ch
Vom 21. bis 24. April 2011 findet in Broc, Fribourg zum Zweiten Mal das
Tierrechtsforum statt. Nach dem erfolgreichen Treffen im April 2010 in
Winterthur soll die Idee des Tierrechtsforums nun weitergeführt
werden.
Diesmal jedoch mit Fokus auf die gesamte Schweiz! Daher wird es
Veranstaltungen auf Französisch und Deutsch gegeben. Einen
Schwerpunkt bildet dabei die Vernetzung. Das von
Tierrechtsaktivist_innen aus der ganzen Schweiz organisierte Forum
lädt explizit auch alle Interessierten und bisher noch nicht
Organisierten herzlich ein!
Inhaltlich orientiert sich das Treffen an folgenden
Themenschwerpunkten: Erfahrungsaustausch mit Aktivist_innen (Methoden,
Kampagnen), Politisierung der Tierrechtsbewegung und bessere
Organisation und Vernetzung der Aktivist_innen in der Schweiz.
Wir denken, dass wir nur durch die eingehende Analyse der
gesellschaftlichen Machtverhältnisse und der eigenen
Vorgehensweisen wirksame Strategien zur Befreiung der Tiere entwickeln
können. Dem wollen wir durch das Forum einen geeigneten Raum und
Rahmen geben. Es wird täglich sowohl Vorträge und Workshops,
als auch Vernetzungsphasen und Möglichkeiten zum informellen
Austausch geben. Details zum Programm werden von uns zu einem
späteren Zeitpunkt veröffentlicht.
Das Forum bietet eine ideale Gelegenheit, um sich weiterzubilden,
Kontakte mit Aktivistinnen und Aktivisten zu knüpfen, Erfahrungen
auszutauschen und Kollektive zu gründen.
Wir freuen uns, euch Ende April (Ostern) zahlreich im "Village de la
Paix” in Broc begrüßen zu dürfen! Der Veranstaltungsort
ist einfach mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar und
bietet eine wunderschöne, ruhige und erholsame Umgebung. Für
die Unterkunft und reichhaltige, vegane Verpflegung wird gesorgt.
Weitere Informationen finden sich auf unserer Webseite:
www.tierrechtsforum.ch
Für eine vereinte und starke Tierrechtsbewegung - in der Schweiz
und überall!
- Das Organisationskollektiv des Tierrechtsforum 2011
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REPRESSION & HETZE
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Tagesanzeiger 5.2.11
SP-Präsidentin gesteht "Dummheit" ein
SP-Präsidentin Beatrice Reimann entschuldigt sich bei den
Genossen für ihre Aussage nach der Prügelattacke auf
SVP-Nationalrat Hans Fehr.
Von Stefan Hohler
Zürich - Mit ihrer Aussage in den Medien, dass
SVP-Nationalrat Hans Fehr an der Albisgüetli-Tagung vom 21. Januar
verantwortungslos gehandelt habe und sich nicht wundern müsse,
dass er von den Chaoten verprügelt worden sei, hat sich Beatrice
Reimann, Co-Präsidentin der SP Stadt Zürich, ins politische
Abseits manövriert. Sie wurde dafür nicht nur von der SVP
kritisiert, sondern auch von den eigenen Genossen.
Nun krebst die 39-jährige Sozialarbeiterin zurück: "Es
war einfach passiert, und ich habe zwei Tage lang schier in die
Tischplatte gebissen, wegen meiner eigenen Dummheit", schreibt sie in
der Kolumne "Rote Gedanken" in der linken Wochenzeitung "P. S." Sie sei
nachhaltig "stinksauer" gewesen über sich und ihre ungeschickte
Aussage. "Nach etlichen Jahren aktiver Politik und einigen hundert
Interviews zu den verschiedensten Vorkommnissen erwische ich auf eine
Journalistenfrage unter vielen anderen genau den Satz, der nicht
hätte gesagt sein dürfen."
Auf Anfrage sagt Reimann, sie habe die "Erklärung" auf
eigene Initiative verfasst und nicht auf Druck von der Partei. Die
Reaktionen auf ihre Aussagen in den Zeitungen seien mehrheitlich
fragend gewesen. "Wie kommt sie auf die Idee, so etwas zu sagen?" Es
seien nur wenige gehässige Mails, Telefonate oder SMS bei ihr
eingegangen. Dass es Spannungen zwischen ihr und der
Co-Präsidentin, Andrea Sprecher, gegeben habe, weist sie
zurück.
Sie sei erleichtert, dass sie mit der Kolumne den Fehler
erklären konnte. "Ich gelobe Besserung im Wissen darüber,
dass in der Politik Schweigen Silber, die überlegte Rede Gold, die
unüberlegte Rede jedoch Schrott ist", beendet Beatrice Reimann die
Kolumne.
Fehr hat das Augenflimmern
SVP-Nationalrat Hans Fehr sagte auf Anfrage, dass er immer noch
an den Folgen der Prügelattacke leide. So habe der Augenarzt an
seinem linken Auge sogenannte "Mouches volantes" diagnostiziert,
hervorgerufen durch Schläge. Eine solche
Glaskörpertrübung sei zwar nicht gravierend und würde
nach ein paar Wochen vergehen. Aber die sich hin- und herbewegenden
schwarzen Punkte würden stören. Auch die Schläge auf die
Rippen würden sich beim Husten bemerkbar machen. Für ihn
persönlich sei der Fall aber abgeschlossen. Er erwartet aber auf
der politischen Bühne eine Null-Toleranz-Politik gegenüber
Gewalt und die Durchsetzung des Vermummungsverbots.
Nach den Tätern - in den Medien war von zweien die Rede -
werde immer noch ermittelt, sagte gestern eine Sprecherin der
Staatsanwaltschaft.
---
Le Nouvelliste 4.2.11
L'INVITÉ
La police n'a-t-elle que le droit de se faire insulter?
PHILIPPE BARRAUD JOURNALISTE
A Lausanne, les procès de policiers pour abus
d'autorité se multiplient, sous la pression d'un
Ministère public qui ne laisse rien passer. Dernière
affaire en date: celle d'un agent qui a frappé un individu en
garde à vue, qui menaçait de s'en prendre à ses
enfants.
Particulièrement agité, pris de boisson et
vociférant, l'individu emmené au poste n'a cessé
d'insulter l'agent chargé de le surveiller, de se
détacher alors qu'il avait été attaché
plusieurs fois. Enfin, il a hurlé qu'il s'attaquerait à
ses enfants. Excédé, le jeune père a
flanqué un coup de poing au visage de l'individu et lui a fendu
la lèvre. Plus tard, il s'est excusé, s'est
dénoncé lui-même à ses supérieurs.
Celui qui a reçu le coup de poing n'a pas porté plainte,
mais le Ministère public a ouvert une action pénale. Tout
est bien.
Vraiment? Cette histoire laisse un goût amer. Ainsi, le
citoyen moyen se demande pourquoi les personnes qu'on emmène au
poste ont tous les droits, y compris celui d'insulter et de menacer
gravement les policiers, tandis que ces derniers devraient tout
encaisser sans broncher, et à défaut se retrouver au
tribunal, lâchés par leurs chefs, à la moindre
erreur. Menacer les enfants d'un père de famille est une
agression intolérable, même pour un policier qui doit
garder son sang-roid. Chacun comprend dès lors que celui-ci
sanctionne cette agression par ce qu'on pourrait appeler un acte de
communication non verbale, puisque la communication verbale est
inopérante. Qu'aurait dû faire le policier? Offrir une
bière à celui qui menaçait ses enfants? Lui couler
un bain, peut-être?
Nous sommes entrés dans une ère où la
police, en tant qu'incarnation de l'autorité, est devenue
l'ennemi public numéro un, en tout cas aux yeux de toute une
faune qui saisit chaque occasion pour s'en prendre à elle: qu'il
s'agisse de secours aux blessés, d'intervention dans des rixes
ou de constats d'accidents, la police est de plus en plus
empêchée de faire son travail et prise pour cible. On l'a
vu encore le week-end dernier à Berne, où les policiers
ont été empêchés de faire un constat
d'accident par des "autonomes", bien entendu assurés de
l'impunité.
Cette dérive est une menace pour notre
sécurité à tous, car c'est l'autorité et
l'ordre public qui sont clairement visés. A force de ne pas
sévir contre les Black Blocks et autres bandes organisées
qui fascinent les médias, la classe politique encourage ceux qui
nient toute autorité à aller toujours plus loin.
Aujourd'hui ils cassent du flic et des vitrines, demain ils s'en
prendront aux élus (l'UDC Hans Fehr peut en témoigner),
aux patrons, aux propriétaires, et à tout ce qui est
porteur de quelque autorité.
---
WoZ 3.2.11
Medientagebuch
Ein Gespenst geht um
Nick Lüthi über Faktenarmut an der Extremismusfront
Ein interessantes Gespräch über Literatur und Sprache
hätte es werden können am Montag abend im "Fokus" auf DRS 3.
Doch Moderatorin Anna Meier fühlte sich bemüssigt, den
Germanisten Peter von Matt in die medial angeheizte Debatte über
Gewalt im Allgemeinen und jene von links im Speziellen reinzuziehen.
Der Fall Hans Fehr zieht weiterhin seine Kreise. Gar nach seinem
Leben getrachtet hätten die Schläger, die den SVP-Politiker
vor der Abisgüetlitagung vermöbelten, wollte Meier wissen.
Sie zitierte damit wohl unwissentlich einen Beitrag, der auf der
Internetplattform Indymedia veröffentlicht und von zahlreichen
JournalistInnen für bare Münze genommen wurde. Weil die
Aussage so schön ins Bild der blutrünstigen Radikalen passt,
muss Quellenkritik hintanstehen.
Nun ist hinlänglich bekannt, dass freie Kommentarplattformen
im Internet regelmässig ProvokateurInnen - im Jargon als Trolle
bekannt - anziehen. Das ist bei "indymedia" so. Das ist bei
"tagesanzeiger.ch" nicht anders. Was in Schweizer Medien auch schon
getan wurde: JournalistInnen verfassen anonym oder unter Pseudonym den
provokativen Beitrag gleich selbst, um ihn danach als Beleg für
ihre wilden Thesen zu zitieren.
So weit braucht man indes gar nicht zu gehen. Auch aus dem hohlen
Bauch (oder Kopf) heraus lässt sich vortrefflich Schwach- und
Unsinn verbreiten. Zum Beispiel jene Mär von der fehlenden
wissenschaftlichen Auseinander setzung mit der radikalen Linken in der
Schweiz.
Der "SonntagsBlick" irrt, wenn er einfach behauptet: "Fakt ist:
Die extreme Schweizer Linke wurde weder politisch noch
sozialwissenschaftlich jemals untersucht." Zum einen widerspricht sich
der Journalist in der nächs ten Zeile gleich selbst, wenn er dort
eine Dissertation zum Thema von 2008 erwähnt. Zum anderen gibt es
mehrere Lizenziatsarbeiten, die Aspekte der ausserparlamentarischen
Linken aufgreifen. Und zwar auch solche, die wunde Punkte treffen, wie
etwa jene zwei Arbeiten, die den Antisemitismus in der radikalen Linken
untersuchen. Und auch der Staatsschutz befasst sich seit Jahrzehnten
recht intensiv mit dem Linksextremismus, wie jedes Jahr auch im Bericht
Innere Sicherheit ausführlich nachzu lesen ist.
Doch wenn es darum geht, der Forderung von rechts nach einer
"Durchleuchtung der linksextremen Szene" das Wort zu reden,
interessiert all das offenbar nicht. Dazu passt auch die Behauptung
einer Radikalisierung. Davon ist seit mindestens zehn Jahren immer
wieder die Rede, vor allem nach publizitätsträchtigen
Ereignissen, wie aktuell dem Übergriff auf Hans Fehr. Von einer
ernsthaften journalistischen Auseinandersetzung mit der radikalen
Linken kann nicht die Rede sein. Vielmehr treibt die Politik die
Journaille vor sich her, und die wiederum gebärdet sich als
willige Erfüllungs gehilfin für die Forderungen der Politik.
Faktenarmut ist freilich nicht alleine das Privileg der
BerichterstatterInnen an der Extremismusfront. Gerade bei
Medienkampagnen, mit denen ein vermuteter Missstand nicht nur
aufgedeckt, sondern gleich auch behoben werden soll, droht die
eigenständige Recherche auf der Strecke zu bleiben. Hat erst
einmal ein Leitmedium - im aktuellen Fall die "Weltwoche" mit ihrer
Titelgeschichte zur linken Gewalt - die Thesen schön
ausgebreitet, dann schreibt sichs im Fahrwasser leichter.
Nick Lüthi ist Medienjournalist in Bern.
---
Le Matin 2.2.11
LE DÉCODAGE
Qui se cache derrière les cagoules des Black Blocks?
CASSEURS Attentats contre le Forum de Davos, attaque contre le
politicien Hans Fehr: les extrémistes de gauche font
l'actualité. Des politiciens exigent une enquête sur la
mouvance.
QUI TIRE LES FICELLES?
• HIÉRARCHIE
La militante d'extrême gaucheAndrea Stauffacher, 61 ans,
est l'éminence grise des Black Blocks. Selon le journalSonntag,
c'est elle qui aurait empêché que l'attaque contreHans
Fehr(UDC/ZH) vire au bain de sang. Elle est active depuis plus de 30
ans sur la scène autonome zurichoise et fait partie des
dirigeants du "Revolutionärer Aufbau". L'activiste professionnelle
a été condamnée à 6 mois de prison en 1997
pour émeute et dommages à la propriété, en
marge de manifestations interdites et violentes.
QUE FAIT BERNE?
• ENQUÊTE Les récentes activités de la gauche
radicale ont alarmé les politiciens. Les présidents de la
Commission de la politique de sécurité veulent mettre le
sujet à l'ordre du jour de leurs prochaines séances. Leur
but: demander au Conseil fédéral une étude sur
l'extrémisme de gauche en Suisse, bien moins documenté
que l'extrémisme de droite. Des UDC réclament de leur
côté que le PS prenne davantage ses distances avec la
gauche radicale. "Nous ne tolérons pas d'actes violents dans le
champ politique", se défend le président du PS, Christian
Levrat.
QUI SONT LES BLACK BLOCKS?
• Portrait Les membres du Black Block sont les casseurs que
mobilise la gauche radicale au gré des manifestations. Ils
seraient un millier en Suisse, selon le Rapport sur la
sécurité intérieure. Agés d'une vingtaine
d'années, ils proviennent de milieux différents. La
coordination du mouvement est assurée par une dizaine de chefs
plus âgés, membres du groupuscule "Revolutionärer
Aufbau" (Reconstruction révolutionnaire) basé à
Zurich. Les activistes luttent contre le capitalisme et le fascisme. Le
Service de renseignements de la Confédération
prévoit une augmentation de l'activité violente
d'extrême gauche.
---
Blick am Abend 1.2.11
"Die Polizei soll endlich was tun"
VERMUMMTE
Eigentlich ist es verboten, aber an Demos tun es viele: sich
vermummen. Dafür soll es jetzt anstatt nur Busse auch Haft geben.
michael.perricone@ringier.ch
Es waren, so erzählt Hans Fehr von der SVP, vermummte
Demonstranten, die ihn am Freitag vor einer Woche zusammenschlugen.
Seither hat er auf fast allen Kanälen von diesem schlimmen
Erlebnis berichtet, und alle sind sich einig: Das darf nicht sein.
Einer will langfristig etwas daran ändern: Claudio Zanetti,
Parteikollege von Fehr und Zürcher Kantonsrat. "Die Polizei soll
das Vermummungsverbot endlich durchsetzen können", fordert er.
"Heute kann die Polizei an einer Demo ja nur mit dem Bussenblock durch
die Reihen schreiten, durchgreifen kann sie nicht", so Zanetti. Denn
bei einer Übertretung, und als solche wird Vermummung geahndet,
gibts keine Festnahmen.
Tatsächlich hat die Polizei heute kaum eine
Möglichkeit, das Vermummungsverbot durchzusetzen. Das Schweizer
Recht ist äusserst zurückhaltend mit dem Freiheitsentzug.
"Ich erlebe viel Frustration bei Polizisten", sagt Polizeirechtsexperte
Markus Mohler (siehe Interview links).
Stefan Leutert hat eine wissenschaftliche Arbeit zum
Vermummungsverbot verfasst. Und bestätigt: Die Hürde für
eine Festnahme ist hoch. "Bei den Hooligans gibt es auch einen
Polizeigewahrsam. Aber erst wenn jemand bereits bekannt ist als
Gewalttäter und ein Rayonverbot und eine Meldepflicht besteht,
könnte er überhaupt präventiv in Polizeigewahrsam
genommen werden."
Das will Zanetti ändern und reichte eine Motion ein. In
dieser verlangt der SVPler vom Regierungsrat, das geltende Recht so zu
ändern, "damit in Zukunft Verletzungen des Vermummungsverbots mit
Haft geahndet werden können." Früher wars möglich: Bis
2007 drohte vermummten Demonstranten (das Verbot wurde 1995 nach einer
Volksabstimmung im Kanton eingeführt) sogar Haft.
So weit aber will Zanetti nicht gehen: "Gefängnis fürs
Vermummen wäre nicht verhältnismäs sig, wir wollen
keinen Polizeistaat. Aber Polizeigewahrsam will ich." Das heisst, die
Polizei könnte jemanden, der sich an einer Demo, die zu Straftaten
führen könnte, vermummt, präventiv festnehmen und
abführen.
"Ich hoffe", so Zanetti, "dass bereits einige Stunden Zelle und
die Bekanntschaft mit dem Haftrichter genügend Eindruck
hinterlassen."
Auch dass Eltern ihren Sprössling bei der Polizei abholen
müssten oder er vielleicht an der Arbeitsstelle fehlt, solle
abschreckend wirken.
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ANTI-WEF
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Tagesanzeiger 4.2.11
Linksextreme müssen vor die Bundesrichter
Zwei Zürcher Mitglieder des Revolutionären Aufbaus sind
von der Bundesanwaltschaft wegen Sprengstoffdelikten und Brandstiftung
angeklagt worden.
Von Stefan Hohler
Zürich/Bern - Die beiden Beschuldigten sollen ihre
Straftaten in Zürich und Bern verübt haben. Sie müssen
sich vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten. Der Anklage
liegen im Wesentlichen fünf Sprengstoffanschläge sowie ein
Brandanschlag zugrunde. Die Attacken sollen zwischen September 2002 und
Mai 2008 verübt worden sein. Sie seien mit unkonventionellen
Spreng- oder Brandvorrichtungen getätigt worden, heisst es in der
Mitteilung der Bundesanwaltschaft. Bei diesen sogenannten USBV handelt
es sich um selbst gebastelte Bomben, meist aus Feuerwerkskörpern.
Beschädigt wurden Häuser, in denen staatliche oder
halbstaatliche Institutionen eingemietet sind. Genauere Angaben wollte
die Sprecherin der Bundesanwaltschaft nicht machen. Gemäss
TA-Recherchen sollen zwei der fünf Sprengstoffanschläge im
Zusammenhang mit dem WEF, dem Weltwirtschaftsforum in Davos,
verübt worden sein. Bei der Brandstiftung soll der Privatwagen
eines Zürcher Stadtpolizisten, der im Bereich Extremismus
arbeitete, angezündet worden sein.
Farbanschlag gegen die UBS
In Zürich müssen sich demnächst ebenfalls zwei
Jugendliche aus der linksextremen Szene wegen Vandalismus verantworten.
Die damals 15- und 16-jährigen Schüler sollen am Farbanschlag
auf die UBS beim Paradeplatz vom 17. Januar 2009 beteiligt
gewesen sein. Sie sassen deshalb zwölf Tage in Untersuchungshaft.
Der Prozess vom 13. Januar dieses Jahres vor dem Zürcher
Jugendgericht ist aber kurzfristig abgesetzt worden. Das Verfahren
wurde wegen der neuen Strafprozessordnung an die Jugendanwaltschaft
übergeben.
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St. Galler Tagblatt 4.2.11
"Rackete": Weshalb die Analysen so lange dauerten
Die Polizei brauchte eine Woche, um einen Gegenstand am
Helvetia-Gebäude als modifizierte 1.-August-Rakete zu
identifizieren. Wieso dauerte das so lange?
Andreas Kneubühler
St. Gallen. Der Gegenstand wurde am 26. Januar entdeckt und in
Zürich untersucht. Eine Gruppe hatte gewarnt: "Heute haben wir mit
einer Rackete die Kaderschmiede des Kapitals (HSG) in St. Gallen
angegriffen." Am 27. Januar detonierte in einem Davoser Hotel ein
Feuerwerkskörper. Am 2. Februar teilte die St. Galler
Kantonspolizei mit, beim Gegenstand am Helvetia-Gebäude habe es
sich "um einen pyrotechnischen Gegenstand vergleichbar mit einer
1.-August-Rakete" gehandelt.
Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen,
ärgert sich über die Frage nach der langen
Abklärungsdauer. Man renne doch nicht mit jedem Zwischenergebnis
zu den Medien. Gründliche Abklärungen brauchten Zeit. Der
Gegenstand sei zu analysieren, es seien Abklärungen über
Spuren und die Herkunft des Materials zu treffen, und man habe
Zusammenhänge zur Detonation in Davos prüfen müssen.
Nach einer provisorischen internen Risikoabschätzung habe man den
Schlussbericht aus Zürich abgewartet.
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WoZ 3.2.11
Ausserdem
Kreativer kämpfen
Von Bettina Dyttrich
"Davos wird brennen", schreibt ein anonymer Aktivist im Internet.
Die Presse ist empört über das Gewaltpotenzial der
"Linksextremen". Kurz vor dem Wef beschädigen Unbekannte mit
Knallraketen die Panzerglasfenster des Davoser Kongresszentrums. Letzte
Woche? Nein, vor zehn respektive elf Jahren. Geht jetzt wieder alles
von vorne los? Es sieht fast so aus: ein dilettantischer Anschlag in
St. Gallen, eine kleine Detonation in Davos, die Attacke auf Hans Fehr
samt gefälschtem "Bekennerschreiben" im Netz. Wieder wird viel
über die linksextreme Bedrohung geschrieben, PolitikerInnen
fordern eine "Durchleuchtung" der Szene mit Nationalfondsgeldern.
Doch etwas ist anders: Vor zehn Jahren gab es eine breite
Bewegung gegen das Wef. Autonome, Anarchos und der Revolutionäre
Aufbau (die die Presse immer noch nicht auseinanderhalten kann),
Gewerkschafterinnen, Christen und Grüne - alle waren auf der
Strasse. Das sorgte für heftigen Streit in der Bewegung, aber es
gab ihr auch einen gewissen Schutz. Heute ist die Bewegung winzig und
besteht vor allem aus Leuten, die sich "revolutionär" nennen (und
dem Staatsschutz vermutlich alle bekannt sind). Es wird nicht mehr
szenenübergreifend gestritten - und gerade das ist beunruhigend.
Die Gefahr besteht, dass die "Revolutionären" die
Bodenhaftung endgültig verlieren. Zudem könnten ihre Aktionen
für den Staatsschutz willkommener Anlass sein, sich ver
stärkt mit den vielen Leuten zu befassen, die in den letzten zehn
Jahren in Polizeikesseln rund ums Wef fichiert wurden. Und das
Fichieren geht weiter: Im Prättigau räumte die Polizei am
Samstag einen Zug mit DemonstrantInnen, liess sie stundenlang gefesselt
in der Kälte warten, fotografierte und verhörte sie dann in
Landquart - wie vor sieben Jahren, nur etwas weniger gewalttätig.
Andrew Clark vom britischen "Guardian" war zufällig im Zug und
schrieb einen empörten Artikel (siehe
www.tinyurl.com/clarkarrest). In der Schweiz interessierte die Sache
niemanden.
Soll man aus Angst vor dem Staatsschutz nichts mehr tun?
Natürlich nicht. Aber Attacken auf SVP-Politiker bekämpfen
die SVP ebenso wenig, wie Sprengkörper in Garagen den Kapitalismus
abschaffen. Dafür würde es schon ein paar kreativere Ideen
brauchen.
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NZZ 3.2.11
Anklage gegen zwei Linksautonome
Verfahren der Bundesanwaltschaft
-yr. · Die Bundesanwaltschaft (BA) hat gegen zwei
Angehörige des Revolutionären Aufbaus Anklage erhoben. Den
beiden werden fünf Sprengstoffdelikte und eine Brandstiftung
vorgeworfen, die sie zwischen 2002 und 2008 in Zürich und in Bern
begangen haben sollen. Laut einer Mitteilung der BA ist dabei zum Teil
erheblicher Sachschaden entstanden, Personen wurden keine verletzt.
Ziele der Anschläge seien jeweils Gebäude gewesen, in denen
sich staatliche oder halbstaatliche Institutionen befinden. In einem
Fall sei das Auto eines Beamten betroffen gewesen. Dabei handle es sich
nicht um den Brandanschlag auf das Auto der Ehefrau von Regierungsrat
Markus Notter, präzisierte auf Anfrage eine Sprecherin der BA. Die
Anklageschrift wurde am Bundesstrafgericht in Bellinzona eingereicht.
Angehörige des Revolutionären Aufbaus machten zuletzt auf
sich aufmerksam, als sie an der Albisgütli-Tagung Nationalrat Hans
Fehr angriffen.
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Bund 3.2.11
Sprengsatz in St. Gallen war 1.-August-Rakete
Beim "Sprengsatz", den mutmassliche WEF-Gegner vor einer Woche an
ein Bürofenster der Versicherung Helvetia in St. Gallen geklebt
hatten, handelte es sich um eine modifizierte 1.-August-Rakete. Dies
gab die Polizei gestern - per Communiqué - bekannt. Der
"pyrotechnische Gegenstand" enthielt keinen elektrischen
Zündmechanismus. Die Rakete hätte direkt mit einem Feuerzeug
gezündet werden können.
Sprengstoffspezialisten hatten vor einer Woche den
verdächtigen Gegenstand vom Bürofenster entfernt. Die Polizei
war mit 15 Mann ausgerückt, hatte Strassen abgesperrt und einen
Teil des Helvetia-Gebäudes evakuiert.
Der Angriff zu Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos
könnte der Universität St. Gallen gegolten haben, die direkt
nebenan liegt. Möglicherweise verwechselten die Täter die
Gebäude. In einem Mail an die Pendlerzeitung "20 Minuten" wurde
ein Angriff auf die "Kaderschmiede des Kapitals" angekündigt. Die
Polizei klärt ab, ob ein Zusammenhang mit den Vorfällen am
WEF besteht.(sda)
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BZ 3.2.11
Doch kein Sprengsatz
WEF-Gegner In St. Gallen ist vor einer Woche ein Gebäude
nach einem Bombenalarm evakuiert worden. Es handelte sich jedoch nicht
um einen Sprengsatz, hat die Polizei nun herausgefunden.
Beim "Sprengsatz", den mutmassliche WEF-Gegner vor einer Woche an
ein Bürofenster der Versicherung Helvetia in St. Gallen geklebt
hatten, handelte es sich um eine modifizerte 1.-August-Rakete. Dies gab
die Polizei gestern bekannt. Der pyrotechnische Gegenstand, so hiess es
im Communiqué, enthielt keinen elektrischen
Zündmechanismus. Die Rakete hätte direkt mit einem Feuerzeug
gezündet werden müssen.
Sprengstoffspezialisten hatten vor einer Woche den
verdächtigen Gegenstand vom Bürofenster entfernt. Die Polizei
war mit 15 Mann ausgerückt, hatte Strassen abgesperrt und einen
Teil des Helvetia-Gebäudes evakuiert.
Der Angriff zu Beginn des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos
könnte der Universität St. Gallen gegolten haben, die direkt
nebenan liegt. Möglicherweise verwechselten die Täter die
Gebäude. In einem Mail an die Pendlerzeitung "20 Minuten" wurde
ein Angriff auf die "Kaderschmiede des Kapitals" angekündigt. Die
Polizei klärt ab, ob ein Zusammenhang mit den Vorfällen am
WEF in Davos besteht. Die Spuren würden miteinander verglichen,
hiess es.
sda
---
admin.ch 2.2.11
Sprengstoff- und Branddelikte vor Gericht - Bundesanwaltschaft klagt
Exponenten des Revolutionären Aufbaus Schweiz an
Bern, 02.02.2011 - Die Bundesanwaltschaft (BA) kommt nach Abschluss
einer Strafuntersuchung gegen zwei Zugehörige des
Revolutionären Aufbaus Schweiz zum Schluss, dass sich diese
strafbar gemacht haben und dass die mutmasslichen Straftaten einer
gerichtlichen Beurteilung zuzuführen sind. Es werden ihnen
Sprengstoffdelikte und Brandstiftung in Zürich und in Bern zur
Last gelegt. Die Anklageschrift wurde beim Bundesstrafgericht in
Bellinzona eingereicht.
Der Anklage liegen im Wesentlichen fünf Sprengstoffanschläge
sowie ein Brandanschlag zugrunde. Die Anschläge mit
unkonventionellen Spreng- oder Brandvorrichtungen (sog. USBV) betrafen
Gebäude, worin sich Vertretungen staatlicher oder halbstaatlicher
Institutionen eingemietet hatten, und in einem Fall das Auto eines
Beamten. Alle Delikte wurden zwischen September 2002 und Mai 2008
verübt. Bei den untersuchten Anschlägen entstand zum Teil
erheblicher Sachschaden, Personen wurden nicht verletzt.
Die beiden beschuldigten Personen gehören dem Revolutionären
Aufbau Schweiz (RAS) bzw. der Sektion Revolutionärer Aufbau
Zürich (RAZ) an. Die Organisation ist international vernetzt,
setzt sich auf eigenen Internetseiten für eine andere
Gesellschaftsform ein und behält sich zur Erreichung ihrer Ziele
die Verübung von Straftaten ausdrücklich vor.
Die Anklage der BA lautet auf Gefährdung durch Sprengstoffe in
verbrecherischer Absicht (Art. 224 des Schweizerischen
Strafgesetzbuches; StGB), Brandstiftung (Art. 221 StGB), Aufbewahren
und Verbergen von Sprengstoffen (Art. 226 StGB), Sachbeschädigung
(Art 144 StGB) und auf verbotenen Besitz von Waffen (Art. 33 i.V.m.
Art. 4 Waffengesetz). Für die beiden beschuldigten Personen gilt
bis zur gerichtlichen Beurteilung die Unschuldsvermutung.
Mit Einreichung der Anklageschrift geht die Zuständigkeit für
die Information der Medien auf das Bundesstrafgericht in Bellinzona
über.
Adresse für Rückfragen:
Walburga Bur, Medien- und Kommunikationsdienst BA, +41 31 324 32 40,
info@ba.admin.ch
Herausgeber:
Bundesanwaltschaft
Internet: http://www.ba.admin.ch/ba/de/home.html
--
Südostschweiz 2.2.11
Die Polizei hat auch Unschuldige gefesselt und abgeführt
Bei ihrem Einsatz zur Ermittlung der Chaoten, welche an der
Anti-WEF-Demo in Davos randaliert hatten, ging die Polizei wenig
zimperlich vor. Gefesselt und abgeführt wurden auch Unschuldige,
etwa ein englischer Journalist.
Von Theo Gstöhl
Fideris.- Um diejenigen Personen identifizieren zu können,
welche am vergangenen Samstagnachmittag an der Anti-WEF-Demo in Davos
Sachschäden angerichtet haben (Ausgabe vom Sonntag), wurde gegen
17 Uhr in Fideris der Zug angehalten, mit welchem die Demonstranten
Davos verliessen. "Was nun folgte, war ein Trauerspiel, wie ich es in
diesem Land nicht für möglich gehalten hätte", schrieb
ein 17-jähriger Bündner Mittelschüler, der friedlich an
der Demonstration teilgenommen hatte, in einem Leserbrief an die
"Südostschweiz" (siehe Seite 2).
Mit Kabelbindern gefesselt
Vermummte Polizeibeamte seien durch den Zug gelaufen und
hätten zahlreiche Personen aufgefordert mitzukommen. "Das
Auswahlkriterium war wohl 'jung und ohne Skianzug'", meinte der
Mittelschüler auf Anfrage. Auch er musste den Zug verlassen. Auf
einem eingezäunten Areal wurde er durchsucht, die Hände
wurden ihm mit Kabelbindern auf dem Rücken zusammengebunden.
Alle, die bereits durchsucht und gefesselt worden waren, wurden
daraufhin zusammengepfercht. "Nach rund einer Stunde wurden wir nach
Landquart gefahren. Dort mussten wir uns in einer Tiefgarage mit dem
Rücken zur Wand hinsetzen", erklärte der Schüler. Nach
und nach sei dann jeder einzeln in den Polizeiposten gebracht worden.
Dort seien die Personalien aufgenommen und jeder sei fotografiert
worden. "Nach drei Stunden wurden mir dann die Fesseln abgenommen, und
um 20 Uhr konnte ich in Landquart den Zug nach Hause nehmen", hielt der
junge Mann fest.
Presseausweis half nichts
So wie ihm, erging es auch dem englischen Journalisten Andrew
Clark, welcher für die Tageszeitung "The Guardian" über das
WEF berichtet und sich nicht an der Demonstration beteiligt hatte
(siehe Kästen). Als der Polizeieinsatz im gestoppten Zug lief,
machte er mit seinem Black Berry Fotos von den Polizisten und Notizen
in seinem Notebook. Das Vorweisen des Presseausweises half ihm nichts -
auch er wurde gefesselt und nach Landquart gebracht. Dort sei er auf
dem Polizeiposten aufgefordert worden, die Fotos und Notizen zu
löschen, wie der Journalist in seinem Artikel im "Guardian"
schrieb. Obschon er sich weigerte, dies zu tun, konnte er dann nach
polizeiinternen Abklärungen seine Heimreise mit drei Stunden
Verspätung fortsetzen. Und so erschien auch ein Bild des
Polizeieinsatzes im "Guardian".
65 Leute wurden mitgenommen
Insgesamt waren in Fideris 65 Personen aus dem Zug geholt,
gefesselt und zur Abklärung der Personalien nach Landquart
gebracht worden. "Es ist völlig klar, dass nicht alle der
kontrollierten Personen gewalttätig waren", erklärte Thomas
Hobi, Mediensprecher der Kantonspolizei Graubünden, gestern.
Anhand der Fotos könne nun geklärt werden, wer für die
Sachbeschädigungen verantwortlich sei. Diese Personen müssten
mit einem Strafverfahren rechnen.
Hobi versicherte, dass die Daten und Fotos der anderen
kontrollierten Personen gelöscht werden. "Von unserer Seite war
die Aktion verhältnismässig. Hätten wir die Täter
laufen lassen, würde es heissen, die Polizei habe nichts
unternommen", betont der Polizeisprecher. Die Verwendung der
Kabelbindern sei eine Vorsichtsmassnahme gewesen, nachdem sich zuvor in
Davos mehrere der Personen gewaltbereit gezeigt hätten.
--
Janom verteidigt den Einsatz
Die Bündner Justiz- und Polizeidirektorin Barbara Janom
Steiner hat den Polizeieinsatz vom vergangenen Samstag in Fideris
verteidigt. "Wir konnten nicht zulassen, dass Chaoten, die in Davos
straffällig geworden sind, ihren Weg einfach nach Zürich
fortsetzen und ihren Feldzug dort weiterführen", sagte Janom
Steiner gestern am monatlichen Treffen der Regierung mit den Medien.
Dass bei dem Einsatz auch Unbeteiligte Unannehmlichkeiten gehabt
hätten, bedauere sie aufrichtig, erklärte Janom Steiner.
Allerdings liesse sich dies nicht immer vermeiden. Was die Behandlung
jenes britischen Journalisten angehe, welcher bei dem Einsatz ebenfalls
kontrolliert worden sei, gebe es noch offene Fragen. "Zum Beispiel ist
unklar, ab welchem Zeitpunkt sich die betreffende Person als Journalist
zu erkennen gegeben hat." Der ganze Vorfall werde genau analysiert, so
Janom Steiner, "und wir werden unsere Polizeikräfte einmal mehr
auf die Verfassung und die Pressefreiheit hinweisen".
Janom Steiner zog ein positives Gesamtfazit über den Einsatz
der Ordnungskräfte am World Economic Forum (WEF). Den Zwischenfall
von vergangener Woche, bei welchem ein Feuerwerkskörper in einem
Davoser Hotel gezündet worden war, bezeichnete
Regierungspräsident Martin Schmid als "höchstens mediale
Bombe". Janom Steiner erklärte ihrerseits, der
Feuerwerkskörper sei ausserhalb des Sicherheitsrayons detoniert
und ungefährlich gewesen. (obe)
Gewerkschaft steht hinter Clark
Syndicom, die Schweizer Gewerkschaft für Medien und
Kommunikation, verurteilt das Verhalten der Polizei gegenüber dem
britischen Journalisten Andrew Clark nach der Anti-WEF-Demonstration am
vergangenen Samstag. "Polizisten müssen sich gefallen lassen, dass
sie bei ihrer Arbeit im öffentlichen Raum von Medienschaffenden
beobachtet und fotografiert werden", hält die
Zentralsekretärin der Branche Presse und elektronische Medien,
Stephanie Vonarburg, in einer Stellungnahme fest. Gerade bei
polizeilichen Übergriffen gehöre es zur Pflicht von
Journalisten, diese festzuhalten und zu veröffentlichen.
Wie der britische Journalist von der Polizei behandelt worden
sei, sei kein Einzelfall. Die Polizeibehörden würden in der
Schweiz immer wieder mit rechtsstaatlich unhaltbaren Methoden gegen
Demonstrierende und Medienschaffende vorgehen, heisst es weiter.
Vonarburg weist darauf hin, dass Polizeiaktionen rund ums WEF
schon in anderen Jahren für Verletzungen der Pressefreiheit
gesorgt haben. In einem Fall von 2001 habe der betroffene Journalist
schlussendlich erst vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte obsiegt. Der Mann war von der Polizei an einer Fahrt
nach Davos gehindert worden, obwohl er einen Presseausweis vorgewiesen
hatte. "Für viele Polizisten ist Pressefreiheit ein Fremdwort. Die
Polizeibehörden haben noch einiges zu lernen, was den rechtlich
einwandfreien Umgang mit Medienschaffenden anbelangt", zieht Vonarburg
Fazit. (thg)
--
Drei Stunden an den Händen gefesselt
Ich hatte mich, wie schon die Jahre zuvor, an die Demonstration
gegen das WEF in Davos begeben, um friedlich meine Meinung kundzutun.
Der Zug, mit dem wir nach Hause wollten, hielt in einem umzäunten
Gebiet an. Was folgte, ist ein Trauerspiel, wie ich es in diesem Land
für unmöglich gehalten hätte. Einige vermummte Beamte
liefen durch den Zug und baten Personen, die sie anscheinend
willkürlich auswählten, mit ihnen mitzukommen. Ich wurde
ebenfalls aufgefordert mitzugehen. Meine Personalien wurden
aufgenommen, und ich wurde auf verbotene Gegenstände durchsucht.
Von diesem Moment an waren meine Hände gefesselt. Alle, die
bereits durchsucht worden waren, wurden zusammengepfercht. Wir waren
umzingelt von Mini-Vans, die uns mit ihren Lampen beleuchteten. Etwa
eine Stunde später wurden wir nach Landquart abtransportiert. Auf
meine Bitte hin, meine Angehörigen kontaktieren zu dürfen,
erntete ich nur ein müdes Lächeln.
In Landquart angekommen, wurden wir in einer Tiefgarage
aufgefordert, uns mit dem Rücken zur Wand hinzusetzen. Einer nach
dem anderen wurde daraufhin in den Polizeiposten geführt. Hier
wurden wir abgelichtet, und eine Wegweisung aus dem Kanton oder, falls
hier wohnhaft, aus Davos wurde ausgesprochen. Nun wurden endlich - nach
über drei Stunden - meine Handfesseln gelöst und ich durfte
nach Hause.
Sebastian Grosheintz, Untervaz
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grundrechte.ch 1.2.11
Wirtschaftsjournalist Andrew Clark vom Guardian am WEF 2011 verhaftet
1. Februar 2011
Trotz Presseausweis wegen Fotografierens im Zug verhaftet
Am 27. Januar 2001 versuchte ein Journalist und Redaktor mit dem
Postauto von Klosters nach Davos zum WEF zu gelangen. Kurz vor Davos
wurde das Postauto angehalten. Die Insassen wurden kontrolliert und an
der Weiterreise gehindert. Trotz seiner Angaben über
journalistische Tätigkeiten wurde auch der Journalist zur
Rückkehr angehalten.
Gegen diese Anordnung der Kantonspolizei Graubünden erhob der
Journalist Beschwerde beim Bündner Justiz-, Polizei- und
Sanitätsdepartement, blitzte dort aber ebenso ab wie beim
Bündner Verwaltungsgericht und beim Bundesgericht. Mit Urteil
12675/05 vom 8.Oktober 2009 verurteilte der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz wegen
ungerechtfertigter Einschränkung der
Meinungsäusserungsfreiheit.
Gelernt daraus hat die Polizei in Graubünden nicht viel. Gut ein
Jahr nach dem Urteil haben Spezialeinheiten der Polizei am 29. Januar
2011 in einem Zug von Davos nach Landquart den britischen Journalisten
Andrew Clark verhaftet, weil er mit einem Mobiltelefon ein paar Bilder
geschossen hatte.
Der Zug wurde in Fideris angehalten und von Spezialeinheiten der
Polizei umstellt. Wer ein Fenster öffnete, wurde sofort mit
Pfefferspray eingedeckt. Die Wagen wurden anschliessend von Robocops
durchkämmt, und Personen wurden wahllos aus dem Zug geführt.
Weil Andrew Clark mit seinem Mobiltelefon ein paar Bilder knipste,
wurde er von einem Beamten gepackt und unsanft aus dem Zug
befördert.
Obwohl sich Andrew Clark sofort als Journalist zu erkennen gab und
seinen Presseausweis vorlegte, wurde er mit Kabelbindern gefesselt, und
seine Habseligkeiten wurden in einen Plastikbeutel verstaut und um
seinen Hals gehängt. Mit rund 60 anderen Zugpassagieren wurde er
nach Landquart verfrachtet, wo er gefesselt in einer kalten Tiefgarage
ausharren musste. Im Abstand von etwa 15 Minuten wurde jeweils eine
Person zum Verhör geführt. Dort wurden alle fotografiert und
befragt, aber nicht mit einem Tatverdacht konfrontiert.
Andrew Clark insistierte mit Hinweis auf seine Eigenschaft als
Pressevertreter darauf, freigelassen zu werden. Nach einer Stunde
durfte er zum Verhör. Er wurde aufgefordert, die Aufnahmen auf
seinem Mobiltelefon zu löschen und alle Seiten aus seinem
Notizbuch zu reissen, welche relevante Bemerkungen enthielten. Andrew
Clark weigerte sich und verlangte, einen Telefonanruf machen zu
können. Daraufhin kam er nach etwa 3 Stunden frei.
Offenbar wurden an diesem Tag in Landquart auch Bilder, welche andere
Personen gemacht hatten, systematisch gelöscht. Dieses illegale
Verhalten der Polizei ist z. B.auch unter Besuchern von
Auswärtsspielen bei Sportveranstaltungen bestens bekannt.
Thomas Hobi von der Bündner Kantonspolizei erklärt auf
Anfrage, Clarks Schilderung sei korrekt. Es habe sich beim Vorgehen
seiner Kollegen um eine normale Kontrolle gehandelt (siehe auch Video).
Mit dem Anhalten des Zuges in Fideris habe man sicherstellen wollen,
dass die Demonstranten, die zuvor in Davos für
Sachbeschädigungen gesorgt hätten, nicht unregistriert
verschwinden könnten.
* Guardian Davos journalist's sinister encounter with the Swiss riot
police
http://grundrechte.ch/2011/www-guardian-co-uk.pdf
* Bündner wollten Journalisten zensieren
http://grundrechte.ch/2011/20Min_01022011.pdf
* Video - Ankunft im Kessel von Fideris nach Anti WEF Demo in Davos 2011
http://grundrechte.ch/2011/Was%20die%20Medien%20verschweigen%20-%20Ankunft%20im%20Kessel%20von%20Fideris%20nach%20Anti%20WEF%20Demo%20in%20Davos%202011.flv
* siehe auch WEF 2001: Von Davos weggewiesener Journalist bekommt in
Strassburg recht
http://grundrechte.ch/2009/aktuell08102009.shtml
* Rund ums WEF 2009
http://grundrechte.ch/2009/aktuell26012009.shtml
---
20min.ch 1.2.11
http://www.20min.ch/news/schweiz/story/13386399
WEF-Einsatz: Bündner wollten Journalisten zensieren
Im Rahmen eines WEF-Einsatzes verlangten Polizisten von einem
englischen Journalisten, dass er Bilder löscht - zu Unrecht. Die
Polizei sucht nach Erklärungen.
Lukas Mäder
Dass Polizisten in der Schweiz in juristischen Belangen nicht
immer sattelfest sind, hat ein Journalist der englischen Zeitung "The
Guardian" bei seiner Abreise vom WEF in Davos erlebt. Der
Wirtschaftsredaktor Andrew Clark war am späteren Samstagnachmittag
im Zug unterwegs nach Landquart, als Polizisten in Kampfmontur den Zug
in Fideris stoppten und die Passagiere kontrollierten. Grund waren
Teilnehmer der Anti-WEF-Demonstration, die sich nach gewalttätigen
Angriffen auf die Polizei zumindest teilweise in diesem Zug aus Davos
absetzten. Clark macht mit seinem Smartphone-Aufnahmen von der
Polizeiaktion, wie er in einem Bericht schreibt. Das passt den
Polizisten jedoch nicht. Sie fordern ihn auf auszusteigen, wo ihm
sofort mit Kabelbindern die Hände hinter dem Rücken
zusammengebunden werden. Damit beginnt seine dreistündige
Erfahrung in polizeilichem Gewahrsam.
"Ich dachte, sie wollten ausserhalb des Zuges kurz meine
Personalien kontrollieren", sagt Clark zu 20 Minuten Online. Nach der
Arretierung sagt er sofort, dass er Journalist sei. Die Polizisten
antworteten, er sehe aus wie ein typischer Demonstrant. "Das ist
ironisch", sagt Clark. Er habe einen Markenmantel getragen und einen
Rollkoffer dabeigehabt. Laut Polizeisprecher Thomas Hobi sass Clark am
falschen Ort unter Demonstranten. Man habe nur die hinteren zwei
Waggons des Zuges kontrolliert. Clark widerspricht dieser Darstellung.
Zwar seien in seinem Waggon viele Demonstranten gesessen, aber um ihn
herum seien normale Gäste gewesen, darunter auch Skifahrer. Diese
seien nicht mitgenommen worden.
Warten auf dem Boden der Tiefgarage
Der Presseausweis nützte Clark nichts. Er musste zusammen
mit den mutmasslichen Demonstranten im Polizeiwagen nach Landquart
fahren. Insgesamt habe die Polizei rund 60 Personen auf den dortigen
Polizeiposten gebracht, wo sie fotografiert und ihre Personalien
aufgenommen wurden, wie Polizeisprecher Thomas Hobi sagte. Die
Fesselung sei das übliche Vorgehen bei einer so grossen
Personenkontrolle. Offenbar war die Polizei in Landquart auch
räumlich überfordert. Clark musste zusammen mit den
übrigen Personen rund eine Stunde lang auf dem Boden der
Tiefgarage sitzen. Sprechen war ihnen verboten.
Dass die Polizisten Clark mitgenommen haben, weil er die Aktion
im Zug fotografierte, darauf deutet auch das Vorgehen bei der
Vernehmung hin. Ein Offizier habe ihm befohlen, die Aufnahmen der
Polizeiaktion zu löschen und die entsprechenden Seiten aus seinem
Notizbuch zu reissen. Wenn er das tue, könne er gehen, sonst
müsse er bleiben, habe der Polizist laut Clark gesagt. Als der
Journalist sich weiterhin weigerte und stattdessen verlangte, dass er
einen Telefonanruf machen könne, haben sich die Polizisten
beraten. Laut Clarks Schilderung führte der Offizier daraufhin
selbst ein Telefongespräch und liess ihn danach gehen.
Löschung unrechtmässig verlangt
Die Kantonspolizei Graubünden bestätigt den Vorfall und
stellt klar: "Auf öffentlichem Grund darf man in Graubünden
auch Polizisten fotografieren." Dass somit unrechtmässig ein
Polizeioffizier die Löschung der Aufnahmen verlangt hat, versucht
Sprecher Hobi positiv zu deuten: "Die Polizisten haben von Clark
gewünscht, dass er die Bilder lösche, weil darauf auch
unschuldige Personen zu sehen sind." Es sei um den
Persönlichkeitsschutz von Unbeteiligten gegangen. Clark
widerspricht: "Es war eine Aufforderung." Zudem hätten die
Polizisten auch die Vernichtung von Notizen gefordert, auf denen ja
keine Personen zu erkennen waren.
Als mögliche Erklärung führt Hobi auch an, dass
Polizisten aus mehreren Kantonen im Einsatz standen, die nicht
unbedingt juristische Kenntnisse der Bündner Verhältnisse
hatten. "Wir klären nun ab, wie der Fall abgelaufen ist", sagt
Hobi. Falls es doch eigene Polizisten waren, hätte dies
Konsequenzen - aber keine gravierenden: "Wenn sich herausstellt, dass
ein einzelner Polizist keine ausreichenden juristischen Kenntnisse hat,
dann bringen wir ihn auf den aktuellen Stand." Bei Clark entschuldigt
hat sich die Kantonspolizei nicht, sagt Hobi. Es sei ja kein Unrecht
geschehen. Clark klärt mit seinen Vorgesetzten das weitere
Vorgehen ab.
---
Tagesanzeiger 1.2.11
WEF: Polizei verletzte Pressefreiheit
Foppa Daniel
Für den Journalisten Andrew Clark der britischen
Tageszeitung "The Guardian" hat das WEF mit einem einschneidenden
Erlebnis geendet: Als er am Samstag Davos per Zug verlassen wollte,
geriet er in eine Kontrolle der Polizei. Diese verfolgte
Anti-WEF-Aktivisten, die Sachbeschädigungen verursacht hatten.
Clark fotografierte den Einsatz und machte sich Notizen auf seinem
Notebook.
Trotz Presseausweis wurde auch er angehalten. Polizisten banden
Clark die Hände auf den Rücken und brachten ihn in ein
Polizeigebäude nach Landquart. Dort forderten sie ihn auf, die
Fotos und Aufzeichnungen zu löschen. "Sie haben eine Minute. Wenn
Sie die Fotos und Notizen löschen, können Sie gehen. Wenn
nicht, bleiben Sie hier", habe ihm ein Offizier gesagt, so Clark im
Internet. Ob man denn in der Schweiz Polizisten nicht fotografieren
dürfe, fragte der Journalist, worauf ihm beschieden wurde: "Am WEF
gelten besondere Regeln." Clark kam der Aufforderung nicht nach.
Dennoch liess man ihn nach drei Stunden in Polizeigewahrsam ziehen.
Thomas Hobi, Sprecher der Bündner Kantonspolizei,
bestätigt den Vorfall und sagt: "Da ist nicht alles optimal
gelaufen." Es sei erlaubt, Polizisten auf öffentlichem Grund zu
fotografieren und sich zu einem Polizeieinsatz Notizen zu machen. Man
werde den Fall analysieren und Konsequenzen für künftige
Einsätze ziehen. "Wir werden unsere Leute", so Hobi, "nochmals auf
die Regeln der Pressefreiheit hinweisen."(daf)
---
NZZ 1.2.11
Bündner Polizei am "Guardian"-Pranger
Klage über Behandlung in Davos
ark. · Die Geschichte hat auf dem Online-Portal des
englischen "Guardian" für Aufsehen gesorgt: Dutzende von
Kommentatoren kritisieren dort das Verhalten der Bündner Polizei.
Grund für den Unmut sind die ungemütlichen Erlebnisse des
Journalisten Andrew Clark auf der Heimreise vom WEF in Davos am
Samstag. Clark reiste zufälligerweise im gleichen Zug wie ein Teil
der Demonstranten, die zuvor gegen das WEF protestiert hatten. In
Fideris wurde der Zug von Polizei in Kampfmontur angehalten und
durchsucht. Clark war eine von rund 50 Personen, die, die Hände
auf dem Rücken gefesselt, aus dem Zug geholt und anschliessend
nach Landquart zur Befragung gebracht wurden. Erst nach drei Stunden
habe man ihn mit den Worten "you can go back to your country" aus
Fesseln und Gefangenschaft entlassen, berichtet Clark. Thomas Hobi von
der Bündner Kantonspolizei erklärt auf Anfrage, Clarks
Schilderung sei korrekt. Es habe sich beim Vorgehen seiner Kollegen um
eine normale Kontrolle gehandelt. Man habe sicherstellen müssen,
dass die Demonstranten, die zuvor in Davos für
Sachbeschädigungen gesorgt hätten, nicht unregistriert
verschwänden.
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St. Galler Tagblatt 1.2.11
Nicht ausdiskutiert
Armeebestand wird laut Maurer Streitpunkt bleiben.
Die Rechnung des Bundes 2010 schliesst um fünf Milliarden
besser ab als erwartet. Müssen Sie nun im VBS weniger sparen?
Ueli Maurer: Das ist eine vorübergehende Situation. Die
Begehrlichkeiten sind gross. Wir schieben nicht nur in der Armee,
sondern auch bei den Sozialwerken oder beim Verkehr eine Schuldenwelle
vor uns hin. Deshalb glaube ich nicht, dass sich für uns etwas
ändert. Wir könnten im Moment gar nicht mehr Geld ausgeben
wegen der Schuldenbremse. Zudem müssten wir die Projekte erst
wieder aufgleisen.
Was ist eigentlich Ihre Vision der Armee?
Maurer: Ich vertrete die Haltung des Bundesrates: Der sieht eine
Armee mit 80 000 Mann, mit jährlich 4,4 Milliarden Ausgaben und
neuen Kampffliegern vor.
Und Sie persönlich?
Maurer: Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich gerne etwas mehr
in die Armee investieren würde. Denken Sie an Davos letzte Woche.
Die Welt wird immer unsicherer. Wer in einem Hotel eine harmlose
Explosion verursachen kann, kann auch irgendwann eine Bombe legen. Um
das zu verhindern, muss rund um die Uhr jedes Hotel, jeder Raum
überwacht werden. Das braucht Personal. Je kleiner die Armee,
desto weniger kann sie solche Aufgaben erfüllen. Ich bin
überzeugt, die Diskussion über die Grösse der Armee ist
noch lange nicht beendet.
Die kleine Explosion am WEF soll den höheren Bestand
rechtfertigen?
Mauer: Was ich damit sagen will: Weil die
Sicherheitsanforderungen immer komplexer werden, braucht es tendenziell
mehr Leute, um die Sicherheit zu garantieren. Die Polizei hat bei uns
wenig Möglichkeiten. Für Anlässe wie das WEF dagegen ist
die Armee massgeschneidert. Im längerfristigen Sicherheitsdenken
wird die Armee deshalb höheren Stellenwert erhalten. Dafür
braucht sie Mittel. Interview: eno/ja
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POLICE FR
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Freiburger Nachrichten 4.2.11
SVP-Grossrat fordert "vorbeugende Massnahmen" bei Demonstrationen
Es gebe nicht genügend Mittel, um gewalttätigen
Ausschreitungen an Kundgebungen vorzubeugen, meint Stéphane
Peiry. Der Grosse Rat stimmte dem zu und überwies das Postulat
klar mit 65 zu 18 Stimmen an den Staatsrat.
Carolin Foehr
Freiburg Sein Schreiben hatte Stéphane Peiry, SVP-Grossrat
aus Freiburg, eine Woche nach den gewaltsamen Ausschreitungen vor dem
Freiburger Zentralgefängnis im Juni 2010 eingereicht. Darin hatte
er bemängelt, den Behörden fehle es an wirksamen Mitteln, um
solche Eskalationen zu verhindern.
Konkret schlug er drei zusätzliche Massnahmen vor:
präventive Kontrollen im Vorfeld der Kundgebung, die Schaffung
eines eigenen Gerichtes "für frisch begangene Strafen" und ein
Verbot, maskiert oder vermummt zu demonstrieren. Andere Kantone
hätten solche Massnahmen bereits eingeführt. "Die Liste
könnte beliebig verlängert werden", fügte er gestern im
Grossen Rat hinzu.
"Vermummungs-Verbot"
In seiner schriftlichen Antwort von Ende Dezember hatte sich der
Staatsrat schon bereit erklärt, "abzuklären, ob der Polizei
im Rahmen gewalttätiger Demonstrationen nicht weitere Rechte
eingeräumt werden sollten". Dies bekräftigte Justizdirektor
Erwin Jutzet gestern in der Parlamentssitzung. Er werde die
Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft suchen und ein
"Vermummungs-Verbot" prüfen, versprach er.
Auch die FDP und die CVP unterstützten den Vorstoss der SVP.
CVP-Sprecherin Emmanuelle Kaelin-Murith aus Bulle verlangte allerdings,
dass zunächst geklärt werden müsse, ob ein reeller
Handlungsbedarf bestehe. "Mit Verboten sollte man nicht leichtfertig
umgehen", sagte sie.
Gegen die Übergabe des Postulats sprachen sich das
Mitte-links-Bündnis und die SP aus. Für Benoît Rey
(MLB, Freiburg) roch der Vorstoss allzu sehr nach Wahlkampf-Strategie.
Zudem seien die vom Staatsrat im Sicherheitskonzept aufgezählten
Massnahmen ausreichend. Ebenso argumentierte SP-Grossrat Pierre-Alain
Clément: "Das Postulat wäre nur eine Doublette
früherer Vorstösse."
Bericht erweitern
Genau dieses Sicherheitskonzept war Gegenstand der
anschliessenden Kenntnisnahme durch den Grossen Rat. Ausgehend von
einem Postulat der CVP-Grossrätin Gabrielle Bourguet aus Granges
vom September 2008 hat der Staatsrat in Zusammenarbeit mit den
Oberämtern einen Bericht über die Sicherheitsmassnahmen bei
Sport- und Kulturanlässen verfasst und vor drei Wochen
veröffentlicht (die FN vom 13. Januar).
Die Studie, die nun über die Sicherheit an Demonstrationen
verfasst werden soll, werde eine Ergänzung des Konzepts bilden, so
der Staatsrat.
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POLICE ZH
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Tagesanzeiger 4.2.11
Kennzeichnung: Stadtpolizisten sind wütend auf die Politiker
Polizeikritische Anwälte erhoffen sich durch die neue Regel
eine Erleichterung ihrer Arbeit.
Von Beat Metzler und Stefan Hohler
Zürich - "Riesige Empörung" herrsche im Polizeikorps,
sagt Gabriel Allemann, seit 30 Jahren Polizist und Vizepräsident
des städtischen Polizei-Beamten-Verbandes. Die Politik habe der
Polizei ihr Misstrauen ausgesprochen.
Grund für die Aufregung: Randalierende Fans und
1.-Mai-Demonstranten werden künftig nicht mehr identischen
Polizisten in Kampfmontur gegenüberstehen, sondern identischen
Polizisten in Kampfmontur, die angeschrieben sind. Dies hat der
Zürcher Gemeinderat knapp beschlossen (TA von gestern). Anders als
im normalen Dienst werden aber keine Namen auf den Uniformen stehen,
sondern Codes, die bei jedem Einsatz wechseln. Die Codes dürften
weder zu einfach noch zu kompliziert ausfallen, sagt Gemeinderat
Balthasar Glättli (Grüne). Sie könnten etwa aus zwei
Buchstaben und zwei Zahlen bestehen. Sie sollen helfen, fehlbare
Polizisten im Nachhinein zu identifizieren.
SP, Grüne, AL und einem Teil der Grünliberalen fehle
die Achtung vor den einzelnen Polizisten, sagt Gabriel Allemann. Sonst
hätten sie anders entschieden. Belästigungen im Alltag, denen
einige Polizisten schon heute ausgesetzt seien, würden wegen der
Codes zunehmen. "Ich befürchte auch, dass gewalttätige
Demonstranten noch häufiger Anzeige gegen uns erstatten." Auch
wenn ein Verfahren eingestellt werde, was in den allermeisten
Fällen geschehe, belaste ein solches den betroffenen Polizisten.
Eine Folge könnte sein, dass sich die Polizisten künftig in
brenzligen Situationen zurückhalten würden, um sich nicht
unnötig zu exponieren. "So kauft man uns den Schneid ab."
Eine weitere Sorge von Allemann ist, dass Chaoten markierte
Polizisten gezielt angreifen. Nach einer Festnahme könnten
einzelne Beamte so zu einer "regelrechten Zielscheibe" werden.
"Nichts zu befürchten"
Die SVP kritisiert, dass sich Aktivisten vermummten, Polizisten
sich dagegen anschreiben müssten. Solange die politische
Führung der Polizei das Vermummungsverbot nicht konsequent
durchsetze, schütze sie "linksextreme Chaoten". Unterstützung
erhalten die Stadtpolizisten auch vom Schweizerischen Verband der
Polizei-Beamten. In einer Stellungnahme an die Gemeinderäte
unterstellt dieser den Befürwortern sogar, sie gehörten dem
gleichen Lager an wie die gewalttätigen Aktivisten.
Linke und Grüne haben mit der Kennzeichnung ein
langjähriges Anliegen durchgesetzt. Laut Balthasar Glättli
dürfen die Codes die Polizisten nicht zum öffentlichen
Freiwild machen. "Die Namen dahinter werden nur in Strafverfahren
aufgedeckt. Für die Polizei ist es sicher kein Problem, diese
Daten vertraulich zu halten." Es gehe auch nicht darum, Polizisten zu
schikanieren. "Anständige Beamte haben nichts zu befürchten."
Die Kennzeichnung erhöhe im Gegenteil die Legitimität der
Polizei und ihres Gewaltmonopols. "Wir haben die Pflicht, alle
Vorwürfe abzuklären und zu prüfen. Die Kennzeichnungen
vereinfachen dies." Dass solche Verfahren Kosten verursachten, lasse
sich in einem Rechtsstaat nicht vermeiden. "Sonst könnte die
Polizei ja auch aufhören, Bagatelldelikte zu verfolgen."
Mehrere Anwälte, die Menschen bei polizeilichen
Übergriffen vertreten, glauben, dass die Kennzeichnung ihre
Beweisführung erleichtere. Marcel Bosonnet schildert einen Prozess
wegen Körperverletzung, bei dem der Kreis der Verdächtigten
auf drei Polizisten eingeschränkt wurde. Diese hätten sich
aber gegenseitig gedeckt. Es kam zu keinem Schuldspruch. Viktor
Györffy erzählt von einem ähnlichen Fall: Während
eines 1.-Mai-Einsatzes hätten Polizisten einem Unbeteiligten aus
nächster Nähe Gummischrot ins Gesicht geschossen. Auch hier
gelang es dem Staatsanwalt nicht, den schuldigen Polizisten aus der
betreffenden Einheit zu identifizieren. Beide Anwälte sind
überzeugt, dass eine Kennzeichnung zumindest weitergeholfen
hätte. "Die Schilder werden zudem eine abschreckende Wirkung auf
gewisse Polizisten ausüben", sagt Anwältin Manuela Schiller.
Und Fotos von Polizeieinsätzen gewännen durch die
Kennzeichnungen mehr Beweiskraft.
In Basel kein Problem
Zürich ist nicht die erste Schweizer Stadt, die ihre
Polizisten anschreibt. Basler Stadtpolizisten tragen auf normalen
Patrouillen Namensschilder. Beim "unfriedlichen Ordnungsdienst", etwa
an Anti-WEF-Demonstrationen oder gegen randalierende Fussballfans,
werden die Polizisten mit Nummern auf den Schulterpatten versehen. Es
habe damit nie Probleme gegeben, sagt David Gelzer, Präsident des
Basler Polizei-Beamten-Verbands. Dies bestätigt Klaus Mannhart,
Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt. Die Namensschilder und
Nummern hat Basel bereits 1997 eingeführt. Zwei Wochen nach jedem
Einsatz wird die Nummernliste gelöscht, im Computer erscheint sie
nicht. Auch Berner Kantonspolizisten sind bei
Demonstrationseinsätzen mit Nummern markiert.
Bei der Kantonspolizei Zürich sind dagegen weder
Namensschilder noch Nummern ein Thema, wie Marcel Strebel, Chef der
Informationsabteilung sagt. An den 1.-Mai-Demonstrationen werden in
Zukunft also gekennzeichnete Stadtpolizisten neben anonymen
Kantonspolizisten gemeinsam im Einsatz stehen.
--
Kommentar
Zeichen schaffen Klarheit
Von Peter Aeschlimann
Niemand mit Verstand misstraut der Zürcher Polizei
grundsätzlich. Unfehlbar sind Beamte jedoch genauso wenig wie wir
alle.
Bisher konnten Menschen, die negative Erfahrungen mit Polizisten
in Kampfmontur gemacht haben, vor Gericht nur Angaben machen wie: "Ein
Mann mit blauem Helm hat mich geschlagen." Echte Aufklärung
etwaigen Fehlverhaltens war so kaum möglich. Die vom Gemeinderat
beschlossene Kennzeichnung der Beamten im unfriedlichen Ordnungsdienst
löst nun genau dieses Problem.
Ja, auch vermummte Chaoten werden die Codes auf den Uniformen
lesen. Anfangen können sie damit aber herzlich wenig. Denn die
Polizei hat dafür zu sorgen, dass die Liste mit den zu den Zahlen
gehörenden Namen nicht in falsche Hände und auf dubiose
Portale im Internet geraten kann. Das ist einer Truppe zuzutrauen, die
täglich mit heiklen Daten zu tun hat. Die Furcht der Beamten vor
Übergriffen auf Familienmitglieder ist unbegründet.
Es ist richtig, dass nur der Staat knüppeln, einkesseln und
verhaften darf. Wer aber das Gewaltmonopol innehat, benötigt auch
das Vertrauen jener, die es zu beschützen gilt. Dafür braucht
es nicht nur Regeln, sondern auch taugliche Mittel, um Missbrauch zu
ahnden.
--
Neue Polizeiverordnung
Tauben dürfen weiterhin gefüttert werden
Zürich - Soll die Stadt das Füttern von wild lebenden
Tieren verbieten dürfen? In der Nacht auf gestern Donnerstag
diskutierte der Gemeinderat den umstrittenen Artikel in der neuen
allgemeinen Polizeiverordnung (APV). Es gehe nicht darum, das
Füttern von Enten im Zürichsee grundsätzlich zu
verbieten, sagte Marianne Aubert (SP). Vielmehr wolle man mit dem
Verbot verhindern, dass sich Füchse, Ratten oder Tauben
unkontrolliert vermehren können. Dezidiert gegen ein Verbot
stellte sich die SVP. Fraktionschef Mauro Tuena erzählte dazu eine
rührende Anekdote aus seiner Kindheit: "Ich mag mich gut erinnern,
wie ich mit meiner Grossmutter jeweils aus dem Kreis 4 an den edlen
Zürichsee spaziert bin und dort unser hartes Brot an die Enten
verfüttert habe." Alecs Recher (AL) betonte, dass genau dieser
Kontakt zu Tieren für Menschen in der Stadt extrem wichtig sei. Um
Krankheiten vorzubeugen, müsse man informieren, nicht verbieten.
In Notfällen könne der Kanton ausserdem bereits heute ein
temporäres Verbot aussprechen. Mit 68 zu
41 Stimmen wurde der Artikel, wenn auch in abgeschwächter Form, in
der APV beibehalten. Neu heisst er: "Der Stadtrat kann das Füttern
wild lebender Tiere einschränken."
Alkohol auf Spielplätzen erlaubt
Beibehalten wird auch die Vorschrift, dass für das Wild
gefährliche Hunde in Wildschonrevieren an der Leine zu führen
sind. Dagegen waren SVP, FDP und CVP. Es sei einem Polizisten nicht
zuzumuten, abschätzen zu können, welcher Hund gefährlich
sei, sagte Roger Tognella (FDP). Polizeivorsteher Daniel Leupi
(Grüne) entgegnete, dass es seltsam anmute, wenn in
städtischen Grünanlagen die Menschen geschützt
würden, die Rehe im Wald jedoch nicht. Mit 74 zu 45 Stimmen
beliess der Rat die Leinenpflicht in der APV.
Gestrichen wurde hingegen das Alkoholverbot auf öffentlichen
Kinderspielplätzen und der sogenannte Botellón-Artikel.
Dieser verlangte, dass Personen, welche öffentliches Eigentum
verunreinigen, nebst einer Busse auch die Instandstellungskosten zu
bezahlen hätten. Über die restlichen Artikel befindet der
Gemeinderat am 2. März. Unter anderem wird dann das
Veloreparierverbot auf Trottoirs zur Debatte stehen.
Peter Aeschlimann
---
Limmattaler Tagblatt 4.2.11
Polizeiverordnung sorgte für hitzige Debatten
Stadt Zürich Besonders umstritten im Parlament war die
individuelle Kennzeichnung von Polizisten in Kampfmonturen
Bereits vor eineinhalb Jahren hatte sich das Parlament der Stadt
Zürich mit dem stadträtlichen Entwurf zur neuen Allgemeinen
Polizeiverordnung (APV) befasst. Diese regelt das Zusammenleben im
öffentlichen Raum und soll die Polizeiverordnung aus dem Jahr 1977
ersetzen.
Der Gemeinderat befand die Vorlage der damaligen
Polizeivorsteherin Esther Maurer (SP) als engstirnig, überladen
und gewerbefeindlich. Diskussionsstoff lieferten insbesondere
Alkoholverbotszonen, Lärmvorschriften, Ruhezeiten bei Bauarbeiten,
Regeln für das Füttern von Tauben, Füchsen und Ratten
sowie das Flicken von Velos auf öffentlichem Grund.
Sub- und Spezialkommissionen hatten - auch in Zusammenarbeit mit
dem neuen Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) - während
21Monaten die Vorlage überarbeitet. Rund
50Änderungsanträge zu 32Artikeln hätten am Mittwoch
behandelt werden müssen.
"Unfriedlicher Ordnungsdienst"
Bereits bei Artikel3 entspann sich jedoch am späten
Mittwochabend eine sehr lange Debatte. Dabei ging es um die
Kennzeichnung der Ordnungskräfte im Einsatz.
Konkret sollen Polizisten im "unfriedlichen Ordnungsdienst" eine
individualisierte, wechselnde Kennzeichnung tragen. Das heisst, dass
Polizisten in Kampfmonturen, wie diese sie beispielsweise am 1.Mai
tragen, erkennbar sein sollen. Dies ist ein langjähriger Wunsch
der Linken. Nur mit einer individuellen Kennzeichnung könne man
bei einem Fehlverhalten konkret Anzeige erstatten und nicht einfach
"gegen einen Polizisten mit Helm", sagte eine SP-Vertreterin. Die
Gegner hielten den Artikel für "unangemessen, unnötig und
unfair". Auch sei er ein Misstrauensvotum gegen die Polizei. Die
Polizisten würden zu Straftätern gemacht, Racheakte gegen
Polizisten erleichtert - beispielsweise durch Internetpranger.
Mehrheit für die Kennzeichnung
Der Linken (SP, Grüne, AL) wurde einseitige Wahrnehmung
vorgehalten. Demonstranten seien vermummt - trotz Vermummungsverbot -,
aber Polizisten sollten angeschrieben sein. Das widerspreche dem
gesunden Menschenverstand.
Stadtrat Leupi, Vorsteher des Polizeidepartements, vertrat die
Ansicht, dass die Polizei sehr gut arbeite, wenn auch nicht fehlerfrei.
Aus Sicht des Stadtrates brauche es keine neue Regelung. Der Rat
war jedoch nicht dieser Ansicht. Mit 63 zu 59Stimmen votierte er
für die Kennzeichnung.
Zu später Stunde rang sich der Rat zu einem so genannten
"Leichtbier-Artikel" durch. Er ersetzt die einst vorgeschlagenen
alkoholfreien Zonen.
Zur Vermeidung von Gewalttätigkeiten kann der Vorsteher des
Polizeidepartements bei Veranstaltungen mit hohem
Gefährdungspotenzial am Veranstaltungsort und in der näheren
Umgebung die Abgabe von Bier mit über 3Vol.%Alkohol zeitlich
befristet verbieten. Der Verkauf von Bier bis 3Vol.%Alkohol ist in
diesem Gebiet nur im Offenausschank erlaubt. Zum Zuge kommt der Artikel
beispielsweise bei Fussballspielen mit hohem Risiko.
Ausnahmen können für einzelne abgegrenzte und
kontrollierte Bereiche innerhalb von Gastwirtschaften genehmigt werden.
Am 2.März wird der Rat die Beratung zur APV fortsetzen. (sda)
---
NZZ 4.2.11
Tumult um Bier und Randale
Stadtzürcher Polizeiverordnung knapp zur Hälfte
besprochen
Am Mittwochabend hat der Zürcher Gemeinderat lange über
die Polizeiverordnung diskutiert. Trotzdem wurde erst über 13 von
32 Artikeln abgestimmt.
rsr. · Die Allgemeine Polizeiverordnung (APV) hätte
am Mittwochabend nach langer Vorgeschichte vom Zürcher Gemeinderat
verabschiedet werden sollen. Trotz - oder vielmehr wegen - langen
Diskussionen ist dies nicht gelungen: Die Geister hatten sich vor allem
in der Frage der Kennzeichnung von Polizisten beim unfriedlichen
Ordnungsdienst geschieden. Einig wurde man sich zwar nicht, aber eine
knappe Mehrheit setzte mit 63 zu 59 Stimmen durch, dass Polizisten
künftig bei Demonstrationen mit individueller Kennzeichnung
versehen sein müssen (NZZ 3. 2. 11).
"Entschlackungsmassnahmen"
Erwartungsgemäss wurde ein Artikel, der ein
diskriminierungsfreies Verhalten der Polizei festschreiben sollte, klar
abgelehnt, ist dies doch laut Polizeivorsteher Daniel Leupi bereits auf
höherer Ebene geregelt. Wenig später wurde dafür das
Verhalten gegenüber Polizeiorganen weniger ausführlich
geregelt als im Entwurf des Stadtrats vorgesehen. So ist ein Absatz,
der es verboten hätte, falsche Angaben zu seinen Personalien zu
machen, gegen die Stimmen von SVP und GLP gestrichen worden.
Solche als "Entschlackungsmassnahmen" gepriesenen Kürzungen
der APV wurden von unterschiedlichsten Seiten angestrebt. Der
Verordnungsentwurf wurde so um mehrere Artikel und Absätze
abgespeckt. Meist diente allein die Vision eines schlanken und
umsetzbaren Regelwerks als Begründung für die
Streichungsanträge. Dies hinderte aber kaum einen Redner daran,
später in der Debatte auf Partikularinteressen zu beharren, wie
auch Niklaus Scherr (al.) den Gemeinderäten vorwarf.
Leichtbier erlaubt
In seinen Augen war eine solche Regelung beim Artikel zur
Alkoholabgabe zu finden. Nachdem nämlich die Möglichkeit in
der APV verankert worden war, "bei Veranstaltungen mit hohem
Gefährdungspotenzial" den Verkauf von Bier einzuschränken -
Leichtbier bleibt erlaubt -, wollte eine Mehrheit von 102
Gemeinderäten, dass Ausnahmen "für einzelne abgegrenzte und
kontrollierte Bereiche innerhalb von Gastwirtschaften" genehmigt werden
können.
Tierfreunde werden dagegen erleichtert feststellen, dass der
Stadtrat das Füttern wild lebender Tiere nicht verbieten, sondern
nur einschränken kann.
Die Beratungen der APV erstreckten sich über die ganze Dauer
der Doppelsitzung vom Mittwoch, bis die Präsidentin Marina
Garzotto die Gemeinderäte kurz nach 23 Uhr 30 entliess. Die
restlichen 19 Artikel (von 32) sollen nun am 2. März zu Ende
diskutiert werden.
---
20 Minuten 4.2.11
"Bei kritischen Situationen greift die Polizei weniger ein"
ZÜRICH. Stadtpolizisten müssen etwa am 1. Mai neu eine
Kennzeichnung tragen. Damit würden sie von den Politikern
bloss-gestellt, ärgert sich der Polizeibeamtenverband.
Was halten Sie vom Entscheid des Zürcher Gemeinderats?
Gabriel Allemann*: Zuerst wird uns der Lohn gekürzt und nun
wollen uns die Politiker auch noch blossstellen. Wir Polizisten sind
darüber frustriert und finden den Entscheid inakzeptabel.
Warum sträuben Sie sich so sehr gegen die individuelle
Kennzeichnung?
Sie ist einerseits unnötig, weil man bereits heute genau
weiss, welcher Polizist wo im Einsatz steht. Andererseits weil sie alle
Ordnungshüter vorverurteilt. Dies zeigt, wie wenig die Politiker
unsere Arbeit wertschätzen - nicht gerade motivierend. Zudem ist
zu erwarten, dass markierte Polizisten von Chaoten gezielt ausgesucht
und angegriffen werden.
Wie wirkt sich der Entscheid auf die Arbeit der Stapo aus?
Der Papierkrieg wird wieder einmal vergrössert, dadurch
dauert es länger, bis die Beamten an einem Einsatzort sind. Wegen
der Kennzeichnung sind sie an der Front ausgestellt - dies wird dazu
führen, dass sie in kritischen Situationen aus eigenem Interesse
weniger eingreifen werden. So können sie einer falschen
Anprangerung entgehen. Zudem wird es für die Stadtpolizei dadurch
noch schwieriger, gute Leute zu finden.
Die Grünen, Partei von Polizeivorsteher Daniel Leupi, haben
die Kennzeichnung unterstützt. Fühlen Sie sich von ihm zu
wenig ernst genommen?
Wir wünschen uns, dass er mehr auf die Polizisten an der
Basis hört und das Gespräch mit Personalvertretern sucht.
Regina Ryser
*Vizepräsident des städtischen Polizeibeamtenverbandes
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Blick am Abend 3.2.11
Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit
DEMOS
Polizisten werden an Demos gekennzeichnet. Werden auch Chaoten
härter angefasst?
Das ist absurd", ereifert sich Claudio Zanetti. "Es kann doch
nicht sein, dass jene, die gegen das Gesetz verstossen, besser dran
sind als jene, die das Gesetz vertreten müssen."
Der SVP-Kantonsrat ist gar nicht einverstanden mit einem
Entscheid, den der Stadtzürcher Gemeinderat gestern Abend
fällte: Künftig müssen Polizisten in Kampfmontur an
Demonstrationen eine gut sichtbare Zahl oder einen Code tragen. So
sollen sie identifizierbar sein, sollte sich einer falsch verhalten.
SP, AL, Grüne und ein Teil der Grünliberalen brachten diese
Vorschrift in der neuen Polizeiverordnung unter. Gegen den Widerstand
der Bürgerlichen.
Polizisten also werden gekennzeichnet, während Chaoten
weiterhin vermummt bleiben.
Für die Moral des Korps sei dieser Entscheid verheerend,
meint Zanetti. Denn es sei ein klares Misstrauensvotum gegen die
Polizei. "Eigentlich sollte doch der Ordnungshüter diejenigen
identifizieren können, die an illegalen Demos teilnehmen und nicht
umgekehrt", sagt Zanetti. Das Vermummungsverbot aber kann die Polizei
wegen dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht durchsetzen.
"Deshalb fordere ich im Kantonsrat, dass die Polizei Vermummte
wenigstens in Polizeihaft nehmen kann." So soll sie präventiv
eingreifen können (Blick am Abend berichtete über diese
Motion).
Für Zanetti kommt es jetzt zur Stunde der Wahrheit: "Wenn
die Linke das nicht unterstützt, dann ist ihre Haltung eindeutig:
Pro Chaoten, gegen die Ordnungshüter." mip
---
Tagesanzeiger 3.2.11
Stadtpolizisten müssen an Demos bald Kennzeichen tragen
Eine Mehrheit des Zürcher Gemeinderats will verhindern, dass
Beamte anonym Gewalt ausüben können.
Von Peter Aeschlimann
Zürich - Der Gemeinderat behandelte gestern bis spät in
die Nacht den Entwurf für eine neue Polizeiverordnung (APV). Bis
Redaktionsschluss kam er nicht weit. Eine heftige Debatte entbrannte
bereits bei Artikel 3 von 32.
Es geht darin um die "individualisierte Kennzeichnung von Beamten
im unfriedlichen Ordnungsdienst". Die Uniformen von Polizisten, die zum
Beispiel bei 1.-Mai-Krawallen im Einsatz stehen, sollen demnach
künftig mit einer Zahl oder einer Reihe von Symbolen versehen
werden. Dieser bei jedem Einsatz wechselnde Code würde es
erlauben, im Nachhinein etwaiges fehlbares Verhalten einem Individuum
zuzuordnen. Seit 2002 tragen die Beamten der Stapo Namensschilder im
friedlichen Ordnungsdienst, etwa bei Verkehrs- oder Personenkontrollen.
Für Marianne Aubert (SP) böte eine Ausdehnung auf
sämtliche Korpsmitglieder einen Schutz für all jene, die sich
korrekt verhielten. Es gehe ihrer Partei nicht darum, die
Persönlichkeit der Polizisten preiszugeben und auszustellen. Man
wolle einzig und allein verhindern, dass die Polizisten anonym schalten
und walten können.
Furcht vor Attacken
Als unfair und unangemessen bezeichnete Marc Bourgeois (FDP) die
von der Ratslinken geforderte Ergänzung in der APV. Eine
aufwendige Kennzeichnung verursache bloss zusätzliche Kosten.
Falls es tatsächlich einmal zu einem Übergriff kommen sollte,
gebe es schon heute zahlreiche Möglichkeiten, die Schuldigen zu
identifizieren. Die Einsatzzentrale sei stets darüber im Bild, wer
sich gerade wo aufhalte. Der Zugführer sei beschriftet, und es
gebe meistens auch Zeugen. Bourgeois warf den Befürwortern der
Kennzeichnung vor, es fehle ihnen an Distanz zu den Chaoten. Diese
würden sich vermummen und Gesetze brechen, die Polizei hingegen
mache nur ihren Job.
Mauro Tuena (SVP) sagte, es gebe Kreise, die alles daran setzen
würden, die Listen mit den zu den Nummern oder Symbolen
gehörenden Namen auf einschlägigen Seiten im Internet zu
veröffentlichen. Und dann würden wieder Wohnungen verschmiert
und Leuten abgepasst. "Wollen sie das wirklich?", fragte Tuena.
Entschieden gegen Namensschilder für Kampftruppen war auch die
CVP. Man dürfe die Polizei nicht dem Pöbel aussetzen, sagte
Urs Rechsteiner.
AL-Gemeinderat Niklaus Scherr empörte sich darüber,
dass die Bürgerlichen Polizisten und Chaoten auf dieselbe Stufe
stellten. In Zürich habe allein die Polizei das Gewaltmonopol.
"Wenn wir aber jemanden dazu berechtigen, Gewalt auszuüben,
braucht es auch gewisse Regeln." Die Grünliberalen beschlossen
Stimmfreigabe. Schliesslich wurde die Ergänzung mit 63 zu 59
Stimmen in die neue APV aufgenommen. SP, Grüne, AL und fünf
Mitglieder der GLP stimmten dem umstrittenen Zusatz zu, SVP, FDP, CVP,
EVP, SD und sieben GLP-Gemeinderäte waren dagegen.
Gegen den Willen des Stadtrats strich das Parlament Artikel 4.2
aus der Verordnung. Dieser verbietet das Angeben von falschen
Personalien. Die Polizei könne bei einem klaren Verdacht jederzeit
jemanden auf die Wache mitnehmen, um die Identität zu
überprüfen, sagte Alecs Recher (AL). Deswegen sei der Absatz
nichts als eine nette Verzierung, auf die man verzichten könne.
Zudem darf der Stadtrat künftig bei Risikospielen anordnen,
dass um den Veranstaltungsort nur Schwachbier ausgeschenkt wird. Der
Rat war mit 90 zu 27 für eine entsprechende Regelung in der APV.
Er lässt aber Ausnahmen zu: So ist es Wirten erlaubt, in
kontrollierten Bereichen stärkeres Bier auszuschenken.
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NZZ 3.2.11
Polizisten beschriften
Der Zürcher Gemeinderat debattiert unerwartet heftig
über die Polizeiverordnung
Die neue Polizeiverordnung soll verschiedenste Belange des
Zusammenlebens regeln. Sie hat am Mittwochabend den Zürcher
Gemeinderat beschäftigt. Bei der Diskussion über die
Kennzeichnung von Polizisten sorgte die GLP für zeitweise
Aufregung.
rsr. · Das Ansinnen, die Allgemeine Polizeiverordnung
(APV) zu erneuern, war bereits unter Stadträtin Esther Maurer
verfolgt worden. Sie legte allerdings ein Regelwerk vor, das weit
übers Ziel hinausschoss. Ihr Nachfolger Daniel Leupi erwies sich
in vielen Punkten als pragmatischer, so dass sich die grosse Mehrheit
der Kommission schliesslich für die neue APV aussprach -
allerdings bei rund 50 Änderungsanträgen. Abgelehnt wurde die
Verordnung in der Kommission nur vom Vertreter der AL. Am Mittwochabend
hat sich nun der Gemeinderat mit der APV befasst.
Lob von allen Fraktionen
Auch wenn die beinahe einmütige Kommissionsempfehlung nicht
auf Missstimmigkeiten oder längeren Diskussionsbedarf hingewiesen
hatte, zeigten bereits die Fraktionserklärungen, dass
Harmoniesüchtige an diesem Abend wohl zu kurz kommen würden.
Andrew Katumba sprach namens der SP-Fraktion von einem "liberalen und
pragmatischen" Ansatz und pries die Freiheiten, die, vom ersten Entwurf
noch verwehrt, den Bürgern gewährt werden sollten:
"Wildlebende Tauben können fast ohne Einschränkung
gefüttert werden."
Anders tönte es von der gegenüberliegenden Ratsseite.
SVP-Fraktionspräsident Mauro Tuena schalt die APV als
"engstirniges und kleinkariertes Regelwerk". Daher habe seine Partei
"diverse entschlackende Detailanträge" gestellt. Von der FDP und
der GP lobten danach Roger Tognella und Markus Knauss die Arbeit von
Polizeivorsteher Leupi. In einzelnen Punkten waren die beiden Redner
zwar uneins, doch schien beiden die neue Regelung "praxisnäher"
und "den Lebensumständen angepasst".
Für die GLP sprach Guido Trevisan und stellte klar, "auf die
Eigenverantwortung der Mitbürger" setzen zu wollen, wie auch
CVP-Fraktionspräsident Christian Traber dazu aufrief, "den
gesunden Menschenverstand nicht zu vergessen". Dennoch fordere das
heutige Ausgehverhalten seinen Tribut und mache es notwendig, Regeln zu
schaffen, "um den Menschen vor sich selber und Mitmenschen zu
schützen". Kritisch äusserte sich Alecs Recher für die
AL-Fraktion: Er glaube nicht, "dass die Sicherheit in Zürich durch
den langen Katalog an Benimmvorschriften verbessert wird". Zahlreiche
der Verbote und Regelungen seien überflüssig. Die SD
schliesslich sahen sich als Einzige im Rat für Ordnung einstehen.
Christoph Spiess hätte denn auch die ursprüngliche Fassung
der Polizeiverordnung von Stadträtin Maurer dem nun vorliegenden
Antrag vorgezogen. Zum Schluss der rund einstündigen
Aufwärmrunde, bestehend aus Fraktionserklärungen und Voten
der Kommissionsvertreter, rief Polizeivorsteher Daniel Leupi in
Erinnerung, dass in der Limmatstadt nicht nur Festbrüder unterwegs
seien, sondern auch eine Wohnbevölkerung lebe. Im Vergleich zu
anderen Städten und Gemeinden sei die Zürcher APV "nicht sehr
restriktiv".
Die Detailberatung der einzelnen Artikel war bereits gestartet,
als plötzlich Aufregung in der linken Ratshälfte ausbrach.
Ihr Vorhaben, Polizisten "im unfriedlichen Ordnungsdienst", also etwa
beim Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten, individuell zu
kennzeichnen, drohte zu scheitern. Die GLP, deren Stimmen zur Mehrheit
erforderlich sind, wollte mit "Nein" abstimmen.
Und plötzlich herrscht Hektik
Fraktionschefs und weitere Exponenten von AL, GP und SP sammelten
sich um die Partei, die nun eine andere Position als ihr Vertreter in
der vorberatenden Kommission einnehmen wollte. Das Scheitern ihres
alten Anliegens vor Augen, legte sich die gesamte SP-Fraktion
tüchtig ins Zeug: Insgesamt acht Redner versuchten allfällige
Unschlüssige von der Richtigkeit ihrer Absichten zu
überzeugen. Die Polizistinnen und Polizisten, wurde mehrfach
versichert, würden keine Namensschilder tragen, sondern Zeichen
oder Nummern, die nur polizeiintern bekannt wären und bei jedem
Einsatz änderten. Eine Identifizierung der Polizeikräfte
solle Aussenstehenden weiterhin nicht möglich sein.
Durch derartige Voten auf die Palme gebracht, sagte Roger Liebi
(svp.) warnend: "Es geht der Linken um die Deckung der Straftäter,
nicht um den Schutz der Polizisten." Käme die Liste der
eingesetzten Polizisten in falsche Hände, wären diese und
auch ihre Familien gefährdet. Wer linksextreme Gewalttäter so
schütze, sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit.
GP-Fraktionschef Markus Knauss formulierte schon bald ein
Ultimatum: Scheitere die neue Regelung, sei fraglich, ob die APV in der
Schlussabstimmung im März durchkomme. Die GLP entschied sich
derweil an einer Ad-hoc-Fraktionssitzung für Stimmfreigabe. So kam
das Anliegen mit Hilfe von Teilen der GLP gegen das Votum des
Polizeivorstehers mit 63 zu 59 Stimmen durch.
Nach Diskussionen wurde ebenfalls der sogenannte
"Leichtbier"-Artikel mit 90 zu 27 Stimmen gutgeheissen. Damit sind
zeitlich und örtlich beschränkte Verbote zum Verkauf von Bier
möglich.
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20 Minuten 3.2.11
Bei Risikoanlässen kann die Stadt Leichtbier verordnen
ZÜRICH. Bei Anlässen mit hohem Gewaltpotenzial kann der
Stadtrat künftig normales Bier verbieten. Das ist eine von
diversen Änderungen in der neuen Polizeiverordnung.
Das Zürcher Stadtparlament hat gestern Abend den Entwurf zur
neuen Allgemeinen Polizeiverordnung behandelt. Dieser hatte im Vorfeld
für heftige Reaktionen gesorgt wegen diverser Benimmregeln des
Stadtrats wie etwa einem Alkoholverbot auf öffentlichem Grund.
Letzteres wird es nun nicht geben, dafür eine eingeschränkte
Bierabgabe in bestimmten Fällen. So hat der Gemeinderat mit 90 zu
27 Stimmen beschlossen, dass der Stadtrat bei "Veranstaltungen mit
hohem Gefährdungspotenzial" - beispielsweise
Hochrisiko-Fussballspiele - die Abgabe von Normalbier zeitlich und
örtlich verbieten kann. Stattdessen darf nur Leichtbier
ausgeschenkt werden. Beizen sind davon ausgenommen.
Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) sagte: "Diese
Einschränkung bringt etwas - es ist erwiesen, dass es einen
Zusammenhang gibt etwa zwischen Gewalt im Sport und Alkohol." Auch
FDP-Sprecher Roger Tognella sagte: "Mit dem Leichtbier hatten wir
während der EM 2008 gute Erfahrungen gemacht." Anders sah dies
GLP-Sprecher Guido Trevisan: "Das Normalbier-Verbot bringt wenig, dann
trinkt ein Hooligan sein Ten-Pack einfach ausserhalb der Zone." Gekippt
hat der Gemeinderat zudem das ursprünglich geplante Verbot, wonach
auf Kinderspielplätzen kein Alkohol konsumiert werden darf. Andere
Punkte wie etwa das umstrittene Taubenfütterungsverbot waren bei
Redaktionsschluss noch nicht behandelt.
Roman Hodel
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Polizisten müssen Nummern tragen
Polizisten in Kampfmonturen müssen künftig - etwa am 1. Mai -
eine individualisierte, wechselnde Kennzeichnung tragen. Das hat der
Gemeinderat gestern im Rahmen der neuen Polizeiverordnung mit 63 zu 59
Stimmen beschlossen. Die langjährige Forderung der Linken war
heftig umstritten. Nur mit einer individuellen Kennzeichnung könne
man bei einem Fehlverhalten konkret Anzeige erstatten und nicht einfach
"gegen einen Polizisten mit Helm", sagte eine SP-Vertreterin. Die
Gegner hielten den Artikel für "unangemessen, unnötig und
unfair". Auch der Stadtrat war dagegen.
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Tagesanzeiger 3.2.11
Podiumsdiskussion über Sicherheit im Ausgang
Den Kollegen bei der Sanität abliefern und weiterfeiern
Rund 60 000 Partygänger sind an einem Wochenende in
Zürich unterwegs. Welche Folgen hat das für Polizei, Anwohner
und Clubs?
Von Sarah Rüegger
Zürich - In Zürich ist die 24-Stunden-Gesellschaft
Realität. Jedes Wochenende pilgern Heerscharen von
Partygängern in die Festhütte der Schweiz - und mit ihnen
kommen Lärm, Abfall und Gewalt. Anwohner sind genervt und
verunsichert, die Polizei arbeitet am Limit. Das Thema Sicherheit ist
besonders in den Stadtkreisen 4 und 5 präsenter denn
je, auch für die Politik. Die FDP lud am Dienstag zur
öffentlichen Podiumsdiskussion im Club X-tra mit Vertretern der
betroffenen Branchen.
Die Diskussionsteilnehmer sind sich einig: Die Clubszene muss mit
der Anwohnerschaft vereinbar sein. Zürich mit seinem Nachtleben
habe eine grosse Magnetwirkung, sagt Markus Kappeler von der X-tra
Productions AG. "Gerade der Ausbau des S-Bahn-Netzes bringt immer neue
Partygänger nach Zürich." Mario Dändliker, Chef Stab
Polizeiregionen der Stadtpolizei Zürich, bestätigt: "Bei so
vielen Menschen im Ausgang brauchen wir dringend mehr Polizisten im
Einsatz." Denn mit der neuen Strafprozessordnung habe der Aufwand
für die Polizei sogar noch zugenommen: "Während ein Polizist
früher am Tatort ein 4-seitiges Formular ausfüllen musste,
hat er heute 16 Seiten zu bewältigen." Auch der personelle Aufwand
pro Einsatz ist gestiegen: "Heute rücken wir mit zwei statt wie
früher mit einem Polizeiwagen aus. So kann der eine den anderen
schützen", sagt Dändliker. Die Polizei setze ausserdem
spezielle Patrouillen ein, welche ausschliesslich für
Ruhestörungen im Einsatz seien.
600 Betrunkene in neuer Zelle
"Auch unsere Ausnüchterungszellen sind eine traurige
Erfolgsgeschichte: Letztes Jahr hatten wir 600 Klienten bei uns", sagt
Dändliker. Die Zellen beherbergen die Härtefälle unter
den Betrunkenen. "Das sind diejenigen, welche im Spital durchdrehen und
deshalb nicht vom normalen Pflegepersonal behandelt werden können."
Die Frustrationsgrenze liege klar niedriger als früher, sagt
auch Remo Michel, Leiter Ausbildung bei der Protectas. Weiter beobachte
er, wie die Eigenverantwortung immer mehr abnehme. "Ich habe schon
Leute erlebt, die nicht wussten, was zu tun war, als ein Freund
bewusstlos am Boden lag. Sie gingen wohl davon aus, dass irgendein
System dann schon greift." Kappeler doppelt nach: "Es gibt diejenigen,
welche den Kollegen bei der Sanität abliefern und dann
weiterfeiern."
Es fehle tatsächlich vermehrt der Respekt voreinander, meint
Rudi Bindella, Gastrounternehmer aus Zürich. Aber auch die
Publikumsausrichtung der Lokale spielt eine Rolle. Im Niederdorf
beispielsweise hätten sich Betriebe eingemietet, welche das Niveau
des Quartiers beeinträchtigten. Dändliker stimmt zu: "Eine
Kneipe zu eröffnen, ist heute relativ einfach." Die Folge sei oft
ein Qualitätsverlust. Renata Taiana, Präsidentin des
Quartiervereins Kreis 4, meint: "Man sollte sich vor jeder
Neueröffnung fragen: Ist der Betrieb für den Standort
verträglich?"
Die Diskussion am Dienstag war zwar spannend, doch die
Lösungsvorschläge blieben vage und schwer umsetzbar: Mehr
Eigenverantwortung, weniger Bürokratie, mehr Polizisten vor Ort.
Gerade dort entsteht laut Mario Dändliker ein neues Problem: "Uns
laufen die Leute weg. Nicht jeder Polizist will jedes Wochenende an der
Front arbeiten."
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POLICE LU
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NLZ 5.2.11
Sollen Polizisten bei Demos gekennzeichnet werden?
Luzern
Jan Flückiger
In Zürich müssen Polizisten bei heiklen Einsätzen
künftig identifizierbar sein. Nun kommt das Thema auch in Luzern
wieder aufs Tapet.
Bei Demonstrationen und anderen Einsätzen in Vollmontur
müssen die Polizisten der Stadt Zürich künftig eine gut
sichtbare Zahl oder einen Code tragen. Damit sollen sie auch im
sogenannten Ordnungsdienst klar identifizierbar sein. Der Code kann
regelmässig gewechselt werden, damit die Anonymität
gewährleistet ist. Dies hat der Zürcher Gemeinderat am
Mittwoch entschieden - auf Antrag der Linken, gegen den Widerstand der
Bürgerlichen.
Nun könnte diese Forderung auch in Luzern zum Thema werden.
"Wir haben dies auch schon öffentlich gefordert", sagt der
Luzerner Juso-Grossstadtrat David Roth, "in einer Aussprache mit
Regierungsrätin Yvonne Schärli, nach der Demonstration im
Vögeligärtli im Dezember 2007." Damals habe die Polizei in
seinen Augen übermässig eingegriffen. Alle Beschwerden seien
aber abgewiesen worden, mit der Begründung, es sei nicht klar,
welchen Polizisten ein Fehlverhalten vorgeworfen werde.
Bürgerliche halten nichts davon
SP-Kantonsrat Giorgio Pardini kann sich gut vorstellen, dass die
SP nun aktiv wird. Der Persönlichkeitsschutz der Polizisten
müsse zwar gewahrt sein, aber das sei mit einer Nummerierung der
Fall. Auch seine Fraktionskollegin Priska Lorenz (Juso) teilt das
Anliegen. Allerdings sei noch nichts Konkretes geplant. Zumindest bei
den Grünen hätte ein solcher Vorstoss gute Chancen. "Das ist
eine alte Forderung der Linken", sagt Fraktionspräsident Adrian
Borgula, "aufgrund von übermässigen Einsätzen der
Polizei in der Vergangenheit." Er kann sich vorstellen, dass seine
Fraktion einen Vorstoss unterstützen würde.
Nichts von der Idee halten hingegen die Bürgerlichen. "Wir
haben ein hohes Grundvertrauen in die Arbeit der Polizei", sagt
FDP-Fraktionspräsident Rolf Born. Es gebe keinen Anlass, daran zu
rütteln. Die Einsätze der Polizei seien in letzter Zeit immer
korrekt gewesen. Zudem wisse man auch ohne eine Nummerierung, wer wo im
Einsatz sei. SVP-Fraktionschef Guido Müller ergänzt: "Das
Vermummungsverbot wird nicht konsequent durchgesetzt. Dort muss man
durchgreifen und nicht die Arbeit der Gesetzeshüter erschweren."
Auch CVP-Fraktionschef Bruno Schmid sieht keinen Grund für eine
Nummerierung. "Die Polizei greift ein, wenn andere sich aggressiv
verhalten", sagt er. "Der Schutz der Polizisten geht vor."
Kanton: "Kein Handlungsbedarf"
Bei der Luzerner Polizei heisst es auf Anfrage: "Unsere
Polizisten tragen seit langem im uniformierten Alltagsdienst ein gut
lesbares Namensschild", sagt Mediensprecher Richard Huwiler. Im
Ordnungsdienst gebe es hingegen keine Namensschilder, aber die Helme
seien mit Zahlen beschriftet, welche die Gruppeneinteilung und damit
intern auch die Namen definierten. "Eine Identifizierung war bisher bei
Beschwerden in der Regel möglich. Deshalb wurde eine
zusätzliche Beschriftung nicht thematisiert." Ähnlich
argumentiert Erwin Rast, Sprecher des Luzerner Justiz- und
Sicherheitsdepartements: "Die aktuell geltende Regelung hat sich bisher
bewährt, sodass kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht." In
Bern und Basel kennt man die Nummerierung der Polizisten schon
länger - in Basel seit 1997. Es habe damit nie Probleme gegeben,
so David Belzer, Präsident des Basler Polizeibeamtenverbands, im
"Tages-Anzeiger". Der Schweizerische Polizeibeamtenverband äussert
sich jedoch klar gegen eine Kennzeichnung.
Jan Flückiger
jan.flueckiger@luzernerzeitung.ch
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RUHE & ORDNUNG
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St. Galler Tagblatt 5.2.11
Anwohner ärgern sich über Besoffene beim Marktplatz
Am Bahnhof Frauenfeld ist es dank Nulltoleranzpolitik und
verstärkter Polizeipräsenz ruhiger geworden. Das Problem
scheint sich aber auf den Marktplatz verlagert zu haben.
Elisabeth Reisp
Frauenfeld. Gemeinderätin Eveline Buff führt eine
Kleintierpraxis beim Marktplatz und erlebt immer wieder, wie Leute sich
dort betrinken, grölen und Flaschen zerschlagen. Das
Wartehäuschen der Frauenfeld-Wil-Bahn musste deshalb geschlossen
werden (siehe TZ von gestern). "Es geht doch einfach nicht an, dass man
lärmen, öffentlich pinkeln und Sachen beschädigen kann,
ohne belangt zu werden", sagt Buff. Tatsächlich kann die Polizei
nicht viel machen. Bis die Polizei vor Ort ist, kann eine halbe Stunde
vergehen. Der Schaden ist dann schon angerichtet. Die Polizisten
können aber Littering oder öffentliches Urinieren nur
verzeigen, wenn sie dies selbst beobachten konnten.
Bahnhof hat Priorität
Geschäftsleute und Anwohner seien davon betroffen. Buff
sieht zwei Gründe für die Problematik. Einerseits die hohe
Event-Dichte, vor allem auch in der Festhalle. Betrunkene Festbesucher
lassen regelmässig eine Spur der Verwüstung hinter sich.
Andererseits aber auch, dass die Polizei sich vor allem auf den Bahnhof
konzentriere, wo seit zwei Monaten die Nulltoleranzpolitik gilt. Dass
der Bahnhof Priorität habe, ist richtig, findet Buff. Aber der
Marktplatz sei nun mal auch ein neuralgischer Punkt.
"Alles wird toleriert"
"Das ist ein gesellschaftliches Problem. Wir tolerieren
mittlerweile einfach alles", sagt Buff. Und die Allgemeinheit
müsse dafür zahlen. Denn die Werkhofmitarbeiter müssen
am Montag den Müll aufräumen.
Werner Sigrist, Leiter Amt für öffentliche Sicherheit
der Stadt Frauenfeld, zeigt sich überrascht vom Marktplatzproblem.
Die Stadtverwaltung habe erst durch den gestrigen Artikel in der TZ
davon erfahren. Man werde die Angelegenheit sicher untersuchen. Ob
allerdings eine ähnliche Lösung wie am Bahnhof angestrebt
werde, darüber kann Sigrist noch nichts sagen. Die
Nulltoleranzpolitik am Bahnhof sei ein Pilotprojekt. Das müsse
sich zuerst bewähren, bevor es auf dem Marktplatz angewendet
werden könne.
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SICHERHEITSDIENSTE
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St. Galler Tagblatt 3.2.11
"Schwarze Schafe gibt es viele"
Nicht nur in der Qualität, sondern auch in der Gesetzgebung
über private Sicherheitsdienste gibt es grosse Unterschiede.
Wolfgang Lesjak betreibt eine Sicherheitsfirma und erklärt, woran
man einen guten Sicherheitsdienst erkennen kann.
Natalie Brägger
Wil. Grosse Männer mit breiten Schultern, dunkler Kleidung
strengem Gesichtsausdruck - Sicherheitsangestellte sind bei vielen
Partygängern nicht wirklich beliebt. Ihren schlechten Ruf haben
sie allerdings nicht von ungefähr, denn es gibt grosse
Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen privaten
Sicherheitsdiensten. "Schwarze Schafe gibt es in unserer Branche leider
viele", sagt Wolfgang Lesjak, Gründer und Inhaber der Wiler
Sicherheitsfirma LBS Schweiz. Auch er erhält viele Bewerbungen,
bei denen er schnell sieht, dass die Leute nicht in sein Team passen.
"Wenn jemand angibt, dass er nebenbei ein wenig arbeiten wolle und
schon seit Längerem Kampfsport betreibe, ist er bei uns falsch",
betont der gebürtige Österreicher.
Unterschiedliche Gesetzeslage
Grund für die Qualitätsunterschiede der verschiedenen
Sicherheitsdienste dürften nicht nur die Charaktere der einzelnen
Angestellten sein, sondern auch die Gesetzgebung. Diese ist
nämlich in jedem Kanton etwas anders. Im Kanton Thurgau braucht
man eine Bewilligung, um eine Sicherheitsfirma betreiben zu
können. Dazu muss der Leiter eine entsprechende Prüfung
ablegen. Die von ihm ausgebildeten Angestellten muss er
halbjährlich beim Kanton melden. Im Kanton St. Gallen ist die
Gesetzgebung etwas strenger. Es muss nicht nur eine Bewilligung
für eine Firma eingeholt werden, sondern sogar für jede
Person, die ohne Ausbildung bei einem Sicherheitsdienst schnuppern
will. Eine Firma, welche die Bewilligung im Kanton Thurgau besitzt,
darf allerdings auch in St. Gallen arbeiten. Ganz anders sieht die
Situation im Kanton Zürich aus: Dort ist für eine
Sicherheitsfirma keine Bewilligung nötig. "Das ist sehr schlecht",
findet Wolfgang Lesjak.
Rechte und Pflichten kennen
Einheitliche Vorschriften darüber, wie die einzelnen
Sicherheitsangestellten genau ausgebildet sein müssen, gibt es
keine. In Wolfgang Lesjaks Unternehmen wird zuerst der Charakter
geprüft, anschliessend dürfen Bewerber bei einem Einsatz
schnuppern. Darauf durchlaufen sie das Ausbildungsprogramm, welches vor
allem das Büffeln von Rechtsgrundlagen beinhaltet. Erst wenn ein
Sicherheitsangestellter seine Rechte und Pflichten kennt, darf er in
Lesjaks Firma die Uniform tragen. Zur Weiterbildung bietet Lesjak
für sein rund 20-köpfiges Team zusätzlich
regelmässig Kurse im Ju Jitsu Club Frauenfeld an. Dabei arbeitet
er mit Roli Bichsel, Selbstverteidigungsinstruktor Polizei und
Militär bei der Kantonspolizei Thurgau, zusammen. Fit halten
können sich die Mitarbeitenden im firmeneigenen Trainingsraum in
Wallenwil. Wichtig ist für Wolfgang Lesjak bei der Arbeit aber vor
allem ein wacher Geist. Sein Ziel ist es, einen passiven
Sicherheitsdienst zu leisten. "Das meiste kann man mit Kommunikation
schlichten, Gewalt ist nie eine Lösung", so die Meinung Lesjaks.
Auf Zertifikate achten
Einen Anhaltspunkt, um professionelle Sicherheitsdienste in allen
Kantonen zu erkennen, gibt es allerdings. Die Paritätische
Kommission Sicherheit (PaKo) Schweiz überprüft
Sicherheitsunternehmen, die mehr als zehn Angestellte
beschäftigen, regelmässig. "Die kleineren entkommen solchen
Kontrollen und können deshalb auch die Preise drücken",
erklärt Wolfgang Lesjak, dessen Firma seit Februar 2009 von der
PaKo zertifiziert ist. "Die Kunden schauen viel zu wenig auf die
Zertifikate, sondern meist nur auf den Preis", weiss Lesjak. Beim
Sicherheitsdienst spare man klar am falschen Ort. Der 32-Jährige
hofft, dass es der Verband Schweizerischer
Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen VSSU bald schafft,
gesamtschweizerische Richtlinien für die Ausübung von
polizeiähnlichen Aufgaben aufzustellen. "Dann werden viele kleine
Firmen verschwinden", vermutet Lesjak.
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BIG BROTHER
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La Liberté 5.2.11
Un engagement politique très suivi par la police cantonale
Surveillance ● Les fiches se suivent et se ressemblent pour le
député Jean-Michel Dolivo, dont l'activité
militante a été dûment consignée.
Arnaud Crevoisier
Le 1er décembre 2009, Jean-Michel Dolivo participe
à une "manifestation contre l'intolérance". Deux jours
après le vote sur l'interdiction des minarets, un cortège
de 3000 personnes défile pacifiquement dans les rues de
Lausanne. Le parcours se termine symboliquement devant la
mosquée.
Ce rassemblement a été dûment consigné
par le groupe des renseignements généraux de la Police de
sûreté. Son rapport désigne l'avocat et
député vaudois comme représentant du Mouvement de
lutte contre le racisme (MLCR), le collectif qui avait lancé
l'appel à manifester. Sur place, un des slogans ("Nous sommes
tous des musulmans") a aussi retenu l'attention policière.
Fiché une première fois
Connu pour son engagement militant, Jean-Michel Dolivo avait
été fiché une première fois comme
organisateur d'une manifestation contre Christoph Blocher en septembre
2007. Après des demandes insistantes auprès du Service de
renseignement de la Confédération (SRC) puis de la police
cantonale, il a finalement reçu de cette dernière, il y a
dix jours, une copie de la fiche en question. Il avait appris
l'existence de ce document dans ses démarches pour
récupérer le premier rapport de renseignement le
concernant (notre édition du 14 janvier).
Contrairement au précédent, ce deuxième
rapport n'avait pas été conservé dans le fichier
des renseignements fédéraux ISIS. En revanche, il
figurait toujours dans celui de la police cantonale. "Nous n'avons pas
été informés par le SRC du fait que les
renseignements contenus dans ce rapport n'avaient finalement pas
été intégrés à la banque de
données ISIS, de sorte que nous avons conservé celui-ci
au titre de document établi pour le compte de la
Confédération", a justifié son commandant, Jacques
Antenen, dans sa réponse écrite à Jean-Michel
Dolivo.
Tout n'est pas éclairci pour autant. Sur la copie obtenue,
le nom d'un autre membre du MLCR a été caviardé.
Est-ce à dire que d'autres militants auraient été
fichés? Jean-Michel Dolivo en est persuadé. De
même, il doute que la police lui ait tout dévoilé.
Encore d'autres fiches?
"Le canton a admis qu'il y a une deuxième fiche. Il est
tout à fait possible qu'il y en ait d'autres. Mais il est
impossible de vérifier ce que contient le fichier cantonal,
puisqu'il n'y a aucune base légale, ni aucune procédure
pour y accéder", s'insurge le député. En outre,
aucun contrôle du fichier n'est possible par le
préposé cantonal à la protection des
données ou par la commission de gestion du Grand Conseil,
observe-t-il.
La teneur des deux documents obtenus contredit également
la version officielle sur l'existence du fichier cantonal. En
décembre dernier, le Conseil d'Etat avait admis l'existence
d'"une base de données informatique en lien avec la protection
de l'Etat cantonal". Dans nos colonnes, la police avait alors
assuré que les informations collectées concernaient les
individus violents et autres "quérulents": "Le citoyen qui
exerce ses droits politiques et démocratiques
conformément à la loi n'a pas de risque de se retrouver
dans cette base de données."
Pourquoi, dès lors, Jean-Michel Dolivo (et d'autres?),
dont les fiches elles-mêmes attestent du comportement civique, y
figure-t-il? A ces interrogations, ni la police, ni la cheffe du
Département de la sécurité et de l'environnement
(DSE), Jacqueline de Quattro, n'ont eu le temps de répondre hier.
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WELTSOZIALFORUM
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Basler Zeitung 5.2.11
Morgen Sonntag beginnt im senegalesischen Dakar das Weltsozialforum
Für eine gerechtere Globalisierung von unten
Maya Graf*
Im Unterschied zur Romandie wird in der deutschsprachigen Schweiz
das Weltsozialforum wenig zur Kenntnis und auch nicht ernst genommen.
Während die Medien ungezählte Seiten über das WEF in
Davos produzieren, wo sich die Elite der Welt zur gegenseitigen
Bestätigung ihrer Wichtigkeit jeweils trifft, so wird über
das jeweils eine Woche später stattfindende Weltsozialforum kaum
berichtet. Dabei hat dieses globale Treffen der Zivilgesellschaft, wo
Menschen wie du und ich sich an einer Art Gegenveranstaltung zum WEF
treffen, durchaus seine Berechtigung, wenn nicht gar eine dringende
Notwendigkeit. Wie, wenn nicht von der Basis her, können und
müssen die dringend nötigen Veränderungen angeschoben
und umgesetzt werden? Und von wem, wenn nicht von den Betroffenen
selbst, müssen Alternativen für eine gerechtere
Globalisierung, für eine gerechtere Verteilung unserer Ressourcen
gezeigt werden? "Eine andere Welt ist möglich" ist denn auch das
Motto.
60 000 Teilnehmer. Die achte Ausgabe des Weltsozialforums (WSF)
wird nach vielen Jahren in Brasilien morgen Sonntag in der
senegalesischen Hauptstadt Dakar eröffnet und bis zum
nächsten Freitag dauern. Mit einer grossen Kundgebung durch die
Stadt zur Universität von Dakar wird morgen der Kongress
eröffnet. Erwartet werden bis zu 60 000 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aus der ganzen Welt. In über hundert Workshops und
Treffen werden Frauen und Männer, Junge und Alte aus allen Teilen
der Welt, vor allem aber aus Ländern des Südens, über
aktuelle politische und wirtschaftliche Fragen diskutieren. Der
thematische Rahmen ist breit: Zur Debatte stehen die Auswirkungen der
Wirtschaftskrise auf die Ärmsten und die Neugestaltung der
Weltwirtschaft, aber auch Themen wie Hunger oder Klimawandel. In Dakar
sollen möglichst viele Projekte entstehen oder weiterentwickelt
werden, um die Welt gerechter und nachhaltiger zu gestalten.
Vertreterinnen und Vertreter sozialer Bewegungen, Gewerkschaften,
bäuerliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen sowie
Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus der ganzen Welt sind am WSF
angemeldet. Zu den bekanntesten Teilnehmern zählen der ehemalige
brasilianische Präsident Ignacio Lula da Silva, der bolivianische
Präsident Evo Morales oder die ehemalige französische
Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal.
BauernProjekte. Aus der Schweiz ist eine 55-köpfige
Delegation nach Dakar gereist, auch ich gehöre zu dieser Schweizer
Delegation und bin gespannt, was mich erwarten wird. Ein Höhepunkt
wird dabei für uns vier grüne Parlamentarierinnen das Treffen
mit der internationalen Vereinigung der Grünen sein. Abgesehen
davon interessiere ich mich bei meiner erstmaligen Teilnahme vor allem
für Ernährungs- und landwirtschaftspolitische Fragen. Und ich
bin dabei schon voll auf meine Kosten gekommen. Unsere Delegation ist
bereits seit vier Tagen hier in Dakar und nutzte die Gelegenheit,
landwirtschaftliche Projekte mit Heks und Fastenopfer vor Ort zu
besuchen. Es ist eindrücklich zu sehen, wie hier
Bauernorganisationen zusammen mit der lokalen ländlichen
Bevölkerung versuchen, ihre Lebensmittelproduktion
aufrechtzuerhalten, und gegen den Landverlust infolge Erosion und
Wüstenbildung und durch Aufkauf durch Grossgrundbesitzer
kämpfen. Die Ernährungslage in Senegal ist sehr prekär.
Der Ruf nach Ernährungssouveränität hier in Afrika hat
eine andere Dimension, es geht darum, durch Selbstbestimmung, durch
Investition in den ländlichen Raum und in das Wissen der
Bäuerinnen und Bauern Hunger und Armut zu überwinden. Gut,
werden auch Vertreterinnen und Vertreter dieser Kooperativen am
Weltsozialforum teilnehmen und uns aufzeigen, mit welcher Politik wir
in unseren Ländern ihnen vor Ort helfen können.
* Maya Graf ist Nationalrätin der Grünen. Die
Biobäuerin wohnt in Sissach und besucht in diesem Jahr zum ersten
Mal das Weltsozialforum.
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work 4.2.11
Weltsozialforum
Diskussionen in Dakar
Vom 6. bis 11. Februar findet in Dakar, Senegal, das zehnte
Weltsozialforum statt. Auf dem Programm stehen Themen wie die
Menschenrechte, der universelle Zugang zu öffentlichen
Gütern, die Demokratisierung von Wissen, Kultur und Kommunikation,
die Befreiung der Welt von Herrschaft und kapitalistischen Strukturen
sowie der Aufbau einer sozialen Wirtschaft. Am Forum vertreten ist auch
eine Unia-Delegation.
Das Forum kann im Internet live mitverfolgt werden: http://www.weltsozialforum.org
("Dakar Extended").
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WoZ 3.2.11
Weltsozialforum
Mit der Karawane nach Dakar
Zum Weltsozialforum (WSF) in der senegalesischen Hauptstadt Dakar
sind in den letzten Tagen aus unterschiedlichen Orten in Afrika
Karawanen gestartet. AktivistInnen aus Afrika und Europa wollen damit
der afrikanischen Bevölkerung die Themen und Ziele des
Sozialforums näherbringen.
Eine Gruppe von 250 Personen unter dem Namen
Afrique-Europe-Interact ist am 1. Februar in Bamako (Mali) gestartet.
Zuvor nahmen die AktivistInnen in der Wüstenstadt Nioro du Sahel,
die kurz vor der mauretanischen Grenze liegt, an einem stillen
Gedenkmarsch für die "Toten der Festung Europas" teil. Auf einem
zehn Meter langen Spruchband entrollten sie die Namen von 14 600
Personen, die auf ihrer Flucht von Afrika nach Europa ums Leben
gekommen sind. Frauen aus Nioro, die sich selbst als "die Mütter
der Migranten" bezeichnen, forderten beim Marsch ihre auf der Flucht
verschwundenen Kinder zurück.
Nioro ist eine Durchgangsstation für AfrikanerInnen, die
nach Europa wollen. Inzwischen gelangen viele von ihnen nicht einmal
mehr ans Meer, sondern werden mit Unterstützung der
EU-Grenzbehörde Frontex bereits am Übergang von Mali nach
Mauretanien abgefangen. Die MigrantInnen werden dadurch gezwungen,
immer gefährlichere Fluchtrouten zu wählen. Wer in
Mauretanien erwischt wird, landet in sogenannten Auffanglagern, in
denen es kaum zu essen gibt, wie verschiedene Zeugen am Gedenkmarsch
aussagten. Das zehnte Weltsozialforum findet vom 6. bis 11. Februar
statt.
Claudia Krieg , Bamako
Die WOZ wird in den nächsten Tagen auf ihrer Website
www.woz.ch laufend vom Weltsozialforum in Dakar berichten.
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UNDERCOVER
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linksunten.indymedia.org 4.2.11
Polizeiskandal um verdeckte ErmittlerInnen weitet sich aus: Zwei
weitere Polizeispitzel in Heidelberg aktiv
Verfasst von: AIHD (Benutzerkonto: AIHD).
-Presseerklärung-
Heidelberg, 4.2.2011 - Intensive Recherchen der AIHD in den letzten
Wochen nach der Enttarnung des Polizeispitzels Simon Bromma haben
ergeben, dass auch nach seiner Enttarnung noch zwei weitere verdeckte
ErmittlerInnen des LKA gegen die linke Szene in Heidelberg aktiv sind.
Bromma war nur Teil einer großangelegten Ausspähung der
Heidelberger Linken.
Der Einsatz wurde vor ungefähr 2 Jahren als gemeinsames Projekt
der Polizeidirektion Heidelberg und des LKA Baden-Württemberg
gestartet. Die Darstellung des Innenministeriums, nach der der Einsatz
von der Polizeidirektion Heidelberg im Alleingang angeordnet wurde,
entspricht nicht der Wahrheit.
Der damals geplante Spitzeleinsatz war ausgerichtet auf die Einbringung
von verdeckten ErmittlerInnen in die linke Szene Heidelbergs.
Schwerpunkt der Erkenntnisgewinnung sollte der Bereich ‚Antifa' sein.
Entgegen den öffentlichen Äußerungen der
Polizeidirektion Heidelberg ist der Einsatz aber keineswegs beendet.
Ursprünglich war geplant, fünf ErmittlerInnen in die Szene
einzuschleusen. Letztendlich wurde das Vorhaben mit zwei Beamten und
einer Beamtin verwirklicht.
Nach der Enttarnung Simon Brommas sind immer noch ein Mann und eine
Frau als verdeckte ErmittlerInnen mit falscher Identität in
Heidelbergs linker Szene aktiv geblieben.
Die Erfahrungen mit der Vertuschungs- und Verschleierungspraxis der
letzten Wochen haben gezeigt, dass ohne massiven gesellschaftlichen
Druck eine Aufklärung durch das Innenministerium nicht zu erwarten
ist. Wir gehen davon aus, dass sich im Falle der beiden verbliebenen
ErmittlerInnen Betroffene anders verhalten werden als beim Outing Simon
Brommas. Wir fordern das LKA und die Polizeidirektion Heidelberg auf,
die beteiligten Spitzel nicht unnötig zu gefährden, den
Einsatz unverzüglich offenzulegen und aufzuklären und alle
verdeckten ErmittlerInnen abzuziehen.
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), 4.2.2011
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WoZ 3.2.11
Europa
Polizeispitzel on tour
Nicht nur die Öko-Bewegung vernetzt sich allmählich
über die Grenzen hinweg - auch Polizeispitzel agieren zunehmend
international. Am Mittwoch vergangener Woche bestätigte der
Präsident des deutschen Bundeskriminalamts (BKA) einen Bericht der
britischen Tageszeitung "Guardian". Diese hatte ausführlich
über einen Undercoveragenten berichtet, der vor allem
UmweltaktivistInnen ausspähte.
Mark Kennedy (alias Mark Stone) war in vielen europäischen
Ländern aktiv - auch in Deutschland. Nach Angaben des BKA hatten
sich die Behörden von Mecklenburg-Vorpommern den verdeckten
Ermittler von Scotland Yard zur Bespitzelung der G-8-Proteste vor
Heiligendamm (2007) ausgeliehen. Auch die Aktionen gegen den
Nato-Gipfel 2009 in Baden-Baden/Strassburg hatte er verfolgt. Und nicht
nur das: Immer wieder habe sich Kennedy, so bestätigen
mittlerweile ZeugInnen, durch besonders militante Aktionen hervorgetan.
pw
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telepolis 2.2.11
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34120/1.html
Wer bezahlte die Spitzel?
Die Enthüllungen über dubiose Aktivitäten britischer
Spitzel bei Gipfelprotesten in Deutschland werfen zahlreiche rechtliche
Fragen auf. Die Affäre beschäftigt jetzt die
Landtagsparlamente
Nachdem die Enttarnungen britischer Spitzel und ihre internationale
Verwendung in zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten hohe Wellen schlugen,
nimmt die Aufarbeitung der Affäre in Deutschland jetzt ihren Weg
durch die Landesparlamente. Eine Kleine Anfrage der Abgeordneten
Barbara Borchardt fragt das Landesinnenministerium
Mecklenburg-Vorpommern jetzt nach Details der Zusammenarbeit zwischen
der Rostocker Polizei und dem Scotland Yard anlässlich des
G8-Gipfels in Heiligendamm.
Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) Jörg Ziercke hatte
erklärt, Kennedy habe aus Berlin "nicht berichtet, sein Aufenthalt
dort hätte stattdessen seiner "Legendenbildung" gedient. Folglich
habe auch das Berliner Landeskriminalamt (LKA) nicht von den britischen
Behörden informiert werden müssen. Allerdings ist fraglich,
wie ein Spitzel überhaupt "außer Dienst sein" kann, wenn er
weiter seine falsche Identität benutzt. Berlin war zudem Kennedys
jahrelanger Hauptstützpunkt in Deutschland, wo er zahlreiche
Freundschaften inszenierte wie auch an Treffen teilnahm. Laut
Selbstauskunft hat er seinen Vorgesetzten auch "Beweismittel" von dort
mitgebracht. Kennedy war also durchaus in Berlin dienstlich unterwegs.
Es läge ein Bruch internationaler Verträge vor, wenn seine
britischen Vorgesetzten deutschen Behörden hierüber nicht
berichteten.
Kennedy hat in Berlin - auf dem Höhepunkt der "militanten
Kampagne" linker Gruppen und einer durch Medien emotional aufgeheizten
Öffentlichkeit - im Rahmen einer Demonstration zum Erhalt von
Hausprojekten eine Mülltonne als Barrikade angezündet.
Ausländische verdeckte Ermittler dürfen allerdings keine
"milieubedingten Straftaten" begehen. darauf weist auch die
Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage hin. Das
scheint den meisten Spitzeln indes egal zu sein: Kennedy gab
beispielsweise zur Unterstützung seiner Legende als "Drogenkurier"
Heroin und Kokain weiter. Nach seiner Verhaftung in Berlin im Anschluss
an die "One struggle - One fight"-Demonstration Ende 2007 wurde er
umgehend freigelassen, sein Brandstiftungs-Verfahren als
"Bagatelldelikt" schnell eingestellt. Die Berliner Staatsanwaltschaft
behält indes andere Aktivisten für gleiche (und nicht einmal
bewiesene) Vorwürfe lange in Untersuchungshaft, während die
Berliner Boulevard-Presse parallel dazu die Vorverurteilung
übernimmt. Aufklärung der dubiosen Kennedy-Affäre
würde wohl nur eine Strafanzeige gegen das LKA Berlin wegen
Strafvereitelung bringen.
Einsätze ausländischer Spitzel werden zwar seit Jahren
praktiziert, eine kritische Öffentlichkeit wie auch Parlamentarier
aber aus "einsatztaktischen Gründen" nicht unterrichtet
(Grenzüberschreitende Spitzel). Es gibt hier also keine
öffentliche Kontrolle. Dabei basieren die Einsätze
häufig auf fadenscheinigem, unbegründetem Verdacht.
Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) hatte die
Ausleihe britischer Polizisten etwa diffus auf "Erkenntnisse aus den
G8-Treffen in Genua, Gleneagles und Heiligendamm" gegründet.
Ähnlich lax hatte der LKA-Spitzel Simon Bromma seine Einsatzziel
begründet, als er von den Ausgeforschten zur Rede gestellt wurde.
Die Landespolizeigesetze wie auch Bestimmungen anderer
EU-Mitgliedsstaaten lassen einen Einsatz zur Gefahrenabwehr allerdings
ohne nähere Bestimmungen, etwa von Zielpersonen, nicht zu. Nach
entsprechender Änderung des Polizeigesetzes in Österreich
mussten deshalb Spitzel aus der linken Szene abgezogen werden.
Kennedys Einsatz zog sich sogar über mehrere Jahre hin. Es liegt
also nahe, dass er zum vorausschauenden Ausforschen verwendet wurde.
Zudem verstricken sich Behörden in Widersprüche: Kennedy war
entgegen der Behauptungen des BKA-Chefs neben Berlin auch in Hamburg
aktiv, wo er sich kurz vor seiner Enttarnung für einen Kongress
von Tierrechtsaktivisten anmeldete. Einer sagt hier also nicht die
Wahrheit: Mark Kennedy oder Jörg Ziercke.
Zivil- und strafrechtliche Fragen
Ausländische Spitzel gelten in Deutschland nicht als Polizisten,
also Angehörige deutscher Verfolgungsbehörden. Um ihre
erlangten Erkenntnisse dennoch gerichtlich verwerten zu können,
erkennen Gerichte ihnen den Status als "Vertrauenspersonen" zu. Damit
entfällt womöglich auch das Beantragen richterlicher
Beschlüsse für das tiefgehende Eindringen in die
Privatsphäre Betroffener und ihrer Kontaktpersonen.
Ungeklärt ist zudem, wie Betroffene Rechtssicherheit erlangen
können, wenn sie nicht wissen dass Kennedy als Agent Provocateur
agierte und sie dadurch ins Visier von Strafverfolgung gerieten. Es ist
aus Großbritannien, Irland und Island bekannt, dass Kennedy
Aktivisten zu Aktionen anstiftete und sie hierfür in Techniken
unterrichtete. Nach seiner Enttarnung ist ein Verfahren gegen
Klimaaktivisten, deren geplante Blockade des Kraftwerks Ratcliffe nach
seiner Undercover-Aufklärung aufflog und vor einem britischen
Gericht verhandelt wurde, sofort eingestellt worden. Die
Bundesregierung verweist zur Frage der Rechtssicherheit auf die
Strafprozessordnung, nach der Verdächtige oder ihre
Kontaktpersonen innerhalb von Gerichtsverfahren Auskunft über die
polizeilichen Informationsquellen erlangen können. Dazu
müssen diese aber überhaupt über etwaige Ermittlungen
unterrichtet werden. Die deutsche Polizei ist indes für ihr
mageres Auskunftsverhalten bekannt, weshalb linke
Bürgerrechtsaktivisten regelmäßig zu Auskunftsersuchen
in Polizeidatenbanken aufrufen.
Auch das Praktizieren von Sexualität zum Erschleichen von
Vertrauen oder dem Erlangen von Informationen, wie es über Kennedy
aus mehreren Ländern berichtet wird, könnte in Deutschland
straf- und zivilrechtlich relevant sein. Das Vortäuschen einer
anderen Identität zur Ausübung von Sexualität ist zwar
in Deutschland nicht strafbar. Allerdings könnte der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verletzt sein, erst Recht wenn
Beziehungen über einen längeren Zeitraum gehen. Nach
deutschem Recht wäre die Privatheit der Sexualsphäre
tangiert. Es dürfte auch einen Unterschied machen, ob die Ziel-
oder deren Kontaktpersonen als polizeiliche Sexualobjekte
ausgewählt werden. Zivilrechtlich könnten Betroffene, die
angesichts der "Ent-täuschung" eine Traumatisierung nachweisen,
laut Einschätzung von Anwälten hohe
Schadensersatzansprüche geltend machen. In Großbritannien
wird die Problematik unter dem Gesichtspunkt diskutiert, dass
Staatsbedienstete ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihren
Staatsbürgern verletzt haben.
Als Spitzel scheint man gut zu verdienen
Laut seiner an die Tageszeitung Daily Mail verkauften Geschichte hat
Kennedy in Großbritannien zusätzlich zu seinem
regulären Einkommen von 60.000 Euro weitere Sonderzahlungen von
bis zu 240.000 Euro erhalten. Wenn deutsche Landeskriminalämter
ihn vertraglich eingestellt haben, dürfte seine Besoldung nicht
weit vom Gehalt des Entsendelandes abweichen. Bekanntlich waren
allerdings gleich mehrere ausländische verdeckte Ermittler im
Einsatz, die von der britischen ACPO ausgeliehen wurden. Erhellendes
würde hierzu womöglich nur Auskünfte über
hauspolitische Ausgaben für verdeckte Ermittlungen bringen, die
von Bundes- und Landesregierungen gewöhnlich nicht verweigert
werden.
Die grenzüberschreitende polizeiliche Spitzelausleihe und mithin
die Anbahnung der vertraglichen Anstellung wird in einer "European
Cooperation Group on Undercover Acitvities" koordiniert, zu der auch
das deutsche Bundeskriminalamt wie das Zollkriminalamt eingeladen
werden. Hier hat das BKA vermutlich die von dessen Präsident
zugegebene "Vermittlung" Kennedys an deutsche Landesinnenministerien
arrangiert. Die EU-Polizeiagentur Europol unterhält mit der
Cross-Border SurveillanceWorking Group zudem eine eigene Arbeitsgruppe,
um auch die Finanzierung von Informanten, also Privatpersonen die mit
Innenbehörden kooperieren, innerhalb der EU zu vereinfachen.
Die britischen Spitzel wurden von der "Assosciaton of Chief Police
Officers" (ACPO) geführt. Die ACPO ist allerdings seit Ende der
90er Jahre als Firma eingetragen und übernimmt Aufgaben für
Scotland Yard. Es ist mehr als zweifelhaft, wenn sich deutsche
Behörden ausländischer verdeckter Ermittler bedienen, die
für private Firmen arbeiten.
Seit Ende der 90er Jahre widmet sich die ACPO vorrangig politischem
"Extremismus" und hat hierfür Dossiers von 2.000 angeblichen
politischen Aktivisten angelegt. Unklar ist, ob die Daten auch an
andere Firmen, darunter den Energieversorger E.ON weitergegeben wurden
- der Kraftwerksbetreiber bestreitet bislang jede Zusammenarbeit.
Wegen öffentlicher Auseinandersetzungen nach Bekanntwerden der
umstrittenen Spitzelei will der britische Innenminister der ACPO die
Kompetenz zur Führung verdeckter Ermittler entziehen. Hinzu kommt,
dass Kennedy sowohl für die private Sicherheitsfirma "Global Open
Ltd." arbeitete wie auch mit "Tokra Ltd." ein eigenes entsprechendes
Unternehmen gründete. Die im Polizeisold erlangten Informationen
hat er womöglich auch privat weiterverwertet.
Matthias Monroy
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DROGEN
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NLZ 5.2.11
Bolivien kämpft für seine Droge
Kokakauen
Sandra Weiss, Puebla
In den Anden ist es eine jahrtausendealte Tradition - für
die UNO eine gefährliche Droge. Bolivien versucht vergeblich, das
Kauen von Kokablättern zu legalisieren.
nachrichten@luzernerzeitung.ch
Alles Lobbyieren von Boliviens Präsident Evo Morales hat
nichts genützt. Er ist mit seinem Vorstoss, das Kauen von
Kokablättern zu erlauben, in der UNO klar gescheitert. 14
Länder, darunter die USA, Deutschland, Frankreich und Italien,
haben sich dagegen ausgesprochen - das reichte, um die Änderung
der UNO-Drogen-Konvention zu verhindern.
Das Kokablätterkauen - eine jahrtausendealte Tradition in
den Andenländern - wurde 1961 von der UNO verboten mit dem Ziel,
es innerhalb von 25 Jahren komplett auszurotten. 1988 trat ein
Nachfolgeabkommen in Kraft, wonach das Kokakauen zwar generell verboten
ist, aber als Tradition in gewissen Gegenden geduldet wird. Doch das
änderte nichts an der Tatsache, dass faktisch eine strafbare
Handlung begeht, wer Kokablätter kaut. Morales' Vorschlag war, das
Kokakauen zu erlauben. Die Andenländer - einschliesslich des engen
USA-Verbündeten Kolumbien - brachten keine Einwände gegen
Morales' Vorstoss ein. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge entsteht
durch das Kokakauen kein gesundheitlicher Schaden, sondern es kann
sogar therapeutische Wirkung haben. Die USA hingegen argumentierten,
die Legalisierung würde einen gefährlichen Präzedenzfall
schaffen und sei ein negatives Zeichen im Kampf gegen die Drogen.
Koka ist nicht gleich Kokain
In Bolivien, wo das Kokablatt als "heilig" gilt und unter dem
Schutz der Verfassung steht, stiess die Haltung der USA und ihrer
Verbündeten auf harsche Kritik. Morales bedauerte, dass einige
Länder noch immer Koka mit Kokain und Kokabauern mit
Drogenhändlern verwechselten. Morales will deshalb nicht klein
beigeben. Er fordert jetzt eine internationale UNO-Konferenz zu dem
Thema und denkt sogar darüber nach, die Drogenkonvention zu
kündigen.
Auch Coca-Cola ist Kunde
Morales' Regierung fördert ausserdem die Industrialisierung
des Kokablatts, etwa in Tees, Shampoos und Zahnpasta. In Bolivien sind
12 000 Hektar für die Anpflanzung von Koka freigegeben. Das
entspricht in etwa dem traditionellen Konsum. Doch laut der UNO
beträgt die Anbaufläche in Wirklichkeit mehr als das Doppelte
- vor allem für die Drogenproduktion. Unbequeme Fakten für
Morales, der zwischen den Forderungen seiner Basis und dem
internationalen Druck aufgerieben wird. Denn in Bolivien leben
Hunderttausende vom Kokaanbau. "Willkommen in der Koka-Hauptstadt"
steht am Ortseingang von Chulumani, 129 Kilometer von La Paz entfernt
und 2200 Meter tiefer gelegen. Hier dreht sich alles um das Blatt, das
auf Sportplätzen und sogar vor Kirchen zum Trocknen ausgelegt ist.
Schon zu Zeiten der Inkas wurde hier Koka angebaut für
rituelle und medizinische Zwecke. Bis heute gilt die Koka aus der
Region als die geschmackvollste der Welt - sogar Coca-Cola lässt
sich von hier mit den Blättern für seine braune Brause
beliefern.
--
Wundermittel gegen Müdigkeit
red. Die Kokablätter wurden schon von den Inkas für
religiöse Zeremonien und zu medizinischen Zwecken benützt.
Sie helfen ausserdem gegen Höhenkrankheit und Erschöpfung,
weshalb sie besonders bei den hart arbeitenden Bergleuten beliebt sind.
Ausserdem werden die Kokablätter gekaut, um Kälte,
Hungergefühl und Schmerz zu betäuben. Durch eine aggressive
chemische Umwandlung entsteht aus den Blättern Kokain.
---
St. Galler Tagblatt 3.2.11
Morales kämpft für Kokaanbau
Boliviens Präsident ist mit dem Vorstoss zur Legalisierung
des Kokaanbaus in der UNO vorerst gescheitert. USA fürchten
negative Wirkung auf Drogenbekämpfung.
Sandra Weiss
Puebla. "Unser Vorschlag war, das Kokakauen zu erlauben.
Diejenigen, die dagegen sind - darunter die USA, Schweden,
Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, Japan und
Kanada -, argumentieren aber, sie wollten das Kokablatt nicht von der
Liste kontrollierter Substanzen streichen. Doch das haben wir gar nicht
vorgeschlagen", erklärte Boliviens UNO-Botschafter Pablo Solon.
Tradition als Heilmittel
Das Kauen von Kokablättern - in den Anden Tradition - wurde
1961 von der UNO verboten. Seit 1988 wird es aber, in gewissen
Gegenden, geduldet. Die Andenländer - einschliesslich des engen
US-Verbündeten Kolumbien - hatten keine Einwände gegen
Boliviens Vorstoss, es offiziell zu legalisieren. Laut
Weltgesundheitsorganisation entsteht durch das Kokakauen kein
gesundheitlicher Schaden, vielmehr könnten therapeutische Effekte
erzielt werden. Es helfe gegen die Höhenkrankheit und
Erschöpfung, weshalb es bei hart arbeitenden Bergleuten in
Bolivien beliebt ist.
Die USA argumentieren aber, die Legalisierung schaffe einen
gefährlichen Präzedenzfall und sei ein negatives Zeichen im
Kampf gegen die Drogen. Boliviens Regierung fördert den Kokaanbau,
etwa zur Herstellung von Tee, Shampoos, einheimischen
Erfrischungsgetränken und Zahnpasta. In Bolivien sind 7000 Hektar
für die Anpflanzung von Koka freigegeben. Hunderttausende leben
vom Anbau.
Milliardengewinne der Mafia
Laut UNO-Büro wurden die Anbauflächen in den
vergangenen Jahren allerdings auf 30 000 Hektar ausgeweitet - vor allem
für die Drogenherstellung. 2009 erwirtschaftete der Drogenhandel
nach Schätzungen der Regierung zwischen 300 und 700 Millionen
Dollar in Bolivien.
Boliviens Präsident Morales, einst selbst Kokabauer, will
dennoch nicht klein beigeben. Bolivien beantragt nun eine
internationale Konferenz zu dem Thema, und Morales schloss nicht aus,
dass La Paz die aus dem Jahr 1961 stammende Drogen-Konvention der UNO
aufkündige.
---
swissinfo.ch 2.2.11
Neue Wege in der internationalen Drogenpolitik
swissinfo
Die ehemaligen Staatsoberhäupter von Brasilien, der Schweiz,
Mexiko und Kolumbien trafen sich in Genf, um den in Repression
erstarrten Drogenkrieg durch den auf soziale und medizinische Aspekte
konzentrierten Kampf gegen Rauschgift zu ersetzen.
Dieses international als neu erachtete Modell basiert
auf bereits gemachten Erfahrungen in der Schweiz. Das Resultat des
repressiven Ansatzes hingegen, seit 1971 von US-Präsident Nixon
eingeführt, ist bekannt: Der Drogenkrieg kostet Riesensummen, hat
bisher aber wenig brauchbare Resultate erbracht. Ja, oft wird die
Situation durch die Repression noch verschlimmert. Dennoch
hat sich an diesem Ansatz bisher wenig verändert, höchstens
werden die Vergehen je nach Land mehr oder weniger streng
geahndet. In Genf trafen sich aus diesem Grund die
ehemaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso
(Brasilien), Cesar Gaviria (Kolumbien), Ernesto Zedillo
(Mexiko) und Ruth Dreifuss (Schweiz). Sie rufen zu einem
Strategiewechsel auf, denn inzwischen sind ganze Länder von den
Drogenbaronen destabilisiert. Zum Beispiel in Mexiko, wo
allein 2010 der Krieg zwischen Armee und Polizei gegen die
Drogenkartelle mehr als 15'000 Tote kostete.
Reiner Verbots-Ansatz
"Die lateinamerikanischen Länder sind erschöpft von
diesem Konflikt und vom Ansatz des Prohibitionismus, den die USA
weiterhin aufrecht erhalten", sagt Gaviria. Sich rein auf
Verbote abzustützen, sei eine kontraproduktive
Politik, die aber auch von den UNO-Organen und den bewaffneten
Behörden der Suchtmittel-Konvention von
1961 praktiziert werde. "Sie gehen
immer noch von einer Welt ohne Drogen aus, während es doch noch
nie derart viel Rauschgift auf der Welt gab wie jetzt", so der
ehemalige kolumbianische Präsident. Um aus
diesem Kreislauf herauszufinden, der nur dem organisierten Verbrechen
Aufschub gibt, schlagen die Politiker in Genf zwar keine Legalisierung
verbotener Drogen vor, sondern ein gleichgewichtigeres Vorgehen gegen
Rauschgift, das nicht nur auf Repressionsansätzen basiert.
Entkriminalisierung statt Legalisierung
Laut Cardoso soll ein Rauschgiftsüchtiger in erster Linie
als eine Person erachtet werden, die medizinische HIlfe braucht, und
nicht als Krimineller. Die Repression soll sich auf die organisierte
Kriminalität konzentrieren, statt sich in der Verfolgung der
Süchtigen zu verzetteln. "In den USA sitzen rund eine
halbe Million Personen im Gefängnis, die wegen einem
Rauschgiftdelikt verurteilt sind. Das entspricht der Gesamtheit aller
in Europa in Gefängnissen Untergebrachten", so der Brasilianer im
weiteren. Dennoch sei in den USA der Widerstand gegen eine
Änderung der Drogenpolitik am grössten. An
ihrem Treffen in Genf haben
die Politiker begonnen, eine globale Kommission auf die
Beine zu stellen (Global commission on drug policy), weil hier in
Europa die Länder im Kampf gegen die Drogen weniger ideologisch
vorgingen als die USA. Doch auch hier entfalle ein
Grossteil des drogenpolitischen Budgets auf Repression statt auf
soziale (Wieder-)Eingliederung und gesundheitliche Aspekte der
Süchtigen.
Bezug zur Drogenpolitik in der Schweiz
Die Schweizerische Drogenpolitik dient dabei als Referenzpunkt
für die Kommission, die sich auch auf Erfahrungen in den
Niederlanden oder Portugal abstützt. Ruth Dreifuss,
ehemalige Schweizer Bundespräsidentin und Gesundheitsministerin,
erklärt, weshalb der Schweizer Ansatz die Lateinamerikaner
interessiert: "Die Drogenpolitik in der Schweiz ist etappenmässig
vorgegangen. Eine Art Evolution, basierend auf gemachten
Erfahrungen. Zum Beispiel bei der ärztlichen
Verschreibung von Heroin, wobei die Resultate wissenschaftlich
untersucht wurden." Die Folgerungen daraus seien dann die
Revision des Gesetzes eingeflossen. Das habe auch dazu
geführt, dass die Bevölkerung die
gesetzlichen Änderungen 2006 abgesegnet
habe. Dieser pragmatische Ansatz mit den vier
Säulen Prävention, Therapie, Reduktion der
Risiken beim Konsumieren und Repression weckt
im Ausland umso mehr Interesse, als die Schweiz
"für ihre solide konservative Einstellung" bekannt sei, wie das
ein Bericht der Open Society schreibt. Die Open Society ist eine
Nichtregierungsorganisation, die vom Financier Georges
Soros gegründet wurde und welche die diese Woche in
Genf gegründete Kommission unterstützt.
Kampf gegen das Rauchen
Die neu gegründete, stark vernetzte Kommission möchte
Vereinigungen unterstützen, die im Bereich der Drogen aktiv sind,
und die Länder auffordern, breite Diskussionen über dieses
noch als Tabu erachtete Thema zu entfachen. Auch will
sie die Regierungen überzeugen, dass es nur mit
Repression nicht mehr weitergehen kann. Zu diesem Zweck
will die Kommission die bestehenden wissenschaftlichen
Erkenntnisse in die Öffentlichkeit bringen und neue
Instrumente gegen Drogen vorschlagen, wie Prävention oder
Risikoreduktion. Sie möchte sich ausserdem von den
Kampagnen inspirieren lassen, die gegen Tabak und das Rauchen
geführt werden, und die erwiesenermassen den Zigarettenkonsum
vermindern konnten. Um die Macht der Drogenkartelle zu mindern, muss
die Zahl der Süchtigen verringert werden.
Länder des Südens sind überflutet
Der Ursprung dieser Kommission ist Südamerika, doch
möchte sie ihre Repräsentativität verbreitern und
Vertreter aus allen Weltregionen integrieren. Für
nächsten Juni ist eine Zusammenkunft in den USA geplant. Dabei
soll ein Aktionsplan festgeschrieben werden, der die USA und die UNO
dazu bewegen soll, ihre Rauschgiftpolitik radikal zu
ändern. Denn es zeichnet sich ab, dass in den
westlichen Ländern der Drogenkonsum sich langsam zu stabilisieren
beginnt, während der Verbrauch in vielen Ländern des
Südens stark zunimmt.
Frédéric Burnand,swissinfo.chGenf(Übertragung
aus dem Französischen: Alexander Künzle)
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ALKOHOL
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Landbote 2.2.11
Alkohol verursacht Milliardenschaden
Luca De Carli Luca De Carli
BERN. Deutschschweizer Angestellte haben gemäss einer
Studie, die auf den Aussagen von Personalchefs basiert, deutlich
häufiger ein Alkoholproblem als ihre Kollegen in der Romandie und
im Tessin.
Eine Milliarde Franken pro Jahr - das sind laut einer gestern
veröffentlichten Studie die Kosten, welche der
übermässige Alkoholkonsum den Arbeitgebern in der Schweiz
verursacht. Sie entstehen durch öfteres Fehlen am Arbeitsplatz,
Unfälle unter Einfluss von Alkohol und vor allem durch eine
tiefere Produktivität. Laut der Studie leistet eine Person, die zu
viel Alkohol konsumiert, im Schnitt 15 Prozent weniger. Die Angaben
beruhen auf Befragungen von Personalverantwortlichen. Im Auftrag von
Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Suva wurden ihre Aussagen zu
rund 1100 Unternehmen ausgewertet. Demnach beträgt der Anteil der
Angestellten mit einem problematischen Alkoholkonsum rund zwei Prozent.
Hochgerechnet auf die Schweiz wären demnach 70 000 von 3,5
Millionen Erwerbstätigen betroffen.
Dieser Wert liegt deutlich unter den Ergebnissen anderer Studien:
So haben in der letzten Gesundheitsbefragung, bei der 2007 fast 20 000
Personen Aussagen zu ihrer eigenen Situation machten, fünf Prozent
ein Alkoholproblem angegeben. Auch überrascht, dass gemäss
der BAG/Suva-Studie in Kleinunternehmen mehr als doppelt so viele
Personen mit Alkoholproblemen beschäftigt sind als in
Grossunternehmen. Die höchsten Werte verzeichnen die Gastronomie
und die Maschinenindustrie: Hier trinkt in 49 beziehungsweise 42
Prozent der Unternehmen mindestens ein Mitarbeitender zu viel. Der
Schnitt aller Branchen liegt bei einem Drittel. Auch ist gemäss
den Aussagen der Personalbeauftragten die Deutschschweiz (2,4 Prozent
aller Angestellten) stärker betroffen als die Romandie (1,8
Prozent) und das Tessin (0,6 Prozent). Insbesondere in der Region
Zürich (2,5 Prozent) und der Ostschweiz (3 Prozent) arbeiteten
überdurchschnittlich viele Personen mit Alkoholproblemen.
Dani Ernst, Leiter Prävention der Zürcher Fachstelle
für Alkoholprobleme, vermutet hinter diesen Werten
Mentalitätsunterschiede. Das Problembewusstsein sei beim Alkohol
in der Romandie und im Tessin kulturell bedingt ein anderes als in der
Deutschschweiz. Die Statistiken zum Alkoholismus zeigten dagegen keinen
Röstigraben. Die höheren Fallzahlen bei Kleinbetrieben gehen
laut Ernst auf die grössere Nähe der Vorgesetzten zu den
Angestellten zurück. "Hier wird ein plötzliches Abfallen der
Leistungen oder ein häufigeres Fehlen schneller bemerkt." Zwar
führe man keine Statistik zum Zusammenhang zwischen
Firmengrösse und Alkoholkonsum. Es seien aber alle Schichten und
Ausbildungsgrade in den Beratungen vertreten.
Dennoch hält Ernst den Ansatz der Studie für sinnvoll:
Die Personalverantwortlichen seien es, die zum Thema Alkohol
weitergebildet würden - welche trotz Hemmungen an Mitarbeiter
herantreten müssten. Es sei wichtig, dass Vorgesetzte das Problem
ansprechen. Ihr Einfluss darauf, wie der Betroffene damit umgeht, sei
oft gar grösser als der von Partnern oder Angehörigen.
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SEXWORK
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NLZ 4.2.11
Der Strassenstrich gehört nicht in Wohngebiete
Jérôme Martinu über die Probleme mit der
Strassenprostitution
Die Aussagen der vom Strassenstrich betroffenen Anwohner der
Stadt Luzern sind an Deutlichkeit nicht zu überbieten: "In der
Tribschenstadt, wo neue Wohnungen gebaut wurden, werden Strassensperren
errichtet, bei uns wird das Problem hingegen seit Jahren toleriert. Das
riecht nach Zweiklassengesellschaft." Oder: "Die Familien mit Kindern
sind schon alle weggezogen." Oder: "Für jeden Gemüsestand auf
dem Trottoir braucht es eine Bewilligung. Ich sehe nicht ein, warum das
bei der Strassenprostitution nicht der Fall ist." Oder: "Gäste mit
Kindern traue ich schon gar nicht mehr einzuladen."
Wohlverstanden: Es soll an dieser Stelle keine Sekunde lang
moralisiert werden. Prostitution ist Teil unserer Gesellschaft. Solange
eine Nachfrage danach besteht, wird es sie geben. Punkt. Tatsache ist
aber, dass die Strassenprostitution nicht nur in Grossstädten wie
Zürich (wo man nun stark reglementierend eingreifen will) ein
Problem ist, sondern auch in der Stadt Luzern. Während sich die
Stadtregierung auf die Position stellt, das Strassenstrichproblem habe
in den letzten Jahren abgenommen, stellen die Anwohner keine
Verbesserung fest oder haben sogar den Eindruck, es sei schlimmer
geworden.
Ab 2004 hat die Stadt Luzern das neu erbaute, attraktive
Wohngebiet Tribschenstadt mit Strassensperrungen vom Strassenstrich
entlastet. Die Leidensgeschichte geht indes ein paar Dutzend Meter
davon entfernt weiter - zum Leidwesen der dortigen Anwohner. Die
Aussagen des Stadtrats zum Problem Strassenstrich lesen sich beim Blick
ins Zeitungsarchiv wie eine Wiederholungsgeschichte. Sie zieht die
Motivation der Verantwortlichen in Zweifel, sich des Problems ernsthaft
anzunehmen.
20. Januar 2004: Stadträtin Ursula Stämmer auf die
Frage, was Sie veranlassen werde, falls der Strassenstrich in ein
angrenzendes Wohngebiet ausweiche: "Wir müssten über die
Bücher gehen und handeln, das ist klar."
19. Oktober 2006: "Je mehr das Gebiet dort belebt wird, umso mehr
wird auch die Prostitution verschwinden. Die Situation hat sich aus der
Sicht der Polizei beruhigt. Wir tun, was wir können", so die
Stadträtin zum Gebiet Tribschenstadt.
18. September 2007: Zur Disposition stand nach einem Vorstoss der
Chance 21 ein Verbot der Strassenprostitution in den Wohngebieten mit
gleichzeitiger Schaffung zweier "Bordellzonen". Der Stadtrat hielt
nichts von der Idee. Zum einen habe sich die Situation mit der
Strassenprostitution stark gebessert, so Ursula Stämmer, zum
andern wären solche Strichzonen für das Ausmass des Problems
in Luzern "nicht verhältnismässig". Der Vorstoss fiel beim
Parlament im November 2007 klar durch.
14. September 2010: "Momentan planen wir nichts in dieser
Richtung", lautet die knappe Antwort von Stadträtin Stämmer
auf die Frage, ob staatliche Bordelle dereinst auch für Luzern ein
Thema sein könnten. Dabei meinte etwa die Luzerner
Aids-Prävention, dass die Grundidee "auch in Luzern Sinn machen
könnte", vor allem auch zum Schutz der Prostituierten.
2. Februar 2011: Sicherheitsdirektorin Stämmer kann "heute
nicht sagen", ob ein staatliches Bordell, ein Strichplan oder
Verrichtungsboxen - diese Ideen schweben den betroffenen
Quartierbewohnern vor - die richtige Lösung sei. "Ich warte den
kantonalen Bericht ab." Und: "Die Polizei wird weiterhin vor Ort
präsent sein. Weitere Massnahmen sind momentan nicht geplant."
Klar ist: Das Prostitutionsgewerbe ist kein Thema, mit dem man
sich als Politiker profilieren kann. Klar ist aber auch: Das Problem
auf die lange Bank zu schieben, wiederholt abzuwiegeln und auf andere
Institutionen und kommende Berichte zu verweisen - damit muss
irgendwann Schluss sein. Und fast schon zynisch wirken solche Aussagen:
"Die Freier haben auch Rücksicht auf die Anwohner zu nehmen."
Die Stadtregierung muss im Interesse ihrer Bewohner aktiv
vorgehen - völlig unabhängig davon, ob sich eine Problemzone
in einem attraktiv-privilegierten oder in einem normalen bis
preisgünstigen Wohngebiet befindet. Konkret heisst das: Jetzt, da
das kantonale Justiz- und Sicherheitsdepartement den Entwurf eines
Prostitutionsgesetzes prüft, muss die Stadtregierung dort
entsprechende Vorschläge zur Entschärfung des
Strassenstrichproblems platzieren. Und auch wenn der Vorstoss 2007
schon einmal Schiffbruch erlitt: Die Idee von Sperrzonen muss noch
einmal ernsthaft auf den Tisch. Denn die Strassenprostitution hat in
Wohnquartieren einer Stadt wie Luzern nichts verloren.
jerome.martinu@luzernerzeitung.ch
--
Horrende Mieten für "Absteigen"
Tribschen
Barbara Inglin
Vermieter verlangen von Prostituierten überrissene Mieten
und verstossen damit gegen das Mietrecht. Kann die Stadt hier nichts
tun?
Barbara Inglin
barbara.inglin@luzernerzeitung.ch
An der Ecke Tribschenstrasse/Grimselweg stehen allabendlich die
Prostituierten. Der Suchverkehr der Freier, die lauten Diskussionen der
Frauen und der liegen gelassene Abfall ärgern die Anwohner seit
Jahren. "Das Anschaffen auf der Strasse und das Vermieten von Zimmern
können wir nicht verbieten", sagte Stadträtin Ursula
Stämmer gestern in einem Interview in unserer Zeitung. Denn die
Prostituierten stehen hier, weil sie in den nahe gelegenen Häusern
an der Tribschenstrasse 24 und am Grimselweg 4 Zimmer für ihre
Dienste anmieten können.
Für die Zimmermieten zahlen die Prostituierten stark
überrissene Preise. Die Besitzer der beiden Häuser wollen
sich zwar nicht zu den Mietpreisen äussern. Laut Insidern
dürften die Preise aber bei etwa 140 Franken pro Zimmer und Tag
liegen. Das ergibt immerhin 4200 Franken Monatsmiete für ein
einziges Zimmer. Gemäss Klingelschildern wohnen je acht Personen
in jedem Haus, aufgrund der Hausgrösse dürften es aber einige
mehr sein. Ein gutes Geschäft für die Vermieter der alten
Häuser.
Ist das legal?
Kann die Stadt hier nicht einschreiten? Ist es legal, Wohnungen
zu Preisen weit über dem Marktwert zu vermieten? "Gemäss
Gesetz hat der Vermieter ein Recht auf eine Rendite", sagt Beat Wicki,
Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbandes Luzern. "Die
erwirtschaftete Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital darf aber ein
gewisses Niveau nicht überschreiten." Beim aktuellen
Referenzzinssatz liege dieses Niveau bei 3,25 Prozent. "Bei einer
Monatsmiete von 4200 Franken für ein einziges Zimmer liegt die
Rendite sicher um ein x-Faches höher", sagt Wicki.
Die Vermieter verstossen mit ihren horrenden Mietpreisen also
gegen das Mietrecht. "Trotzdem haben die Stadt oder andere
Drittpersonen keine Handlungsmöglichkeiten", sagt Wicki. Denn
einzig die Mieterin ist berechtigt, den Mietzins vor der kantonalen
Schlichtungsbehörde anzufechten. In diesem Fall wären dies
die Prostituierten. "Ihre Chancen, mit einem Antrag durchzukommen,
wären gut", sagt Wicki.
Trotzdem wird dies kaum je gemacht. Denn die Frauen müssten
daraufhin mit einer Kündigung des Mietvertrages rechnen.
"Natürlich könnten sie auch diese Kündigung wieder
anfechten und hätten sogar Aussicht auf Erfolg", so Wicki.
Realistisch ist dies aber nicht. Denn die Prostituierten kommen meist
aus dem Ausland, bleiben nur für kurze Zeit in der Schweiz und
sind darauf angewiesen, dass ihnen jemand ein Zimmer vermietet.
Dafür sind sie bereit, hohe Mietpreise zu bezahlen.
"Bin auf Einnahmen angewiesen"
Die Stadt hat also keine rechtlichen Handlungsmöglichkeiten.
Bleibt nur noch das Gut-Zureden. Laut Ursula Stämmer habe man das
Gespräch mit den Hausbesitzern gesucht und an diese appelliert,
ihre Häuser anderweitig zu nutzen. Die Besitzer* der Liegenschaft
an der Tribschenstrasse 24 behaupten allerdings auf Anfrage, nie von
der Stadt kontaktiert worden zu sein. Man wolle aber sowieso nichts von
einem Verkauf oder einer Umnutzung wissen. "Ich bin auf diese Einnahmen
angewiesen", sagt die Liegenschaftsbesitzerin am Telefon.
Hingegen scheinen sich die Besitzer* des Hauses am Grimselweg 4
nun umbesonnen zu haben. Laut Informationen, die unserer Zeitung
vorliegen, laufen Verkaufsverhandlungen zum Objekt. Einer der jetzigen
Mitbesitzer der Liegenschaft geht davon aus, dass das Haus danach
umgenutzt wird. Wer am Kauf des Hauses interessiert ist und wofür
dieses künftig genutzt werden könnte, darüber will er
keine Auskunft geben.
* Namen der Redaktion bekannt
---
NLZ 2.2.11
Wo soll der Strassenstrich hin?
Sexgewerbe
Interview Barbara Inglin
Mitten im Tribschenquartier befinden sich zwei
Freudenhäuser. Stadträtin Ursula Stämmer sagt, warum sie
nicht gegen die Prostituierten vorgeht.
Interview Barbara Inglin
barbara.inglin@luzernerzeitung.ch
Seit in der Rösslimatte abends Strassensperren errichtet
werden, hat sich der Strassenstrich ins Gebiet
Unterlachenstrasse/Grimselweg verschoben. Das war vor sieben Jahren.
Seither leiden die Anwohner dort unter dem Suchverkehr der Freier,
verbalen Belästigungen durch Prostituierte und Lärm (siehe
Kasten). Für viele ist klar: Die Tribschenstadt wird
geschützt. Auf der anderen Seite der Tribschenstrasse, wo Personen
mit niedrigerem Einkommen wohnen, wird der Strassenstrich aber seit
Jahren geduldet.
Ursula Stämmer, die Anwohner fühlen sich von der
Politik im Stich gelassen. Eine Ungleichbehandlung?
Ursula Stämmer*: Das hat nichts damit zu tun, ob die
Anwohner mehr oder weniger verdienen. Tatsache ist, dass am Grimselweg
und an der Tribschenstrasse private Eigentümer Liegenschaften an
Prostituierte vermieten. Diese Frauen warten auf der Strasse auf Freier.
Wieso müssen sich die Prostituierten ausgerechnet dort
aufhalten?
Stämmer: Der Standort hängt direkt damit zusammen, dass
die Frauen in der Nähe eine "Absteige" haben. Es gibt Freier, die
nicht in einen Salon oder Club gehen wollen, weil ihnen dieses Angebot
"zu offiziell" ist. So nehmen sie die Dienste der Frauen auf der
Strasse in Anspruch, respektive die meisten dieser Frauen schaffen auf
der Strasse an und nehmen den Freier mit aufs teuer gemietete Zimmer.
Im Umfeld der Tribschenstrasse gibt es mindestens zwei grössere
Häuser von Privaten, die an Prostituierte vermieten. So kommt es
zu einer Ansammlung von Prostituierten. Die Polizei spricht aber
zahlenmässig von nicht mehr als einem guten Dutzend Frauen, die
der Strassenprostitution nachgehen.
Können Sie nichts für die Anwohner tun? Müssen sie
sich mit der unangenehmen Situation abfinden?
Stämmer: Das kantonale Justiz- und Sicherheitsdepartement
klärt zurzeit ab, ob es für eine Verbesserung der Situation
gesetzliche Grundlagen braucht. Tatsache ist, dass die Szene in den
letzten Jahren kleiner geworden ist, sich aber Richtung
Tribschenstrasse verschoben hat. Dass dies die Anwohner aber
stört, ist verständlich. Die Polizei ist in diesem Gebiet
präsent und überprüft, ob Prostituierte illegal hier
arbeiten oder ob Freier unerlaubterweise mit dem Auto Runde um Runde
drehen. Das Anschaffen auf der Strasse und das Vermieten von Zimmern
können wir nicht verbieten.
Können Sie keinen Druck auf die Hausbesitzer ausüben?
Stämmer: Wir haben schon mit den betroffenen Hausbesitzern
Kontakt aufgenommen und versucht, Einfluss zu nehmen. Wir können
aber nur an sie appellieren, ihre Häuser anders zu nutzen. Die
Hausbesitzer entscheiden selber, wem sie ihre Wohnungen geben. Mit dem
Vermieten von Zimmern an Prostituierte wird viel Geld verdient.
Laut Informationen, die unserer Zeitung vorliegen, laufen
Verkaufsverhandlungen zum Haus am Grimselweg 4, in welchem heute Zimmer
an Prostituierte vermietet werden. Der jetzige Liegenschaftsverwalter
geht davon aus, dass das Haus danach umgenutzt wird. Geht das auf Ihre
Verhandlungen zurück?
Stämmer: Nein, davon wusste ich nichts. Aber die Entwicklung
ist natürlich erfreulich. Das bringt dem Quartier vielleicht eine
gewisse Entlastung.
Wie Sie selbst auch schon gesagt haben, lässt sich die
Prostitution auf dem Strassenstrich nicht verhindern. Wo wäre in
Luzern ein geeigneter Platz dafür?
Stämmer: Das kann ich im Moment nicht beantworten. Wie
gesagt, klärt der Kanton ab, ob es gesetzliche Grundlagen für
eine Veränderung braucht. Am besten wäre natürlich eine
Lösung in einem Club oder Salon. Aber solange es eine Nachfrage
nach Strassenprostitution gibt, wird auch das Angebot da sein.
In Zürich können neu Freier gebüsst werden, welche
sich nicht an gewisse Bestimmungen halten. Wäre das auch für
Luzern eine Option?
Stämmer: Das kantonale Justiz- und Sicherheitsdepartement
wird sicher auch die Regelungen in anderen Städten prüfen.
Konkret kann ich dazu nichts sagen. Ich meine aber, die Freier haben
auch die Verantwortung, Rücksicht auf die Anwohner zu nehmen.
Die betroffene Quartierbevölkerung sieht in einem
staatlichen Bordell, einem Strichplan oder in Verrichtungsboxen die
Lösung für das Problem. Wie stehen Sie zu diesen Massnahmen?
Stämmer: Ob ein Strichplan oder ein offizielles Bordell die
richtige Lösung ist, kann ich heute nicht sagen. Ich warte den
kantonalen Bericht ab.
Der Strassenstrich ist in den kantonalen Abklärungen aber
bislang kein Thema. Gleichzeitig ist er fast ausschliesslich ein
Problem der Stadt Luzern. Wird das Thema nicht einfach vergessen?
Stämmer: Der Bericht wird auch Aussagen zur
Strassenprostitution machen müssen. Ich weiss, dass der Kanton und
die Polizei ganz genau wissen, was auf dem Strassenstrich abgeht. Wir
von der Stadt sind via Sicherheitsausschuss auch zu Fragen der
Prostitution involviert und können so unsere Anliegen einbringen.
Die Erarbeitung eines kantonalen Gesetzes dauert. Was können
Sie in der Zwischenzeit für die geplagten Anwohner tun?
Stämmer: Die Polizei wird weiterhin vor Ort präsent
sein. Weitere Massnahmen sind momentan nicht geplant. Sinnvoll
fände ich eine nationale Lösung, denn das Sexgewerbe ist gut
vernetzt. Wenn in einem Kanton das Gesetz verschärft wird,
verschiebt sich die Szene einfach anderswo hin. Ich gehe davon aus,
dass sich der Kanton Luzern für eine nationale Lösung
starkmachen wird.
* Ursula Stämmer (52, SP) ist Direktorin Umwelt, Verkehr und
Sicherheit der Stadt Luzern.
--
Anwohner: "Die Situation ist unerträglich"
Tribschenquartier
bin. Seit Jahren schaffen Prostituierte entlang der
Tribschenstrasse an, in der Nähe des Grimselwegs warten sie auf
Kundschaft. Teuer angemietete Zimmer in den Häusern an der
Tribschenstrasse 24 und am Grimselweg 4 dienen als "Absteigen". Eine
höchst unangenehme Situation für die Anwohner. "Es gibt
nichts schönzureden. Die Familien mit Kindern sind schon alle
weggezogen", sagt eine Person, die seit zehn Jahren eine Beiz in der
Nähe führt. "Vor dem Geschäft ist es dreckig, niemand
hat Lust, hier zu flanieren. Ich muss mir jeden Kunden einzeln
verdienen." Auch Werner Roos vom Wirtshaus zum Unterlachenhof
ärgert sich: "Es ist eine Schweinerei, was hier allabendlich
passiert. Die Prostituierten machen meine Kunden an, die Freier
besetzen meine Parkplätze."
"Zweiklassengesellschaft"
Viele im Quartier zeigen sogar ein gewisses Verständnis
dafür, dass die Prostituierten auf der Strasse auf Kundschaft
warten. "Was ich aber wirklich nicht verstehe, ist diese
Ungleichbehandlung, diese Willkür seitens der Politik", sagt Jost
Renggli, der an der nahen Kellerstrasse wohnt. "In der Tribschenstadt,
wo neue Wohnungen gebaut wurden, werden Strassensperren errichtet, bei
uns wird das Problem hingegen seit Jahren toleriert. Das riecht nach
Zweiklassengesellschaft." Er selber will das Quartier nun verlassen.
"Ich habe einen extremen Fluchtdrang, es ist katastrophal hier." Fast
schon jeden Abend werde er auf dem kurzen Weg von der Bushaltstelle zum
Hauseingang von einer Prostituierten belästigt. "Gäste mit
Kindern traue ich schon gar nicht mehr einzuladen."
Ein Kollege von ihm wohnt noch näher beim Geschehen, am
Grimselweg 6. "Die Situation hat sich in den letzten Jahren massiv
verschärft. Heute stehen regelmässig bis zu zehn Frauen hier
herum", sagt er. Er komme gar nicht mehr zu seinem Haus, ohne dass ihm
die Frauen "Schätzeli" hinterherrufen und sich bei ihm
einhängen. "Einmal ist das lustig, aber mit der Zeit nervt es nur
noch."
Vor allem am Wochenende sei es extrem laut, da die Frauen lange
draussen warteten und dabei lautstarke Diskussionen führten. Der
Abfall staple sich auf dem Trottoir, da die Ausländerinnen keine
Ahnung hätten von Abfuhrplänen und Sperrgutmarken. "Zudem
zieht das Milieu komische Leute an, junge Leute, die aus den Autos
johlen und die Frauen verbal angreifen", sagt der Anwohner.
Quartierverein hofft auf Politiker
Eine gewisse Resignation ist bei jenen zu spüren, die sich
seit Jahren für eine Verbesserung einsetzen. "Ich habe das
Gefühl, dass der Stadtrat nicht gewillt ist, die Rechtsgrundlage
so zu ändern, sodass er wirkungsvoll eingreifen kann", sagt
Heinrich Bachmann, Vizepräsident des Quartiervereins
Tribschen-Langensand. "Für jeden Gemüsestand auf dem Trottoir
braucht es eine Bewilligung. Ich sehe nicht ein, warum das bei der
Strassenprostitution nicht der Fall ist. Wir erwarten vom Stadtrat und
dem Parlament, dass sie das Problem lösen und nicht nur von einer
Strassenseite auf die andere verschieben."
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RECHTSEXTREMISMUS
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Basler Zeitung 1.2.11
Rechtsextremer muss zahlen
Basel. Philippe Eglin, der Ex-Pnos-Präsident beider Basel,
ist im Juli vom Basler Strafgericht wegen Rassendiskriminierung zu
einer unbedingten Geldstrafe von fast 11 000 Franken verurteilt worden.
Dieses Urteil ist nun rechtskräftig, wie Onlinereports meldete.
Eglin hatte zwar dagegen appelliert, doch er habe es danach
versäumt, die Auflagen der Berufungsinstanz einzuhalten. Eglin sei
so uneinsichtig wie zuvor und verbreite weiterhin rechtsextreme
Propaganda auf dem Internet, sagt Rechtsextremismus-Experte Samuel
Althof. spe
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DAVID FRANKFURTER
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Schweiz Aktuell sf.tv 4.2.11
Geschichtsträchtig
Heute vor genau 75 Jahren verübte ein junger Medizinstudent ein
Attentat auf den höchsten nationalsozialistischen Funktionär
der Schweiz in Davos: Ein historisches Ereignis mit internationalen
Folgen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=e9be041d-f6fe-4424-9424-c8797e56b4b9
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Bund 4.2.11
Vor 75 Jahren: Student aus Bern erschiesst Nazi
Am 4. Februar 1936 erschoss der jüdische Student David
Frankfurter, der in Bern studierte, in Davos den Landesgruppenleiter
der NSDAP, Wilhelm Gustloff. Die Tat überraschte Frankfurters
Freunde in Bern - doch sie hielten zu ihm, als er im Gefängnis
sass.
Simon Thönen
Als der Medizinstudent David Frankfurter am 1. Februar 1936 mit
dem Zug von Bern nach Davos fuhr, hatte er kein Retourbillett und kein
Gepäck dabei - aber eine Pistole und ein Ziel: Er wollte den
Leiter der Landesgruppe Schweiz der deutschen Nazi-Partei NSDAP,
Wilhelm Gustloff, erschiessen.
In Davos zögerte Frankfurter. Seiner Familie schrieb er:
"Ich kann nicht mehr das Unglück des jüdischen Volkes
ertragen, es hat mir die Lebensfreude genommen." Der aus Slawonien
(heute Kroatien) stammende Sohn eines streng orthodoxen Oberrabbiners
hatte in Deutschland den Beginn der Judenverfolgungen nach der
Machtergreifung der Nazis miterlebt.
Am Abend des 4. Februar klingelte Frankfurter schliesslich bei
Gustloff. Er schoss fünf Mal - vier Schüsse trafen den
Landesgruppenleiter und töteten ihn. Kurz nach der Tat stellte
Frankfurter sich der Polizei in Chur.
Nazis: "Mitschuld der Hetzpresse"
Der "Bund" vermeldete das Attentat in der Abendausgabe vom 5.
Februar in dicken Lettern auf der Titelseite. Über den
Attentäter urteilte der "Bund" in der Morgenausgabe des 6. Februar
in harten Worten: Mit seiner Tat habe er "nur bewiesen, dass er
entweder nicht mehr klar und normal überlegen konnte oder dass er
ein bösartiger politischer Kindskopf ist". Die Zeitung
befürchtete auch, "dass die in Deutschland wohnenden Juden die
Quittung für seine Tat zu bezahlen haben werden".
Das Nazi-Regime und seine gleichgeschaltete Presse nutzten das
Attentat umgehend für Propaganda gegen die Juden - und gegen die
"marxistische und linksbürgerliche Schweizer Presse", die in den
Monaten vor dem Attentat einen "Hetzfeldzug gegen Gustloff"
geführt habe. Die Propagandaaktivitäten von Gustloff waren
ein heiss umstrittenes Politikum in der Schweiz gewesen. Der Bundesrat
hatte eine Ausweisung Gustloffs aber abgelehnt.
Der "Bund" befürchtete nach der Tat, dass der Bundesrat nun
die "Notverordnung gegen Presseauswüchse" schärfer anwenden
werde - was die Landesregierung auch tat. Zugleich wurden die
Parteiorganisationen der NSDAP in der Schweiz formell verboten, ihr
Fortbestehen wurde aber weiterhin geduldet.
Frankfurter wurde im Dezember 1936 in Chur wegen Mordes zu 18
Jahren Gefängnis verurteilt.
Berner Freunde hielten zu ihm
Die Tat hatte auch Frankfurters Freunde in Bern überrascht.
Das Ehepaar Anna und Guido Angeli hatte Frankfurter über seine
Schlummermutter in der Länggasse kennen gelernt. "Es waren alles
junge Leute, man hatte es sehr lustig miteinander", erinnert sich die
Nichte von Guido Angeli, die Musikerin Iris Gerber. Im Freundeskreis
habe man zwar darüber gesprochen, dass Frankfurter unter einer
schmerzhaften Knochenkrankheit litt - aber nicht über Politik.
Seine Verzweiflung über die Judenverfolgungen der Nazis liess
Frankfurter sich nicht anmerken.
"Weder vorher noch danach hätte man Frankfurter die Tat
zugetraut", sagt Gerber, die Frankfurter nur als Kind erlebte. "Mein
Onkel und seine Frau schilderten ihn als grundgütigen Menschen."
Als Frankfurter dann in Graubünden im Gefängnis sass,
schickten Anna und Guido Angeli ihm Fresspäckli und Bücher.
"Nachträglich gesehen war es für Frankfurter wohl fast ein
Glück, dass er in der ganzen Kriegszeit in Graubünden sicher
in einem Gefängnis sass", sagt Gerber.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Frankfurter begnadigt
und reiste nach Israel aus, wo er den unspektakulären Beruf eines
Beamten ausübte. "Der Kontakt riss auch danach nicht ab", sagt
Gerber, "wir erhielten immer wieder Orangen aus Israel von ihm."
Landesverweis spät aufgehoben
In der Schweiz besuchen konnte Frankfurter seine Berner Freunde
jedoch vorerst nicht. Sein lebenslänglicher Landesverweis war 1945
nicht aufgehoben worden. Dies geschah erst Ende der 60er-Jahre. "Mein
Onkel hatte sich dafür eingesetzt", erinnert sich Gerber.
Frankfurter hatte von Israel aus um eine gnadenweise Aufhebung des
Landesverweises gebeten, "da er für wenige Tage in die Schweiz
reisen möchte, um seine Freunde zu besuchen", wie eine Zeitung
1969 berichtete. "Danach war er hin und wieder zu Besuch in Bern", sagt
Gerber. In Bern gebe es heute ihres Wissens keine sichtbaren Spuren,
die noch an David Frankfurter erinnern.
In der ehemaligen Wohnung Gustloffs in Davos waren Ende der
60er-Jahre vor einer Renovation noch die Einschusslöcher sichtbar,
wie sich Lydia Jaccard, die mit der Familie Angeli befreundet ist,
erinnert. Jaccard hatte - aus Zufall - die Wohnung in Davos für
einige Jahre gemietet.
Zum Attentat auf Gustloff gibt es mehrere Bücher und den
Film "Die Konfrontation" von Rolf Lyssy. Der Mann von Gerber, der
Künstler Daniel Ritter, hat vor ein paar Jahren die Theatercollage
"Cut" über David Frankfurter geschrieben. Das Werk umfasst unter
anderem Ausschnitte aus den Protokollen des Gerichtsprozesses gegen
ihn. Es wurde in Wien und Bern aufgeführt.
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BZ 4.2.11
Aufgefallen
David Frankfurter
Heute vor 75 Jahren erschoss David Frankfurter in Davos
Wilhelm Gustloff, den Leiter der NSDAP-Landesgruppe Schweiz.
Frankfurter war am 31. Januar aus Bern angereist, wo der
27-jährige jugoslawische Staatsbürger seit 1933 Medizin
studierte. Aufgewachsen war er in einem streng jüdisch-orthodoxen
Elternhaus. Bei Büchsenmacher Schwarz an der Aarbergergasse 14
hatte er kurz vor dem Jahreswechsel eine automatische Pistole erworben.
"Für mich und irgendeinen Nazi", wie er später zu Protokoll
gab. Anschliessend hatte er zum ersten Mal in seinem Leben
Schiessübungen im Schiessstand von Ostermundigen durchgeführt.
Gegen 20 Uhr klingelte Frankfurter an jenem 4. Februar 1936 in
Davos an einer Wohnungstüre im Parkhaus Nr. 3 im zweiten Stock.
Neben der Türe hing ein Schild "Gustloff NSDAP". Hedwig Gustloff
öffnete ihm und führte ihn ins leere Büro ihres Mannes.
Wilhelm Gustloff war seit Februar 1932 nationalsozialistischer
Landesgruppenleiter in der Schweiz und damit dienstältester
Landesgruppenleiter im Ausland überhaupt. Als Gustloff ins
Büro trat, tötete Frankfurter ihn mit vier Schüssen. Der
Student stellte sich anschliessend freiwillig der Davoser Polizei.
Das erste Attentat gegen einen Repräsentanten des Dritten
Reiches im Ausland wurde von der nationalsozialistischen Propaganda zur
antijüdischen Hetze und zu Angriffen gegen die Schweiz
instrumentalisiert.
Im Dezember 1936 wurde Frankfurter in Chur der Prozess gemacht.
Die NS-Medien berichteten breit darüber und überboten sich
gegenseitig mit Kritik an der Justiz und mit Häme über den
Angeklagten.
Das Urteil: 18 Jahre Zuchthaus und anschliessender lebenslanger
Landesverweis. Nach über 8 Jahren Haft wurde er nach Kriegsende
vom Bündner Grossen Rat begnadigt und am 1. Juni 1945
freigelassen. In einem Interview sagte er damals: "Ich wollte das
Gewissen der Welt aufrütteln, aber sie schlief weiter. So blieb es
nur eine moralische Geste ohne Folgen." Frankfurter lebte später
in Israel. Der Landesverweis wurde erst 1969 aufgehoben, um dem
inzwischen 60-Jährigen eine Schweiz-Reise zu ermöglichen.
Frankfurter starb 1982 in Israel.
Für Gustloffs sterbliche Überreste begann nach einer
Gedächtnisfeier in Davos eine von der NS-Propaganda inszenierte
Triumphfahrt von Davos via Zürich, Stuttgart, Halle und Wittenberg
nach Schwerin. Dort wurde er am 12. Februar mit einem
Staatsbegräbnis beigesetzt. Adolf Hitler persönlich hielt die
Grabrede. Doch da richteten sich die Augen der Welt längst nach
Garmisch-Partenkirchen: Dort hatte am 6. Februar die Winterolympiade
von Hitlers Gnaden begonnen.
Andreas Saurer
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Südostschweiz 4.2.11
Ein Mord, der die Welt erzittern liess
Heute vor 75 Jahren, am 4. Februar 1936, tötete der
jugoslawische Student David Frankfurter in Davos den Deutschen Wilhelm
Gustloff. Der Attentäter rechtfertigte sich mit Gründen, die
auch auf Verständnis stiessen.
Von Johann Ulrich Schlegel
Davos. - Als zwei Kranke, die wie irrlichternde Gestirne aus dem
Universum der Millionen von Menschen unerbittlich und
schicksalsträchtig aufeinanderzurasen, um dann in furchtbarer
Kollision aneinander zu zerschellen: So erscheinen diese zwei Figuren
der europäischen Geschichte der Dreissigerjahre des letzten
Jahrhunderts. Der eine bezahlte sein Tun mit einem jähen Tod, der
andere mit der Verurteilung zu jahrzehntelangem Zuchthaus. Der eine
entpuppte sich als fanatischer Rassist, der das Volk des Mörders
schwer verunglimpfte, der Rächer aber rächte nicht nur sein
Volk und stand für dieses ein, er rächte sich auch aus ganz
persönlichen Motiven.
Ein Tumorkranker gegen einen Lungenkranken
Der Deutsche Wilhelm Gustloff hatte eine Lehre als Bankkaufmann
beendet, war aber infolge eines schweren Lungenleidens so behindert,
dass er zu normaler Arbeit nur unzulänglich taugte und
schliesslich nach Davos übersiedelte, um dank des Höhenklimas
Linderung von seinen Leiden zu finden. Er flüchtete sich sodann in
die Politik, und diese war damals in der westlichen Zivilisation
mehrheitlich rechts, zunehmend aber auch rechtsradikal, ja in
bösartiger Weise rassistisch. Am Schlimmsten war die rassistische
Gehässigkeit gegen die Juden. Und exakt Gustloff erwies sich in
der Schweiz als extremer Statthalter des damaligen deutschen
Antisemitismus; er war verantwortlich für unwahre oder
böswillige Schriften gegen die Juden. Seit 1932 war er dann auch
Landesgruppenleiter der Nationalsozialistischen Deutschen
Arbeiterpartei (NSDAP) in der Schweiz.
Weit verbreiteter Antisemitismus
David Frankfurter auf der anderen Seite war der Sohn eines
Oberrabbiners im damaligen Königreich Jugoslawien. Und auch er war
von Geburt an schwer krank. Er litt an Knochentumor. Dennoch gelang es
Frankfurter ab 1929, in Wien und Leipzig Medizin zu studieren. Aber man
kann nicht genug betonen: In dieser Zeit herrschte - und leider wird
dies bis heute gerne verschwiegen - in breiten Kreisen aller
Bevölkerungsschichten und ausgerechnet noch besonders stark im
akademischen Milieu ein unerträglicher Antisemitismus. Kurz:
Frankfurter selber sah sich sogar im Hörsaal schlimmster
Beschimpfung, ja Verfolgung ausgesetzt. Im Zug fuhr er schliesslich im
Februar 1936 durch das winterliche Prättigau hinauf nach Davos,
klingelte an der Türe Gustloffs und erschoss ihn auf der Stelle.
Die Erregung, welche durch die Presse der Welt ging, war
gewaltig. Gab es mildernde Umstände? Ging es um Tyrannenmord, der
entschuldbar wäre? Der berühmte Schriftsteller Emil Ludwig
setzte sich für Frankfurter ein. Weltweit wurde sein Plädoyer
begrüsst. Allein, die Presse Deutschlands hetzt aufs
Schärfste, ja sogar die jüdischen Kreise in Deutschland
distanzierten sich.
Die Welt schaute nach Chur
Auch in der Schweiz lehnte man die Untat mehrheitlich ab.
Dahinter steckte begreiflicherweise wie bei der jüdischen
Bevölkerung in Deutschland die Furcht vor den Nationalsozialisten.
Für Deutschland war der Prozess, der am 9. Dezember 1936 in
Chur gegen David Frankfurter begann, ein Weltereignis. Die Presse und
noch mehr die nationalsozialistische Regierung räumten ihm
höchste Priorität ein. Die Hotels in Chur erfuhren einen
gewaltigen Ansturm, insbesondere von deutschen Berichterstattern.
Hoteliers installierten spezielle Telefonkabinen, und selbst im
Postgebäude hatte man einen erweiterten Telefondienst eingerichtet.
Vor dem Verhandlungssaal des Gerichts standen den aus der ganzen
Schweiz und dem Ausland angereisten Presseleuten sechs Telefonkabinen
zur Verfügung. Im Saal selber waren rund zwei Dutzend Plätze
für deutsche Vertreter reserviert. Sodann standen 129
Sitzplätze ausschliesslich weiteren ausländischen und
schweizerischen Journalisten zu Verfügung.
Einer von ihnen schrieb wörtlich: "Der Saal bietet das Bild
eines internationalen Kongresses. Zu meiner Rechten sitzt, soeben aus
Spanien eingetroffen, der Berichterstatter eines New Yorker Blattes.
Mein Nachbar bedient italienische und schwedische Zeitungen. Aus
Frankreich, England und der Tschechoslowakei sind Journalisten nach
Chur geeilt. Der Balkan, Ungarn und andere Länder sind gut
vertreten."
Das Urteil gegen Frankfurter lautete schliesslich auf 18 Jahre
Zuchthaus wegen Mordes, wovon er bis zu seiner Begnadigung 1945 neun
Jahre in der Strafanstalt Sennhof verbüsste.
Plötzlich ging es ganz schnell
Gustloff wurde vom damaligen Deutschen Reich zum Märtyrer
hochstilisiert. Nach ihm wurde eines der grössten deutschen
Passagierschiffe benannt. Hitler taufte an der Seite der Witwe
Gustloffs, die früher Hitlers Sekretärin gewesen war, das
Schiff auf den Namen "Wilhelm Gustloff". Aber Unglück bringt so
oft wieder Unglück. In einer der furchtbarsten Schiffskatastrophen
der Weltgeschichte sank die "Wilhelm Gustloff" mit rund 10 000
Passagieren nach einem mörderischen russischen U-Boot-Beschuss am
30. Januar 1945.
Im gleichen Jahr war auch das Grauen Deutschlands vorüber.
Und da zeigte sich, wie die Justiz oftmals übermächtigen
Zwängen ausgesetzt ist. Adolf Hitler war tot. Die Gefahr
vorüber. Und da konnte Graubünden Frankfurter auch wie von
Zauberhand sofort begnadigen. Er wurde aus dem Zuchthaus entlassen und
ging nach Palästina, dem späteren Israel.
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SIKO MÜNCHEN 2011
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Indymedia 1.2.11
Auf nach München - fight global war ::
AutorIn : Antimilitaristin
Wieder einmal ist es soweit: Militärstrategen, Generäle und
Rüstungsexperten, Außen- und Verteidigungsminister der Nato-
und EU-Staaten, sowie Vertreter der Rüstungsindustrie und der
Medien, treffen sich im Nobelhotel "Bayerischer Hof" in München.
Die Sicherheitskonferenz steht stellvertretend für die weltweite
Unterdrückung, für Ausbeutung und Krieg, deswegen ist es
wichtig mit vielfältigen, emanzipatorischen und radikalen Mittel
dagegen vorzugehen. Dies ist eine kleine Zusammenfassung für alle
die nach München fahren:
Was ist los in München:
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Zum 47. Mal tagt vom 4. bis 6. Februar 2011 die so genannte
"Sicherheitskonferenz" [Siko] im Münchner Hotel "Bayerischer Hof".
Die Münchner Siko ist ein Treffen von internationalen Politikern,
Militärs und Rüstungsindustriellen. Es ist das weltweit
größte Treffen seiner Art. Bei der Sicherheitskonferenz
werden Militärstrategien und ökonomische Interessen
aufeinander abgestimmt, Kriegspläne diskutiert und öffentlich
als Einsatz für "Frieden" und "Sicherheit" angepriesen, aber auch
teilweise widersprüchliche Interessen einzelner Staaten und
Bündnisse verhandelt.
Seit zehn Jahren sind die Proteste in München gegen die Siko der
stärkste und kämpferischte Ausdruck der antimilitaristischen
Bewegung in der BRD. Mehrere Tausend Leute werden wieder dieses Jahr
gegen Siko am 5. Februar in München auf die Straße gehen.
Auch die radikale Linke wird wieder dabei sein. In diesem Jahr ist
thematisch der seit zehn Jahre andauernde Krieg in Afghanistan und die
deutsche Beteiligung der Schwerpunkt der Proteste.
Einerseits mobilisisieren verschiedene linksradikale Gruppen aus
München zu einem antikapitalistischen Block unter dem Motto "Gegen
Krieg und Krise - Sabotieren, Desertieren, Blockieren, Generalstreik!",
anderseits mobilisiert das Antifaschistische und Antimilitaristische
Aktionsbündnis bundesweit nach München als zweiten Teil ihrer
bundesweiten Kampagne "No Nato. No War. No Capitalism. - Kampf der
deutschen Kriegspolitik!" gegen die Mandatsverlängerung in
Afghanistan und die Siko.
Termine der Proteste gegen die Siko:
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04.02.2011 | Protestkundgebung | 18:00 Uhr | Marienplatz
05.02.2011 | Großdemonstration | 13:00 Uhr | Marienplatz
Aktionen und Mobilisierung in Vorfeld:
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22.01.2011 | Das Antifaschistischen und Antimilitaristischen
Aktionsbündnis machte einen bundesweiten Aktionstag zur
Mandatsverlängerung in Afghanistan mit Aktionen in acht
Städten >>> http://3a.blogsport.de/mandatsverlaengerung/
22.01.2011 | An einem Solikonzert unter dem Motto "Fuck war - no war"
im Feierwerk in München feierten 500 Leute.>>> http://sdajmuenchen.blogsport.eu/2011/01/fuck-war-no-war-konzert-mit-500-leuten/
26.01.2011 | Radikale Linke machten eine Infoveranstaltung zur Siko in
Kafe Marat in München
28.01.2011 | Am Tag der Mandatsverlängerung flogen in Berlin und
Sindelfingen Farbeutel an die Büros von MdBs, welche für die
Weiterführung des Krieges in Afghanistan gestimmt haben.
Infos unter >>> http://www.bundeswehr-wegtreten.org/
29.01.2011 | Die SDAJ machte eine Jubeldemonstration zur Siko unter dem
Motto "Party, Ballern, Panzerfahrn - Join the Bundeswehr!” >>>
http://sdajmuenchen.blogsport.eu/2011/01/jubeldemo/
31.01.2011 | Die SDAJ machte eine Veranstaltung im EineWeltHaus in
München mit Said Mahmood Pahiz von der Solidaritäts Partei
über die linke Bewegung in Afghanistan
Aufrufe zur Siko:
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Aufruf der linksradikalen Gruppen aus München:
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Gegen Krieg und Krise - Sabotieren, Desertieren, Blockieren,
Generalstreik!
Die Bundeswehr wird umstrukturiert. Die Bundesregierung hat
beschlossen, dass ab Juli 2011 die Zahl der SoldatInnen deutlich
verringert wird und die Wehrpflicht praktisch abgeschafft werden soll.
Das gesteckte Ziel ist es, eine kleinere, aber leistungsfähigere,
hoch mobile und hochtechnisierte Interventionsarmee zu schaffen um
überall auf der Welt flexibler und effektiver einsatzfähig zu
sein. Dieser Beschluss ist nur einer von vielen Schritten zur
Umstrukturierung der ...
weiter unter >>> http://www.autistici.org/g8/deu/siko/aufruf-gegen-die-nato-sicherheitskonferenz/
Aufruf des Antifaschistischen und Antimilitaristischen
Aktionsbündnis:
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No Nato. No War. No Capitalism. - Kampf der deutschen Kriegspolitik!
Ende Januar 2011 wird der Bundestag über die Verlängerung des
Mandates für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan abstimmen. Wie
in den vergangenen Jahren werden die bürgerlichen Parteien
mehrheitlich dem Einsatz zustimmen. Damit stimmen sie für die
Besatzung Afghanistans, die weder im Interesse der Menschen
Afghanistans noch im Interesse der Mehrheit der Menschen hierzulande
ist. Die Nato-Besatzung dient vielmehr den politischen und
geostrategischen Interessen der imperialistischen ...
weiter unter >>> http://3a.blogsport.de/2011/01/20/no-nato-no-war-no-capitalism-kampf-der-deutschen-kriegspolitik/
Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz:
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Aktiv werden gegen die NATO-Kriegspolitik! - Für Frieden und
Abrüstung! -Bundeswehr raus aus Afghanistan!
Am ersten Februarwochenende treffen sich im Hotel Bayerischer Hof
wieder die Regierungsvertreter_innen, Militärs,
Kriegsstrateg_innen und Rüstungslobbyist_innen überwiegend
aus NATO- und EU-Staaten.
Wir aber wollen unsere Sicherheit nicht Politiker_innen und
Militärstrateg_innen überlassen, an deren Händen Blut
klebt: Das Blut ...
weiter unter >>> http://sicherheitskonferenz.de/de/Aufruf-2011-Gegen-die-SIKO
Kritik am Aktionsbündnis >>> http://www.autistici.org/g8/deu/siko/no-support/
Busse zur Siko:
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Berlin
Tickets: Buchladen OH21 | Oranienstrasse 21 | 10999 Berlin
Preis: 20€ | ermäßigt 15€
Abfahrt: 05.02.2010 | 01:00 Uhr
Rückfahrt: 06.02.2010 | 10:00 | Übernachtungplätze sind
bereitgestellt
Nordrhein-Westfalen
Tickets bestellbar unter: koeln@rote-antifa.org
Preis: 30€
Abfahrt: 05.02.2010 | Köln | ca.06:00 Uhr
Rückfahrt: 05.02.2010 | 16:00 Uhr
Stuttgart
Tickets: LZ Lilo Herrmann | Böblingerstr. 105 | 70199 Stuttgart
Tickets auch bestellbar unter: ot-gegenkrieg@gmx.de
Abfahrt: 05.02.2010
Zürich
Tickets bestellbar über die PdA | www.pda.ch
Preis: 45/35 Fr.
Abfahrt 05.02.2011 | ca.7:30 Uhr
Materialen zu Krieg und Kapitalismus
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Broschüre "In Bewegung bleiben" über die Proteste bei der
Sicherheitskonferenz in München >>> http://www.autistici.org/g8/files/siko_broschuere.pdf
Broschüre "Krieg, Krise, Kapitalismus" vom Antifaschistischen /
Antimilitaristischen Aktionsbündnis >>> http://3a.blogsport.de/images/aaabund_broschur_2011.pdf
Broschüre "Bundeswehr und Nato raus aus Afghanistan" von der
Revolutionären Perspektive Berlin, Projekt Revolutionäre
Perspektive Hamburg und der Revolutionären Aktion Stuttgart
>>> http://www.perspektive.nostate.net/afghanistan_2011_broschur.pdf
Broschüre "Im Windschatten der NATO" von der Informationstelle
Militarisierung und Sabine Lösing, MdEP >>> http://imi-online.de/download/EU-Afghanistan2011-web.pdf
Reader "Tatort Kurdistan" von der gleichnamigen Kampagne über den
Krieg in Kurdistan und die deutsche Unterstützung.
>>> http://data6.blog.de/media/680/4774680_840f2b0b34_d.pdf
Broschüre "Deutschland im Krieg" über Krieg und den Celler
Trialog >>> http://antimilitarismus.blogsport.de/images/broschreweb.pdf
Feministisches Positionspapier"Wir müssen uns mehr einmischen!"
zur Militarisierung >>> http://antimilitarismus.blogsport.de/images/feministischespositionspapier_neu.pdf
Berichte, Bilder und Videos der letzten zwei Jahre
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2009
Bericht zu den Protesten >>> http://de.indymedia.org/2009/01/238897.shtml
Bericht zu den Protesten >>> http://de.indymedia.org/2009/02/241606.shtml
Bilder zur Demo >>> http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/foto2/siko09/index.htm
Mobivideo zur Siko >>> http://www.youtube.com/watch?gl=DE&hl=de&v=zYGZ6TgP3so
Video zur Demo Teil 1 >>> http://www.youtube.com/user/DokuTube2009#p/u/2/XABm-uyOr6o
Video zur Demo Teil 2 >>> http://www.youtube.com/watch?v=oUDnnYf046c
2010
Bericht zu den Protesten >>> http://de.indymedia.org/2010/02/273676.shtml
Video zur Demo Teil 1 >>> http://www.youtube.com/watch?v=UrqTw8Y7jGM&feature=related
Video zur Demo Teil 2 >>> http://www.youtube.com/watch?v=N7iyQs8fn6Y&feature=related
Video zur Demo 2010 Teil 3 >>> http://www.youtube.com/watch?v=ipwacwN9iUs&feature=related
Convergence Center
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Wie jedes Jahr wird im ehemaligen Tröpferlbad (Kafe Marat) in der
Thalkirchnerstraße vor und während der "Siko"-Proteste ein
Convergence Center eingerichtet, bei dem sich AktivistInnen treffen,
ausruhen und informieren können. Das Convergence Center wird
voraussichtlich am Freitag, 4. Februar ab 19 Uhr und am Samstag, den 5.
Februar ab 17 Uhr geöffnet haben. (Thalkirchnerstr. 102 | U3/6
Goetheplatz, Bus 58 Kapuzinerstrasse)
Ermittlungsausschuss
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Der Ermittlungsausschuss (EA) kümmert sich während der
Aktionstage um Festgenommene und kontaktiert ggf. Anwälte. Wer
fest- oder in Gewahrsam genommen wird oder wer Festnahmen beobachtet,
sollte den EA anrufen und Namen des/der Festgenommenen und
Festnahmegrund mitteilen. Nach der Entlassung sollten sich
AktivistInnen beim EA rückmelden! Die Nummer des EA lautet 089/448
96 38
Beschluß des Aktionsbündnisses gegen die
NATO-Sicherheitskonferenz vom 03.02.2009 (Gilt auch dieses Jahr) :
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Wir wollen keine Nationalfahnen. Das wird sowohl vom Lauti gesagt, als
auch von den Ordner_innen so vertreten. Sie gehen zu
Fahnenträger_innen hin und fordern sie auf die Fahnen einzurollen.
Aktionsbündnis Einigung aus den vergangenen Jahren …
Zum Umgang mit Nazis, rassistischen und antisemitischen Parolen und
Nationalfahnen während der Kundgebungen und Demonstrationen des
Demonstrationsbündnisses gegen die Nato-Sicherheitskonferenz am
6./7. Februar 2009:
1. Nazis haben auf einer fortschrittlichen Demo keinen Platz und werden
von uns unter keinerlei Umständen geduldet werden.
2. Wir wollen keine rassistischen und antisemitischen Parolen, ebenso
keine Holocaust- und NS-Vergleiche.
3. Wir wünschen uns keine Nationalfahnen auf den Kundgebungen und
Demos. Nationalfahnen sind für uns Symbol von Nationalismus und
damit einer Ideologie, die nach innen und außen Druck erzeugt,
Widersprüche innerhalb einer "Nation” negiert und eine
emanzipatorische Politik schwächt.
Weiter Informationen unter:
---------------------------
No Nato >>> http://www.autistici.org/g8/deu/
Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz
>>> http://sicherheitskonferenz.de/
Antimilitaristisches und Antifaschistisches Aktionsbündnis
>>> http://3a.blogsport.de/siko-2011/
SDAJ München >>> http://sdajmuenchen.blogsport.eu/nato-kriegskonferenz-2011/
Wir sehen uns in München - fight global war - fight capitalism
Join the international and anticapitalist block!
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ANTI-ATOM
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BZ 5.2.11
Anwohner des AKW melden sich zu Wort
Seedorf Rund 100 Anwohner des Atomkraftwerkes Mühleberg
wehren sich aktiv gegen einen Neubau.
Ein Lager für radioaktive Abfälle neben dem neuen
Atomkraftwerk oder eine mögliche Überflutungsgefahr. In den
letzten Wochen seien neue Fakten enthüllt worden, die einen Teil
der Anwohner des Atomkraftwerkes Mühleberg stark beunruhigt
hätten und nun "das Fass zum Überlaufen gebracht haben",
heisst es in einer Mitteilung. Im Anschluss an eine Lesung in Seedorf,
bei der es um einen literarische Aufarbeitung der Katastrophe von
Tschernobyl ging, hätten einige Anwesende ihre Köpfe
zusammengesteckt. "Nicht die ganze Bevölkerung rund um
Mühleberg steht hinter einem neuen Atomkraftwerk", erklärt
Barbara von Escher, eine der Initiantinnen. Deshalb hat eine kleine
Gruppe beschlossen, ein Zeitungsinserat gegen ein neues AKW zu
publizieren, falls sich bis Mitte Woche 30 Personen bereit
erklärten, mit ihrem Namen hinzustehen und das Inserat zu
finanzieren.
Dieses Ziel sei schnell klar übertroffen worden, sagt
Barbara von Escher. "Es entwickelte sich eine Eigendynamik, und
innerhalb von vier Tagen waren gut 100 Personen bereit, mit ihrem Namen
für ein Nein einzustehen", sagt von Escher zur erfolgreichen
Aktion. Nur wenige Angefragte hätten abgesagt. Es sei klar, dass
die Anwohner, die Angst vor den langfristigen Folgen haben, nicht mit
der grossen finanziellen Kelle anrichten könnten. Auch der
Zeitpunkt für ein Inserat sei spät. "Aber es ist nie zu
spät", betont Barbara von Escher. Zudem sei das Thema "Neues AKW
in Mühleberg" mit dieser Konsultativabstimmung noch nicht
abgeschlossen. Obwohl nichts Langfristiges geplant sei. Vielleicht
kristallisiere sich ein kleiner Kern heraus, der bei den weiteren
Abstimmungen die Koordination übernehme, sagt Barbara von Escher.
hus
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Thuner Tagblatt 5.2.11
BO-Redaktionsleiter Bruno Stüdle zur Abstimmung über den
Ersatz des AKW Mühleberg
Atomstrom ist eine Auslaufenergie
Jawohl! Atomstrom ist eine Auslaufenergie. Warum?
Erstens A, weil bei einem so genannten "Zwischenfall" mindestens
zwischenzeitlich nichts mehr läuft und bei einem GAU das
jahrundertelange Blackout nicht nur für die Wirtschaft, sondern
vor allem für Umwelt, Natur und Mensch droht.
Zweitens A, weil das Problem der Zwischenlagerung des
Atommülls noch nicht gelöst ist und das Problem der
Endlagerung vermutlich gar nicht gelöst werden kann.
Drittens A, weil das Risiko aus Erstens A und Zweitens A in den
nächsten Jahren gar nicht mehr eingegangen werden muss - und darf.
Dafür sprechen folgende Argumente:
Erstens B zeigt das Energieszenario IV des Bundesamtes für
Energie auf, dass bis zum Jahr 2035 die Stromproduktion aller drei
Schweizer Atomkraftwerke durch eine bessere Energieeffizienz der Wohn-
und Geschäftshäuser in den Bereichen Wärmedämmung,
Heizen, Warmwasser und Beleuchtung ersetzt werden könnte.
Zweitens B könnte die von der Stromlobby prophezeite
Stromlücke bis 2035 auch mit erneuerbaren Energien wie Wasser-,
Solar-, Biomasse- und Windkraft geschlossen werden.
Dazu braucht es erstens C neben dem politischen Willen und der
Innovationskraft der Schweizer Wirtschaft vor allem den Mut des
Stimmvolkes, der Atomkraft abzusagen. Besinnen wir uns auf unsere viel
gepriesenen Tugenden von Pionier- und Erfindergeist. Als Preis winkt
nicht nur sauberer, sicherer und genügend Strom, sondern auch der
wichtige Wissens-Vorsprung gegenüber dem Ausland und damit viele
neue und nachhaltige Arbeitsplätze.
Zweitens C muss, wer "Atomstrom - Nein danke!" sagt, auch "Ja zu
gewissen Einschnitten in die Natur" sagen. Denn, ohne höhere und
vielleicht auch neue Staumauern, ohne neue Kleinwasserkraftwerke, ohne
Windparks und vor allem ohne Solarzellen kann der Atomstrom trotz
Ablaufdatum nicht ersetzt werden.
b.stuedle@bom.ch
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Berner Oberländer 5.2.11
KMU-Chefs gegen AKW
Oberland. KMU-Chefs aus dem Oberland engagieren sich gegen ein
neues AKW. Sie hoffen auch auf neue Jobs dank den erneuerbaren Energien.
"Die Oberländer Wirtschaft inklusive Tourismus braucht kein
neues Atomkraftwerk", sagen prominente Oberländer KMU-Chefs. Sie
engagieren sich im Abstimmungskampf in der "Gruppe neue Energie Bern"
(GNEB) gegen den Ersatz des AKW Mühleberg und setzen auf
erneuerbare Energien. Laut der GNEB hat die sogenannte erneuerbare
Bernische Energiewirtschaft im vergangenen Jahr im Kanton Hunderte von
neuen Jobs geschaffen. Allein in Thun generierte die Solarfirma Meyer
Burger gegen 150 neue Arbeitsplätze.bst Seite 2
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KMU-Chefs werben für Nein zum AKW
Oberländer kmu-Chefs "Die Oberländer Wirtschaft
inklusive Tourismus braucht kein neues Atomkraftwerk". Da sind sich
prominente Oberländer KMU-Chefs sicher. Sie setzen auf erneuerbare
Energien und engagieren sich im Abstimmungskampf gegen den Ersatz des
AKW Mühleberg.
"Zur Sicherung unseres Angebots und damit auch der zahlreichen
Arbeitsplätze sind wir auf eine ausreichende, wirtschaftliche
Energieversorgung angewiesen." So warben Mitte Januar prominente
Oberländer Touristiker an einer Medienkonferenz für ein "Ja"
zum Ersatz des Atomkraftwerks (AKW) Mühleberg (wir berichteten).
So denken im Oberland und der Region Thun aber nicht alle Unternehmer.
Einige KMU-Chefs engagieren sich in der Gruppe neue Energie Bern (GNEB)
für eine nachhaltige Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer
Energien und Energieeffizienz ohne ein neues AKW Mühleberg.
"Der Oberländer Tourismus braucht genügend Strom, aber
eben auch eine möglichst intakte Natur. Deshalb dürfen wir
nicht auf den Risikostrom eines AKWs setzen", sind zum Beispiel
Rosemarie und Karl Bieri vom Hotel Ermitage in Kandersteg
überzeugt. "Wenn es in Mühleberg zu einem Zwischenfall kommt,
könnte das den Tourismus für Jahrzehnte oder für alle
Ewigkeit lahmlegen", sagt Karl Bieri. Er ist sich sicher, dass bis zur
definitiven Abschaltung des AKW-Mühleberg genügend Strom aus
erneuerbaren Energien bereitgestellt werden kann. Zum Beispiel mit dem
"zwingenden Ausbau an der Wasserkraft an der Grimsel - KWO-Plus - mit
Solarenergie und mehr Kleinwasserkraftwerken wie jenes im Alpbach."
Dieses decke über 80 Prozent des Strombedarfs in Kandersteg ab.
Auf Wasserkraft - und Solarstrom - setzt auch Walter F. Bettschen
der Sägewerk Bettschen AG in Reichenbach. "Bei der Nutzung der
Wasserkraft haben wir ein grosses Know How und ein sehr grosses
Potenzial. Ich wäre bereit, für den Ausbau der Wasserkraft
ein weiteres Tal im Oberland unter Wasser zu setzen", sagt Bettschen.
Angst, dass bei einem Nein zu Mühleberg Arbeitsplätze
verloren gehen, hat Bettschen nicht: "Als einer, der von der
Bauwirtschaft abhängt und in der Gewissheit, dass einer der
grössten Aufträge für unser Unternehmen jener beim Bau
des AKW Leibstadt war, bin ich sicher, dass mit erneuerbaren Energien
weit mehr und vor allem nachhaltigere Arbeitsplätze geschaffen
werden können, als mit der Atomwirtschaft." Wie überzeugt
Walter F. Bettschen und Sohn Lukas W. Bettschen von den erneuerbaren
Energien sind, zeigt ein Blick auf die Dächer der Sägewerk
Bettschen AG. 2009 haben sie dort die grösste private Solaranlage
der Schweiz installiert.
"Die Energiepolitik wirkt sich immer direkt auf die Holzpolitik
aus", weiss Markus Wenger von der Wenger Fenster AG in Wimmis und
Blumenstein. "Wenn man ein Fenster aus regionalem Holz baut, dann
benötigt man vier Mal weniger Strom als bei der Produktion von
Billigfenstern aus PVC. Das ist aber nur so lange möglich, wie wir
von Billigstrom, wie jenem aus AKWs überschwemmt werden",
erklärt Wenger. Im Unternehmen hat man die Vision, den
Nettonergieverbrauch zu halbieren. Dazu brauche es aber auch den
politischen Willen, auf eine erneuerbare und damit teurere, aber
nachhaltigere Energieversorgung zu setzen. So könnten die
Energieeffizienz gesteigert und neue Arbeitsplätze geschaffen
werden", ist der Fensterbauer überzeugt. ""Höhere
Energiekosten und tiefere Lohnnebenkosten würden wichtige Anreize
für mehr Arbeitsplätze und weniger Energieverbrauch
schaffen", sagt Wenger.
Bruno Stüdle
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Die "Gruppe neue Energie Bern" (GNEB), zählt rund 60 KMUs.
Aus der Region sind dabei: Allenbach Holz- und Trockenbau AG, Frutigen;
Architektur Atelier Adrian Christen, Thun; AWG Solar GmbH, Thun; e-nova
Solar AG, Thun; ElektroLink AG, Frutigen; Elektroplan Buchs &
Grossen AG, Frutigen; Elektro Tschanz, Saanenmöser; Hobag Brienz -
automatische Holzheizungen, Brienz; Hotel Ermitage, Kandersteg;
Kraftwerk Engstligen-alp, Adelboden; Liebi LNC AG, Oey-Diemtigen;
Sägewerk Bettschen AG, Reichenbach; Wenger Fenster AG, Wimmis;
ZOBO Hydropower AG, Brienz; Kentron Baubiologie Hilterfingen und Bern;
Biral AG, Münsingen.
Das Arbeitsplatzangebot der Energiewirtschaft
Das neue AKW Mühleberg soll im Kanton 1300 Jobs sichern. Die
erneuerbare Bernische Energiewirtschaft rechnet mit Hunderten von neuen
Jobs.
"Ein Ja zu Mühleberg sichert wirtschaftliches Wachstum und
damit wichtige Berner Arbeitsplätze", so wirbt Peter Flück,
Nationalrat aus Brienz und Präsident der FDP Kanton Bern,
auf Inseraten des überparteilichen Komitees "Ja zu
Mühleberg". Das Gleiche wird dem Stimmvolk auch in der
Abstimmungsbotschaft versprochen: "Der volkswirtschaftliche Nutzen des
Ersatz-Atomkraftwerks ist gross. Es schafft viele neue
Arbeitsplätze." Wie viele, das erfährt man dort nicht.
Aktuell arbeiten laut Botschaft rund 300 Personen im AKW
Mühleberg, weitere rund 200 Personen seien bei Lieferanten
beschäftigt. Und laut Pro-Komitee soll das Ersatz-Atomkraftwerk
dem Kanton und der Region "1300 Arbeitsplätze sichern und
jährlich 600 Millionen Franken Wertschöpfung bringen".
Zum Vergleich: Die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) beschäftigt
laut aktuellem Eintrag auf der Homepage rund 490 Mitarbeitende (325
Vollzeitstellen). Die Thuner Technologiegruppe Meyer Burger zählt
aktuell weltweit über 1200 Vollzeitstellen; davon arbeiten alleine
440 (plus 210 Temporärstellen) in Thun bei der Gruppengesellschaft
MB Wafertec und 150 bei der 3S Modultec in Lyss. Gesamthaft sind das
rund 590 Arbeitsplätze im Kanton Bern. Im vergangenen Jahr hat das
Unternehmen rund 150 neue Stellen geschaffen - die meisten davon in
Thun.
Die "Gruppe neue Energie Bern" (GNEB) spricht von weiteren 162
neu geschaffenen Stellen ihrer 60 Mitglieder im Kanton. Und: "Es darf
davon ausgegangen werden, dass die erneuerbare Bernische
Energiewirtschaft 2010 mehrere hundert
Arbeitsplätze neu schaffen konnte", schreibt die GNEB.
Auch die Aussichten sind gut: "Die Auftragsbücher der im
Bereich der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz tätigen
Unternehmungen sind gut gefüllt und lassen weiteres Wachstum zu.
Allein die beiden grossen Solarfirmen im Kanton - Meyer Burger und
Sputnik in Biel - wollen im laufenden Jahr 225 neue Stellen schaffen",
weiss Stefan Batzli von der GNEB. Er hält weiter fest: "Weil
erneuerbare Energien und Energieeffizienz hier vor Ort entwickelt,
gefertigt, installiert und betrieben werden, bleibt das Know How und
die damit erzielte Wertschöpfung im Kanton Bern."
Mit dem Bau eines neuen AKW Mühleberg würde man das
Gegenteil tun: "Der Kanton würde die Energieinvestitionen in die
veraltete Atomtechnologie lenken, statt auf die zukunftsgerichteten
erneuerbaren Energien zu setzen und er würde es damit verpassen,
sich am Megatrend der erneuerbaren Energien aktiv zu beteiligen und
entsprechend zu profitieren", mahnt die GNEB in ihrer Mittelung. Laut
der Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (AEE)
erwirtschaftet die Schweizer
Solarbranche einen Umsatz von 1,9 Milliarden Franken. Sie
beurteilt den Bau neuer Atomkraftwerke für die Schweiz als
"wenig interessant. Aus dem geschrumpften Markt für Kerntechnik
haben sich alle schweizerischen Hersteller zurückgezogen.
Kernreaktoren, Rohstoffe (Uran) und wichtige Verarbeitungsschritte
(Brennstäbe, Konditionierung der Abfälle) müssten im
Ausland eingekauft werden. Auch das Personal würde im Ausland
rekrutiert, denn an schweizerischen Universitäten werden kaum mehr
Atomspezialisten ausgebildet", hält die AEE fest.bst
www.aee.ch, www.aber-sicher.ch
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NZZ 5.2.11
Querelen um AKW Mühleberg
Umstrittene Erdbebensicherheit
dsc. · Der Bundesrat hat im Dezember 2009 die befristete
Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg in eine
unbefristete Bewilligung umgewandelt. Dagegen wurde beim
Bundesverwaltungsgericht von mehreren Einzelpersonen Beschwerde
eingelegt. Nachdem diese Woche eine Akteneinsicht erfolgt ist,
äussern sich nun die Beschwerdeführer in einer
Medienmitteilung. Ihr zentraler Kritikpunkt ist der Umstand, dass ein
Bericht über die angeordneten Verstärkungen des Kernmantels
von 2005 noch nicht neuste Erdbebenszenarien berücksichtigt habe.
Hingegen hält das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) auf Anfrage fest, dass neuere
Analysen die Sicherheit auch bei der Annahme von schwereren Erdbeben
belegten. Bei solchen Überprüfungen seien in den letzten
Jahren Verstärkungen an einzelnen Mauern angeordnet worden, sagt
Hannes Hänggi vom Ensi. Laut Rainer Weibel, dem Anwalt der
Beschwerdeführer, hat man aber weitere problematische Punkte
entdeckt, deren Veröffentlichung vom Gericht derzeit mit Verweis
auf Firmengeheimnisse untersagt worden seien. Ein Kritikpunkt betrifft
den Hochwasserschutz.
Der Kernmantel des AKW Mühleberg ist das wohl am besten
dokumentierte Einzelteil aller Schweizer Atomkraftwerke. Der Mantel
befindet sich innerhalb des Reaktordruckbehälters und regelt den
Fliesskreislauf um den Kern. Wegen Rissen wurde der Kernmantel mit
Zugankern verstärkt, um zu verhindern, dass er sich bei einem
Erdbeben verschiebt und das Einfahren der Steuerstäbe behindern
könnte.
Das Kernkraftwerk Mühleberg erhielt als letztes der
Schweizer AKW eine unbefristete Betriebsbewilligung. Das Ensi hält
dabei fest, dass die Bewilligung bei Sicherheitsproblemen jederzeit
entzogen werden kann. In den vergangenen Jahren erhielt die Anlage in
Mühleberg von der Sicherheitsbehörde gute Noten. Über
die Beschwerde gegen die Betriebsbewilligung wird das
Bundesverwaltungsgericht wohl noch in diesem Jahr entscheiden.
---
Schweizer Bauer 5.2.11
Bern: Neues Kernkraftwerk verbaut Bauern Zukunftschancen
Bauernkomitee gegen Mühleberg II gegründet
Ein neues AKW schade der Landwirtschaft, dem Bauer werde die
Chance des Energiewirts entzogen, ist das Komitee sicher.
Reto Blunier
"Die Lobag sieht sich als Interessenvertreter sämtlicher
Bauern. Doch deren Präsident wirbt für das AKW Mühleberg
II. Damit sprengt die Lobag ihre Grenzen, denn es gibt auch Bauern, die
gegen das AKW sind", findet Kilian Baumann, dessen Gemüsebetrieb
20 Kilometer nördlich vom geplanten Ersatzkraftwerk liegt. Das
Komitee "Landwirtschaft für erneuerbare Energien und gegen
Mühleberg II" betonte vergangenen Mittwoch im Berner Ratshaus,
dass Mühleberg II der Landwirtschaft schade und eine grosse
Zukunftschance verbaue. Rund 30 Bauernfamilien sind der Ansicht, dass
die bei den Bauern in grosser Menge anfallenden Ressourcen Sonne, Holz,
Wind und Biomasse die Grundlage für eine nachhaltige und
auslandsunabhängige Energieversorgung gewährleisten. Nebst
einer Ernährungs- müsse auch eine
Energiesouveränität angestrebt werden, betonen sie.
Standbein geht verloren
Ein Nebeneinander beider Technologien ist für das Komitee
keine Option, denn mit dem Bau des AKW werde für die nächsten
80 Jahre den erneuerbaren Energien der Wind aus den Segeln genommen.
Mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien bleibe die gesamte
Wertschöpfung im Kanton, da die Anlagen hier gefertigt,
installiert und betrieben würden. Durch den Bau von Mühleberg
II werde den Bauern das Standbein Energiewirt entzogen,
zusätzliches Einkommen gehe verloren. Momentan sei Strom aus
erneuerbarer Energie noch teurer, doch dieser werde dank
Entwicklungsfortschritten immer billiger. Atomenergie sei für die
Landwirtschaft ein nicht tragbares Risiko, da es die gesamte
Lebensgrundlage zerstören könne.
Gegen dezentrale Anlagen
Die Frage der Endlagerung sei nicht geklärt, und ein
Zwischenlager für radioaktive Abfälle sei für die
Vermarktung von Erzeugnissen aus der Region hinderlich. Die
BKW AG habe kein Interesse, kleine und dezentral gelegene Anlagen zu
fördern, betont das Komitee. Sie fördere ihre eigenen
Solar-Grossanlagen (Solaranlage Wankdorfstadion). Zum Einwand der BKW,
dass die Realisierung von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer
Energie schwierig sei, sagt das Komitee, die BKW müsse mehr Biss
zeigen, denn bei Mühleberg II nehme sie auch Widerstände in
Kauf.
Die BKW bestreitet den Vorwurf des Desinteresses an kleinen,
dezentralen Anlagen. Diese müssten eine gewisse Grösse
aufweisen und gut gelegen sein. Die "gedeckelte"
Einspeisevergütung verhindere momentan die Realisierung weiterer
Fotovoltaikanlagen. Auch Christian Streun, Pressesprecher der Lobag,
wehrt sich gegen die erhobenen Vorwürfe: "Die Lobag setzt sich
sehr für erneuerbare Energien ein. Wir sind der Meinung, dass
beide Technologien benötigt werden."
---
Tribune de Genève 5.2.11
La face cachée du nucléaire en Suisse
La centrale de Gösgen est accusée par Greenpeace de
se fournir en combustibleà Mayak. Malaise aux SIG, qui
possèdent une participation indirecte dans la centrale
Christiane Pasteur
Le complexe nucléaire de Mayak est situé en Russie,
dans l'Oural sibérien. C'est-à-dire loin, très
loin de chez nous. Et pourtant, c'est, entre autres, là-bas que
s'approvisionne en combustible nucléaire la centrale de
Gösgen, dans le canton de Soleure. Via la firme française
Areva qui elle-même sous-traite avec la société
russe MSZ Elektrostal. En matière de nucléaire, la
traçabilité emprunte parfois des chemins tortueux…
Or, selon les enquêtes menées sur le terrain par
Greenpeace, la région de Mayak est la deuxième zone la
plus contaminée au monde après Tchernobyl. Les
déchets radioactifs polluant les cours d'eau et les sols depuis
soixante ans ont transformé la région "en
véritable poubelle de l'industrie nucléaire",
dénonce l'ONG. "Le taux de cancers dans la région de
Tschelyabinsk(ndlr: grande comme la moitié de la Suisse)est
largement plus élevé que la moyenne, le nombre de fausses
couches aussi; de nombreux enfants naissent avec des malformations
génétiques et des handicaps d'une extrême
gravité. "
Lettre ouverte aux actionnaires
Greenpeace a donc envoyé, peu avant Noël, une lettre
ouverte aux actionnaires et aux collectivités
approvisionnées en électricité par la centrale
nucléaire de Gösgen, dont les Services Industriels de
Genève (SIG). En effet, alors même que les Genevois ont
inscrit dans la Constitution l'interdiction pour le canton de
s'approvisionner en électricité d'origine
nucléaire, les SIG possèdent un siège au conseil
d'administration d'Alpiq, numéro 1 de
l'électricité en Suisse, lui-même actionnaire
à hauteur de 40% de la centrale de Gösgen.
"Nous avons été sensibles au courrier de
Greenpeace, assure Isabelle Dupont Zamperini, porte-parole des SIG. La
situation, telle qu'elle nous est décrite dans cette lettre
ouverte, ne correspond pas à nos critères en
matière de développement durable, de
sécurité et de respect des droits humains. Notre
président, Daniel Mouchet, a interpellé le conseil
d'administration d'Alpiq concernant la traçabilité de
l'uranium et ses conditions de production. Nous attendons un rapport
dans les semaines à venir. "
En septembre dernier, Moritz Leuenberger, alors conseiller
fédéral, avait reconnu que l'Office fédéral
de l'énergie n'est pas habilité à effectuer des
contrôles sur un territoire étranger. Une tâche qui
revient à chaque pays, sous la surveillance de l'Agence
internationale de l'énergie atomique.
Manque de transparence
A Gösgen, personne n'a souhaité répondre
à nos questions. "Nous avons besoin de temps pour
vérifier les informations transmises par Greenpeace,
déclare Andreas Werz, porte-parole d'Alpiq, au
téléphone. Nous rencontrerons leurs représentants
dans les semaines à venir mais ne souhaitons pas communiquer
avec les médias. "
Le groupe Axpo, qui possède la centrale nucléaire
de Beznau, en Argovie, ainsi que des participations dans celles de
Gösgen et de Leibstadt, travaille également avec Mayak. En
novembre dernier, le patron d'Axpo, Manfred Thumann, a avoué
à l'ATS s'être montré "trop naïf" sur
l'origine des combustibles que lui livre l'entreprise française
Areva et a parlé d'un futur changement de contrat après
visite du site par un groupe d'experts. "Le cheminement des
combustibles est beaucoup moins transparent et plus complexe
qu'imaginé jusque-là. "
"Il n'existe aucune perspective pour que l'installation produise
de manière propre dans un délai raisonnable, estime
Florian Kasser, chargé de l'énergie chez Greenpeace. Seul
un assainissement complet de toute la région pourrait
protéger les habitantes et habitants d'une contamination
radioactive. " Et de conclure: "Sans la fourniture d'énergie
étrangère d'origine douteuse, les centrales
nucléaires suisses ne pourraient pas être
exploitées. "
---
Basler Zeitung 5.2.11
Regierung rügt "2 Grad"-Macher
Basel. Axpo-Deal habe Unabhängigkeit der Aussteller aufs Spiel
gesetzt
Patrick Marcolli
Der Energiekonzern Axpo hatte in der Ausstellung "2 Grad" eine
atomkritische Videopassage entfernen lassen. Die Rüge der
Regierung ist pikant, ist doch das Präsidialdepartement selbst
prominent im Trägerverein vertreten.
Ungewöhnlich deutliche Worte sind es, die in der
Regierungsantwort auf einen Vorstoss von Mirjam Ballmer (Grüne) zu
lesen sind: "Der Regierungsrat zeigt sich erstaunt darüber, dass
die Ausstellungsmacher im Bereich der Atomenergie diese Vereinbarung
mit der Axpo abgeschlossen und damit ihre Unabhängigkeit aufs
Spiel gesetzt haben." Sprich: Die Regierung goutiert die Vereinbarung
zwischen den Machern der Ausstellung "2 Grad" und der Axpo nicht:
Gemäss Vereinbarung mussten Texte zur Kernkraft, die in der
Ausstellung vorkommen, zuerst mit dem Energiekonzern abgesprochen
werden. Axpo ist einer der Sponsoren der Ausstellung und trägt
gemäss Regierung zwei Prozent des Gesamtbudgets von 3,7 Millionen
Franken, steuert also 74 000 Franken bei.
Diese Vereinbarung brachte die Ausstellungsmacher aber in die
Bredouille. Wie die BaZ Ende Dezember publik machte, hatte die Axpo
interveniert und einen Satz aus einer Computergrafik entfernen lassen.
Dort hatte es geheissen: "Uran ist eine begrenzte Ressource. Bei einem
massiven Umstieg auf Atomkraft wären die Uranvorräte nach nur
18 Jahren verbraucht. Der radioaktive Abfall strahlt noch sehr lange
und ein schwerer Unfall kann nie ausgeschlossen werden."
keine intervention. Im Kontext der gesamten Ausstellung, die sich
um das Klima der Erde dreht, bewertet die Regierung diese umstrittene
Massnahme aber als nicht sehr gravierend: Alle zentralen Aussagen der
Ausstellung seien bestehen geblieben. Es könne nicht die Rede
davon sein, dass, wie es Ballmer formulierte, "der Inhalt der
Ausstellung nachträglich bestimmt worden ist". Eine direkte
Intervention bei den Ausstellungsmachern lehnt die Regierung "in
Anbetracht der Geringfügigkeit des Eingriffs" ab.
Eine solche Intervention wäre noch pikanter gewesen, als es
die Rüge allein schon ist: Zum einen steuert der Kanton 300 000
Franken zur Ausstellung bei. Zum anderen ist er namhaft beteiligt am
Trägerverein, der eigens gegründet wurde, um die Ausstellung
nach Basel zu holen: Markus Ritter, engster Mitarbeiter von
Regierungspräsident Guy Morin (Grüne), ist Vizepräsident
des Vereinsvorstands.
Grossrätin Ballmer liess gestern nach der Lektüre der
Regierungsantwort verlauten, sie sei erstaunt über die
Vereinbarung zwischen der Axpo und den Ausstellungsmachern und frage
sich, ob noch andere solcher Abmachungen existierten. Die
Ausstellungsmacher selbst wollten sich nicht mehr zu dieser
Angelegenheit äussern. Sprecherin Jordy Haderek sagte der BaZ, man
sei derzeit damit beschäftigt, den Besucheransturm - es handelt
sich vor allem um Schulklassen - in den letzten Tagen der Ausstellung
zu bewältigen. "2 Grad" ist noch bis am 20. Februar auf dem
Dreispitzareal zu sehen.
---
Bund 4.2.11
AKW MühlebergDer neuste Coup der Befürworter
Mit Obama - aber ohne Bild
Anfang Woche warben Zeitungsinserate mit dem früheren
SP-Bundesrat Moritz Leuenberger für ein neues AKW in
Mühleberg. In der Anzeige wurde ein altes Leuenberger-Zitat
verwendet, in dem dieser die Haltung des Gesamtbundesrats zur
Atomenergie darlegte. Illustriert war sie mit einem Bild, das den
Politiker vor dem SP-Logo zeigte. Leuenberger reagierte erbost, er war
vom Pro-Mühleberg-Komitee gar nicht angefragt worden. "Mangelnder
Anstand", kommentierte der Alt-Bundesrat.
Nun wirbt in neueren Zeitungsinseraten das
Pro-Mühleberg-Komitee noch einmal mit einem Staatslenker - und der
ist noch im Amt und erst noch viel prominenter als Leuenberger. Das
Komitee zitiert Barack Obama mit einer atomenergiefreundlichen Aussage,
illustriert dies aber nicht mit einem Obama-Bild, sondern, etwas
verschämt, mit einem Bild des Weissen Hauses. Die
AKW-Befürworter haben wohl befürchtet, dass es ihrer Kampagne
doch etwas schaden könnte, wenn nach Leuenberger auch der
amerikanische Präsident über seine Rolle als unfreiwilliger
Werbebotschafter plötzlich motzen würde.(sw)
---
Work 4.2.11
Solar-Firma wettet: Wir ersetzen Mühleberg durch Sonnenstrom
Neues AKW wäre Milliarden-Flop
Die Schlacht ums Atom beginnt am 13. Februar in Bern. Die
Stromkonzerne wollen uns drei neue AKW hinstellen.
DANIEL VONLANTHEN
Schon mit 12 Jahren gründete Markus Gisler die Firma
Megasol. Heute, kaum 30, fordert der Solar-Düsentrieb die
Atomlobby heraus. Er schlägt dem Berner Stromkonzern BKW vor, den
uralten Atommeiler Mühleberg durch Sonnenstrom zu ersetzen.
Megasol will 16000 Dächer mit topmodernen Solarpanels
ausrüsten. Denn: "Ein neues AKW ist eine milliardenschwere
Fehlinvestition", sagt Gisler. Seine Mini-Solarkraftwerke für den
Hausgebrauch liefern zusammen am Ende eine Spitzenleistung von 8000
Megawatt. Das AKW Mühleberg bringt es gerade auf 373 Megawatt.
Gisler hat Referenzen. Mama Sarah, Grossmutter des
US-Präsidenten Obama, produziert in Kenia Strom mit
Megasol-Modulen. Bei Schanghai, in Ningbo, stellt Megasol Solarmodule
neuester Bauart her. Megasol exportiert in 20 Länder.
Jährlich wächst der Umsatz zwischen 30 und 60 Prozent.
Dinosaurier-technologie
Das Gesamtpaket der Megasol wäre nicht teurer als der Bau
eines AKW: 13,8 Milliarden. Nur ohne Folgekosten wie beim Atomstrom.
Und am Ende käme die Kilowattstunde Solarstrom auf vergleichbare
11 Rappen zu stehen.
Die Offerte ist ein Donnerschlag in der Debatte um das AKW
Mühleberg. Am 13. Februar richtet das Berner Stimmvolk über
den Ersatz des Altreaktors. Die Wogen schlagen hoch. 2009 hatte sich
der Kanton Waadt bereits gegen Mühleberg entschieden.
Die Berner Abstimmung ist zwar unverbindlich. Doch sie
eröffnet die grosse Schlacht um die Energiezukunft Schweiz. Seit
1988, als das Projekt für ein AKW in Kaiseraugst AG am Widerstand
der Bevölkerung scheiterte, war die Dinosaurier-Technologie
Atomstrom kein Thema mehr. Jetzt wollen die Atomstrom-Multis BKW, Axpo
und Alpiq mindestens zwei, lieber drei neue Atommeiler bauen. Die
Gesuche liegen beim Bundesrat. Economiesuisse-Chef Gerold Bührer
diktierte Bundesrätin Doris Leuthard, die Meiler zu bewilligen.
Pralle kriegskasse
Voraussichtlich 2013 kommt die Sache vors Volk. Die Atomlobby
setzt alles daran, das Atom-Revival durchzudrücken. Sie droht mit
der "Stromlücke", wenn die alten Atomanlagen vom Netz genommen
werden. Jetzt steht der teuerste Abstimmungskampf in der Geschichte
bevor. Die Kriegskasse für Atomwerbung ist mit 30 Millionen
Franken prall gefüllt. Das Volk finanziert indirekt via Stromtarife
die eigene Manipulation mit. Die Stromkonzerne, Economiesuisse und die
Bürgerlichen scharen sich um das Nuklearforum. Die Werbetrommel
rührt die amerikanische PR-Agentur Burson-Marsteller, die auch
schon Skandalunternehmen wie Exxon (Alaska-Ölpest) und den
Chemiemultis der Bhopal-Katastrophe aus dem Dreck half.
Klar, zeigte die BKW der Megasol die kalte Schulter. In
Mühleberg will sie einen neuen, grösseren Atommeiler bauen,
samt einem Zwischenlager für strahlenden Müll.
Hauptargument der BKW: "Die Schweizer Wirtschaft braucht
Energiepreise, die bezahlbar sind."
Doch die Zeit arbeitet gegen die Atomkraft: Die Kosten für
neue AKW steigen ins Unermessliche. Die Kurve der Energiepreise steigt
steil an. Mit jedem Rappen verbessern sich die Marktchancen
erneuerbarer Energien. Ein neues AKW lässt sich nicht in 15 Jahren
bauen. Solarkraftwerke schon. Strom aus erneuerbaren Energien ist nicht
nur ökologisch, sondern auch ökonomisch vorteilhaft.
Voraussichtlich ab 2014 wird der Strommarkt in der Schweiz komplett
liberalisiert. Dann werden wir den Versorger frei wählen
können. Die Folge: Axpo, Alpiq und BKW bleiben auf ihrem Atomstrom
sitzen. Schweizer Städte wie Basel, Bern, Zürich, Genf und
St.Gallen haben die Abkehr vom Atomstrom beschlossen.
viele neue jobs
Megasol ist, gemeinsam mit 60 andern KMU, Mitglied der Gruppe
"Neue Energie Bern". Sie setzen ganz auf Energieeffizienz und
erneuerbare Energien und lehnen den Bau neuer AKW ab. Letztes Jahr
schufen die Firmen zusammen über 160 neue Arbeitsplätze. Der
Megasol-Pionier blickt zuversichtlich in die Zukunft. Gisler: "Wenn die
BKW nicht auf unser Angebot einsteigt, suchen wir andere
Trägerschaften."
--
Die kleinen Dreckeleien der AKW-Lobby
Genosse Atom
Wie arrogant und dreist die millionenschwere Atomlobby agiert,
kann man im Abstimmungskampf um das AKW Mühleberg wieder einmal
besichtigen. Für ein Inserat bot sie alt Bundesrat rat Moritz
Leuenberger auf. Nur: Leuenberger wusste nichts davon. Und hinter
Leuenberger prangt das SPSignet. Signet. Doch die SP kämpft gegen
Mühleberg und hat eine Initiative für "100000 neue
Arbeitsplätze dank erneuerbaren Energien" gestartet.
Pro-Atom-Sprüche. Dumm nur, können sich die Atomstromer
für ihre kleinen Dreckeleien damit herausreden, dass die
radioaktive Lobby einige Sozis in ihren Reihen hat. Etwa den
früheren Direktor des Bundesamtes für Energie, Eduard Kiener,
oder den Berner Grossrat Markus Meyer. Leuenberger selbst hat gerne mit
Pro-Atom-Sprüchen provoziert. Und als Verwaltungsrat des
Baukonzerns Implenia wird er sich kaum dagegen wehren, wenn in
Mühleberg ein paar Millionen Kubikmeter Beton verbaut werden.
--
Energiespezialist und Ökonom Ruedi Rechsteiner warnt:
"Die Atomlobby agiert wie eine Sekte"
Die Atomlobby würde Solarstrom sogar ablehnen, wenn er
gratis wäre. Es gehe ihr nur um die Pro-Atom-Ideologie.
Daniel Vonlanthen
work: Die Abstimmung in Bern eröffnet die grosse
Atomdebatte. Herr Rechsteiner, wer gewinnt?
Rudolf Rechsteiner: Alle Argumente sind auf unserer Seite.
Windenergie ist heute die günstigste Stromerzeugungstechnik
überhaupt. Solarenergie wird in drei bis fünf Jahren
wettbewerbsfähig sein. Der Zug fährt in Richtung erneuerbare
Energien. Doch der Abstimmungskampf in Bern ist gezinkt. Die BKW als
Staatsunternehmen wendet Millionen auf und sponsert alle Parteien, die
sich für Atomkraft einsetzen. Sie kauft Politiker und Gemeinden.
Das vergiftet das Klima und verfälscht den Volkswillen.
Weshalb ist der Entscheid so wichtig?
Weil wir den Franken nur einmal ausgeben können. Wenn neue
AKW gebaut werden, sind die Stromnetze verstopft, und die Solarenergie
hat hierzulande keine Zukunft mehr. Man kann nicht AKW bauen und
zugleich erneuerbare Energien fördern. Es gibt kein Miteinander.
Die Atomlobby will ihre Versorgungsmacht nicht preisgeben?
Genau. Ein Bauer, der selber Strom auf dem Dach produziert, ist
für die BKW unerwünschte Konkurrenz. Deshalb baut die BKW nur
eigene Solarkraftwerke wie jenes auf dem Stade de Suisse und
bekämpft die Schaffung von fairen Vergütungen für
dezentrale Eigenerzeuger. Mit solchen Prestigeobjekten kann sie sich
erst noch ein grünes Mäntelchen umhängen.
Ist das Angebot der Megasol realistisch?
Unbedingt. Endlich geht eine Firma in die Offensive und zeigt,
was nun möglich ist.
Viele Solarunternehmen wirken passiv. Warum?
Ich habe mich auch schon gefragt, ob diese Unternehmen eigentlich
merken, dass es jetzt um die Wurst geht. Für die Abstimmung im
Kanton Bern haben einzelne Firmen 10000 Franken gespendet. So gewinnt
man nicht, denn die BKW scheut keinen Aufwand. Eine Firma wie Meyer
Burger müsste jetzt zwei oder drei Millionen Franken auf den Tisch
legen und sagen: Diesen Match wollen wir unbedingt gewinnen, denn es
geht um die Zukunft der Solarenergie. Schweizer Dächer können
mehr Strom erzeugen als alle Atomkraftwerke zusammen.
Wo stehen die Hauseigentümer?
Bei den Hauseigentümern ist das Bewusstsein zum Teil schon
da. Das zeigt ja die lange Warteliste mit 10000 Gesuchen für neue
Solarstromanlagen. Wären die Einspeisevergütungen nicht
gedeckelt, könnten wir jährlich 20000 bis 30000 Solaranlagen
montieren.
Entscheidet nicht der Markt?
Nein, denn der Markt ist verfälscht. Die Atomlobby zahlt
keine Haftpflichtversicherung und schiebt ihre Abfälle der
Eidgenossenschaft unter. Die Atombranche agiert wie eine Sekte und ist
bereit, Milliardendefizite in Kauf zu nehmen. Die Axpo würde auch
dann keine Solarenergie einkaufen, wenn sie gratis wäre. Die
Pro-Atom-Ideologie dominiert alle Überlegungen. Ein neues AKW
Mühleberg oder Beznau wird bei heutigen Strompreisen 400 bis 500
Millionen Defizit pro Jahr verursachen. Die Kosten für
Atomabfälle, Haftpflichtversicherung und Endlagerung nicht
eingerechnet.
Bringt die Strommarktliberalisierung den Durchbruch?
Die Liberalisierung begünstigt erneuerbare Energien. Die BKW
wird Mühe bekommen, ihren teuren und verpönten Atomstrom zu
verkaufen. In Europa gilt der offene Markt. Alle, auch Sie und ich,
haben ein Transportrecht auf den offenen Netzen und können
billigen Windstrom von der Nordsee holen.
Ruedi Rechsteiner, 53, ist Ökonom und Energieexperte. Der
frühere Nationalrat ist der Vater der SP-Cleantech-Initiative.
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Oltner Tagblatt 4.2.11
Niederamt
Fairen Ausgleich im Richtplan festhalten
Winznau Der Gemeinderat führt Beschwerde gegen den
Einwendungsbericht zur Anpassung des kantonalen Richtplanes "Neues
Kernkraftwerk Niederamt" (KKN).
Nach Kenntnisnahme des jetzt vorliegenden Einwendungsberichtes
zur Anpassung des kantonalen Richtplanes "Neues Kernkraftwerk
Niederamt" (KKN) hat der Gemeinderat Winznau Beschwerde eingereicht. Er
verlangt, dass die Richtplananpassung in der vorliegenden Form nicht
genehmigt wird, und fordert deren Überarbeitung sowie die Aufnahme
verbindlicher Klauseln beispielsweise betreffend Uferschutzzone,
betreffend Fruchtfolgeflächen, betreffend Dauer des
Parallelbetriebs von KKW und KKN, betreffend Zwischenlagerung
radioaktiver Abfälle und betreffend Abgeltungen.
Interessen wahren
Mit Schreiben vom 1. Juli 2010 hatte der Winznauer Gemeinderat
dem Bau- und Justizdepartement seine Einwendungen zum Anpassungsentwurf
des kantonalen Richtplanes mitgeteilt. Die Einwendungen hatten sich
vornehmlich auf raumrelevante Fragen betreffend Vorranggebiet Natur und
Landschaft, auf die Problematik der Kompensation von
Fruchtfolgeflächen sowie auf die zu erwartenden
entwicklungsrelevanten Wirkungen von kerntechnischen Anlagen und deren
Abgeltungen im Sinne eines fairen Ausgleichs bezogen. Der jetzt
vorliegende Einwendungsbericht trägt den vor einem halben Jahr
vorgebrachten Einwendungen nicht oder nicht ausreichend Rechnung,
sodass sich der Gemeinderat entschloss, beim Regierungsrat Beschwerde
gemäss Paragraf 64 des Planungs- und Baugesetzes zu führen.
Der Rat legt Wert auf die Feststellung, dass es sich dabei nicht
um die Manifestation einer Fundamentalopposition gegen die Nutzung von
Kernenergie handle. Der Gemeinderat weist aber ebenso
unmissverständlich darauf hin, dass aus seiner Sicht mit der jetzt
vorliegenden Fassung der Richtplananpassung zum Projekt Neues
Kernkraftwerk Niederamt die Interessen der Gemeinde Winznau
insbesondere mit Blick auf ihre weiteren Entwicklungschancen nicht in
hinlänglicher Form gewahrt sind.
KKN - nomen est omen
Der Gemeinderat unterstreicht in seiner Beschwerde erneut, dass
das geplante Kernkraftwerk "Niederamt" bereits in seinem Namen die
regionale Bedeutung vermittle und ebenso, dass die Auswirkungen von Bau
und Betrieb regional deutlich spürbar sein würden. Diesem
Umstand müsse im Richtplan Rechnung getragen werden. Weiter
erachtet der Rat Abgeltungen respektive deren Regelung in der Region
mittel- und langfristig grundsätzlich als entwicklungswirksame und
damit als zumindest indirekt raumrelevante Faktoren. Folgerichtig
verlangt der Rat die verbindliche Festhaltung von Ausgleichsmechanismen
im Richtplan.
Im Prinzip hält der Rat an der Philosophie seiner im Sommer
vorgebrachten Einwendungen fest und verlangt, dass auf Stufe Richtplan
in verbindlicher Form alles festgehalten werden müsse, was
geeignet sei, die durch das Projekt Neues Kernkraftwerk Niederamt zu
erwartende Bevorteilung beziehungsweise Benachteiligung der einzelnen
Niederämter Gemeinden auszugleichen respektive abzufedern. Die
Überwindung der seit Jahrzehnten im Niederamt zu beobachtende
Asymmetrie in der Verteilung kernkraftwerkbezogener, respektive
kernkraftwerkbedingter Nutzen und Lasten sieht der Winznauer
Gemeinderat als eine wichtige Grundvoraussetzung für eine positive
Entwicklung des Niederamts als Region mit eigener Identität.
Öffentlich - nicht öffentlich
Der Gemeinderat fasste Beschluss betreffend öffentliche
beziehungsweise nichtöffentliche Behandlung von Geschäften.
Es wird nach den Bestimmungen des Gemeindegesetzes und des
Informations- und Datenschutzgesetzes vorgegangen. So wird auch
weiterhin an der bisherigen Praxis festgehalten und insbesondere bei
der Behandlung von Personal- und Schülerangelegenheiten sowie bei
Geschäften, die Berufs-, Geschäfts- und
Fabrikationsgeheimnisse oder die Privatsphäre betreffen, zur
Wahrung von schützenswerten privaten Interessen die
Öffentlichkeit ausgeschlossen. Ebenso wird bei der Behandlung von
Geschäften, bei denen das Steuergeheimnis, das
Submissionsgeheimnis, die Schweigepflicht im Bereich Sozialversicherung
sowie das Amtsgeheimnis tangieren, unter Einhaltung der jeweiligen
gesetzlichen Bestimmungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit
beraten. (msw)
--
Einzonungsgesuch erhalten
Die gegenwärtig starke Nachfrage nach verfügbarem
Bauland hält weiter an. Der Gemeinderat nahm den Eingang eines
Einzonungsgesuches im Bereich Burmatt/Loch/ Laudelen zur Kenntnis. Das
Gesuch beantragt eine aus Sicht der Grundeigentümer sinnvolle
Arrondierung und Erweiterung der bestehenden Bauzone W2 und macht einen
konkreten Erschliessungsvorschlag. Der Gemeinderat beauftragte die
Planungskommission mit den sachrelevanten Abklärungen. (msw)
Studie In Richtplan einfliessen lassen
Der Winznauer Gemeinderat hält in seiner Beschwerde auch
fest, dass es aus seiner Sicht zwingend erforderlich sei, die
Ergebnisse beziehungsweise Erkenntnisse der von der
Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) in Auftrag gegebenen
sozioökonomischen Studie in geeigneter Weise in die
Richtplananpassung betreffend Neues Kernkraftwerk Niederamt einfliessen
zu lassen. Ohne die Berücksichtigung der in der Studie zu Tage
geförderten Fakten sei eine Interessenabwägung insbesondere
in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt nicht
möglich. (msw)
--
Niederamt
Beschwerde gegen Richtplananpassung
Starrkirch-Wil Der Gemeinderat ist mit der Antwort des Kantons
nicht einverstanden
Von Beat Gradwohl
Im Juni 2010 konnte sich der Gemeinderat zur vorgesehenen
Anpassung des Kantonalen Richtplanes "Neues Kernkraftwerk Niederamt"
(KKN) äussern; Mitte letzten Jahres lag die Richtplananpassung
öffentlich auf. Er tat dies auch und verlangte, dass ein
allfälliger Parallelbetrieb des bestehenden Kernkraftwerkes (KKG)
und eines allfälligen neuen Kernkraftwerkes (KKN) auf maximal
fünf Jahre zu beschränken sei. Begründet wurde diese
Einsprache mit folgenden Punkten:
· Erhöhtes Risiko bei zwei parallel laufenden
Kernkraftwerken.
· Klimatische Auswirkungen auf das Mikroklima.
· Möglichst rasche Wiederherstellung an das
ursprüngliche Landschaftsbild (Wegfall des grossen Kühlturms).
Mit Begründung nicht zufrieden
Kürzlich erhielt der Gemeinderat nun vom Bau- und
Justizdepartement den Einwendungsbericht. Darin wird die seinerzeitige
Einwendung des Gemeinderates Starrkirch-Wil zur Beschränkung des
Doppelbetriebs lapidar beantwortet: "Der Doppelbetrieb KKG und KKN
dauert so lange, wie die sicherheitstechnischen Anforderungen an das
KKG gewährt sind. Dies wird voraussichtlich bis 2039 der Fall
sein".
Allein schon diese Begründung vermochte den Gemeinderat
nicht zu befriedigen. Dazu kamen noch die Ergebnisse einer Studie
über die sozioökonomischen Auswirkungen der kerntechnischen
Anlagen im Niederamt, welche die Gemeindepräsidentenkonferenz
Niederamt (GPN) hatte ausarbeiten lassen und die kürzlich
ebenfalls erschien (vergleiche OT vom vergangenen Freitag). Die Studie
befasst sich, nebst einer Reihe von verschiedenen anderen interessanten
Punkten, unter anderem auch mit dem Umstand eines Parallelbetriebes von
zwei Kernkraftwerken im Niederamt.
Doppelbetrieb wird abgelehnt
In der Studie wird zur Frage des geplanten Doppelbetriebes KKG
und KKN während 15 bis 20 Jahren aufgezeigt, dass mit Ausnahme der
Gemeinden Däniken und Eppenberg-Wöschnau nur eine Minderheit
einen Doppelbetrieb befürwortet. Analog zu den 81 befragten
Personen in Starrkirch-Wil lehnt somit die Mehrheit der
Niederämter Bevölkerung einen Doppelbetrieb von zwei
Kernkraftwerken ab.
Störend empfindet es der Gemeinderat auch, dass diese
sozioökonomische Studie dem Bau- und Justizdepartement seit Anfang
Januar 2011 vorlag, auf deren Inhalt jedoch im Einwendungsbericht in
keiner Art und Weise eingegangen wurde. Unverständlich ist dies
zudem, weil im Einwendungsbericht festgehalten wird, dass das
Richtplanverfahren dem Kanton eine Gelegenheit bietet, sich zu
positionieren und seine raumplanerischen und sozioökonomischen
Anliegen an ein Kernkraftwerkprojekt zuhanden des Bundes darzulegen.
Die Gemeinde Starrkirch-Wil verlangt deshalb in der Beschwerde an
den Regierungsrat, dass bei der Frage zum Doppelbetrieb nicht nur
lapidar auf die sicherheitstechnischen Anforderungen des KKG verwiesen
wird, sondern dass ein allfälliger Doppelbetrieb von KKG und KKN
zeitlich auf maximal fünf Jahre beschränkt wird und auf die
Ergebnisse der sozioökonomischen Studie Rücksicht genommen
wird. Das kann zur Folge haben, dass das KKG vorzeitig abgestellt
werden muss oder aber mit dem Bau eines allfälligen KKN erst Ende
der 2020er-Jahre begonnen werden darf.
---
Basler Zeitung 4.2.11
Die Niederämter sind gegen ein Atommülllager
Die Zurückhaltung der Gemeinden zwischen Aarau und Olten
könnte den Bözberg zum Favoriten machen
Franziska Laur
Vier Fünftel der Niederämter Haushalte sind gemäss
einer Studie der Gemeinden gegen ein Endlager in ihrer Region. Die
Fricktaler Atom-Gegner fürchten nun, aus politischen Gründen
zum bevorzugten Standort zu werden.
"Demokratisch gesehen ist das Endlager tot" - dieses Fazit zieht
der Verein Niederamt ohne Endlager (NoE) nach der Auswertung einer
Studie, die von den Gemeindepräsidenten in Auftrag gegeben worden
war. 15 Gemeinden mit 32 800 Einwohnern zwischen Aarau und Olten haben
an der Befragung teilgenommen. Die meisten von ihnen wehren sich
entschieden gegen ein Atommülllager. "Vier der fünf befragten
Haushalte sind gegen ein Endlager", sagt Urs Huber, Solothurner
Kantonsrat und Präsident des Vereins NoE.
Jeder zehnte Haushalt wurde befragt, und die Resultate lassen an
Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. 71 Prozent der
Befragten sind negativ oder sehr negativ zu den Endlagerplänen
eingestellt. Nur 15 Prozent können sich ein Endlager vorstellen.
Noch extremer sind die Werte bei der Frage auf die Image-Wirkung eines
solchen Lagers auf die Region. 84 Prozent sehen dies negativ oder sehr
negativ, nur sieben Prozent können sich eine positive Wirkung
vorstellen. Wie Urs Huber weiter sagt, seien nicht einmal die
Pläne für ein zweites Kernkraftwerk als Parallelbetrieb zu
Gösgen akzeptiert. "Die Region hat eindeutig genug davon, alle
Atomlasten tragen zu müssen." Dies sagen allerdings auch die
Aargauer. Die Regierung argumentiert, mit dem Zwischenlager für
Atommüll in Würenlingen und den drei AKW-Standorten Leibstadt
sowie Beznau I und II habe man genug Lasten zu tragen.
Doch die Bözberg-Gemeinderäte äusserten ihre
Meinung bis anhin nicht so dezidiert wie die Niederämter. "An
allen anderen potenziellen Standorten zeigt sich Widerstand - ausser in
der Region Bözberg", sagt Elisabeth Burgener aus Gipf-Oberfrick,
Vorstandsmitglied des Vereins Kaib ("Kein Atommüll im
Bözberg") und SP-Grossrätin. Sie sieht die Gefahr, dass der
Bözberg schon nur aufgrund des fehlenden Widerstands als Favorit
unter den potenziellen Endlager-Standorten gilt. Viele der meist
finanziell schlecht dastehenden Gemeinden rund um den Bözberg
erhoffen sich mehr Arbeitsplätze und Steuereinnahmen durch ein
Endlager.
Angst um Thermalquellen
Inzwischen hat sich allerdings die Euphorie über diesen "idealen"
Standort auch unter Fachleuten etwas gelegt. Die Schweizerische
Energiestiftung zeigte kürzlich auf, dass selbst die Nagra die
Opalinustonschichten, die heute als geeignet klassifiziert werden, vor
Jahren als zu wenig mächtig einstufte. Ein grosser Gegner des
Endlagers im Bözberg ist Oskar Baldinger aus Umiken. Der
pensionierte Ingenieur hat die Webseite geotherma.ch eingerichtet,
welche vor möglichen Folgen für die Region warnt. In
düsteren Worten prophezeit er das Ende der
Thermalquellen-Produktion und das Aus für die Nutzung
geothermischer Energie rund um den Bözberg, falls das Endlager
gebaut werde.
Differenzierter sieht dies Marco Buser, Umweltgeologe und
Verfasser einer Studie zur Markierung eines Endlagers. Die
Thermalaufstösse seien für ein potenzielles Endlagergebiet
tatsächlich eine Hypothek, sagt er. Für seinen Geschmack
handeln Nagra wie Bund in ihrem Eifer zur Partizipation voreilig. "Da
scheucht man die Leute auf und mindestens für einige Standorte ist
das dann vergebens", sagt er. Seiner Ansicht nach müsste man
zuerst die verschiedenen Standorte untersuchen, Varianten
auswählen und erst danach die Bevölkerung im
Partizipationsverfahren einbeziehen.
"Bevor die geeigneten Standorte gewählt werden und ein
schein-partizipatives Mitspracheverfahren aufgegleist wird, müssen
offene Fragen beantwortet werden", sagen auch die Vertreter des Vereins
Kaib.
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swissinfo.ch 3.2.11
Mühlebergs Arrangement mit dem AKW
swissinfo
Das 40-jährige Atomkraftwerk Mühleberg soll durch ein
neues ersetzt werden. Die Gemeinde Mühleberg scheint sich mit dem
Werk arrangiert zu haben. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Dennoch
will sich niemand so richtig exponieren. Ein Besuch vor Ort.
In Mühleberg Dorf im Westen der Hauptstadt Bern hängt
weit und breit kein einziges Plakat zur bevorstehenden
Abstimmung. Auch das Atomkraftwerk selber, über dessen
Ersatz am 13. Februar im Kanton Bern abgestimmt wird, sieht man nicht.
Es liegt gut versteckt rund drei Kilometer entfernt am
Wohlensee. Dass sie das Werk nicht ständig vor Augen
haben, scheint den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern nur recht zu sein.
Im Restaurant Traube jedenfalls sind die lokalen Gäste des Themas
müde und beantworten die Fragen bezüglich Abstimmung und AKW
mit Skepsis. "Klar ist das AKW bei uns auch Thema, aber
nicht mehr so sehr wie früher", sagt die Wirtin. Angst habe sie
keine. "Wenn's polet, de polet's." Will heissen: wenn es kracht, dann
kracht es halt. Das Dorf sei in zwei Lager gespalten, meint
eine Frau am Tisch. Für sie sei das AKW kein Problem. "Je nachdem,
woher der Wind kommt, wären wir sogar weniger gefährdet als
andere", meint sie. Und damit ist das Thema erledigt.
Der Realist
"Organisierten Widerstand gibt es hier nicht. Der Grossteil der
Gemeinde akzeptiert das AKW und hat sich daran gewöhnt, wir kennen
die Leute, die dort arbeiten, haben Vertrauen. Nie gab es Vorfälle
oder Alarm. Es ist dort und läuft und läuft", sagt
Gemeindepräsident Kurt Herren von der rechtskonservativen
Schweizerischen Volkspartei. Bis zu seiner Pensionierung
2001 war er Pilot bei der Swissair. Zur Zeit ist Herren ein gefragter
Mann. Die Journalisten geben sich im Gemeindehaus die Klinke in die
Hand. Herrens Arbeitspensum ist von 25 auf 70 Prozent
angestiegen. Wohl zum x-ten Mal erläutert der
Gemeindepräsident, wieso die Schweiz auf Atomenergie angewiesen
sei: "Wir müssen die Energiesicherheit gewährleisten. Da die
alten AKW vom Netz gehen und die Lieferverträge mit Frankreich
bald wegfallen, braucht es neue AKW." Er sei ein
Befürworter erneuerbarer Energien, fahre ein Hybrid-Auto und habe
zu Hause eine Erdsonde installiert. "Aber ich bin auch Realist. In den
nächsten 50 Jahren kann die Atomenergie nicht durch erneuerbare
Energien ersetzt werden, das ist eine Illusion." Man solle jedoch nicht
das eine gegen das andere ausspielen. Im Moment brauche es beide
Energiearten. In der SVP-dominierten Gemeinde
Mühleberg, die aus 13 Dörfern besteht, leben knapp 3000
Personen. 50 bis 60 von ihnen arbeiten im AKW, das der Gemeinde
beträchtliche Steuereinnahmen beschert. Laut einer Umfrage von
2009 stehen 62% hinter einem neuen Kraftwerk.
Es geht ums Geld
Diese Zahlen bezweifelt Beat Gerber. Er wohnt seit 21 Jahren im
alten Dorfkern von Mühleberg und ist Zentralsekretär der
Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie SSES. "Die Studie
war klar getürkt. In der von den Bernischen Kraftwerken BKW in
Auftrag gegebenen Umfrage wurden gezielt Pro-Leute
gesucht." Aber auch der Atomkraftkritiker hat sich ein
Stück weit mit dem AKW arrangiert, denn mit den Nachbarn will man
es sich nicht verderben. "Man weiss in der dörflichen Struktur,
wer wo steht und wer im AKW arbeitet. Einzelpersonen wollen sich hier
nicht exponieren." Mit dem Produkt Energie wird laut Gerber
zu wenig haushälterisch umgegangen, "weil gewisse Kreise Interesse
daran haben, möglichst viel Strom zu verkaufen". Er
ist überzeugt, dass mit Massnahmen bei der Energieeffizienz,
strengeren Bauvorschriften und der Förderung erneuerbarer Energien
die Atomenergie abgelöst werden könnte. "Das muss ja nicht
von einem Tag auf den anderen geschehen, sondern kontinuierlich."
Atomare Strahlen
Die Gefahr eines möglichen Unfalls im Atomkraftwerk ist im
Dorf kein Thema. Beat Gerber spricht von einem
Verdrängungs-Mechanismus. Mehr Gedanken machten sich einige Leute
über die Häufung von Krebserkrankungen in der Nähe von
Atomkraftwerken und sammelten Daten. Für den
Gemeindepräsidenten sind solche Ängste und Behauptungen
unbegründet, entsprechende Studien aus Deutschland findet er
"unseriös und wenig aussagekräftig". Die
Strahlung in der Umgebung des AKW sei geringer als die natürliche
Strahlung. "Und ich als Pilot habe sicher mehr Strahlendosis erwischt
als jeder Einwohner in Mühleberg." Auch wenn es keine
hundertprozentige Sicherheit gebe, legt er für sein Werk die Hand
ins Feuer: "Ich bin bei der jährlichen Revision jeweils dabei, da
wird jeder cm2 untersucht. Zudem fliegt ein AKW nicht plötzlich in
die Luft. Es gibt eine Vorwarnzeit." Beat Gerber, der
Sonnenenergie-Experte, ist da vorsichtiger. "Ich halte mich an Albert
Einstein, der gesagt hat, dass die Atomenergie die Menschheit
überfordern werde." Noch nie sei zum Beispiel ein stillgelegtes
AKW zurückgebaut worden, es fehle der Erfahrungswert. Die
Überforderung zeige sich auch bei der ungelösten Endlagerung
radioaktiver Abfälle.
Atommüll
Auch dieses Problem ist für den Gemeindepräsidenten
lösbar. Er jedenfalls würde lieber neben einem Endlager
für hochradioaktive Abfälle wohnen als neben einem Chemiewerk
in Basel, betont er gegenüber swissinfo.ch. Den
Atommüll soll Mühleberg auf dem eigenen Boden lagern, sagt
Christian Minder. Der Bauer aus der Nachbargemeinde Frauenkapplen ist
wütend: Sollte ein neues AKW gebaut werden, möchten die
Betreiber auf seinem Boden eine Container-Siedlung für 1700
Arbeiter errichten. Die Bauzeit dürfte 10 bis 12 Jahre
dauern. "Die BKW wollen eine temporäre Umzonung des
Kulturlandes beantragen. Damit bin nicht einverstanden." Minder, der
etwa gleich alt ist wie das AKW Mühleberg, das gut zwei Kilometer
von seinem Hof entfernt liegt, will weder Container, noch
Parkplätze noch mehr Verkehr auf seinem Ackerland. "Ich denke
langfristig und produziere nachhaltig. Dieses Projekt wäre
einschneidend für das Geschäft und unsere
Lebensqualität." Das AKW war für ihn bislang
normal wie "der Stausee, die Hochspannungsleitung, die Kehrichtdeponie.
Ich habe auch nicht Angst. Jetzt aber bin ich konfrontiert und
kritischer geworden". Die Milliardenbeträge, die
für den Bau neuer AKW nötig wären, würde man seiner
Ansicht nach besser in erneuerbare Energien investieren. "Es geht
nicht, dass eine Generation sich bereichert und den nächsten 4000
Generationen diese Hypothek hinterlässt."
Gaby Ochsenbein,swissinfo.chMühleberg
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Bund 3.2.11
"Mühleberg II würde Bauern Einkommenschance verbauen"
Erneuerbare Energien seien eine grosse Zukunftschance für
die Landwirtschaft, argumentiert ein Bauernkomitee gegen Mühleberg
II.
Auf dem Dach des Biobauernhofs Bützenmatte in der Gemeinde
Wohlen steht eine Solaranlage, die Strom für gut ein Dutzend
Haushalte produziert. Bauernhaus und Stöckli werden mit Holz
beheizt. Gemeinsam mit rund dreissig Bauernfamilien wehren sich die
Eigentümer Kaspar Herrmann und Maria Salzmann gegen ein neues
Atomkraftwerk in Mühleberg.
"Wer für weitere 80 Jahre auf Atomtechnologie setzen will,
wird den erneuerbaren Energien den Wind aus Segeln nehmen", betonte
gestern das Komitee "Berner Landwirtschaft für erneuerbare
Energien und gegen Mühleberg II" an einer Medienkonferenz. "Damit
würde der Landwirtschaft eine grosse Einkommenschance verbaut."
Deren Potenzial für die Stromversorgung sei vor allem bei
Biomasse, Fotovoltaik und Windkraft bei weitem nicht ausgeschöpft,
meinte Meisterlandwirt Beat Hänni aus Kirchlindach. "Viele
landwirtschaftliche Bauten haben grosse Dachflächen mit
südlicher Neigung und eignen sich ganz besonders für
Solaranlagen zur Stromproduktion."
"Unfall träfe Landwirtschaft"
Bei einem AKW-Unfall wäre die Landwirtschaft besonders
betroffen, sagte Hänni. Zum Zeitpunkt des Reaktorunfalls in
Tschernobyl sei er ein junger Bauer gewesen. "Ich erinnere mich sehr
genau daran, dass zum Beispiel Gemüse, Salate und Ziegenkäse
nicht mehr verkauft werden konnten. Schon damals hat niemand die
Schäden übernommen." Laut seiner Frau, der grünen
Grossrätin und Biobäuerin Kathy Hänni, will das Komitee
auch ein Gegengewicht zur "einseitigen Positionierung" des bernischen
Landwirtschaftsverbands Lobag sein, der zu Mühleberg II die
Ja-Parole beschlossen hat.(st)
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WoZ 3.2.11
AKW-Abstimmung in Bern
"Leukämie tut weh, wahnsinnig weh"
Am 13. Februar wird die Bevölkerung des Kantons Bern zum
allfälligen Neubau des Atomkraftwerks Mühleberg befragt.
Annette Ridolfi, die während fast zwanzig Jahren im Berner
Inselspital krebskranke Kinder behandelt hat, wehrt sich vehement gegen
die Nutzung der Atomkraft, weil radioaktive Strahlung das Erbgut
schädigt und Krebs verursacht.
Von Susan Boos (Text) UND URSULA HÄNE (Foto)
Was war die schlimmste Geschichte? Annette Ridolfi zögert.
In ihrem Berufsleben sah sie viele schlimme Schicksale, wobei "schlimm"
das falsche Wort ist, "traurig" würde es eher treffen. Dann
erzählt Ridolfi von einem Jungen, der drei Jahre alt war, als er
zu ihr ins Spital kam - Diagnose: Leukämie. Der Junge genas, dann
kam ein Rückfall, es folgte die nächste Behandlung, die
nächste Krise, die nächste Behandlung. Der Junge
kämpfte, die Mutter kämpfte. Irgendwann schien der Junge
über den Berg zu sein, dann erneut ein Rückschlag, Diagnose
Hodgkin-Lymphom, der Junge starb, da war er grad mal zwanzig Jahre alt.
"Eine so lange Leidensgeschichte, grauenhaft", sagt Ridolfi.
"Warum haben wir nicht aufgehört?"
Fast zwanzig Jahre lang arbeitete Annette Ridolfi als leitende
Ärztin und Kinderonkologin am Inselspital Bern. Vielen Eltern muss
te sie sagen, ihr Kind habe Leukämie. "Die ersten Fragen waren
immer: ‹Woher kommt das?› und ‹Hat es etwas mit Atomkraftwerken zu
tun?›" In den achtziger Jahren antwortete Ridolfi den Eltern, es gebe
den Verdacht, dass radioaktive Strahlung eine Ursache sein könne,
doch beweisen lasse es sich nicht.
Heute aber gebe es die Beweise, sagt Ridolfi. Damals kannte man
zwei verschiedene Leukämieformen und wusste wenig über die
Therapie. Man behandelte die Kinder, die einen wurden gesund, die
anderen starben, niemand wusste, weshalb. Bis erste Forschungsresultate
zeigten, dass sich die Leukämievarianten auf der Chromosomen ebene
unterscheiden. Es gibt im Erbgut der Blutzellen einen Defekt, der dazu
führt, dass die Zellen nicht mehr tun, was sie tun sollten. "Wir
haben den Beweis, dass radioaktive Strahlung Veränderungen in den
Genen der Chromosomen auslöst. Je nachdem, welche Gene betroffen
sind, ist eine Leukämie besser oder nur sehr schwer zu behandeln."
Wenn es um Atomkraft geht, wird Ridolfi ungehalten: "Schon seit
den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki ist bekannt,
dass radioaktive Strahlung Leukämien und bösartige Tumore
verursacht." Die Strahlung schädige das Erbgut, das führe zu
Krebserkrankungen. "Unsere Kinder werden einmal fragen, warum wir nicht
damit aufgehört haben, obwohl wir wussten, was es anrichtet."
Ridolfi wuchs im Kleinbasel auf. Ihr Grossvater stammte aus
Italien, konnte weder lesen noch schreiben. Ihr Vater war Maurer, las
Tols toi, Marx und Engels. Ihre Mutter arbeitete als Schneiderin.
Ridolfi studierte, auch wenn ihre Mutter befürchtete, sie
würde das nicht durchhalten.
Ridolfi ist Mutter zweier Töchter. Ihr Mann arbeitete als
Werbefotograf und kümmerte sich um Kinder und Haushalt. Sie
arbeitete voll im Spital, oft auch an Wochenenden oder nachts, wann
immer die kleinen Kranken sie brauchten, war sie da.
In Ridolfis Lehrbuch stand noch: Leukämie ist nicht heilbar.
Sie hat das Lehrbuch aufbewahrt, als Erinnerung an die Zeit, in der ihr
die Kinder unter den Händen wegstarben. Heute können acht von
zehn Kindern geheilt werden, sagt sie. Sie hat hart dafür
gearbeitet und bei Dutzenden von Behandlungsprotokollen mitgewirkt,
immer auf der Suche nach einer noch besseren Therapie. Heute
unterscheidet man viele verschiedene Leukämievarianten und kann
sie gezielt behandeln, womit die Heilungschancen stark gestiegen sind.
Doch die Angst bleibt. Manchmal entwickeln die Kinder nach einer
erfolgreichen Behandlung auch einen Zweittumor, der vielleicht durch
die erste Behandlung ausgelöst wurde.
"Leukämie tut weh, wahnsinnig weh", sagt Ridolfi. Es tut so
weh, wie wenn einem alle paar Sekunden heftig gegen das Schienbein
getreten wird. Früher bekamen Kinder kein Morphin oder erst, wenn
sie rettungslos verloren waren. Man glaubte, die Kleinen würden
abhängig. Die Kinder schrien tagelang, weil die herkömmlichen
Schmerzmittel nicht halfen. Das ist heute zum Glück nicht mehr so.
Einmal hätte Ridolfi fast ihren Job verloren. Im Herbst 1990
stand die Abstimmung über die Ausstiegs- und Moratoriumsinitiative
bevor. Ridolfi gehörte schon damals der Vereinigung der
ÄrztInnen gegen Atomkrieg (IPPNW/PSR) an, die die Initiativen
unterstützten. Die Onkologin wollte, dass die Eltern ihrer
PatientInnen wussten, worum es ging, und organisierte eine
Informationsveranstaltung. Sie mietete im Spital einen Raum und
verschickte in Spitalcouverts Einladungen sowie Informationsmaterial.
Dummerweise kam ein Brief zurück - er ging aber nicht direkt
zu ihr, sondern zur Direktion. Der Direktor war ausser sich, weil es
nicht angehe, dass Ridolfi im Namen des Spitals Propaganda betreibe. Am
liebsten hätte er sie gefeuert: "Was nicht passiert ist, weil sie
mich wirklich brauchten", sagt Ridolfi.
Ein vergnügter Zug
Die Informationsveranstaltung kam trotzdem zustande. Die Eltern
waren aufgewühlt, als sie hörten, welche Gefahren Atomkraft
mit sich bringt. Eine Mutter fand, sie müssten mit den Kindern
demonstrieren. Ridolfi versuchte es ihr auszureden, doch die Eltern
wollten partout auf die Strasse. Am Abend des 14. Septembers 1990 fand
dann die wohl eigentümlichste Demonstration statt, die Bern je
gesehen hat. Kinder ohne Haare, in Rollstühlen und mit
Infusionsständern hielten Lampions, an der Spitze des Zuges trugen
sie eine grosse Sonnenlaterne. Eltern und ÄrztInnen in weissen
Kitteln marschierten mit und trugen Plakate, auf denen sie für die
Initiativen warben. Ein vergnügter Zug, aber keine Zeitung
berichtete darüber.
Kinder in der Umgebung von Atomanlagen erkranken häufiger an
Leukämie, das haben Studien in Deutschland inzwischen belegt. In
der Schweiz wird derzeit auch an einer derartigen Studie gearbeitet.
Was bringen all die Studien? Ridolfi schüttelt energisch den Kopf:
"Wir brauchen diese Studien gar nicht! - Was wir wissen müssen,
wissen wir schon längst!" Sie wolle nicht die Studien
schlechtmachen, für die wissenschaftliche Debatte seien sie
wichtig. "Doch die Bevölkerung versteht diese Studien nicht, die
Ergebnisse sind zu komplex. Man muss das aber auch nicht verstehen.
Radioaktive Strahlung verursacht Krebs und schädigt unser Erbgut!
Es reicht, das zu wissen!"
Keine Chemiefirma dürfte in Betrieb sein, wenn sie ihr
Abfallproblem nicht gelöst hätte - doch bei den
Atomkraftwerken werde das akzeptiert. Es sei wichtig, den Leuten
Alternativen aufzuzeigen, damit sie nicht fürchteten, sie
müssten Kerzen anzünden, wenn die AKWs abgestellt
würden. Doch die Alternativen gebe es ja.
Ridolfi erzählt weiter von ihren PatientInnen und von
Krankenkassen, die ein Medikament nicht zahlen wollten, obwohl das Kind
es brauchte. "Die Behandlung von Krankheiten ist teuer", sagt sie: "Wir
sind bereit, AKWs zu akzeptieren, die Krankheiten erzeugen - aber wenn
die Krankheiten da sind, will keiner zahlen."
Sie sei an jeder Beerdigung gewesen von jenen Kindern, die sie
nicht hatten retten können. Aber das Schöne sei, dass sie
auch oft zu Trauungen und Taufen eingeladen werde, von denen, die
geheilt wurden.
---
Blick am Abend 2.2.11
Auch Bauern gegen AKW
ATOM
Die Front gegen Mühleberg wird breiter. Jetzt kämpft
auch die Landwirtschaft für ein Nein.
Berner Landwirtschaft setzt auf erneuerbare Energien". Mit diesem
Slogan trat heute Morgen das "Komitee Berner Landwirtschaft für
erneuerbare Energien und gegen Mühleberg II" an die
Öffentlichkeit. 30 Bauernbetriebe aus dem ganzen Kanton Bern haben
sich der Bewegung angeschlossen. Das Komitee ist der Meinung,
Atomenergie sei gefährlich und nicht nachhaltig. Dazu werde die
Atomenergie importiert. Kathy Hänni, Bäuerin in Kirchlindach,
grüne Grossrätin und Mitinitiantin: "Nicht nur das Uran kommt
aus dem Ausland. Die Schweiz sollte Energiesouveränität
anstreben." Dazu entwickle sich der Landwirt mittelfristig zum
Energiewirt. Die natürlichen Ressourcen Sonne, Wind, Holz und
Biomasse seien für die Bauern in der Schweiz ein Zukunftsmarkt. pp
---
bund.ch 2.2.11
Bauernkomitee gegen Mühleberg II
sda / bs
Rund 30 Bauernfamilien haben sich einem Komitee "Berner
Landwirtschaft gegen Mühleberg II" angeschlossen. Die Atomenergie
schade der Landwirtschaft.
Zudem verbaue die Atomenergie verbaue den Bauern eine grosse
Zukunftschance, betonten Vertreter des Komitees am Mittwoch vor den
Medien in Bern.
Schliesslich seien es die erneuerbaren Energien, die heute
Marktanteile gewännen. Sonne, Wind, Holz und Biomasse seien die
natürlichen Grundlagen für eine nachhaltige und vom Ausland
unabhängige Energieversorgung - und von allen vier Ressourcen habe
die Landwirtschaft grosse Mengen zu bieten.
Ein Nebeneinander beider Technologien gebe es nicht, betonte das
Komitee gemäss Presseunterlagen. "Wer für weitere 80 Jahre
auf Atomtechnologie setzen will, wird der erneuerbaren Energie den Wind
aus den Segeln nehmen."
---
BZ 2.2.11
Kein Müll von anderen AKW in Mühleberg
Grosser RatBald entscheidet die Berner Bevölkerung de facto
über ein neues AKW in Mühleberg. Gestern nutzte der Grosse
Rat die letzte Gelegenheit, dazu Fragen zu stellen.
Am 13. Februar stimmt die Berner Bevölkerung über den
Ersatz des AKW Mühleberg ab. Gestern nutzten die
Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentarier die Fragestunde des
Grossen Rates dafür, sich von Energiedirektorin Barbara Egger (SP)
noch die dringendsten Fragen beantworten zu lassen.
So wollte etwa Nadine Masshardt (SP-Juso, Bern) wissen, wann das
geplante Zwischenlagers für hoch radioaktive Abfälle in
Mühleberg in Betrieb sein solle. Mit dem Bau des Zwischenlagers
würde erst nach Inbetriebnahme eines neuen AKW begonnen,
erklärte Egger. Dies wäre frühestens in den Jahren 2025
bis 2030. Egger betonte zudem, dass nicht geplant sei, Abfälle
anderer AKW in Mühleberg zwischenzulagern.
Dass die BKW Energie AG ihr Engagement im Bereich erneuerbare
Energien senken will, gab ebenfalls Anlass zu Fragen. Egger
erklärte, dass sie den BKW-Entscheid bedaure. "Die BKW hat nicht
so entschieden, weil sie nicht an das Potenzial der erneuerbaren
Energien glaubt", so Egger. "Es ist vielmehr so, dass Projekte für
erneuerbare Energien lokal oft auf Widerstand stossen."
as
---
Langenthaler Tagblatt 2.2.11
(Vorerst) letzte AKW-Debatte
Grosser Rat Regierung wehrt sich nicht nur gegen Atomkraftwerk,
sondern stellt sich auch hinter BKW
Therese Hänni (SDA) / Samuel THomi
Vertreter von SP und Grünen nutzten gestern die
grossrätliche Fragestunde als letzte Gelegenheit, vor dem
Urnengang am 13. Februar den umstrittenen Ersatz des AKW Mühleberg
im Parlament noch einmal zu thematisieren. Die Ratsmitglieder
beschäftigten unter anderem Fragen nach dem ebenfalls geplanten
Zwischenlager für radioaktive Abfälle. Andreas Hofmann
(SP/Bern) etwa kritisierte, das Berner Stimmvolk habe sich 1983 an der
Urne deutlich gegen ein Zwischenlager als "Dauerzustand", gegen
Abfälle anderer AKW und erst recht gegen die Zwischenlagerung von
hoch radioaktivem Müll ausgesprochen.
Es sei nicht geplant, radioaktive Abfälle anderer
Kernkraftwerke in Mühleberg zwischenzulagern, antwortete
Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (SP). Der Bau eines
Zwischenlagers würde zudem erst nach Inbetriebnahme eines neuen
AKW an die Hand genommen, 2025 bis 2030 also. Hoch radioaktiver
Müll würde erst danach in Mühleberg deponiert.
Zudem gehe die BKW Energie AG als Betreiberin des AKW davon aus,
dass der Bund rechtzeitig wie im nationalen Kerngesetz festgeschrieben
ein Endlager bereitstellen werde und das Zwischenlager somit kein
"Providurium" sei, antwortete Egger SP-Grossrätin Nadine Masshardt
(Bern).
Auch der Entscheid der BKW, ihre Ziele im Bereich neue
erneuerbare Energien zu senken, gab Anlass zu Fragen. Die BKW habe ihre
Ziele nicht gesenkt, weil sie nicht an das Potenzial glaube, so Egger.
Es sei vielmehr so, dass Projekte für die Nutzung erneuerbarer
Energien lokal oft auf grossen Widerstand stiessen. Die Regierung nehme
den Entscheid der BKW mit Bedauern, aber auch einem gewissen
Verständnis zur Kenntnis.
Im Rahmen der Fragestunde hatte Energiedirektorin Barbara Egger
aber noch mehr Arbeit: Zum Vorschlag der Aarwanger Solarfirma Megasol
sagte die Energiedirektorin, sie habe "nur aus der Presse Kenntnis" von
der Offerte und könne daher nicht näher Stellung zum
Alternativ-Kraftwerk (az Langenthaler Tagblatt berichtete) nehmen.
Zur mehrfach kritisierten "Informationszeitung", welche die BKW
in alle Haushalte in den Kantonen Bern und Jura verteilen liess,
antwortete Barbara Egger: Es seien ihr keine inhaltlichen Verfehlungen
bekannt. Und die BKW dürfe sich laut ihren "Grundsätzen zur
Information" zu politischen Themen, die sie direkt beträfen, auch
sachlich äussern.
--
Seelsorger gegen AKW
23 Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Kanton (ohne
Oberaargau/Emmental) haben sich zum Komitee "Seelsorgerinnen und
Seelsorger gegen Mühleberg II" zusammengeschlossen. Ethische,
wirtschaftliche und sicherheitspolitische Argumente sprächen gegen
das neue Atomkraftwerk: "Die Zukunft gehört der Energieeffizienz
und erneuerbaren Energien", so das Komitee. "Die Kirchenleitung hat
noch keine konsolidierte Meinung", lässt sich dagegen
Synodalratspräsident Andreas Zeller im Januar-"Reformiert"
zitieren. Die Landeskirche Bern-Jura-Solothurn erarbeite derzeit
für die 2013 stattfindende nationale Abstimmung eine Position.
(sat)
---
Solothurner Zeitung 2.2.11
Gegen die Ursache des Mülls
Anti-AKW Juso und Junge Grüne ergreifen gemeinsam die
Initiative
Cyril Lüdi
Um konkret gegen den Bau eines neuen AKW vorgehen zu können,
haben Juso und Junge Grüne wie angekündigt am Montag einen
Trägerverein für eine kantonale Volksinitiative
gegründet. Cyrill Bolliger (Junge Grüne) und Yves Fankhauser
(Juso) führten die 19 frisch eingeschriebenen Mitglieder und
mehrere Gäste aus anderen Parteien - darunter
SP-Nationalrätin Bea Heim und alt SP-Nationalrat Rudolf
Rechsteiner - durch den Abend. "Ein wichtiges Ziel dieses Vereins soll
die Ausweitung dieser Bewegung auf andere Kantone sein", erklärte
Cyrill Bolliger. Da über die Rahmenbewilligungen für das neue
AKW allerdings auf Bundesebene abgestimmt wird, kann eine kantonale
Initiative der Jungpolitiker nicht direkt gegen den Bau eines neuen AKW
vorgehen. Dazu Bolliger: "Alles, was wir erreichen können, ist,
die Solothurner Behörden dazu zu verpflichten, mit allen
möglichen Mitteln gegen den Bau neuer AKW im Kanton vorzugehen."
Dies sei das eigentliche Ziel der anstehenden Initiative. Der genaue
Wortlaut des Initiativtextes soll vom neu gewählten Vorstand in
der nächsten Zeit ausgearbeitet werden. Der Zeitpunkt der
Lancierung der Initiative wurde provisorisch auf August dieses Jahres
festgelegt.
Der Verein und die Initiative sollten ursprünglich einmal
gegen ein Endlager im Kanton Solothurn vorgehen. "Wir wollten uns dann
aber nicht auf den Müll, sondern auf dessen Ursache - das AKW -
konzentrieren", gab Bolliger als Grund für die Richtungskorrektur
an.
Der Name: "Stopp Gösgen 2"
Die Wahl des Vereinsnamens - der sogleich auch als Name der
Initiative fungieren soll - nahm einige Zeit in Anspruch. Nachdem man
sich sehr schnell per Abstimmung auf "Solothurn Atomfrei" geeinigt
hatte, startete ein Rückkommensantrag die Diskussion von neuem. Da
einige Mitglieder den Namen "Stopp Gösgen 2" als konkreter und
eingängiger befanden, gewann er die Abstimmung gegen "Solothurn
Atomfrei" mit 10 zu 6 Stimmen. In den Statuten ist festgelegt, dass
sich der Verein gegen den Bau neuer Atomkraftwerke im Kanton Solothurn
einsetzt: "Er tut dies namentlich, indem er als Träger und
Initiant einer kantonalen Volksinitiative im Kanton Solothurn
fungiert." Finanzieren will sich der Verein in erster Linie durch
Spenden. Der Vorstand setzt sich zusammen aus Cyril Bolliger
(Co-Präsident, Junge Grüne, Hessigkofen), Alice Schmid
(Co-Präsidentin, Juso, Biberist), Christof Schauwecker
(Sekretär, Junge Grüne, Solothurn), Jeremias Ambühl
(Kassier, Juso, Solothurn), Magdalena Röösli (Beisitz, Junge
Grüne, Aedermannsdorf) und Laura Villiger (Beisitz, Juso,
Zuchwil). Bis jetzt gab es noch keine Kandidaturen von allfälligen
Partnerorganisationen für die dafür vorgesehenen fakultativen
Beisitze.
Gegen Ende des Anlasses hielt Rudolf Rechsteiner ein Referat
gegen die AKW. Er wies daraufhin, dass Atomenergie mehr und mehr von
erneuerbaren Energien verdrängt wird. Neue AKW seien nur noch
wegen Korruption im Parlament und Druck von der Atomlobby im
Gespräch.
---
Oltner Tagblatt 2.2.11
"Nicht gegen Müll, sondern dessen Ursache"
Neues Kernkraftwerk Juso und Junge Grüne Kanton Solothurn
gründeten in Däniken mit viel Herzblut einen Verein zur
Lancierung einer Anti-AKW-Initiative. von Cyril Lüdi
Um konkret gegen den Bau eines neuen KKW vorgehen zu können,
gründeten zwei Solothurner Jungparteien, namentlich Juso und Junge
Grüne, am Montag einen Trägerverein für eine kantonale
Volksinitiative gegen neue AKW. Der Verein hat seinen Sitz in
Däniken.
Solothurner Behörden verpflichten
Cyrill Bolliger (Junge Grüne) und Yves Fankhauser (Juso)
führten die 19 frisch eingeschriebenen Mitglieder und mehrere
Gäste aus anderen Parteien - darunter SP-Nationalrätin Bea
Heim und der ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Rechsteiner (Basel-Stadt)
- durch den Abend. "Ein wichtiges Ziel dieses Vereins soll die
Ausweitung dieser Bewegung auf andere Kantone sein", erklärte
Cyrill Bolliger. Da über die Rahmenbewilligungen für das neue
AKW allerdings auf Bundesebene abgestimmt wird, kann eine kantonale
Initiative der Jungpolitiker nicht direkt gegen den Bau eines neuen KKW
vorgehen. Dazu meinte Cyrill Bolliger: "Alles was wir erreichen
können ist, die Solothurner Behörden dazu zu verpflichten,
mit allen möglichen Mitteln gegen den Bau neuer AKW im Kanton
vorzugehen." Dies sei das eigentliche Ziel der anstehenden Initiative.
Der genaue Wortlaut des Initiativtextes soll vom neu gewählten
Vorstand in der nächsten Zeit ausgearbeitet werden. Der Zeitpunkt
der Lancierung der Initiative wurde provisorisch auf August dieses
Jahres festgelegt.
Der Verein und die Initiative sollten ursprünglich einmal
gegen ein Endlager im Kanton Solothurn vorgehen. "Wir wollten uns dann
aber nicht auf den Müll, sondern auf dessen Ursache - das AKW -
konzentrieren", gab Bolliger als Grund für die Richtungskorrektur
an.
Der Name: "Stopp Gösgen 2"
Die Wahl des Vereinsnamens - der zugleich auch als Name der
Initiative fungieren soll - nahm einige Zeit in Anspruch. Nachdem man
sich sehr schnell per Abstimmung auf "Solothurn Atomfrei" geeinigt
hatte, startete ein Rückkommensantrag die Diskussion von Neuem. Da
einige Mitglieder den Namen "Stopp Gösgen 2" als konkreter und
eingängiger befanden, gewann er die Abstimmung gegen "Solothurn
Atomfrei" mit 10 zu 6 Stimmen.
In den Statuten wurde festgelegt, dass sich der Verein gegen den
Bau neuer Atomkraftwerke im Kanton Solothurn einsetzt: "Er tut dies
namentlich, indem er als Träger und Initiant einer kantonalen
Volksinitiative im Kanton Solothurn fungiert." Aus den Statuten geht
auch hervor, dass sich der Verein in erster Linie durch Spenden
finanzieren soll.
Gegen Ende des Anlasses hielt Rudolf Rechsteiner ein Referat
gegen die AKW. Er wies darauf hin, dass Atomenergie mehr und mehr von
erneuerbaren Energien verdrängt werde. Neue AKW seien nur noch
wegen Korruption im Parlament und Druck von der Atomlobby im
Gespräch.
Bei den Vorstandswahlen kam es zu einer "Kampfwahl" um den Posten
der Co-Präsidentin von Seiten der Juso, zwischen Bettina
Leibundgut und Alice Schmid. Um dann schliesslich Alice Schmid aus
Biberist zu wählen, war sogar ein zweiter Wahlgang nötig.
Ansonsten wurden alle Kandidaten einstimmig gewählt. Es sind dies:
Co-Präsident (Junge Grüne) Cyril Bolliger, Hessigkofen;
Sekretär Christof Schauwecker (Junge Grüne), Solothurn;
Kassier Jeremias Ambühl (Juso), Solothurn; Beisitz (Junge
Grüne) Magdalena Röösli, Aedermannsdorf, und Beisitz
(Juso) Laura Villiger, Zuchwil.
Bis jetzt gab es noch keine Kandidaturen von allfälligen
Partnerorganisationen für die dafür vorgesehenen fakultativen
Beisitze.
---
bernerzeitung.ch 1.2.11
Mühleberg nochmals Thema im Grossen Rat
sda / bs
Das Kantonsparlament hat die wohl letzte Gelegenheit genutzt, vor
der Abstimmung Mitte Februar noch einmal den Ersatz des AKW
Mühleberg zu thematisieren. Im Rahmen der Fragestunde hatte
Energiedirektorin Barbara Egger viel Arbeit.
Die Parlamentarier beschäftigte unter anderem die Frage nach
einem geplanten Zwischenlager für radioaktive Abfälle in
Mühleberg.
Es sei nicht geplant, radioaktive Abfälle anderer
Kernkraftwerke in Mühleberg zwischenzulagern, gab Barbara
Egger-Jenzer (SP) bekannt. Der Bau eines Zwischenlagers würde erst
nach Inbetriebnahme eines neuen AKW an die Hand genommen, also erst in
den Jahren 2025 bis 2030.
Ziele weniger hoch gesteckt
Auch der Entscheid der BKW Energie AG, ihre Ziele im Bereich
erneuerbare Energien zu senken, gab Anlass zu Fragen. Die BKW habe ihre
Ziele nicht gesenkt, weil sie nicht an deren Potenzial glaube, betonte
Egger.
Es sei vielmehr so, dass Projekte für die Nutzung
erneuerbarer Energien lokal oft auf grossen Widerstand stiessen. Sie
nehme den Entscheid der BKW mit Bedauern, aber auch einem gewissen
Verständnis zur Kenntnis.
Perrenoud: "Hinweise ernst genommen"
Ein weiteres Thema war das Anfang Jahr vom Kanton geschlossene
Behindertenheim Tobias in Niederbipp. Gesundheits- und
Fürsorgedirektor Philippe Perrenoud betonte, dass Hinweise auf
eine Gefährdung von Heimbewohnern beim Kanton ernst genommen
würden.
Tatsächlich seien schon 2002 und 2007
Gefährdungshinweise zum Haus Tobias eingegangen, allerdings
hätten sich diese bei entsprechenden Abklärungen nicht
erhärtet.
Das zuständige Amt nehme pro Jahr rund zehn bis 15
Heimbesuche vor, informierte Perrenoud weiter. Wollte man diese
Aufsichtstätigkeit intensivieren, bräuchte es entweder mehr
Personal oder der Kanton müsste externe Fachpersonen damit
betrauen. Beides würde entsprechende Kosten verursachen,
konstatierte Perrenoud.
Ehre für einen ganz "Bösen"
Schliesslich beschäftigte sich der Rat auch noch mit einem
ganz "Bösen". Christoph Berger (SVP/Aeschi) wollte wissen, warum
Schwingerkönig Kilian Wenger nicht zur Wahl "Berner Sportler des
Jahres" zugelassen worden sei.
Dies habe schlicht und einfach zeitlich nicht mehr gereicht,
erklärte Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg
Käser. Wenger habe das "Eidgenössische" am 22. August
gewonnen. Damals sei die Nominationsfrist schon abgelaufen gewesen. Der
Kanton habe Wengers Verdienste aber mit der Verleihung des
Sonderpreises "Berner Sportbär" gewürdigt.
---
Bund 1.2.11
Leuenberger wütend über AKW-Kampagne
Das Komitee "Ja zu Mühleberg" wirbt mit Bild und Aussagen
von Moritz Leuenberger für neue Atomkraftwerke. Gefragt wurde er
nicht. "Hier wird suggeriert, ich unterstütze ein Ja zu
Mühleberg", sagt der Alt-Bundesrat. Auch ein anderes SP-Mitglied
hat bezüglich Atomkraft Erklärungsbedarf. Grossrat Markus
Meyer ist Geschäftsführer des Forums Vera, das Atomkritiker
zur Atomlobby zählen.(rw) — Seite 24
--
SP-Grossrat zwischen Atomlobby und Atomgegnern
Markus Meyer ist Geschäftsführer des Forums Vera, das
Atomgegner der Atomlobby zurechnen.
Reto Wissmann
In der Atomdebatte sind die Fronten klar: Linke und Grüne
sind gegen den Bau neuer Atomkraftwerke, bürgerliche Politiker
praktisch geschlossen dafür. Unklar ist hingegen die Rolle von
Grossrat Markus Meyer, einer führenden Kraft in der SP-Fraktion.
Der gelernte Maurer und studierte Rechtsanwalt aus Roggwil ist unter
anderem Präsident der SP Oberaargau und seit vielen Jahren
Geschäftsführer des Forums Vera (Verantwortung für die
Entsorgung radioaktiver Abfälle). Nach eigenen Angaben setzt sich
die Institution mit Sitz in Bern unabhängig von Parteiinteressen
für die "technisch sichere und akzeptable Entsorgung von
radioaktiven Abfällen" ein. Den Vorstand dominieren jedoch FDP,
CVP und SVP-Vertreter. Atomkritiker zählen das Forum denn auch zur
Atomlobby.
Dient Meyer der Organisation somit lediglich als
sozialdemokratisches Feigenblatt? Der Grossrat wehrt sich: "Das Forum
Vera ist absolut nicht Teil der Atomlobby." Es kümmere sich
lediglich darum, Lösungen für das Abfallproblem zu finden, um
es nicht kommenden Generationen überlassen zu müssen. Aus der
aktuellen Debatte über den Ersatz des Kernkraftwerks
Mühleberg halte sich das Forum bewusst heraus.
Und wie steht Meyer persönlich zur Atomkraft? "Ich bin zwar
skeptisch, vertrete aber die Ansicht, dass es nicht möglich ist,
sofort aus der Kernkraft auszusteigen", sagt er. Zum Bau eines neuen
Kernkraftwerks in Mühleberg will sich Meyer nicht festlegen: "Bei
dieser Frage möchte ich den Joker einsetzen." Auch im Grossen Rat
spielte er den Joker: Als es im November um die Abstimmungsempfehlung
zur Konsultativabstimmung vom 13. Februar über Mühleberg II
ging, enthielt sich Meyer der Stimme.
Unter den Genossen sorgt Meyers Haltung gelegentlich für
Gesprächsstoff. Parteipräsident Roland Näf sagt: Er
akzeptiere grundsätzlich andere Auffassungen, dass sich Meyer beim
Forum Vera als Geschäftsführer engagiere, sei jedoch "nicht
so glücklich".
Intransparente Finanzierung
Das Forum Vera führt Studienreisen sowie Weiterbildungskurse
für Lehrkräfte durch und publiziert Informationsmaterial zum
Thema Atomkraft. Laut Meyer verfügt es über ein Jahresbudget
von 290 000 Franken. Zwei Drittel davon stammten von der Nationalen
Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra),
die weitgehend von den AKW-Betreibern finanziert wird, sowie von den
"Stromproduzenten" direkt. Welche Firma welchen Beitrag leistet und wie
viel Geld etwa von der BKW stammt, gibt das Forum nicht bekannt.
Der Schaffhauser SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr bezeichnet
das Forum als "atomfreundliche Organisation" und Jürg Buri,
Geschäftsführer der atomkritischen Energiestiftung, als
"Airbag der Atomindustrie". 1998 sorgte das Forum mit einer
Werbekampagne für Aufregung. Darin wurde unter dem Slogan "Energie
erzeugt Abfall" Atomkraft mit Bananen verglichen.
--
Kanton Bern
24 Seelsorgende gegen AKW
Das Komitee "Seelsorgerinnen und Seelsorger gegen Mühleberg
II" empfiehlt ein Nein in der Konsultativabstimmung über den
Ersatz des AKW Mühleberg. Der Vereinigung gehören 24
Theologinnen und Theologen und Pfarrleute aus römisch-katholischen
und reformierten Pfarreien im Bernbiet an. Die Atomenergie widerspreche
der Generationengerechtigkeit, so das Komitte.(pd)
---
BZ 1.2.11
Mit Leuenberger für das AKW
AKW-abstimmungAlt-Bundesrat Moritz Leuenberger wirbt ohne sein
Wissen für den Ersatz des AKW Mühleberg.
Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung im Kanton Bern über ein
neues Kernkraftwerk in Mühleberg gibt ein Inserat der
Befürworter zu reden. Es wirbt mit einem Foto und einem Zitat von
Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) für ein Ja an der Urne.
"Ich wurde vor Erstellung des Inserates nicht kontaktiert; dieses
ist ohne mein Wissen erschienen", stellt der ehemalige Vorsteher des
Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek)
in einer Mitteilung klar.
Vorgehen ist nicht korrekt
Der Alt-Bundesrat wird im Inserat mit einer Aussage vom 24.
Oktober 2010 zitiert. Er sagte damals, dass die Kernenergie "nahezu
CO2-freien Strom" produziere, was klimapolitisch "nicht zu
unterschätzen" sei. Das Zitat stamme aus seiner Zeit als aktiver
Bundesrat und gebe die offizielle Haltung des Gesamtbundesrates wieder,
hält Leuenberger fest. Für die kommende Abstimmung hätte
man deshalb die aktuelle Energieministerin zitieren müssen. Das
Vorgehen der Inserenten sei unkorrekt. In den kantonalen
Abstimmungskampf wolle er sich nicht einmischen.
Befürworter wehren sich
Beim Komitee "Ja zu Mühleberg" ist man sich indes keines
Fehlers bewusst. Leuenberger sei eine öffentliche Person, sagte
Komiteesprecher Adrian Haas auf Anfrage. Zudem stehe im Inserat, dass
das Zitat aus Leuenbergers Zeit als Bundesrat stamme. Ein
Einverständnis sei deshalb nicht nötig gewesen. Das Komitee
habe einfach jenes Bundesratsmitglied zitieren wollen, dass damals
für die Energiestrategie des Bundes zuständig gewesen sei,
hält Haas fest. Dass auf dem Bild des Inserats auch das Logo von
Leuenbergers Partei zu sehen ist, halte er ebenfalls nicht für
problematisch. Die SP kämpft im Kanton Bern an vorderster Front
gegen ein neues AKW.
sda
---
Tagesanzeiger 1.2.11
Atom-Befürworter benutzen Leuenberger
Ein Berner Komitee wirbt mit dem Konterfei und mit Aussagen von
Moritz Leuenberger für das AKW Mühleberg. Der frühere
Umweltminister ist erbost.
Von Daniel Foppa
Am 13. Februar stimmt der Kanton Bern konsultativ über ein
neues Atomkraftwerk in Mühleberg ab. Die Befürworter haben
nun unerwartete Schützenhilfe erhalten: In Inseraten, die gestern
im "Bund" und in der "Berner Zeitung" erschienen sind, wirbt
Ex-Energieminister Moritz Leuenberger für Atomstrom. Der Haken an
der Sache: Leuenberger wurde gar nie angefragt, ob er bei der Kampagne
mitmachen wolle.
Der Zürcher ist denn auch entsprechend verstimmt: "Diese
Inserate erschienen ohne mein Wissen. Hier wird suggeriert, ich
unterstütze ein neues AKW Mühleberg", sagt er auf Anfrage.
Das sei "unkorrekt". Leuenberger betont, er habe in der zitierten
Aussage die offizielle Haltung des Gesamtbundesrats wiedergegeben.
Indem sein Zitat aber neben einem Bild mit SP-Logo stehe, werde
suggeriert, er habe diese Aussage an einem Parteitag gemacht.
"Damit ziehen die Befürworter auch meine Partei in ihre
Kampagne rein", sagt Leuenberger. Trotz seines Ärgers will er
keine juristischen Schritte unternehmen. Für ihn zeugt es von
"mangelndem Anstand", dass ihn das Komitee nicht kontaktiert hat.
Inhaltlich möchte sich Leuenberger nicht zur Frage eines neuen AKW
Mühleberg äussern.
"Mit harten Bandagen"
Adrian Haas, Sekretär des Komitees, weist die Vorwürfe
zurück: "Moritz Leuenberger ist eine öffentliche Person.
Deshalb ist sein Einverständnis nicht erforderlich." Zudem stehe
im Inserat, dass Leuenberger diese Aussage als Bundesrat gemacht habe.
"Leuenberger hat die bundesrätliche Energiestrategie geprägt.
Und die setzt eben auch auf Atomstrom", so Haas. Ob das Inserat erneut
publiziert werde, sei noch offen.
Selbstkritischer als Haas gibt sich der Berner BDP-Ständerat
Werner Luginbühl, der dem Komitee-Vorstand angehört: "Man
hätte Leuenberger vor der Veröffentlichung des Inserats
anfragen sollen - auch wenn die Antwort absehbar gewesen wäre." Es
sei bekannt, dass Mitglieder einer Exekutive nicht immer ihre
persönliche Meinung vertreten könnten. Luginbühl sagt,
der Abstimmungskampf um Mühleberg sei hoch emotional: "Da wird
hüben wie drüben mit harten Bandagen gekämpft."
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bundesrat gegen seinen
Willen zu Kampagnenzwecken gebraucht wird. 2007 sorgte eine Kampagne
des Gewerkschaftsbunds (SGB) für Kritik. Auf Plakaten wurden die
Bundesräte Christoph Blocher, Pascal Couchepin und Hans-Rudolf
Merz als Behinderte dargestellt, um so gegen die Revision der
Invalidenversicherung zu werben. Der SGB entschuldigte sich
schliesslich dafür.
---
NZZ 1.2.11
Apropos
Von Zitaten heimgesucht
Davide Scruzzi ·
"Die Kernenergie ist Bestandteil der bundesrätlichen Politik. Sie
produziert nahezu CO 2 -freien Strom . Das ist klimapolitisch nicht zu
unterschätzen " , verkündet der frühere Bundesrat Moritz
Leuenberger in einem Inserat der Befürworter eines neuen AKW
Mühleberg. Diese Botschaft im Berner Abstimmungskampf erstaunt.
Nicht weil sie falsch wäre, sondern weil Leuenberger auch
während seiner Amtszeit seine AKW-kritische Haltung nie ganz
verheimlichen konnte.
Hat der Ex-Magistrat neben dem neuen Verwaltungsratsmandat bei
der Baufirma Implenia nun auch bei der Stromwirtschaft angeheuert?
Über die Schweizerische Depeschenagentur erklärt er, dass das
Zitat aus seiner Zeit als aktiver Bundesrat stamme und die Haltung des
Gesamtbundesrats wiedergebe. Dieses Abdrucken im Abstimmungskampf sei
unkorrekt, die jetzige Energieministerin sei in der Frage zu zitieren,
so Leuenberger.
Die politische Wirksamkeit des frechen Inserats ist schwierig
einzuschätzen. Noch komplexer droht künftig aber die
Zuschreibung von Leuenberger-Zitaten zu werden. Sind die
vielgerühmten Texte des Alt-Bundesrats, beispielsweise im Buch
"Lüge, List und Leidenschaft", nun ebenfalls Äusserungen des
Gesamtbundesrats oder gar von Doris Leuthard? Umbenennungen leistet
sich die Buchbranche allenfalls, wenn ein Autor Papst wird. Vielleicht
ist aber Moritz Leuenberger ohnehin bald froh um eine kleine
AKW-freundliche Zitatsammlung - falls "sein" Unternehmen Implenia
dereinst um Bauaufträge für neue AKW buhlt.
---
20 Minuten 1.2.11
Leuenberger "wirbt" für AKW
BERN. Alt Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) als
Aushängeschild der AKW-Befürworter: Dieses Bild suggeriert
ein Inserat, das die AKW-Freunde kurz vor der Berner Abstimmung
über ein neues Kraftwerk in Mühleberg lanciert haben.
Verwendet haben sie dazu ungefragt ein Zitat aus seiner Zeit als
Bundesrat: Er sagte damals, dass die Kernenergie "nahezu CO2-freien
Strom" produziere, was klimapolitisch "nicht zu unterschätzen"
sei. Jetzt distanziert sich Leuenberger vom Inserat: Das Zitat stamme
aus seiner Zeit als Bundesrat und gebe die offizielle Haltung des
Gesamtbundesrates wieder.
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BZ 1.2.11
AKW-Abstimmung - Mühleberg
In Mühleberg gibt es kaum Widerstand gegen das neue AKW
Gut für die Steuern, schlecht für die Landschaft. Der
mögliche Ersatz des AKW Mühleberg löst in den
betroffenen Gemeinden ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Ein
Augenschein im Zentrum der Berner Kernkraft.
Mühleberg macht Schlagzeilen. Zwei Wochen vor der
Konsultativabstimmung zum Berner AKW vergeht kein Tag, an dem der Name
nicht irgendwo auftauchte: Nachrichten, Plakatwände, Flyer… Die
kleine Berner Gemeinde mit dem grossen Kraftwerk ist zum landesweiten
Politikum geworden.
Vertrauen in die Kernkraft
Während die Schweiz über Sinn und Unsinn von Atomkraft
diskutiert, geht das Leben in Mühleberg weiter wie gewohnt.
Zumindest fast: "Ich werde mich nicht beklagen, wenn die Abstimmung
endlich vorbei ist", sagt Gemeindepräsident Kurt Herren mit einem
müden Lächeln. Von der Genfer Zeitung "Le Temps" bis zur
"Schweizer Illustrierten" - alle wollten von ihm eine Antwort auf
dieselbe Frage: Herr Herren, wie lebt es sich mit einem Atomkraftwerk
vor der Haustüre? Und immer antwortete er in seiner besonnenen
Art: "Wir haben nie Probleme mit dem AKW gehabt. Das Vertrauen ist
gross." Dem Gemeindepräsidenten ist keine organisierte Gruppe im
Ort bekannt, die sich öffentlich gegen das Projekt stellt; nicht
einmal die lokale Linke hat die Nein-Parole gefasst.
Eine teure Nebenerscheinung
Tatsächlich zeigt eine regionale Umfrage von 2009, dass die
Zustimmung zu einem neuen AKW nirgends grösser ist als in
Mühleberg selbst (siehe Grafik rechts). Gründe dafür
gibt es einige. Da sind zum einen die nach Herrens Schätzung rund
50 Gemeindemitglieder, die im AKW arbeiten: "Diese Verankerung schafft
zusätzliches Vertrauen." Da ist zum anderen aber auch der ganz
konkrete finanzielle Vorteil, den das Kernkraftwerk mit sich bringt:
Seit 2001 fliessen jährlich Millionenbeträge an Steuern in
Mühlebergs Kassen. Rund ein Zehntel der Steuereinnahmen
würden diese laut Herren durchschnittlich ausmachen. Dabei
hängt die Höhe des Betrags vom Gewinn der BKW ab. Weil ein
neues AKW deutlich mehr Strom produzieren würde, könnte sich
der Zustupf für Mühleberg künftig sogar
vergrössern. "Die Steuern sind eine schöne Nebenerscheinung",
sagt der Gemeindepräsident. Das Geld dürfe jedoch auf keinen
Fall zum Hauptargument werden.
Ein Blick auf die Steuersätze der Region zeigt, wie viel
Geld die Einwohner von Mühleberg durch das Kernkraftwerk
einsparen: Mit 1,25 Einheiten liegt die Gemeinde weit unter dem Schnitt
der neun Nachbarn (1,65 für 2010). Wie lange das noch so bleibt,
dürfte vom Berner Stimmvolk abhängen. Sagt dieses am 13.
Februar Nein und verabschiedet sich die BKW nach 2020 aus
Mühleberg, wäre eine Erhöhung der Steuern unvermeidlich.
Das bestätigt auch Gemeindepräsident Herren:
"Längerfristig würden wir uns einem Wert von 1,65
annähern."
Das versteckte Kraftwerk
An einen nachhaltigen Vorteil für das lokale Gewerbe glaubt
Kurt Herren ebenso wenig wie an einen Nachteil für das Image der
Gemeinde: "Das Kraftwerk ist im Alltag kaum präsent. Es ist so gut
versteckt, dass man es fast vergessen könnte." Ganz anders
sähe das während der Bauzeit des neuen AKW aus: Die Zufahrt
zur Baustelle sowie der Standort des geplanten Logistikplatzes und der
Bauarbeitersiedlung seien die grossen Streitpunkte in der Gemeinde.
"Das sind die Nachteile, mit denen wir leben müssten", sagt Kurt
Herren. Dennoch sei der Gemeinderat davon überzeugt, dass die
Schweiz ein neues AKW Mühleberg brauche: "Wir müssen sparen
und die alternativen Energien fördern. Doch für ein Ende
unseres Kernkraftwerks ist es zu früh."
Opposition aus dem Norden
Nur wenige Kilometer nördlich von Mühleberg sieht die
Welt ganz anders aus. Hier, auf der anderen Seite der Aare, findet sich
keine klare Mehrheit für ein neues AKW. "Wir haben zwar die
Nähe zum Kraftwerk, doch die Vorteile fehlen." Urs Kuhn,
Gemeindepräsident von Radelfingen, ist skeptischer als sein
Amtskollege. Die Grösse des Kühlturms, der Lärm der
Ventilatoren, der Verlauf der Hochspannungsleitungen - die
nördlichen Nachbarn des Kernkraftwerks haben eine ganze Menge
Bedenken. Anfang 2010 kam die BKW nach Radelfingen, um die Einwohner zu
informieren. Doch die gestellten Fragen waren konkreter als die
Antworten der Experten - eine gewisse Unsicherheit blieb.
"Natürlich ist zu diesem Zeitpunkt noch vieles unklar", sagt Kuhn.
Dennoch müsse man sich fragen, ob der Nutzen eines neuen
Kraftwerks für die Region grösser sei als der Schaden, den
Bau und Betrieb anrichteten.
Begehrter Kernkraft-Kuchen
Geplant sei, dass auch in Zukunft der Grossteil des Verkehrs
durch die Gemeinde Mühleberg läuft. Trotzdem rechnet Kuhn mit
negativen Auswirkungen auf Radelfingen. So ist zum Beispiel ein
Logistikplatz auf dem Gemeindeland geplant, zudem sollen mehrere
Brücken über die Aare gelegt werden. "Was die Vorteile
angeht, mache ich mir keine Illusionen", sagt der
Gemeindepräsident. Das lokale Gewerbe werde kaum profitieren, die
Arbeitsplätze im Kraftwerk fallen für die Gemeinde nicht ins
Gewicht. Hinzu kommt: In Radelfingen liegt der Steuersatz bei 1,69
Einheiten, die Nähe zum AKW lohnt sich finanziell nicht.
"Natürlich gibt es den einen oder anderen, der etwas neidisch nach
Mühleberg blickt", glaubt Urs Kuhn. Auch deshalb gebe es
Bestrebungen der umliegenden Gemeinden, ein Stück vom
Kernkraftkuchen abzubekommen. Konkrete Pläne für eine
Entschädigung durch die BKW liegen laut Kuhn noch nicht vor: "Bei
einem Ja schauen wir weiter. Kaufen lassen werden wir uns nicht."
Christian Zeier
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Volksinitiativen
Keine Mehrheit für Berner Atomgegner
Die Geschichte zeigt: Der Kanton Bern gehört im landesweiten
Vergleich zu den AKW-Befürwortern. Ein einziges Mal nahm er eine
atomkritische Initiative an.
Die Korken der Atomgegner knallten vor mehr als zwanzig Jahren.
Am 23. September 1990 sagte die Schweiz Ja zur Initiative "Stopp dem
Atomkraftwerkbau" - es blieb bis zum heutigen Zeitpunkt die einzige
nationale Zustimmung zu einer atomkritischen Volksvorlage. Das
Erstaunliche daran: Der Kanton Bern stimmte damals klarer zu als der
Schweizer Durchschnitt. Ganze 56,7 Prozent wollten ein auf zehn Jahre
begrenztes Moratorium für neue Kernkraftwerke. Am selben
Abstimmungstag stellte sich der Kanton mit nur 51,6 Prozent gegen eine
Initiative zum Ausstieg aus der Atomenergie. Zwar wurde die Vorlage
abgelehnt, doch Bern hatte sich erneut atomkritischer gezeigt als der
Rest der Schweiz. Der Kanton Bern als Kritiker der Kernenergie?
Mitnichten, wie ein Blick auf die weiteren Volksinitiativen zeigt. Denn
die Geschichte der Atomabstimmungen begann bereits rund zehn Jahre
früher: 1979 lehnte das Land die Volksinitiative für nukleare
Sicherheit ab - der Kanton Bern lag mit 56,3 Prozent klar über dem
landesweiten Schnitt. Nur fünf Jahre dauerte es bis zum
nächsten Urnengang. 1984 wurde die Initiative "Für eine
Zukunft ohne Kernkraftwerke" abgelehnt, wieder zählte Bern zu den
klar ablehnenden Kantonen. Mit Ausnahme von 1990 blieb das Schema auch
in den folgenden Jahren gleich: Die Schweiz lehnte ab, Bern noch etwas
deutlicher. Sowohl das "Moratorium Plus" als auch die Initiative "Strom
ohne Atom" gingen 2003 den Bach runter. Bern half mit 58,4 respektive
66,3 Prozent Nein-Stimmen kräftig mit.
Grösser noch als die Zustimmung zur Kernenergie war in der
Vergangenheit aber die Uneinigkeit innerhalb des Kantons. Ein Beispiel:
Während die Standortgemeinde Mühleberg das Moratorium von
2003 mit mehr als 72 Prozent ablehnte, stimmte die Stadt Bern mit 54,4
Prozent zu.
Christian Zeier
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AKW: ja oder nein?
Abstimmung Am 13. Februar stimmt das Bernervolk darüber ab,
ob es in Mühleberg nach dem Jahr 2020 ein neues Atomkraftwerk will
oder nicht. Wichtig zu wissen: Es handelt sich dabei um eine
konsultative Abstimmung. Das heisst: Das Resultat ist für den Bund
nicht bindend, dürfte aber eine grosse Signalwirkung haben.
Diese Zeitung beleuchtet vor der wegweisenden Abstimmung in einer
Serie das Thema von verschiedenen Seiten.
AKW-Abstimmung
Das Dossier zum Urnengang vom 13. Februar
www.urnengang.bernerzeitung.ch
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Oltner Tagblatt 1.2.11
"Definitiv keine Hurra-Stimmung"
Olten-Gösgen Die SP der Amtei Olten-Gösgen sieht sich
durch die Resultate der Bevölkerungsbefragung zu den
kerntechnischen Anlagen bestätigt. Es gebe im Niederamt definitiv
keine Hurra-Stimmung für ein neues Kernkraftwerk, wie das einzelne
politische Exponenten aus Gemeinden und Kanton immer wieder zu glauben
machen wollten. Im Gegenteil: 45 Prozent seien negativ eingestellt -
nur 38 Prozent positiv. "Die Stimmung gegen-über einem Endlager
für atomare Abfälle ist dermassen klar ablehnend, sie spricht
für sich", schreibt die SP der Amtei Olten-Gösgen in ihrem
Pressecommunique: Es sei anzunehmen, dass das bestehende KKW
Gösgen 1 trotz unterschiedlicher Stimmung in der Bevölkerung
noch mindestens 30 Jahre weiterlaufen werde, sofern nicht gravierende
Sicherheitsprobleme auftauchen würden. Dies bedeute auch, dass
praktisch alle aktuell Beschäftigten bis zu ihrer Pension eine
Arbeitsstelle auf sicher haben werden. Für ein parallel
betriebenes Gösgen 2 gebe es keine Mehrheit im Niederamt. Jetzt,
heute zu entscheiden, bis ins Jahr 2090 ein AKW-Standort zu sein, sei
Zwängerei. Es sei anzunehmen, dass es für einige Befragte
durchaus eine Rolle gespielt haben könnte, dass zwei KKWs lange
Jahre parallel in Betrieb wären. Eine Diskussion über
Gösgen 2 als allfälliges Nachfolgewerk für Gösgen 1
müsste aber nicht 2011 stattfinden, sondern in 15 bis 20 Jahren.
Wohl definitiv die Stimmung gegenüber neuen Kernanlagen
verändert haben die konkreten Pläne für ein Endlager
für atomare Abfälle für das Gebiet Jurasüdfuss. Mit
dem bestehenden Werk Gösgen 1, den forcierten Plänen für
Gösgen 2 und dann noch das Thema Endlager - das war vielen
definitiv zu viel. "Jetzt längts - man ist nicht der
Abfallkübel der Nation - diese Stimmung ist seither weit
verbreitet", so die Partei und findet: "Zudem wäre es nicht sehr
glaubwürdig, einerseits ein Endlager vehement abzulehnen,
anderseits mit Gösgen 2 bis 2090 neue Abfälle produzieren zu
wollen."
Resultate ernst nehmen
Für die SP Olten-Gösgen sei es zwingend, dass die
Behörden in der Region und im Kanton die Resultate dieser Umfrage
ernst nehmen. "Es kann nicht sein, dass man zuerst mehrere 100 000
Franken in eine Studie investiert, und dann so tut, als ob die Meinung
der Bevölkerung irrelevant wäre. "Wenn eine Mehrheit
Gösgen 2 ablehnt, was bedeutet das für das Vorgehen der
politisch Verantwortlichen? Diese Frage müsste jetzt gestellt
werden - und sonst keine!" (mgt/otr)
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Niederamt
Die Studienergebnisse in den Richtplan aufnehmen
Stüsslingen Der Gemeinderat reichte Beschwerde gegen den
Einwendungsbericht zur Anpassung des kantonalen Richtplans "Neues
Kernkraftwerk Niederamt" (KKN) ein.
Von Marie-Theres von Arx
Aufgrund des nun vorliegenden Einwendungsberichtes zur Anpassung
des kantonalen Richtplanes "Neues Kernkraftwerk Niederamt" (KKN) hat
der Gemeinderat Stüsslingen Beschwerde eingereicht. Er fordert,
dass der Richtplan überarbeitet wird und die Ergebnisse der
sozioökonomischen Studie in den Richtplan aufgenommen werden.
Ferner verlangt er, dass im Richtplan verbindlich festzulegen ist, dass
die Steuern und Abgeltungen eines neuen Kernkraftwerkes regional zu
verteilen sind.
Sozioökonomische Studie
Aus Sicht des Stüsslinger Gemeinderates ist es unabdingbar,
dass die Ergebnisse der sozioökonomischen Studie (siehe:
www.stuesslingen.ch) in die Richtplananpassung einfliessen. Die
Beschwerde wird damit begründet, dass die
Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) die Studie in Auftrag
gegeben hat, um gut informiert in die Planungs- und
Entscheidungsprozesse für die Projekte "Neues Kernkraftwerk
Gösgen" und "Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive
Abfälle" einzutreten. Es ist unverständlich, weshalb diese
wichtigen Erkenntnisse der Studie im Richtplan nicht
berücksichtigt werden sollen.
Der Gemeinderat weist insbesondere auf den Umstand hin, dass
gemäss Bevölkerungsbefragung 45 Prozent die Pläne
für ein neues Kernkraftwerk ablehnen, hingegen nur 38 Prozent eine
positive Haltung einnehmen. Dieses Ergebnis steht im klaren Widerspruch
zur Richtplanauflage, in welcher auf eine repräsentative Umfrage
hingewiesen wird, wonach 59 Prozent für ein neues Kernkraftwerk im
Niederamt seien. Es wird verlangt, dass im Richtplan die Zahlen der
sozioökonomischen Studie übernommen werden. Die Akzeptanz der
Bevölkerung wird sicher auch durch den lange geplanten
Parallelbetrieb und das mögliche Tiefenlager beeinflusst.
Viele Hochspannungsleitungen
Gemäss sozioökonomischer Studie gehört
Stüsslingen zu den Gemeinden mit der höchsten Dichte an
Hochspannungsleitungen. Der Gemeinderat verlangt, dass im Richtplan
dieser Tatsache Rechnung getragen wird. Es sei sicherzustellen, dass
sich die Nutzung der Freileitungen und des Magnetfeldes in
Stüsslingen nicht verändern wird.
Abgeltungen und Steuern
Ein neues Kernkraftwerk Niederamt hat für die ganze Region
räumliche Auswirkungen. Schon die gewählte Bezeichnung
"Kernkraftwerk Niederamt" widerspiegelt die regionale Bedeutung.
Verschiedene kernkraftwerkbezogene Einflüsse wie zum Beispiel
Sichtbarkeit des Kühlturmes, Schattenwurf, Distanz zur Kernanlage,
Transportleitungen für den Strom oder tiefere Liegenschaftspreise
beeinträchtigen die umliegenden Gemeinden. Allein die negativen
Imagewirkungen sind für die Region beträchtlich.
Zudem sind elf Niederämter Gemeinden in der Bundesverordnung
über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen in der
Gefahrenzone 1 ausgeschieden. Es darf nicht sein, dass bei einem
allfälligen neuen Kernkraftwerk die Abgaben und
Entschädigungen auf nur eine oder sehr wenige Gemeinden verteilt
werden. Der Stüsslinger Gemeinderat erachtet es als legitim, dass
die regionale Verteilung der Steuern und Abgaben bereits im Richtplan
aufgenommen wird.