Einstiegsseite und Tagesprogramm Die verschiedenen Informationsangebote und Arbeitsgruppen der Reithalle auf einen Blick Allgemeine Informationen über das Kulturzentrum Reitschule Bern Adresse, Telefon, Konto, Mail, etc. Das Monatsprogramm der Reitschule Hyperlinks zu sinnverwandten Seiten
Dachstock

IKuR Veranstaltungsgruppe, Postfach 5053, 3001 Bern
Fax: 031/306 69 61 Tel: 031/306 69 61 (Freitag Nachmittag)

Neu auf www.dachstock.ch!

Zu zehn Jahren veranstalten in der RH

Die Veranstaltungsgruppe - das ist das Kollektiv, welches mehrheitlich im Dachstock der Reithalle vorwiegend musikalische Darbietungen veranstaltet. Nein, falsch, das war einmal ein Kollektiv; dann waren es manchmal auch zwei, drei Kollektive, getrennt, mitunter, durch einen mehr oder weniger tiefen Graben, nach musikalischen Vorlieben. Alle Leute, die in diesem Kollektiv, oder in Fraktionen davon mitmachten, entschieden nach Konsens über das Programm, darüber, was veranstaltet wurde. Dann gab es auch Zeiten, da beschäftigten sich so wenig Leute mit dem Veranstalten, dass der Begriff "Kollektiv" schon gar nicht angewendet werden konnte. Und inzwischen meinen einige, die Veranstaltungsgruppe sei ein dermassen strukturierter, organisierter Haufen, mit spezialisierten Leuten, die ihre Funktionen erfüllen, dass von "Kollektiv" auch nicht mehr die Rede sein könne...

Nun, Tatsache ist, dass in den zehn Jahren, während welchen in der Reithalle veranstaltet worden ist, nicht nur das ständig sich wandelnde Kollektiv, welches die Konzerte programmiert und durchgeführt hat, etwelche Wechsel, einige Hochs und Tiefs durchsegelt hat, sondern dass ebenso die Situation des Veranstaltens, die Vorlieben des Publikums und noch so viel anderes radikalen Änderungen unterworfen worden sind. So gibt es mittlerweile wohl neben der Reithalle noch doppelt so viele andere Veranstaltungsorte, die ein ähnlich gelagertes Programm präsentieren wie die Reithalle, als dies '87 der Fall war. Zudem zerfiel "die Szene", die sich anfänglich einfand, wann immer veranstaltet wurde, so dass es möglich und realistisch war, Konzerte zu selbstbestimmtem Eintrittspreis durchzuführen, zu kleineren, spezialisierten "Szenen", welche sich zumeist fast ausschliesslich auf die Entwicklungen in einem bestimmten Segment des musikalischen Spektrums konzentrieren, so dass es für die Leute, die musikalische Randgebiete beackern, noch schwieriger geworden ist als bis anhin, ein Publikum für ihre Arbeit zu finden. Dazu kommt, dass die Ausbeutung gerade von "Jugend"-Kulturen durch die Musik-Industrie Hochkonjunktur feiert - eigentlich erstaunlich, vor allem angesichts der Tatsache, dass eine Jugend in den späten 90er-Jahren sich mehr als jede vor ihr über "no future" beklagen könnte. Doch selbst "No Future" ist ein Markenartikel, die Satire über die Vermarktung, die Punk einmal war, ist zum Massenkonsumprodukt geworden, wie auch jedes erdenkliche "Revival" musikalischer Zeugnisse der Vergangenheit brav mitgeschluckt wird von einem Publikum, dem es egal ist, was ihm vorgesetzt wird, Hauptsache es ist "in". Nun, vielleicht bietet die Vereinnahmung, die jeweilige "Szene"-Zugehörigkeit, die sich durch den Kauf ausgewählter Produkte manifestiert, jene komfortable Geborgenheit, die auch die Massen zu finden scheinen, die Konzerte mit Vorliebe in Sportstadien konsumieren, oder ganze Strassen mit Techno verstopfen. Einbahnstrassen.

Gab es einst eine Regelung, wieviele "Discos" pro Monat in der gesamten Reitschule, mit Dojo, Frauenraum, Cafeteria, Sous Le Pont etc., stattfinden durften, wären solche Einschränkungen heute zum Lachen. Damals ging es darum, den kommerziellen Gesichtspunkt von Veranstaltungen in Schranken zu halten; inzwischen hat sich das Plattenlegen zu einer eigenen Kunstform mit verschiedenen Stilrichtungen entwickelt, deren Palette durch den Einbezug der Möglichkeiten, die die Digitalisierung von Klangmaterial bietet, noch erweitert wurde. Haben solche Entwicklungen neue Gebiete für Experimente eröffnet, haben sie gleichzeitig auch einer neuen Schwemme kurzlebiger Massenware Tür und Tor geöffnet, zu deren Produktion neben der Technologie kaum mehr als Designer oder Computerspezialisten nötig sind. Auf der Strecke geblieben sind vielfach die Musiker, die entweder selbst beginnen, mit den Möglichkeiten der Technologie zu experimentieren, oder sich ein Image aufbauen, um mit dem musikalischen Produkt, welches sie dem Markt hinzufügen, wahrgenommen zu werden. Damit, mit einem Instrument eine eigene Stimme entwickelt zu haben, mit Virtuosität, kreativem Umsetzen origineller Einfälle allein ist es schwierig, die Aufmerksamkeit eines Publikums zu gewinnen, das sich eher an der bpm-Angabe orientiert als daran, was auf einer Bühne eigentlich abgeht. Auf der Strecke geblieben ist auch die Kommunikation.

Natürlich ist das polemisch, und, sprechen wir von zwei Fraktionen in der gegenwärtigen Besetzung der Veranstaltungsgruppe, der Techno- und DJ- und der MusikerInnen-Fraktion, lässt sich unschwer herauslesen, zu welcher der beiden der Schreiber eher gezählt werden kann. Da aber gegenwärtig kaum ein Veranstaltungsort um diese Problematik herumkommt, und in diesem Spannungsfeld auch viele Diskussionen innerhalb des Kollektivs stattfinden, scheint die kurze Schilderung angebracht. - Vom Anspruch, in der Reithalle "politische Kultur" zu präsentieren, bis zu einem gewissen Grad (Kultur-)Politik zu betreiben durch die Auswahl dessen, was präsentiert wird, ist als gemeinsame Basis wohl der Anspruch geblieben, "nicht kommerzielle Kultur" zu veranstalten. Da natürlich auch um diesen Begriff eifrig diskutiert werden kann, liegt auf der Hand, dass dem Veranstaltungs-Kollektiv nie der Diskussionsstoff ausgehen wird. Weitgehende Einigkeit besteht hingegen auch darüber, wie veranstaltet wird, obwohl bestimmte sachliche und menschliche Aspekte auch hier immer wieder zu Auseinandersetzungen führen können. Festgehalten wird an einer oberen Grenze für Eintrittspreise, welche so auch für "grosse" Konzerte und Parties noch weit unter dem Durchschnitt vergleichbarer Anlässe kommerzieller Veranstalter liegen - oder nur möglich sind für Veranstaltungsorte, die im Gegensatz zur Reitschule ihre Kultur subventioniert bekommen.

Um die vielen losen Fäden und Ansätze dieser kurzen Darstellung zu einem Knoten zu binden, auf einen Punkt zu bringen: Niemandem hier sind die vergangenen zehn Jahre Anlass zu feiern - da war auch niemand so lange dabei. Diesen Ort weitgehend basisdemokratisch organisiert zu betreiben, das etwas andere Arbeiten hier, der Haufen Idealismus, den es braucht, die Freude an den Darbietungen, den Stimmungen einzelner Abende sind es, die sich durch diese Zeitspanne ziehen. Dass im Lauf der Zeit der Raum und die Infrastruktur gewisse Verbesserungen erfahren haben, dass sich die Reithalle als Veranstaltungsort mehr und mehr etabliert hat, täuschen nicht darüber hinweg, dass es Probleme gibt, die stets dieselben geblieben sind, auch wenn immer andere Menschen sie ausgetragen haben. In diesem Sinne:

Reithalle bleibt.