Neue libanesische Filme


Neue libanesische Filme

Ende 2015 publizierte Abou Jaoude, ein mittlerweile weitum bekannter Filmarchivar aus Beirut, unter dem Titel «Tonight» einen umfänglichen Guide zu Libanesischen Filmen von 1929-1979 und konservierte so die goldene Ära des ältesten Kinoschaffens der Region in Form von Postern, Fotos und Artikeln. Diese illustrieren die grosse Bandbreite der Filme von Spionage-Thrillern bis hin zu klassischen Romantikgeschichten. Während des Höhepunkts in den 60er und 70er Jahren wurden im Libanon etwa 35 bis 40 Filme pro Jahr produziert. Schliesslich zwang der Libanesische Bürgerkrieg (1975-1990) die florierende Industrie Mitte der 70er Jahre in die Knie und zerstörte die vielversprechende Zukunft des Libanesischen Kinos. Beinahe wurden die Spuren beinahe ausgelöscht. Danach waren Libanesische Filme bis anfangs der 00er Jahre praktisch inexistent.

Aktuell sind nicht nur viele Libanesische Filmschaffende im Abspann grosser internationaler Produktionen zu finden, sondern auch Libanesische Produktionen tauchen vermehrt wieder vor weltweitem Publikum auf. Gerade im Kino sind ästhetische Elemente aus der arabischen Region im Moment allgemein stark präsent, was Hoffnung und Stolz für die lokale Kinoindustrie auslöste. Doch ernüchternd ist die Realität, dass viele grosse, internationale Produktionen auf die Zusammenarbeit mit lokalen Filmschaffenden verzichten und ihre Crews aus dem Westen einfliegen. Im Oktober widmet sich das Kino in der Reitschule deshalb neuen Libanesischen Filmen. Denn die neuen Filme haben viel zu bieten und gerade der Dokumentarfilm erlaubt den Filmschaffenden, ihre eigene Geschichte selbst zu erzählen. Dabei entfernen sich die Filme vom Thema der Freiheit und Joie-de-vivre ihrer Ahnen der 60er und 70er Jahren hin zu realen Problemen der Libanesischen Gesellschaft.

Der einleitende Spielfilm «Caramel», der 2007 auch in der Schweiz im Kino startete und immerhin 35'183 Eintritte verbuchen konnte, zeigt den Übergang zu authentischeren Themen ziemlich gut. Zudem kann in einem Libanesischen Zyklus eine Produktion von Nadine Labaki, die zu einer der neuen Kinogrössen wurde, nicht fehlen. «A Maid For Each» zeigt anhand dem Markt für Haushälterinnen den harten Bruch und macht die Aktualität der vorherrschenden Probleme in Zusammenhang mit Korruption und fehlendem Rechtsstaat im Libanon deutlich. In einem zweiten Teil beschäftigen sich «Héritages» und «A Time To Rest» mit der Aufarbeitung der Kriegsjahre und mit einer Libanesischen Vergangenheit, die Fragen aufwirft wie: Soll man sich von seinem historischen Erbe lösen um frei zu sein? Und ist dies als neue Generation überhaupt möglich?

Gleich zwei Produktionen von Zeina Daccache zu therapeutischen Theaterprojekten in Libanesischen Gefängnissen halten weiter der gegenwärtigen Libanesischen Gesellschaft den Spiegel vor und entwickeln aus ihrem Mikrokosmos heraus eine unglaubliche Symbolkraft für alle – schöpfen aber auch Hoffnung.

Als Abschluss und im Rahmen von 30 Jahren Reitschule zeigen wir den Dokumentarfilm «Beirut Street» aus dem Jahr 2017. Der Film porträtiert junge Libanesen und Libanesinnen in der Hip Hop Szene auf der Suche nach einer neuen Identität und einem erwachenden Aktivismus. Der Spielfilm «Heaven Sent» als Satire der von Widersprüchen geprägten Libanesischen Gesellschaft, speziell in Beirut, ist schliesslich der Höhepunkt der Selbstreflexion à la Kaurismäki.